L 9 U 3342/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 15 U 1019/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 3342/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. Juni 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Anerkennung einer Osteomyelosklerose als Berufskrankheit (BK) Nr. 1303 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO) sowie die Gewährung von Verletztenrente.

Der 1951 geborene Kläger absolvierte vom 1.9.1969 bis 27.1.1972 bei der S. AG eine Ausbildung zum Industriekaufmann. Anschließend arbeitete er bis zum 30.6.1972 als Sachbearbeiter im Personalbüro. Vom 1.7.1972 bis 30.6.1974 war er bei der Bundeswehr. Danach war er vom 1.7.1974 bis 30.6.1994 wieder bei der S. AG beschäftigt, und zwar in der DV-Abwicklung der Dienststelle, der Kalkulation von Flachbaugruppen, als Sachbearbeiter Planung, Auswertung, Statistik (PAS) sowie zuletzt ab 1.3.1991 als Dienststellenleiter der Abteilung Reparatur- und Austauschdienst (RuAD). Seit August 1993 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt.

Am 29.4.1999 teilte der Kläger der Beklagten mit, er sei seit einiger Zeit an einer Osteomyelosklerose erkrankt, die er auf seine jahrelanger Arbeit mit Laserdruckern zurückführe, die Benzol enthielten. Er sei von 1978 bis 1981 täglich stundenweise in der Fertigung eingesetzt gewesen, wo er mit Lösungs- und Reinigungsmittel für Flachbaugruppen in Kontakt gekommen sei. Von ca. 1984 bis 1993 habe er Kontakt zu Laserdruckern gehabt. Bei den Druckvorgängen sei es zum Austritt von Benzoldämpfen in die Raumluft bei Erwärmung des Tonerpulvers gekommen. Ab 1984 seien in seinem Büro zwei Laserdrucker der ersten Generation vom Typ Kyocera und ab 1988/1989 Geräte der Firma Canon zum Einsatz gekommen. Die Kartuschen (Toner-Patronen) seien zirka alle vier Monate ausgetauscht worden. Die Drucker hätten Ausdrucke für fünf PC-Geräte erstellt. Zur Kühlung der PC-Geräte sei eine leistungsfähige (überdimensionierte) Umlauf-Klimaanlage installiert gewesen. Die Luftansaugung sei in der Nähe der Drucker erfolgt.

Die Beklagte zog ärztliche Unterlagen der Medizinischen Universitätsklinik H. vom 6.11.1997 (Diagnose: Osteomyelosklerose Erstdiagnose 1991, Zustand nach rezidivierenden Pankreatiden) und vom Internisten Dr. Z. vom 21.3.1989 und 15.8.1991 bei, ließ vom Kläger eine Skizze seines Büros (54 qm) anfertigen und holte Auskünfte bei Herstellern von Laserdruckern ein.

Die Firma S. teilte unter dem 20.12.1999 mit, in der Abteilung RuAD seien folgende Laserdrucker beschafft und eingesetzt worden: 1990 ein Kyocera F 1200, 1993 ein QMS PS 815 und 1993/94 je ein HP Laserjet 4M und 4M Plus.

Die Hewlett-Packard GmbH übersandte der Beklagten Informationsmaterial zu den Laserjets 4 M und 4 M Plus und führte unter dem 7.4.2000 aus, seit etwa acht Jahren lasse sie Messungen zu Schadstoffemissionen von HP Laser Jet Druckern von einem unabhängigen Prüflabor durchführen. Die Messungen beim LJ 5 hätten (bei folgenden Messbedingungen: Raum 32 cbm, Luftwechselrate von 0,8 pro Stunde, zweistündiger Druckbetrieb am Arbeitstag, HP Tonercartridges) 0,001 mg Benzol pro m3 ergeben. Diese Messwerte dürften auch für die HP Laser Jet Drucker 4 M und 4 M Plus gelten.

Die Kyocera Electronics Europe GmbH übersandte ein Datensicherheitsblatt des TK-4 Toners und führte im Schreiben vom 29.5.2000 aus, der von der Beklagten genannte Drucker F-1200 werde seit 10 Jahren nicht mehr gebaut. Zur damaligen Zeit seien keine benzolbezogenen Messungen an ihren Produkten durchgeführt worden. Anfragen bei ihrem Mutterhaus in Japan hätten ergeben, dass der Toner zwar nach der gleichen Rezeptur hergestellt werde, die Zulieferer der Einzelkomponenten sich jedoch geändert hätten.

