L 29 B 283/07 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
29
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 92 AS 11123/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 29 B 283/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 11. Januar 2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragsteller wenden sich gegen die Rücknahme der Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01. Dezember 2006 bis 28. Februar 2007 und begehren die Zahlung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende über den 28. Februar 2007 hinaus.

Die Antragsteller zu 1) und 2) und ihre gemeinsamen Kinder S, geboren 1983 und S und S, beide geboren 1984 (Antragsteller zu 3] bis 5]) wohnen gemeinsam in einer Wohnung in der OStraße in B-, für die die Gesamtmiete seit 01. April 2006 einschließlich Heizkosten- und Betriebskostenvorschuss 397,68 Euro monatlich beträgt.

Die Antragstellerin zu 1) verfügt über keine Einkünfte, der Antragsteller zu 2) bezieht eine Altersrente von der Deutschen Rentenversicherung Bund, deren Höhe seit dem 01. Juli 2005 1.109,98 Euro netto monatlich betrug. Die Antragsteller zu 3), 4) und 5) befinden sich in Ausbildung. Die Antragsteller zu 3) und 4) besuchen die B mit dem Ausbildungsziel G. Laut den Ausbildungsverträgen fallen jeweils 330 Euro monatlich an Semestergebühren (bei Ausbildung vormittags) an. Die B T Kschule bescheinigte den Antragstellern zu 3) und 4) unter dem 10. bzw. 16. Februar 2006 für die Ausbildung zum G den Anfall von Materialkosten von monatlich 60 Euro.

Die Antragstellerin zu 5) absolviert beim L eine Ausbildung zur medizinisch-technischen Assistentin; das Schulgeld beträgt seit dem 01. Februar 2006 pro Semester 480 Euro. Die Antragsteller zu 3) bis 5) beziehen Leistungen nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) in Höhe von je 192 Euro monatlich.

Dem Antragsteller zu 2) wird für die Antragsteller zu 3) bis 5) Kindergeld in Höhe von je 154 Euro monatlich gezahlt.

Der Antragsgegner bewilligte zunächst den Antragstellern zu 3) bis 5) Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende, und zwar dem Antragsteller zu 3) zuletzt mit Bescheid vom 15. März 2006 für die Zeit von 01. April 2006 bis 31. Juli 2006 in Höhe von 252,78 Euro monatlich, der Antragstellerin zu 4) mit Bescheid vom 20. März 2006 für die Zeit vom 01. April 2006 bis 30. September 2006 in Höhe von 98,78 Euro und der Antragstellerin zu 5) mit Bescheid vom 01. Juni 2006 für die Zeit vom 01. September 2006 bis 28. Februar 2007 in Höhe von 291,18 Euro monatlich.

Mit Bescheid vom 21. September 2006 lehnte der Antragsgegner einen Fortzahlungsantrag der Antragstellerin zu 4) ab. Nach der zum 01. Juli 2006 geänderten Rechtslage bilde sie keine eigene Bedarfsgemeinschaft mehr, sondern eine zusammen mit ihren Eltern und Geschwistern. Gegen diesen Bescheid hat die Antragstellerin zu 4) keinen Widerspruch erhoben.

Mit Bescheid vom 11. September 2006 nahm der Antragsgegner seine Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen gegenüber der Antragstellerin zu 5) für die Zeit ab dem 01. Oktober 2006 zurück. Weil sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet habe und im Haushalt ihrer Eltern lebe, sei sie in die Bedarfsgemeinschaft der Eltern aufgenommen. Hiergegen legte die Antragstellerin zu 5) unter dem 18. September 2006 Widerspruch ein, der noch nicht beschieden ist.

Auf einen Antrag der Antragstellerin zu 1) vom 21. August 2006 bewilligte der Antragsgegner mit Bescheid vom 07. September 2006 den Antragstellern zu 1) bis 3) Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 01. bis zum 30. August 2006 in Höhe von 390,62 Euro sowie mit weiterem Bescheid vom 07. September 2006 für die Zeit vom 01. bis 30. September 2006 in Höhe von 390,62 Euro und für die Zeit vom 01. Oktober 2006 bis 28. Februar 2007 in Höhe von 582,62 Euro monatlich.

