L 3 U 647/69

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 647/69
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein Arbeitnehmer, der nebenher einem Landwirt in dessen Landwirtschaft geholfen und sich als Gegenleistung das Abfahren von Brennholz aus dem Wald ausbedungen hat, steht nicht unter Unfallversicherungsschutz, wenn er dabei verunglückt.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 22. Mai 1969 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger ist Schmiedegeselle und hatte dem Landwirt W. in Z. bei der Heuernte geholfen, ohne dafür ein Entgelt erhalten zu haben. Als Gegenleistung erklärte sich W. bereit, vom Kläger gekauftes, für dessen Haushalt bestimmtes Brennholz aus dem Wald abzufahren. Am 21. Juni 1967 fuhr W. mit dem Kläger in den Wald, wo beide das Holz auf einen Anhänger aufluden. Auf der Rückfahrt setzte sich der Kläger neben W. auf die Zugmaschine, die in einer Kurve umstürzte. Dabei erlitten beide Verletzungen.

Während die Beklagte den Landwirt W. Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung gewährte, lehnte sie einen dahingehenden Anspruch des Klägers mit Bescheid vom 24. Juli 1967 ab, weil er kein landwirtschaftliches Unternehmen bewirtschafte und die zum Unfall führende Tätigkeit seiner Haushaltung gedient habe.

Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 18. August 1967 Klage beim Sozialgericht Kassel erhoben. Dieses holte von dem Landwirt W. eine schriftliche Auskunft darüber ein, welcher Art die vom Kläger bei ihm verrichteten landwirtschaftlichen Tätigkeiten waren und wie er entlohnt wurde. Mit Urteil vom 22. Mai 1969 hob das Sozialgericht den Bescheid vom 24. Juli 1967 auf und verurteilte die Beklagte, dem Kläger Entschädigung wegen der Folgen des Unfalls zu gewähren. Zur Begründung führte es aus, der Kläger sei als Gehilfe des Landwirts W. tätig gewesen und insoweit in dessen Betrieb wie ein Arbeitnehmer eingetreten.

Gegen das ihr am 30. Mai 1969 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 18. Juni 1969 Berufung eingelegt. Sie führt u.a. aus, der Kläger habe am Unfalltag bei dem Abfahren seines Brennholzes Arbeiten verrichtet, die in seinem Tätigkeitsbereich, nämlich im Interesse seines eigenen Haushalts, geblieben seien, so daß er nicht gem. § 539 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) unter Versicherungsschutz gestanden habe.

Sie beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 22. Mai 1969 aufzuheben und Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er führt u.a. aus, er sei wie ein Gehilfe des Landwirts W. versicherungsrechtlich in dessen Betrieb eingetreten.

Im übrigen wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten (2 Bände) sowie der Gerichtsakte Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG).

Entscheidungsgründe:

Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und daher zulässig.

Sie ist auch begründet. Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, dem Kläger Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung aus Anlaß seines Unfalls vom 21. Juni 1967 zu gewähren. Eine Anspruchsgrundlage hierfür besteht nämlich nicht.

Der Unfall ereignete sich beim Abfahren von Brennholz, das für den Haushalt des Klägers bestimmt war. Da dieser im Unfallzeitpunkt kein landwirtschaftliches Unternehmen betrieb, stellte seine Haushaltung auch keinen Teil eines solchen Unternehmens dar, so daß es sich in dieser Beziehung nicht um einen landwirtschaftlichen Unfall handelte (§§ 776 Abs. 1 Nr. 1, 777 Nr. 1 RVO).

Der Kläger war in Unfallzeitpunkt auch nicht auf Grund eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses bei dem Landwirt W. beschäftigt, so daß auch kein Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO bestand.

Aber auch die Voraussetzungen des § 539 Abs. 2 RVO liegen nicht vor, denn der Kläger war im Unfallzeitpunkt nicht wie ein nach Absatz 1 Versicherter für den Landwirt W. tätig.

Es trifft zwar zu, daß dieser dem Kläger ein Entgelt für dessen Mithilfe in seiner Landwirtschaft schuldete und sich aus diesem Grunde bereit erklärte, ihm kostenlos Holz aus dem Wald nach Hause zu fahren. Dies ergibt sich zwar nicht aus der während des Klageverfahrens eingeholten Auskunft des Landwirts W. weil deren Richtigkeit nicht an Eides Statt erklärt worden ist und daher prozessual nicht verwertet werden kann (vgl. BSG 4, 60), jedoch aus den glaubhaften Angaben des Klägers und des Landwirts W. anläßlich ihrer polizeilichen Vernehmung in Verwaltungsverfahren. Insoweit besteht zwischen den Beteiligter auch kein Streit.

Da das Brennholz für den Haushalt des Klägers bestimmt war, sind alle Arbeiten, die mit dem Transport dieses Holzes aus dem Wald in das Haus des Klägers verbunden waren, dem häuslichen Bereich des Klägers zuzurechnen. In diesem Bereich war er Unternehmer im Sinne des § 658 Abs. 2 Nr. 1 RVO. Die Unternehmereigenschaft hängt nämlich nicht von der Größe eines Betriebes oder dem Umfang einer Tätigkeit ab. Dabei ist es unerheblich, daß der Kläger mit seiner Tätigkeit auch die Interessen des Landwirts W. insoweit gefördert hat, als er dazu beitrug, daß dieser seine Schuld an ihn begleichen konnte. Eine solche Förderung der Interessen eines anderen Unternehmers ist stets dort zu finden, wo sich bei der Ausführung einer einheitlichen Arbeit die Tätigkeitsbereiche mehrerer Unternehmer berühren; ein Versicherungsverhältnis nach § 539 Abs. 2 RVO wird hierdurch nicht begründet (so auch Urteil des BSG vom 20. Mai 1958, 2 RU 322/55).

Der Ansicht des Klägers, es sei rechtserheblich, daß er als Hilfskraft des Landwirts W. tätig gewesen sei, vermochte sich der Senat daher nicht anzuschließen. Wenn ein Unternehmer bei seiner Berührung mit einem fremden Unternehmen im Rahmen seines eigenen Unternehmens tätig bleibt – und das bleibt er, solange er im Interesse seines eigenen Unternehmens handelt – kann er dabei nicht in dem fremden Unternehmen wie ein Beschäftigter, d.h. in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis tätig sein. Er verbindet sich dann nämlich mit dem fremden Unternehmer und mit dessen Unternehmen zu einem gemeinsamen Werk. Dabei sind beide Mitunternehmer der gemeinsamen Arbeit, so daß beider Tätigkeit nur ihrem eigenen Unternehmen zuzurechnen ist (vgl. Entscheidung der Berufsgenossenschaftlichen Schiedsstelle vom 3. August 1953, Die Berufsgenossenschaft 1954, S. 65).

Die Beklagte hat daher zu Recht dem Landwirt W. Versicherungsleistungen gewährt, weil er bei der Erfüllung einer in seinem Unternehmen entstandenen Verpflichtung verunglückte, dem Kläger diese Leistungen aber versagt, weil er für seinen Haushalt tätig geworden ist. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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