Die QMS GmbH erklärte unter dem 29.5.2000, ein Laserdrucker des Typs PS 815 sei ihr nicht bekannt. Auf Nachfrage gab sie am 14.6.2000 an, Angaben könnten nicht mehr gemacht werden.

Im Dezember 2000 suchte der Präventionsdienst der Beklagten in Anwesenheit des Klägers dessen früheren Arbeitsplatz auf. Im Bericht vom 20.12.2000 darüber ist ausgeführt, in etwa 3 bis 4 Meter Entfernung vom Schreibtisch des Klägers seien ab 1984 zwei Laserdrucker aufgestellt gewesen, über die im Netzwerk die Druckaufträge der Abteilung abgearbeitet worden seien. Bei den Druckern habe es sich zunächst um Geräte der Marke Kyocera F-1200 (erste Generation) gehandelt, die nach Angaben des Klägers durch Geräte der Marke Canon ersetzt worden seien. Der zum damaligen Zeitpunkt für die Wartung der Hardware zuständige Mitarbeiter habe angegeben, er könne sich nur an den Einsatz der Kyocera-Drucker erinnern. Die Firma Canon sei schwerpunktmäßig Lieferant für Kopiergeräte gewesen. Seit März 1991 (Tätigkeit des Klägers als Dienststellenleiter) habe sich ein Laserdrucker in ca. 1,5 Meter Entfernung vom Arbeitsplatz des Klägers befunden. Zu diesem Zeitpunkt sei die Krankheit bereits ausgebrochen gewesen. Im Jahr 1980 seien die Teppichböden (DLW Velour) im gesamten Gebäude neu verlegt worden. Der verwendete Kleber habe nicht zweifelsfrei ermittelt werden können. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sei der Neoprenklebstoff UZIN GN 276 L (Standardkleber) verwendet worden.

Die Staatliche Gewerbeärztin führte am 28.5.2001 aus, den Ermittlungen zufolge sei der Kläger keinen arbeitsmedizinisch relevanten Belastungen gegenüber Benzoldämpfen bei der Bedienung von Laserdruckern ausgesetzt gewesen. Eine BK Nr. 1303 der BKV werde nicht zur Anerkennung vorgeschlagen.

Mit Bescheid vom 3.7.2001 teilte die Beklagte dem Kläger mit, ein Anspruch auf Leistungen bestehe nicht. Eine Berufskrankheit liege nicht vor. Soweit die Hersteller der Drucker über Messergebnisse verfügten, lägen diese für Benzol bei Konzentrationen, die in der Umgebungsluft vorhanden seien.

Hiergegen legte der Kläger am 16.7.2001 Widerspruch ein und machte geltend, mit Laserdruckern von Hewlett-Packard und Druckertypen der Baujahre 1993 und 1994 habe er nicht gearbeitet. Da die Erkrankung 1991 festgestellt worden sei, seien die von der Beklagten eingeholten Angaben über Laserdrucker der Baujahre 1993/94 nicht relevant. Außerdem sei der Druckbetrieb acht bis 10 Stunden am Tag erfolgt. Wie aus den Bericht des TAD zu entnehmen sei, sei er 1969 bis 1970 dem krebserzeugenden Stoff Trichlorethylen ausgesetzt gewesen. Der Kläger legte ärztliche Unterlagen sowie einen Untersuchungsbefund der AllergoFuture AG vom 30.1.2002 vor, worin ausgeführt ist, die Untersuchungen mittels der AllergoCell-Methode hätten einen hochpathologischen Wert für die Toner-Lösung ergeben.

Die Beklagte holte Stellungnahmen von Dr. H. von der Präventionsabteilung vom 10.1.2002, den Ärzten für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin PD Dr. Z. sowie PD Dr. W. vom 26.7. und 2.9.2002 ein.

