L 25 B 1024/07 AS PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
25
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 94 AS 7740/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 25 B 1024/07 AS PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Prozesskostenhilfe kann auch im Zeitraum zwischen Abgabe einer Erledigungserklärung und deren Annahme gewährt werden.
Der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 04. Juni 2007 (S 94 AS 7740/07) wird aufgehoben. Dem Antragsteller wird in dem Rechtsstreit zum Geschäftszeichen S 94 AS 7740/07 Prozesskostenhilfe für die erste Instanz bewilligt. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Mit der am 27. März 2007 beim Sozialgericht (SG) Berlin eingegangenen Klage (S 94 AS 7740/07) gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 20. Dezember 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Februar 2007 hat der Antragsteller Prozesskostenhilfe beantragt. Gegen die am 04. Juni 2007 erfolgte Ablehnung richtet sich die vorliegende Beschwerde.

In dem beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg durchgeführten Beschwerdeverfahren (L 25 B 174/07 AS ER) anlässlich der erstinstanzlich erfolgten Ablehnung einer einstweiligen Anordnung (S 94 AS 11728/06 ER) haben die Beteiligten am 29. März 2007 einen Vergleich zur Erledigung des dortigen Rechtsstreits geschlossen. Unter Ziffer 4. des Vergleichs ist vereinbart worden, der Antragsteller werde die Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 22. Februar 2007 zurücknehmen.

Mit dem am 13. April 2007 beim SG Berlin zum Geschäftszeichen S 94 AS 7740/07 eingegangenen Schriftsatz hat der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers " die Sache" für erledigt erklärt. Des Weiteren hat er beantragt, über den Antrag auf Prozesskostenhilfe "noch positiv zu entscheiden, sobald wir das PKH-Formular nachgereicht haben".

Die Abschrift dieses Schriftsatzes wurde der Antragsgegnerin übersandt mit der richterlichen Anfrage, ob sich die Antragsgegnerin "der Erledigungserklärung der Hauptsache" anschließe.

Mit dem 18. April 2007 beim SG Berlin eingegangenen Schriftsatz hat der Antragsteller die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers übersandt mit dem Hinweis, das Formular sei nach den dortigen Maßgaben ("bei Vorlage des ALG II- Bescheides Angaben zu E-J entbehrlich") ausgefüllt worden.

Mit dem am 08. Mai 2007 beim SG eingegangenen Schriftsatz hat die Antragsgegnerin mitgeteilt, dass sie das Klageverfahren ebenfalls für erledigt erkläre.

Mit Beschluss vom 04. Juni 2007 hat das SG den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem SG Berlin abgelehnt. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, nach Erledigung der Hauptsache sei kein Raum mehr für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Eine nachträgliche Bewilligung von Prozesskostenhilfe komme nur in Betracht, wenn zu einem Zeitpunkt vor Klagerücknahme des Antragsformulars und sämtliche Unterlagen vorgelegen hätten. Das Antragsformular sei dem Gericht jedoch erst nach Erledigungserklärung zugegangen. Die Erledigungserklärung sei nach dem Vergleich als Klagerücknahme zu werten. Auf die fehlenden Nachweise zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen komme es insoweit nicht mehr an.

Gegen den dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers am 14. Juni 2007 zugestellten Beschluss richtet sich die am 18. Juni 2007 beim SG eingegangene Beschwerde des Antragstellers.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der vorliegenden Gerichtsakten (S 94 11728/06 ER und S 94 AS 7740/07 mit Heften zu den Prozesskostenhilfeverfahren) und auf den Inhalt der Leistungsakten der Antragsgegnerin.

II.

Die zulässige und im Übrigen statthafte Beschwerde ist begründet.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die erste Instanz ist zulässig und begründet.

Nach § 73 a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die Bejahung der Erfolgsaussicht genügt, dass der Erfolg nach den bisherigen Umständen eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich haben muss (Baumbach/Hartmann, ZPO, 59. Auflage § 114 Rz. 80).

Sämtliche Voraussetzungen liegen hier vor.

Zu dem am 27. März 2007 beim SG eingegangenen Antrag haben die erforderlichen Unterlagen mit der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vor Erledigung des Rechtsstreits vorgelegen. Der Rechtsstreit ist erst am 08. Mai 2007, dem Tag des Eingangs der Erledigungserklärung der Antragsgegnerin, beendet worden. Zu diesem Zeitpunkt lagen dem Gericht die Unterlagen vor, die der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers mit dem am 18. April 2007 eingegangenen Schriftsatz übersandt hatte. Damit konnte das SG vor Beendigung des Rechtsstreits über den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe entscheiden.

Das SG ist in der angefochtenen Entscheidung von einer unzutreffenden Voraussetzung ausgegangen, wenn es zugrunde gelegt hat, nach Erledigung der Hauptsache sei kein Raum mehr für die Bewilligung von Prozesskosten, die nachträgliche Bewilligung komme nur in Betracht, wenn zu einem Zeitpunkt vor Klagerücknahme das Antragsformular und sämtliche Unterlagen vorgelegen hätten.