Gegen die Bescheide vom 07. September 2006 legte die Antragstellerin zu 1) am 25. September 2006 Widerspruch ein. Die Leistungen nach dem BAföG und das Kindergeld seien bei der Leistungsberechnung nicht als Einnahmen anzurechnen.

Mit als "Änderung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch" überschriebenem Bescheid vom 09. November 2006 bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern zu 1) bis 5) Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 01. bis zum 30. September 2006 in Höhe von 387,19 Euro und für die Zeit vom 01. Oktober 2006 bis 28. Februar 2007 in Höhe von 398,45 Euro monatlich. Nach den Ablehnungen eigener Leistungsansprüche habe er die Antragsteller zu 4) und 5) ab dem 1. Oktober 2006 mit in die vorliegende Bedarfsgemeinschaft aufgenommen. In diesem Zusammenhang ergangene Entscheidungen hob der Antragsgegner "insoweit" auf. Ausweislich der Anlagen zum Bescheid fand der Rentenbezug des Antragstellers zu 2) bei der Berechnung der Höhe der Leistung keine Berücksichtigung.

Nach Bemerken dieses Irrtums hob der Antragsgegner mit allein an die Antragstellerin zu 1) gerichtetem Bescheid vom 10. November 2006 seine Entscheidung über die Bewilligung von Alg II mit Wirkung vom 01. November 2006 auf. Die Hilfebedürftigkeit sei weggefallen.

Gegen diesen Bescheid legten die Antragsteller zu 1) bis 5) am 04. Dezember 2006 Widerspruch ein. Die Aufhebung richte sich nur an die Antragstellerin zu 1). Dies sei ein Formfehler, der behoben und richtig gestellt werden müsse, wobei die "Falschrechnerei" und "Berücksichtigungen" unter Außerachtlassung von BAföG, Kindergeld und Rentenbezug korrigiert werden könnten.

Mit dem ausschließlich an die Antragstellerin zu 1) gerichteten Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 2006 bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern zu 1) bis 5) unter Änderung der Bescheide vom 07. September 2006, 09. November 2006 und 10. November 2006 Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 01. bis zum 30. September 2006 in Höhe von 390,62 Euro und für die Zeit vom 01. Oktober 2006 bis 30. November 2006 in Höhe von monatlich 398,45 Euro, nahm die Bewilligung für die Zeit ab dem 01. Dezember 2006 ganz zurück und wies im Übrigen die Widersprüche als unbegründet zurück. Für die Zeit ab dem 01. Dezember habe ein Vertrauensschutz in die Leistungsgewährung nicht bestehen können, da die Antragsteller mit Zugang des Aufhebungsbescheides vom 10. November 2006 hätten wissen müssen, dass Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II nicht zustünden. Hiergegen hat die Antragstellerin zu 1) am 27. Dezember 2006 Klage zum Sozialgericht Berlin erhoben, welche dort unter dem Aktenzeichen S 18 AS 11883/06 geführt wird.

Zuvor haben die Antragsteller 1) bis 5) am 04. Dezember 2006 bei dem Sozialgericht Berlin den Antrag gestellt, ihnen im Wege einer einstweiligen Anordnung ungeminderte Leistungen ohne Anrechnung von Leistungen nach dem BAföG sowie Rentenbezug und unter Aufhebung entgegenstehender Aufhebungsbescheide zu bewilligen, hilfsweise für die Antragsteller zu 3) und 4) ein Darlehen in Höhe von 400 Euro monatlich und für die Antragstellerin zu 5) in Höhe von 150 Euro monatlich zu gewähren.

Mit Beschluss vom 11. Januar 2007 hat das Sozialgericht Berlin den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.