PD Dr. W. legte dar, nach dem derzeitigen arbeitsmedizinischen Wissensstand lasse sich aus den bisher objektivierten geringen Schadstoffemissionen von Kopierern und Laserdruckern kein unfallversicherungsrechtlich relevantes Krebs- und Leukämierisiko für den Menschen ableiten. Bei der Osteomyelofibrose des bzw. Osteomyelosklerose handele es sich um eine seltene Erkrankung aus der Gruppe der chronisch-myeloproliferativen Syndrome. Die jährliche Inzidenz werde auf etwa 0,5 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner und Jahr geschätzt, wobei Männer häufiger betroffen seien als Frauen. Der Altersgipfel liege zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr. Tumorbiologisch bzw. pathophysiologisch sei auch die Induktion chronisch-myeloproliferativer Erkrankungen (inkl. Osteomyelofibrose) durch Benzol bei Berücksichtigung des Wirkprinzips dieser Noxe vollkommen plausibel. Seines Wissen lägen bislang keine kontrollierten epidemiologischen Studien zum möglichen Zusammenhang zwischen beruflicher Benzolexposition und dem Auftreten von Osteomyelofibrosen vor. Es gebe lediglich kasuistische Mitteilungen bzw. kleinere Fallserien. Auf Grund der Seltenheit dieser Erkrankung sei in absehbarer Zeit mit einer Änderung dieser Situation nicht zu rechnen. Die überwiegende Mehrheit der deutschen arbeitsmedizinischen Sachverständigen zweifle nicht mehr daran, dass berufliche Benzolexposition chronisch-myeloproliferative Syndrome verursachen könne. Dauer und Höhe einer kritischen Benzolexposition würden jedoch teilweise noch kontrovers diskutiert. Bereits mittlere Arbeitsplatzkonzentrationen im Bereich von 10 ppm könnten bei mehrjähriger Exposition (im Regelfall mindestens fünf Jahre) als risikoerhöhend im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung angesehen werden; dem entspreche ein Bereich von 40 bis 50 ppm Jahre. Gehe man von den seit 1987 gemessenen Benzolkonzentrationen um 2 bis 4 Mikrogramm/m3 bei Druckern aus, resultiere auch bei täglicher und langjähriger Exposition keine kumulative Benzolexposition, die unter BK-rechtlichen Gesichtspunkten als kritisch () 40 ppm Jahre) anzusehen wäre. Unter Zugrundelegung einer Exposition von 4 Mikrogramm/m3 ergebe sich bei 40-jähriger Expositionsdauer eine kumulative Exposition deutlich unter 1 ppm Jahr. Aus dem Rauchen von täglich 20 Zigaretten würde im gleichen Zeitraum (40 Jahre) eine kumulative Dosis von ca. 5,2 ppm Jahren resultieren. Beim derzeitigen Wissensstand begründeten die in der Literatur beschriebenen Benzolemissionen von Laserdruckern und Fotokopierern kein unfallversicherungsrechtlich relevantes Risiko, an hämolymphatischen Malignomen zu erkranken. Aus seiner langjährigen gutachterlichen Tätigkeit sei ihm kein Fall bekannt, in dem eine Leukämie oder vergleichbare Erkrankungen auf Toner oder Emissionen von Druckern zurückgeführt worden seien. Eine aktuelle Literaturrecherche in der Datenbank Medline zur Frage des Zusammenhangs zwischen Emissionen von Druckern und Kopierern und bösartigen Neubildungen des blutbildenden bzw. lymphatischen Systems sei negativ gewesen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25.2.2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen erhob der Kläger am 25.3.2003 Klage zum Sozialgericht (SG) Karlsruhe, mit der er die Anerkennung der Osteomyelosklerose als BK nach Nr. 1303 der Anlage zur BKV und die Gewährung von Verletztenrente weiter verfolgte.

Das SG beauftragte den Toxikologen Professor Dr. W. mit der Erstattung eines Gutachtens und holte eine Auskunft bei der Firma S. vom 14.12.2004 ein.