Eine Klagerücknahme ist nicht erklärt worden. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat ausdrücklich den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Dies hat das Gericht auch erkannt und hat den Rechtsstreit mit allein dieser Erklärung auch ihn nicht für beendet erachtet. Hingegen hat es diesen Schriftsatz der Antragsgegnerin übersandt mit der Frage, ob sich die Beklagte der Erledigungserklärung der Hauptsache anschließe. Damit ging auch das SG davon aus, dass keine Klagrücknahme vorlag, die das Verfahren ohne weitere Erklärung der Antragsgegnerin beendet hätte, denn im sozialgerichtlichen Verfahren ist die Zustimmung des Gegners für die Rücknahme der Klage nicht erforderlich.

Rechtlich unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass in dem geschlossenen Vergleich die Erklärung des Antragstellers, er werde die Klage zurücknehmen, enthalten ist. Der Prozessbevollmächtigte hat ausdrücklich eine Klagerücknahme nicht erklärt. Diese Prozesshandlung lässt sich hier nicht konstruieren. Hier ist die Beendigung des Rechtsstreits durch übereinstimmende Erledigungserklärungen erfolgt, nachdem die Antragsgegnerin das Verfahren ebenfalls für erledigt erklärt hatte. Der übereinstimmenden Erklärung, die Hauptsache für erledigt zu erklären, wird eine den Rechtsstreit in der Hauptsache beendenden Wirkung zu erkannt (Bundessozialgericht, Beschluss vom 07. September 1998; B 2 U 10/98 R).

Daher kann dahinstehen, ob nicht bereits vor Eingang der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse Bewilligungsreife vorlag und ob das SG auch ohne Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse über den Antrag auf Prozesskostenhilfe im vorliegenden Verfahren entscheiden konnte, wie es im Beschwerdeverfahren des Landessozialgerichts zum Geschäftszeichen L 27 B 174/07 AS ER geschehen ist. Denn der Vordruck für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sieht ausdrücklich vor, dass die wesentlichen Angaben entbehrlich sind, wenn laufende Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch oder Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch bezogen werden, wie es hier der Fall ist. Entsprechend hatte sich der Antragsteller auch beim Ausfüllen des Vordrucks verhalten. Damit brachte die Einreichung des Vordrucks keine neuen Erkenntnisse über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragsstellers, was nach dem Inhalt der Leistungsakten der Antragsgegnerin und den Vorgaben im Vordruck zu erwarten war.

Der Antragsteller ist nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen auch nicht in der Lage gewesen, die Kosten der Prozessführung aufzubringen.

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bot auch hinreichende Aussicht auf Erfolg. Bei summarischer Prüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ist eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass der ehemals geltend gemachte Anspruch des Klägers begründet war, gegeben.

Im Streit war zwischen den Beteiligten ein Bescheid der Antragsgegnerin zur Absenkung der Leistungen nach dem Zweiten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB II) mit der Begründung, der Antragsteller habe die Pflichten der Eingliederungsvereinbarung nicht erfüllt. Er habe Eigenbemühungen nicht in ausreichendem Maße nachgewiesen.

Aktenkundig hatte der Antragsteller jedoch eigene Bemühungen um Erlangung eines Arbeitsplatzes nachgewiesen, so dass die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides zweifelhaft ist. Dies gilt umso mehr, als eine unterschriebene Eingliederungsvereinbarung nicht aktenkundig ist.

Soweit die nicht unterschriebene Eingliederungsvereinbarung Eigenbemühungen der Art vorsieht, dass eine Bewerbung pro Werktag auf ausgeschriebene Stellen verlangt wird, bestehen erhebliche Zweifel an der Berechtigung dieser Anforderung. Für die Festlegung der Eigenbemühungen gilt, dass sich diese nach den konkreten Umständen des Einzelfalles richten muss. Daher verbieten sich schematische von der Person des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen losgelöste Regeln über den Mindestumfang der Bemühungen (z. B. "mindestens drei Bewerbungen im Monat"). Insoweit kann je nach Person eine unterschiedlich hohe Zahl an Bewerbungen angemessen sein, wobei je nach den Umständen des Einzelfalles zwischen drei bis zu zehn pro Monat für adäquat erachtet werden können (Eicher/Spellbrink/Rixen), SGB II, § 15 Rz. 9). Die Festlegung der Eigenbemühungen insbesondere hinsichtlich der Zahl monatlich zu tätigender Bewerbungen muss auch die dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen erträgliche finanzielle Belastung durch Bewerbungen berücksichtigen. Bewerbungskosten entstehen für Büromaterial u. a. Insbesondere ist dabei zu berücksichtigen, dass Bewerbungskosten im Rahmen der Grundsicherung aus den Mitteln der Regelleistung finanziert werden, da das SGB II nur abschließend aufgeführte Mehrbedarfe kennt, zu denen Bewerbungskosten nicht gehören.

Welche Anzahl von Bewerbungen im Fall des Antragstellers verlangt werden konnten, braucht hier nicht abschließend entschieden zu werden.

Des Weiteren ist der Nachweis der Eigenbemühungen zu führen. Die in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Nachweisformen müssen für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen eine zumutbare Belastung bedeuten. Danach genügt es in der Regel, wenn Hilfebedürftige durch Angabe von Tatsachen (Adresse, Telefon, Daten, Name des Ansprechpartners), die ggf. durch von Amts wegen betriebene Nachermittlungen nachgeprüft werden, seine Bemühungen darlegt. Diesen Anforderungen dürfte der Antragsteller bei summarischer Prüfung nachgekommen sein.

Nach allem war Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 73 a Abs.1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO.

Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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