Gegen den dem Antragsteller zu 2) als Bevollmächtigten der Antragsteller zu 1) bis 5) am 18. Januar 2007 zugestellten Beschluss haben die Antragsteller am 14. Februar 2007 Beschwerde eingelegt. Das Sozialgericht Berlin hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Mit ihrer Beschwerde wenden sich die Antragsteller weiterhin gegen die Rücknahme bereits bewilligter Leistungen für die Zeit vom 01. Dezember 2006 bis 28. Februar 2007 und begehren die Zahlung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende über den 28. Februar 2007 hinaus. Der von dem Antragsgegner festgestellte Bedarf reiche für das Leben nicht aus. Insbesondere die ausbildungsbedingten Ausgaben für die Antragsteller zu 3) bis 5) seien nicht ausreichend berücksichtigt.

Auf telefonische Anfrage des Senats hat der Antragsgegner am 25. Mai 2007 mitgeteilt, dass die Antragsteller am 22. Februar 2007 einen Fortzahlungsantrag auf Arbeitslosengeld II gestellt haben. Diesbezüglich sei noch kein Bescheid ergangen.

Der Senat hat die die Antragsteller betreffende Leistungsakte des Antragsgegners sowie die Gerichtsakten des Sozialgerichts Berlin zu den Az. S 108 AS 11881/06, S 18 AS 11882/06, S 18 AS 11883/06, S 116 AS 658/07, S 116 AS 6601/07 (einschließlich der Leistungsakten des Antragsgegners), S 39 AS 8973/07, S 59 AS 1109/07 und eine Kopie der Akte S 104 AS 10370/06 des Sozialgerichts Berlin beigezogen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Akten verwiesen, die Gegenstand der Beratungen gewesen sind.

II.

Die statthafte und fristgerecht eingelegte (§§ 172 und 173 Sozialgerichtsgesetz – SGG -), damit insgesamt zulässige Beschwerde ist sowohl für die Zeit vom 01. Dezember 2006 bis zum 28. Februar 2007 (dazu unter 1.), wie auch für den darüber hinausgehenden Zeitraum (dazu unter 2.), unbegründet.

1.

Der Antrag ist unbegründet, soweit er auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung sowohl des Widerspruchs der Antragstellerin zu 5) vom 18. September 2006 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 11. September 2006, als auch der Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 10. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Dezember 2006, die unter dem Aktenzeichen S 18 AS 11883/06 bei dem Sozialgericht Berlin anhängig ist, gerichtet ist.

Insoweit sind die Anträge, die zwar nur der Antragsteller zu 2), dies aber als Bevollmächtigter der Antragstellerin zu 5) resp. der Antragsteller insgesamt und damit für diese wirksam gestellt hat, als solche auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches vom 18. September 2006 bzw. der Anfechtungsklage nach § 86 b Abs. 1 SGG auszulegen, da es für die Erreichung des Rechtsschutzzieles, nämlich der Zahlung von Arbeitslosengeld II aus dem die Antragstellerin zu 5) begünstigenden Bewilligungsbescheid vom 01. Juni 2006 sowie die Antragsteller zu 1) und 3) bis 5) begünstigenden Bescheid vom 09. November 2006, ausreichend ist, die Bescheide vom 11. September 2006 und vom 10. November 2006 außer Vollzug zu setzen. Wird nämlich die insoweit enthaltene Aufhebung der bewilligten Leistungen außer Vollzug gesetzt, treten die Wirkungen der ursprünglichen, die begehrte Leistung bewilligenden Bescheide vom 01. Juni 2006 und vom 09. November 2006 wieder in Kraft.

a. Die Voraussetzungen für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 18. September 2006 sind nicht erfüllt.

Nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Der Widerspruch gegen den Bescheid vom 11. September 2006 hat keine aufschiebende Wirkung, da dieser nach § 39 SGB II sofort vollziehbar ist. Vorliegend handelt es sich bei dem Bescheid vom 11. September auch hinsichtlich seines Aufhebungsgehaltes um Leistungen der Grundsicherung im Sinne dieser Norm, da eine Änderung bereits nach dem SGB II bewilligter Leistung nach den §§ 45 ff. des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) vorgenommen wird (vgl. Conradis in LPK-SGB II, § 39 Rdnr. 7; so auch für die Rücknahme eines Bewilligungsbescheides Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. August 2006, Aktenzeichen L 5 B 549/06 AS ER, juris-Ausdruck Rdnr. 11).