Professor Dr. W. führte im Gutachten vom 21.2.2005 aus, bei Verwendung der Suchbegriffe Osteomyelofibrose, Osteomyelosklerose, Idiopathische Myelofibrose ergäben sich in der Kombination mit Tonerstaub in der medizinischen Datenbank Medline keine Nennungen wissenschaftlicher Publikationen, aus deren Inhalt sich Hinweise oder gar Beweise für einen Kausalzusammenhang zwischen Exposition mit diesen Schadstoffen und der genannten Erkrankung ableiten ließen. Ein ähnliches Bild ergebe sich, wenn an Stelle des Begriffs "Idiopathische Myelofibrose" der weniger stark eingeschränkte Begriff "Myelofibrose" verwendet werde. Auch hier ergäben sich keine Nennungen wissenschaftlicher Publikationen, aus deren Inhalt sich Hinweise oder gar Beweise für einen Kausalzusammenhang zwischen Exposition mit diesen Schadstoffen und der genannten Erkrankung ableiten ließen. Bei Verwendung der Suchbegriffe: Osteomyelofibrose, Osteomyelosklerose und Idiopathische Myelofibrose ergäben sich in der Kombination mit Benzol keine Nennungen. Werde jedoch der Begriff Idiopathische Myelofibrose durch den Begriff Myelofibrose ersetzt, fänden sich für Benzol eine Reihe von Arbeiten, welche die betreffende Erkrankung auf die Exposition von Benzol zurückführten, das heißt einen Kausalzusammenhang bejahten. Auffallend sei, dass gerade während der letzten Jahre in der wissenschaftlichen Literatur die Bezeichnungen Osteomyelofibrose und Osteomyelosklerose zu Gunsten der Bezeichnung Idiopathische Myelofibrose stark in den Hintergrund träten. Dieser Begriff bedeute, dass es sich hierbei um eine Myelofibrose handele, deren Ursache noch nicht bekannt sei. Für einen Kausalzusammenhang im Sinne einer Mitverursachung, jedoch nicht im Sinne einer alleinigen Verursachung, der Erkrankung des Klägers durch Benzol spreche die Tatsache, dass der Kläger u. a. auch an seinem Arbeitsplatz einer Benzol-Exposition ausgesetzt gewesen sei, die nach seiner Einschätzung kurzzeitig bedeutend höher gewesen sei als die in den Aktenunterlagen angegebenen Werte. Seiner Auffassung nach seien die bei Expositionsspitzen auftretenden Werte geeignet, das beim Kläger vorliegende Krankheitsbild der Osteomyelofibrose/Myelofibrose zu verursachen. Nicht für einen Kausalzusammenhang, allerdings auch nicht dagegen, spreche die Tatsache, dass die beim Kläger vorliegende Osteomyelofibrose/Myelofibrose auch durch andere Einwirkungen wie z. B. ionisierende Strahlen, Rauchen oder andere Gründe, die bislang noch nicht bekannt seien, verursacht werden könne.

