L 6 SB 4293/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 6 SB 1477/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 4293/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 17. September 2004 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft.

Die 1950 geborene Klägerin war als Verwaltungsangestellte im Finanzamt beschäftigt und bezieht seit November 2002 eine Rente wegen Erwerbsminderung. Sie beantragte am 18.04.2001 beim Versorgungsamt F. (VA), die Feststellung ihres Grades der Behinderung (GdB). Dabei machte sie geltend, unter diffusen Lymphdrüsenschwellungen am gesamten Körper, einer Beeinträchtigung des rechten Armes bei Belastung, Beschwerden beim Heben und Strecken wegen einer Totaloperation sowie Rückenschmerzen und Schmerzen in beiden Beinen zu leiden. Darüber hinaus bestehe ein Tinnitus.

Das VA holte von der behandelnden Hals-, Nasen- und Ohren (HNO)-Ärztin Dr. F. den Befundbericht (mit Audiogramm) vom 07.05.2001 ein, die ein annähernd normales Hörvermögen diagnostiziert hat. Dr. F. führte weiter aus, die Klägerin gebe ab und zu ein Klingeln im rechten Ohr an, seit Juni 2000 auch ein fast ständiges Rauschen beidseits, zwischenzeitig mit Piepsen.

Das VA zog ferner den Entlassbericht der Klinik B. R. vom 15.06.2001 bei, wo die Klägerin in der Zeit vom 18.04.2001 bis 23.05.2001 stationär behandelt worden war. Als Entlassdiagnosen wurden genannt: rezidivierende Lumboischialgie bei Bandscheibenvorfall L4/5 und Protrusion L5/S1 sowie Spondylolisthesis L5/S1 bei Wirbelbogendefekt L5/S1. Der Beklagte setzte mit Bescheid vom 26.10.2001 den GdB auf 20 seit dem 18.04.2001 fest. Als Funktionsbeeinträchtigungen wurden angenommen: Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden und Ohrgeräusche beidseitig (Tinnitus).

Mit ihrem dagegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, es bestünden massive Beschwerden der Halswirbelsäule, Schmerzzustände und eine erhebliche Belastung durch den Tinnitus, so dass der Gesamt-GdB auf 50 anzuheben sei. Der Beklagte zog einen weiteren Entlassbericht aus einer Reha in der Klinik R. über die Klägerin bei, nachdem diese dort erneut vom 16.10.2001-06.11.2001 stationär behandelt worden war. Als Entlassdiagnosen wurden genannt: Zustand nach zweimaliger Bandscheiben-Operation C6/7 (September 2001) und L5/S1 (November 2000), Zustand nach Hinterwandinfarkt (Spätbefund im EKG) und Übergewicht bei einem Body-Mass-Index von 28. Mit Teilabhilfebescheid vom 05.07.2002 erhöhte der Beklagte den GdB auf 30. Als Funktionsbeeinträchtigungen wurden eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden und Ohrgeräusche beidseitig zu Grunde gelegt. Der Entscheidung des Beklagten lag die gutachterliche Stellungnahme des Versorgungsarztes Dr. Z. vom 10.06.2002 zu Grunde. Dort hieß es nach Auswertung des Tonaudiogramms, ein messbarer GdB werde nicht erreicht. Der beschriebene Tinnitus sei in den Audiogrammen nicht quantifizierbar vermerkt und erhebliche psychovegetative Begleiterscheinungen würden nicht beschrieben. Über die bereits dokumentierten Veränderungen der Lendenwirbelsäule hinaus bestehe ein Zustand nach Bandscheibenoperation der unteren Halswirbelsäule, die hieraus ableitbaren Wirbelsäulenfunktionseinschränkungen ohne Nachweis neurologischer Ausfallssymptomatik ließen einen GdB von 30 gerechtfertigt erscheinen. Nachdem die Klägerin ihren Widerspruch aufrecht erhalten hatte und weiterhin auf der Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft bestand, wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 26.07.2002 zurück. Dabei verwies er auf die ärztlichen Unterlagen zum Teil-Abhilfebescheid vom 05.07.2002.

Dagegen erhob die Klägerin am 07.08.2002 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG). Sie machte geltend, der orthopädische Befund müsse höher und umfassender bewertet werden. Unterbewertet sei auch der beidseitige Tinnitus. Darüber hinaus bestünden eine mittelgradig ausgeprägte Depression und aus der Wirbelsäulenproblematik resultierende chronifizierte Schmerzzustände.

Das SG befragte die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen.