Bei der Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung hat das Gericht eine Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache vorzunehmen. Ist der Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig und der Betroffene dadurch in seinen subjektiven Rechten verletzt, wird ausgesetzt, weil dann ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Vollziehung nicht erkennbar ist. Ist die Klage aussichtslos, wird die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet. Sind die Erfolgsaussichten nicht in dieser Weise abschätzbar, bleibt eine allgemeine Interessenabwägung, wobei die Aussichten des Hauptsacheverfahrens aber mitberücksichtigt werden können (vgl. Keller in Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 8. Aufl., § 86 b Rdnr. 12 c).

Der Widerspruch der Antragstellerin zu 5) gegen den Bescheid vom 11. September 2006, jedenfalls aber ein sich daran anschließendes Klageverfahren dürften nach summarischer Prüfung keine Aussicht auf Erfolg haben. Der Antragsgegner hatte der Antragstellerin zu 5) am 01. Juni 2006 Leistungen über das Ende des vorherigen Bewilligungszeitraumes zuerkannt.

Der Bescheid des Antragsgegners vom 11. September 2006 ist, auch soweit er die Bewilligungsentscheidung des Antragsgegners aus dem Bescheid vom 01. Juni 2006 aufhebt, nicht zu beanstanden. Rechtsgrundlage für die Aufhebung ist § 48 Abs. 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X), wovon auch der Antragsgegner zutreffend ausgeht. Danach ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Dies war hier der Fall.

Der Bescheid vom 01. Juni 2006 war zunächst rechtmäßig und ist durch die zum 01. Juli 2006 in Kraft getretene Änderung des § 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB II, also durch Änderung der rechtlichen Verhältnisse, rechtswidrig geworden, weil die Antragstellerin zu 5) nunmehr keine eigene Bedarfsgemeinschaft mehr darstellen konnte, sondern in diejenige ihrer Eltern einzugliedern war. Zwar war die Änderung der Regelung in § 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB II durch das Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 24. März 2006 (BGBl. I S. 558), wonach unverheiratete, erwerbsfähige Kinder bis zur Vollendung ihres 25. Lebensjahres zur Bedarfsgemeinschaft der Eltern gehören, bereits im März 2006 verkündet worden, jedoch trat diese Änderung erst mit Wirkung zum 01. Juli 2006 in Kraft.

Da die Aufhebungsentscheidung im Bescheid vom 11. September 2006 mit Wirkung für die Zukunft getroffen wurde, kann sich die Antragstellerin zu 5) auch nicht auf Vertrauensschutz berufen. Einen solchen billigt ihr § 48 Abs. 1 SGB X nicht zu, da die Aufhebung mit Wirkung für die Zukunft schon nach dem Wortlaut der Norm als gebundene Entscheidung zu ergehen hat, ohne dass es auf das Vertrauen schützende Gesichtspunkte ankäme.

Die Tatsache, dass der Bescheid vom 11. September 2006 ohne Anhörung ergangen ist, ist hier unschädlich, da diese bis zur letzten Tatsacheinstanz noch nachgeholt werden kann.

Angesichts dessen kann die Antragstellerin zu 5) für sich kein überwiegendes Interesse an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegenüber dem öffentlichen Vollzugsinteresse geltend machen.

b. Der Antrag ist ebenso unbegründet, soweit die Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 10. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Dezember 2006 begehren. Ein überwiegendes Interesse der Antragsteller an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegenüber dem öffentlichen Vollzugsinteresse ist mangels hinreichender Erfolgsausicht der hiergegen gerichteten Klage nicht gegeben.

Der Antragsgegner geht zwar von einer Aufhebung des Bescheides vom 09. November 2006 nach § 48 SGB X aus, obgleich dieser Bescheid mangels Berücksichtigung der Renteneinnahmen des Antragstellers zu 2) von Anfang an rechtswidrig gewesen ist. Jedoch ist dies unschädlich, weil die Voraussetzungen für eine Rücknahme nach dem richtigerweise heranzuziehenden § 45 SGB X ebenfalls erfüllt sind. Insoweit ist der Austausch der Ermächtigungsgrundlagen unproblematisch.

Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

Nach § 45 Abs. 2 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,

2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder

3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

Der Bescheid vom 09. November 2006 ist zumindest teilweise rechtswidrig, weil er den Antragstellern Arbeitslosengeld II in einer Höhe zugesprochen hat, auf die sie keinen Anspruch haben. Dies wird unten noch auszuführen sein. Das Vertrauen der Antragsteller war wegen der Erfüllung der Voraussetzungen von § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X nicht schutzwürdig. Zwar beruht die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 09. November 2006 auf dem Versehen der Sachbearbeitung des Antragsgegners, die die Rente des Antragstellers zu 2) nicht als Einkommen berücksichtigt hat. Die Antragsteller hätten jedoch wissen müssen, dass die Bewilligung von Leistungen in dieser Höhe rechtwidrig ist. Aus dem Anhang des zurückgenommenen Bescheides ergibt sich nämlich eindeutig die Nichtberücksichtigung der Renteneinnahmen des Antragstellers zu 2), von denen die Antragstellerin zu 1) aus früheren Bescheiden, nämlich vom 01. August 2005 und vom 23. August 2005 wissen musste, dass sie zur Anrechnung kommen müssen. Da nach § 39 SGB II die Antragstellerin als Vertreterin der übrigen Antragsteller gilt, müssen sich diese die Kenntnis nach § 166 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) anrechnen lassen. Danach kommt nicht die Person des Vertretenen, sondern die des Vertreters in Betracht, soweit die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung durch Willensmängel oder durch die Kenntnis oder das Kennenmüssen gewisser Umstände beeinflusst werden.

Nach § 45 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. § 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II i. V. m. § 330 SGB III war Ermessen nicht auszuüben, so dass es als gebundene Entscheidung auf die rechtfertigenden Äußerungen des Antragsgegners im Einzelnen nicht ankommt.

2.

Soweit die Antragsteller die Zahlung von Arbeitslosengeld II auch über den 28. Februar 2007 hinaus begehren, ist der Antrag ebenso nicht begründet.

Das Sozialgericht hat insoweit den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

Eine einstweilige Anordnung darf nur ergehen, wenn der Antragsteller das Bestehen eines zu sichernden Rechts, den so genannten Anordnungsanspruch, und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, um wesentliche Nachteile abzuwenden, den so genannten Anordnungsgrund glaubhaft macht (§ 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG-, § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung -ZPO-).

Maßgebend sind - auch im Beschwerdeverfahren - die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.

In Bezug auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende für die Zeit ab dem 1. März 2007 bis zur Entscheidung des erkennenden Senates steht den Antragstellern kein Anordnungsgrund zur Seite. Derartige Ansprüche für die Vergangenheit können regelmäßig nicht im Wege eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens anerkannt werden. Diese sind in einem Hauptsacheverfahren geltend zu machen. Etwas Anderes kann nur dann in Betracht kommen, wenn die sofortige Verfügbarkeit von für zurückliegende Zeiträume zu zahlenden Hilfen zur Abwendung eines gegenwärtig drohenden Nachteils erforderlich ist. Diesbezüglich ist jedoch von den Antragstellern nichts glaubhaft gemacht worden.

Soweit die Antragsteller die Verpflichtung des Antragsgegners begehren, im Wege der einstweiligen Anordnung Leistungen für die Zeit ab der Entscheidung des Senats zu erhalten, fehlt es ebenfalls an einem Anordnungsgrund. Aufgabe des einstweiligen Rechtsschutzes in Fällen der vorliegenden Art ist es, eine akute Notlage zu beseitigen, denn nur dann kann von einem wesentlichen Nachteil gesprochen werden, den es abzuwenden gilt, und bei dem ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten wäre. Ein solcher Sachverhalt ist hier jedoch von den Antragstellern ebenfalls nicht glaubhaft gemacht worden.