Mit Urteil vom 23.6.2005 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, eine schädigende Einwirkung sei nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen. Der bei der Verlegung von Teppichenböden im Büro des Klägers verwendete Neoprenklebstoff, das Trichlorethylen und das Benzol kämen als schädigende Einwirkungen nicht in Betracht. Dr. W. habe die Konzentration von Benzol am Arbeitsplatz des Klägers berechnet und sei zu einer Exposition von unter einem ppm Jahr gekommen, während der kritische Wert hinsichtlich der Verursachung einer BK Nr. 1303 der Anlage zur BKV bei 40 ppm Jahren liege. Auch das im Klageverfahren bei Professor Dr. W. eingeholte Gutachten sei nicht geeignet, eine schädigende Einwirkung von Benzol auf Grund der am Arbeitsplatz des Klägers verwendeten Toner mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit nachzuweisen. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen das am 13.7.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12.8.2005 Berufung eingelegt und vorgetragen, seine Erkrankung sei auf die jahrelange Benzoleinwirkung aus Laserdruckern an seinem Arbeitsplatz zurückzuführen. Das SG stütze sich in seiner Urteilsbegründung vor allem auf die sogenannte beratungsärztliche Stellungnahme von PD Dr. W. vom 2.9.2002. Hierbei handele es sich nicht um ein speziell auf ihn bezogenes Gutachten. Die Aussagekraft dieser beratungsärztlichen Stellungnahme sei für den konkreten Fall daher als gering anzusehen. Das SG gehe von den Angaben der Hersteller von Druckern aus, wonach Messungen seit 1987 Benzolemissionen von 2 bis 4 Mikrogramm/m3 Luft (bei einer Druckzeit von zwei Stunden täglich) ergeben hätten. Diese seien an seinem Arbeitsplatz mindestens um den Faktor 3 höher gewesen. Auch sei er bereits seit 1984 schädigenden Benzolemissionen ausgesetzt gewesen, als noch keine Messwerte erhoben worden seien. Ferner sei der Umstand nicht berücksichtigt worden, dass über seinem Arbeitsplatz eine Zusatzklimaanlage angebracht gewesen sei, die die Luft in dem betreffenden Raum nur umgewälzt und gekühlt habe. Das SG habe unkritisch geschlossen, dass der Krankheitsausbruch bei ihm auf das Rauchen zurückzuführen sei. Er habe maximal 10 Jahre geraucht, davon höchstens drei Jahre die angegebenen bis 20 Zigaretten täglich. Innerhalb dieser 10 Jahre habe er zudem drei Jahre nur Pfeife geraucht; 1988 habe er das Rauchen ganz aufgegeben. Das Gutachten von Dr. W. komme zum Ergebnis, dass die Expositionsspitzen beim Benzol geeignet gewesen seien, seine Erkrankung auszulösen. Weder Dr. W. noch Dr. W. seien darauf eingegangen, dass er seine Pausen am Arbeitsplatz verbracht habe und daher die Lebensmittel und Getränke, die er konsumiert habe, durch Benzolemissionen verunreinigt gewesen sein. Der Sachverhalt und die medizinischen Zusammenhänge seien nicht vollkommen ausermittelt worden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. Juni 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 3. Juli 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Februar 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, bei ihm eine Osteomyelosklerose als Berufskrankheit Nr. 1303 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung anzuerkennen und ihm Verletztenrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert unter Vorlage einer beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. W., Ärztin für Arbeits- und Umweltmedizin, vom 4.4.2006, erkrankungsrelevante berufliche Benzolbelastungen seien beim Kläger bisher nicht nachgewiesen. Anerkennungsfähig in der gesetzlichen Unfallversicherung seien - vorbehaltlich aller übrigen Voraussetzungen - allein Krankheitsbilder, die auf besonderen Einwirkungen beruhten, denen der Erkrankte durch die berufliche Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Gesamtbevölkerung ausgesetzt gewesen sei. Deshalb sei bedeutsam, welcher Benzol-Dosis (ppm-Jahre) der Kläger infolge seiner beruflichen Tätigkeit ausgesetzt gewesen sei und ob sich daraus im Vergleich zur übrigen Gesamtbevölkerung ein signifikant erhöhtes Erkrankungsrisiko herleiten lasse. Wenn der Kläger tatsächlich eine berufliche Benzolbelastung von 0,01 bis 0,04 mg/m3 Raumluft ausgesetzt gewesen wäre, würde dies keine abweichende Beurteilung rechtfertigen. Die von Professor Dr. W. geschätzte Benzolbelastung liege - mit einer gewissen Abweichung - nämlich ungefähr im Bereich des von der Beklagten herangezogenen Wertes (0,029 mg/ m3 Raumluft). Ein Versicherter, der 40 Jahre beruflichen Benzolbelastungen von 0,029 mg/ m3 Raumluft ausgesetzt gewesen wäre, wäre nur mit rund 0,04 ppm Jahren exponiert gewesen. Nach PD Dr. W. sei jedoch erst eine Exposition von 40 bis 50 ppm Jahren als risikoerhöhend im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung anzusehen. Der Kläger sei nur etwa 23 Jahre beruflich tätig gewesen. Eine erkrankungsrelevante berufliche Benzolbelastung des Klägers dürfte sich auch angesichts momentaner Spitzebelastungen kaum herleiten lassen.

Gegenstand der Erörterung im Termin zur mündlichen Verhandlung am 24.4.2007 sind auch der Bericht in der Stuttgarter Zeitung vom 11.4.2007 über die Ergebnisse der vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Auftrag gegebenen großen Tonerstudie ("Vorsicht im Umgang mit Tonern") und die über das Internet abrufbaren Berichte des BfR vom 25.1. und 21.2.2007 gewesen.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung einer Osteomyelosklerose als Berufskrankheit Nr. 1303 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung und auf Gewährung von Verletztenrente hat.

Der Anspruch des Klägers auf Anerkennung einer BK richtet sich auch nach Inkrafttreten des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) am 1.1.1997 nach den bis dahin geltenden Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO). Nach § 212 SGB VII gilt das neue Recht grundsätzlich erst für Versicherungsfälle, die nach dem 31.12.1996 eingetreten sind. Der Kläger macht jedoch einen Versicherungsfall vor dem 30.6.1994 (Aufgabe seiner beruflichen Tätigkeit) geltend.

Zu den als Arbeitsunfälle geltenden und zu entschädigenden Berufskrankheiten (§ 551 Abs. 1 Satz 2 RVO) gehören nach Nr. 1303 der Anlage 1 der BKVO in der hier anwendbaren Fassung vom 18.12.1992 (BGBl I 2343) Erkrankungen durch Benzol, seine Homologe oder durch Styrol. In der Anlage 1 zur BKVO in den Fassungen vom 8.12.1976 (BGBl I 3329) und 22.3.1988 (BGBl I 400) lautete Nr. 1303: Erkrankungen durch Benzol und seine Homologe. Diese Erkrankungen müssen durch die berufliche Tätigkeit verursacht oder verschlimmert worden sein.

Nach ständiger Rechtsprechung müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen neben der versicherten Tätigkeit die Dauer und Intensität der schädigenden Einwirkungen sowie die in der BKVO bezeichnete Krankheit gehören, nachgewiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können. Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkungen (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkungen und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSGE 19, 52; 32, 203, 207-209; 45,285, 287). Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller - wesentlichen - Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 286); eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht (vgl. Mertens/Brandenburg, Berufskrankheitenverordnung, Kommentar, Stand November 2006, E § 9 SGB VII Rdnr. 26). Kommen mehrere Ursachen in Betracht, so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG SozR 2200 § 548 Nr. 91). Lässt sich eine Tatsache nicht nachweisen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus der nicht erwiesenen Tatsache für sich herleitet (vgl. BSGE 19, 52, 53; 30, 121, 123; 43, 110, 112).

Beim Kläger wurde im Jahr 1991 in der Hämatologisch-Onkologischen Ambulanz der Universitätsklinik Heidelberg die Diagnose einer Osteomyelosklerose bzw. Osteomyelofibrose gestellt. Dabei handelt es sich um eine Erkrankung, die durch Benzol oder seine Homologe verursacht werden kann (vgl. Schönberger/Mertens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl., S. 1012).

Vorliegend ist jedoch schon nicht nachgewiesen, in welchem Ausmaß der Kläger schädigenden Einwirkungen durch Benzol am Arbeitsplatz ausgesetzt gewesen ist. Eine Sachaufklärung über die tatsächlichen Verhältnisse am Arbeitsplatz des Klägers bei der Firma S. war im Jahr 1999 (Geltendmachung der BK) nicht mehr möglich. Die Firma S. hatte mittlerweile andere Drucker. Die Firma Kyocera Electronics Europe GmbH hat darüber hinaus am 29.5.2000 mitgeteilt, dass der Drucker F-1200, der bei der Firma S. von 1984 bis 1987/1988 eingesetzt gewesen war, seit 10 Jahren nicht mehr gebaut wurde und damals keine benzolbezogenen Messungen durchgeführt wurden. Der Toner wird zwar noch nach der gleichen Rezeptur hergestellt; die Zulieferer der Einzelkomponenten haben sich jedoch geändert. Für die anschließende Zeit ist schon nicht nachgewiesen, welche Drucker tatsächlich zum Einsatz kamen. Nach den Angaben des Klägers kamen 1988 bis 1989 Geräte der Firma Canon zum Einsatz, nach Angaben des zum damaligen Zeitpunkts für die Wartung der Hardware zuständigen Mitarbeiters ist die Firma Canon nicht Lieferant der Drucker, sondern der Kopierer gewesen.