Die Antragsteller verfügen nämlich nach den von ihnen zu den Gerichtsakten gereichten Unterlagen über Einkünfte von zurzeit 2.147,98 Euro monatlich (= 1.109,98 Euro monatliche Altersrente des Antragstellers zu 2] zuzüglich jeweils 154,- Euro monatliches Kindergeld für die Antragsteller zu 3] bis 5] zuzüglich jeweils 192,- Euro monatliches BAföG für die Antragsteller zu 3] bis 5]).

Dieses derzeitige Gesamteinkommen der Antragsteller reicht aus, um ihren Gesamtbedarf (die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende betrugen bis zum 30. Juni 2007 [höchstmöglich] 1.847, 68 Euro monatlich (Regelleistungen von jeweils 311,- Euro monatlich für die Antragsteller zu 1] und 2] zuzüglich Regelleistungen von jeweils 276,- Euro monatlich für die Antragsteller zu 3] und 5) einschließlich der Kosten für Miete in Höhe von 397, 68 Euro monatlich; seit dem 1. Juli 2007 betragen die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende [höchstmöglich] 1.855, 68 Euro monatlich (Regelleistungen von jeweils 312,- Euro monatlich für die Antragsteller zu 1 und 2 zuzüglich Regelleistungen von jeweils 278,- Euro monatlich für die Antragsteller zu 3] und 5]) einschließlich der Kosten für Miete in Höhe von 397, 68 Euro monatlich) zu decken, zumal Mietrückstände nicht bestehen.

Hierbei ist ein Mehrbedarf für den Antragsteller zu 2) als auch die Antragsteller zu 3) bis 5) nicht anzuerkennen. Der Antragsteller zu 2) hat im Erörterungstermin auf Befragen angegeben, dass er nicht schwer behindert ist, keinen Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen "G" besitzt und nicht an Krankheiten leidet, für die ein Mehrbedarf notwendig wird, so dass ein Mehrbedarf nicht anzusetzen ist. Ein Mehrbedarf für die Antragsteller zu 3) bis 5) z. B. für Schulgeld ist ebenfalls nicht anzuerkennen, da Kosten für eine private Schule in § 21 SGB II nicht genannt sind. Die Regelung ist abschließend; nur die dort aufgezählten Bedarfe sind als Mehrbedarfe anzuerkennen (so auch Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. Oktober 2006, Aktenzeichen L 19 B 599/06 AS ER, juris-Ausdruck Rdnr. 19; vgl. aber a. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg - Beschluss vom 26. März 2007, Az. L 32 B 399/07 AS ER, nach dem den BAföG-Einnahmen notwendige Ausgaben (für Schulgeld) im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 SGB II entgegen stünden, dokumentiert unter www. sozialgerichtsbarkeit.de).

Angesichts dieser Einkommensverhältnisse kann - jedenfalls im Rahmen eines Verfahrens auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes bei der Prüfung eines Anordnungsgrundes - dahingestellt bleiben,

1. ob der Bedarf des Antragstellers zu 2) als Altersrentner nach den Regelungen des SGB II oder des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) zu berechnen ist, da sich jedoch sowohl nach den Regelungen des SGB II und des SGB XII der gleiche Bedarf für den Antragsteller zu 2) errechnet (vgl. zu dieser Problematik Urteil des Sächsischen Landessozialgerichtes vom 07. September 2006, Aktenzeichen L 3 AS 11/06, juris-Ausdruck Rdnr. 89 und 90; Revision anhängig beim Bundessozialgericht - BSG - unter B 14/7 b AS 58/06 R),