Unabhängig davon, welche Drucker zum Einsatz kamen, ist nicht nachgewiesen, dass ein kritischer Benzolwert auf Grund der Druckvorgänge bzw. Toneremissionen erreicht wurde. Zu diesem Ergebnis gelangt der Senat auf Grund der arbeitsmedizinische Stellungnahme von PD Dr. W. vom 2.9.2002, der die einschlägige wissenschaftlichen Literatur ausgewertet und in den medizinischen Datenbanken recherchiert hat. Für die Beantwortung der Frage, ob Tonerstaub generell geeignet ist, myeloproliferative Erkrankungen, andere Erkrankungen des blutbildenden und lymphatischen Systems zu verursachen (unter anderen Myelofibrosen, Osteomyelofibrose) und welche Benzolkonzentrationen an Druckerarbeitsplätzen auftreten sowie welche als schädigend in Betracht kommen, ist die Kenntnis der konkreten Arbeitsbedingungen und der beim Kläger vorliegenden Befunde bzw. Gesundheitsstörungen nicht erforderlich.

Nach dem von PD Dr. W. dargestellten arbeitsmedizinischen Wissensstand lässt sich aus den bisher objektivierten geringen Schadstoffemissionen von Kopierern und Laserdruckern kein unfallversicherungsrechtlich relevantes Krebs- oder Leukämierisiko für den Menschen ableiten. Zu möglichen negativen Wirkungen von Tonern auf den Menschen liegen nur Kasuistiken vor, wobei es sich um Krankheitsbilder der Atemwege und der Lunge handelt.

Bei deutschen Experten herrscht nach den Ausführungen von PD Dr. W. auf Grund der vorliegenden epidemiologischen Daten Einigkeit, dass kumulative Benzolexpositionen von ) 100 ppm Jahren zu einer eindeutigen Risikoerhöhung für Leukämie führen, während einige Sachkenner (unter anderen PD Dr. W.) schon für Konzentrationen von lediglich 1 ppm bei entsprechend langem Arbeitsleben (40 und mehr Expositionsjahren) ein erhöhtes Leukämierisiko ableiten. Diese Risikoabschätzung bezieht sich auf akute myeloische Leukämien. In der Praxis ist jedoch seit längerem eine Übertragung auf andere hämolymphatische Malignome üblich, ohne dass letztlich eine definitive wissenschaftliche Absicherung der Richtigkeit eines derartigen Vorgehens erfolgt ist.

Eine Benzolkonzentration von mindestens 40 ppm Jahren konnte am früheren Arbeitsplatz des Klägers nicht festgestellt werden. Die Hewlett-Packard GmbH hat mitgeteilt, dass Messungen bei einem zweistündigen Druckerbetrieb 0,001 mg Benzol pro m3 ergeben hätten. Aber selbst bei Zugrundelegung einer Exposition von 4 Mikrogramm /m3 errechnete PD Dr. W. bei einer 40-jährigen Expositionsdauer eine kumulative Exposition von deutlich unterhalb von 1 ppm Jahr und gab zur Verdeutlichung an, dass aus dem Rauchen von täglich 20 Zigaretten über einen Zeitraum von 40 Jahren eine kumulative Dosis von 5,2 ppm Jahren resultiert. Die Schlussfolgerung von PD Dr. W., dass nach derzeitigem Wissensstand die in der Literatur beschriebenen geringen Benzolemissionen von Laserdruckern und Fotokopierern kein unfallversicherungsrechtlich relevantes Risiko begründen, an hämolymphatischen Malignomen zu erkranken, überzeugt den Senat.

Die Osteomyelofibrose bzw. Osteomyelosklerose ist darüber hinaus eine seltene Erkrankung aus der Gruppe der chronisch-myeloproliferativen Syndrome. Die jährliche Inzidenz wird auf etwa 0,5 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner und Jahr geschätzt, wobei Männer häufiger betroffen sind als Frauen. Der Altersgipfel liegt zwischen 50 und 60 Jahren. Die Ursachen dieser Erkrankung sind weitgehend unbekannt bzw. lassen sich nur in Einzelfällen aufdecken. Als Risikofaktoren werden in der Fachwelt vor allem diskutiert: • Vorerkrankungen mit Beeinträchtigung von Immunmechanismen • Genetische Anomalien • Bestimmte Virusinfekte mit sekundärer Fehlsteuerung des Immunsystems • Belastungen mit immunsuppressiven oder knochenmarktoxischen Medikamenten • Einflüsse des Lebensstils (regelmäßiger häufiger und langandauernder Nikotinkonsum) • Noxen aus der Arbeits- und Umwelt. Als wichtigster und gesicherter beruflicher Faktor gilt nach dem heutigen Wissensstand der Medizin eine chronisch langjährige, arbeitsmedizinisch-toxisch relevante Benzol-Einwirkung oder die Exposition zu ionisierender Strahlung.