2. in welcher Höhe (bedarfsmindernd) von den Kosten der Unterkunft (397,68 Euro) Energiekostenanteile zur Warmwasserzubereitung abgezogen werden können (vgl. zur Höhe für die Zeit ab 1. Januar 2007 Rundschreiben I Nr. 20/2006 vom 22. Dezember 2006 der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales I A 25 (928) 2009 sowie u. a. Sächsisches LSG - Urteil vom 07. September 2006, Aktenzeichen L 3 AS 11/06, juris-Ausdruck Rdnr. 71 - Revision anhängig beim Bundessozialgericht - BSG - unter B 14/7 b AS 58/06 R- , Sächsisches LSG - Urteil vom 29. März 2007, Aktenzeichen L 3 AS 101/06, juris-Ausdruck Rdnr. 71 - Revision anhängig beim Bundessozialgericht - BSG - unter B 11b AS 15/07 R- sowie LSG Baden-Württemberg - Urteil vom 15. Dezember 2006, Aktenzeichen L 12 AS 4271/06 - Revision anhängig beim Bundessozialgericht - BSG - unter B 11b AS 3/07 R) sowie

3. ob und inwieweit die den Antragstellern zu 3) bis 5) gewährten Leistungen nach dem BAföG bedarfsmindernd als Einkommen zu berücksichtigen sind (vgl. zur Frage, welcher Anteil dem Ausbildungszweck dient und welcher dem Lebensbedarf: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht (OVG) - Urteil vom 09. Februar 1996, Bf IV 5/92, dokumentiert in juris – hiernach seien 15 Prozent der Leistungen des BAföG ausbildungsbedingt; OVG Berlin - Beschluss vom 27. Juli 1995, Aktenzeichen 6 S 120.95 = FEVS 46, 245 [249] = NVwZ-RR 1996, 157 bis 158 - hiernach müsse der Ausbildungsanteil konkret berechnet werden; für das Arbeitslosengeld II wird überwiegend - allerdings ohne nähere Begründung - angenommen, dass 20 Prozent der Leistungen des BAföG als ausbildungsbedingt anzusehen seien - vgl. Brühl/Schoch in LPK-SGB II § 7 Rdnr. 105 unter Hinweis auf die Durchführungshinweise der Bundesagentur für Arbeit für die Anwendung des Sozialgesetzbuch II - DH-BA- 11 Punkt 36; Landessozialgericht - LSG - Berlin-Brandenburg Beschluss vom 23. Oktober 2006, L 19 B 599/06 AS ER, juris-Ausdruck Rdnr. 36; diese Praxis ablehnend Sozialgericht Meiningen - S 19 AS 282/06 – Urteil vom 27. Juni 2007- hiernach finde die von der Beklagten vorgenommene Praxis, 20 % als Ausbildungsbedarf von der Einkommensanrechnung auszunehmen, mangels Rechtsgrundlage keine Stütze) bzw. ob die Härteregelung des § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II für das sog. "Mini-BAföG" gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 1 BAföG gelte (ablehnend Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. Oktober 2006, Aktenzeichen L 19 B 599/06 AS ER, dokumentiert in juris, Rdnr. 26).

Auch die hilfsweise beantragte Bewilligung eines Darlehens kommt nicht in Betracht. § 23 Abs. 1 SGB II scheidet hierfür als Rechtsgrundlage aus, da es sich bei dem Schulgeld bzw. den Semestergebühren um Ausbildungsleistungen handelt, die nicht von den Regelleistungen umfasst werden.

Im Übrigen resultiert allein aus der Behauptung, zu geringe (oder – wie hier – keine) Leistungen nach dem SGB II zu erhalten, auch nicht zwangsläufig ein Anordnungsgrund. Ein Rechtssatz, dass jede Kürzung oder Ablehnung eines vermeintlichen Anspruches nach dem SGB II zu der Annahme eines Anordnungsgrundes führt, kann nicht aufgestellt werden. Die Annahme eines Anordnungsgrundes setzt vielmehr voraus, dass das unmittelbare Bevorstehen erheblicher Nachteile glaubhaft gemacht wird. Solche erheblichen Nachteile sind vorliegend weder vorgetragen noch erkennbar. Es ist - entgegen anderweitiger Behauptungen der Antragsteller - nicht ersichtlich, dass insbesondere die Antragsteller zu 3) bis 5) beispielsweise ihre Ausbildung abbrechen müssten, wenn sie das Ergebnis des Hauptsacheverfahrens abwarten müssten.

Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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