Zu Osteomyelofibrosen/Osteomyelosklerosen liegen bislang keine kontrollierten epidemiologischen Studien vor, sondern lediglich kasuistische Mitteilungen bzw. kleinere Fallserien. Auf Grund der Seltenheit dieser Krankheit ist in absehbarer Zeit mit einer Änderung dieser Situation nicht zu rechnen.

Auch das Gutachten von Prof. Dr. W. ist nicht geeignet, das Begehren des Klägers auf Anerkennung einer Osteomyelosklerose als BK Nr. 1303 der Anlage 1 zur BKVO zu stützen. Denn er bestätigt, dass auch seine Literaturrecherche in der Datenbank Medline bei Verwendung der Suchbegriffe: Osteomyelofibrose, Osteomyelosklerose, Idiopathische Myelofibrose bzw. Myelofibrose in Kombination mit Tonerstaub keine Nennung wissenschaftlicher Publikationen ergab, aus denen sich Hinweise oder gar Beweise auf einen Kausalzusammenhang ableiten ließen. Darüber hinaus weist Prof. Dr. W. darauf hin, dass während der letzten Jahre in der wissenschaftlichen Literatur die Bezeichnungen Osteomyelofibrose und Osteomyelosklerose zu Gunsten der Bezeichnung Idiopathische Myelofibrose stark in den Hintergrund getreten sind, wobei idiopathisch bedeutet, dass die Ursachen nicht bekannt ist.

Soweit Prof. Dr. W. einen Kausalzusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit des Klägers un der Osteomyelosklerose bejaht, vermag der Senat ihm nicht zu folgen. Er legt nämlich schon nicht dar, warum mehr dafür sprechen soll, dass die Erkrankung beruflich bedingt ist als dafür, dass sie ohne erkennbare Ursache aufgetreten ist. Außerdem setzt er sich nicht damit auseinander, dass die genaue Benzolexposition des Klägers am Arbeitsplatz nicht nachgewiesen ist und dass die bei Druckern gemessene Benzolemissionen äußerst gering und nach der geltenden medizinischen Lehrmeinung nicht geeignet sind, eine Osteomyelosklerose zu verursachen. Darüber hinaus ist seine Behauptung, am Arbeitsplatz sei die Benzolexposition auf Dauer eher gering gewesen, Spitzenbelastungen seien jedoch wahrscheinlich, nicht nachgewiesen. Außerdem fehlt es an medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen, dass gerade seltene Spitzenbelastungen besonders schädlich sind.

Bestätigt sieht sich der Senat in seiner Beurteilung auch durch die neuesten Veröffentlichungen des BfR, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind. Nach den Berichten vom 25.1 und 21.2.2007 lassen sich aus den bei Raumluftmessungen gemessenen Konzentrationen von flüchtigen organischen Verbindungen, Partikeln und Stäuben keine Hinweise auf akute gesundheitliche Auswirkungen ableiten. Auch ist vor allem der Zusammenhang von subjektiven Beschwerden mit objektiven Parametern einerseits sowie dieser Parameter mit den Emissionswerten andererseits schwer zu beurteilen und es bedarf aufwändiger weiterer Studien, um mögliche Zusammenhänge zwischen der Exposition gegenüber Tonern und gesundheitlichen Beschwerden zu ermitteln (www.bfr.bund.de/cm/252/pilotstudie toner erste ergebnisse.pdf und www. bund.de/cm/252/pilotstudie toner weitere ergebnisse.pdf).

Nach alledem war das angefochtene Urteil des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung des Klägers musste deswegen zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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