Der Anästhesist und Schmerztherapeut H. teilte dem SG unter dem 14.10.2002 mit, die Klägerin gebe im wesentlichen Schmerzen im Bereich von Schulter und Nacken sowie Schmerzausstrahlungen an. Ihr Schlaf sei schmerzbedingt erheblich gestört. Funktionseinschränkungen bestünden in Bezug auf körperliche Belastungen, den Grad der Behinderung können er nicht einschätzen. Die Neurologin und Psychiaterin Dr. G. berichtete unter dem 17.10.2002, bei der Klägerin bestehe ein ausgeprägtes chronisches Schmerzsyndrom bei Zustand nach zweifachem Bandscheibenvorfall und zweimaliger Reha. Aus psychiatrischer Sicht bestehe reaktiv wegen chronischer Schmerzsymptomatik eine mittelgradig ausgeprägte Depression. Neu hinzugetreten sei ab Mai 2001 -nach dem zervikalen Bandscheibenvorfall- ein die Klägerin quälender Tinnitus. Der Orthopäde B. teilte dem SG unter dem 18.10.2002 mit, er habe die Klägerin in der Zeit von Januar bis August 2001 behandelt. Die Klägerin habe eine geringe Einschränkung der Beweglichkeit im Bereich des Rückens, die Funktion der Wirbelsäule und der Extremitäten sei voll erhalten. Aufgrund von Wirbelgleiten bestünden rezidivierende Beschwerden, welche einen GdB von 10 rechtfertigten. Das Krankheitsbild habe sich durch Krankengymnastik deutlich gebessert. Die HNO-Ärztin Dr. F. berichtete unter dem 22.10.2002, sie habe die Klägerin zuletzt im Juli 2000 gesehen und damals eine geringgradige Hochtoninnenohrschwerhörigkeit beidseits mit akutem Tinnitus rechts diagnostiziert. Der geschätzte GdB betrage unter 10. Ein Tonaudiogramm wurde beigefügt. Der Internist Dr. S. sagte unter dem 07.11.2002 aus, ein Belastungs-EKG habe bis 75 Watt keinen pathologischen Befund ergeben. Danach sei die Untersuchung wegen allgemeiner Erschöpfung, wohl im Rahmen der orthopädischen Grundproblematik abgebrochen worden. Krankhafte Veränderungen im Bereich von Herz und Lunge habe er nicht feststellen können. Die maßgebliche Problematik liege auf neurologischem und orthopädischem Fachgebiet.

Daraufhin unterbreitete der Beklagte ein Vergleichsangebot, wonach der Grad der Behinderung 40 ab dem 18.04.2001 betrage. Diesem lag eine versorgungsärztliche (vä) Stellungnahme von Dr. K. zugrunde. Dieser schlug vor, die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und den Bandscheibenschaden mit einem Teil-GdB von 30, ein chronisches Schmerzsyndrom und seelische Störungen mit einem Teil-GdB von 20 sowie Ohrgeräusche beidseits (Tinnitus) mit einem Teil-GdB von 10, und den Gesamt-GdB mit 40 zu bewerten. Die Klägerin lehnte das Vergleichsangebot als nicht ausreichend ab.

Aus dem dem SG vorgelegten sozialmedizinischen Gutachten von Dr. H. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) vom 02.07.2002 ergibt sich ein lumbaler Bandscheibenvorfall C4/5 und ein cervikaler Bandscheibenvorfall C5/6 als Diagnose. Im Rahmen des Befundberichtes heißt es, Visus- und Hörvermögen seien nicht auffällig vermindert, Herz, Kreislauf und Gefäße sowie Abdomen, zentrales Nervensystem und Psyche unauffällig. Voraussichtlich handle es sich bei dem cervikalen und lumbalen Bandscheibenvorfall um vorübergehende Funktionsbeeinträchtigungen. Auf Antrag der Klägerin zog das SG das Gutachten des Orthopäden Dr. S. für die gesetzliche Rentenversicherung über die Klägerin vom 06.12.2002 bei. Als Diagnosen wurden benannt: Chronische Schmerzkrankheit, chronische Dysfunktion der Halswirbelsäule bei Zustand nach Verdübelung C6/7, chronische Lumbalgie bei Spondylolisthesis L5/S1, Rotatorenmanschettendegeneration beidseits links stärker als rechts mit Supraspinatussehnensyndrom links stärker als rechts, Epicondylitis humeri radialis rechts und Verdacht auf Carpaltunnelsyndrom rechts stärker als links. Das Schmerzgeschehen beeinträchtige die Klägerin sehr, die depressive Komponente gehöre zum Erscheinungsbild einer chronischen Schmerzkrankheit. Die Prognose erscheine sehr schlecht, eine vorzeitige Berentung im Sinne einer Erwerbsunfähigkeit werde angeraten. Die Klägerin könne nur noch unter 3 Stunden tätig sein.

Das SG gab der Klage mit Gerichtsbescheid vom 17.09.2004 teilweise statt. Es änderte den Bescheid des Beklagten vom 26.10.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom "05." (gemeint: 26.) 07.2002 ab und verpflichtete den Beklagten, bei der Klägerin ab dem 18.04.2001 einen Gesamt-GdB von 40 festzustellen. Im Übrigen wies es die Klage ab. Unter Berücksichtigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens sei das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass bei der Klägerin ein GdB von 40 festzusetzen sei. Für die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und den Bandscheibenschaden sei der GdB mit 30 anzunehmen. Für ein chronisches Schmerzsyndrom und seelische Störungen legte es einen Teil-GdB von 20 zugrunde gelegt und für die Ohrgeräusche einen Teil-GdB von 10.

Gegen das am 22.09.2004 zugestellte Urteil hat die Klägerin am gleichen Tag Berufung eingelegt. Die Klägerin trägt vor, da zwei Abschnitte ihrer Wirbelsäule nachhaltig betroffen seien, müsse insoweit ein Einzel-GdB von 40 zugrunde gelegt werden, auch, weil sie insoweit erhebliche Schmerzzustände habe. Weiter habe das SG zu Unrecht ein beidseitiges Rotatorenmanschettensyndrom sowie eine Epicondylitis humeri radialis rechts nicht berücksichtigt. Schmerzerkrankung, seelische Störung und Tinnitus wirkten zusammen, so dass insoweit nicht nur von einem Teil-GdB von 20 ausgegangen werden könne. In einem Erörterungstermin vom 27.05.2005 hat die Klägerin erklärt, sie befinde sich in regelmäßiger ärztlicher Behandlung bei Dres. H. und G ... Dr. H. suche sie in der Regel alle vier Wochen auf, insbesondere um eine Spritze zur Lahmlegung des Schmerzzentrums zu bekommen und Dr. G. alle zehn Wochen, um die Krankengymnastik zu verlängern.

Die Klägerin beantragt

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Konstanz vom 17. September 2004 und den Bescheid des Beklagten 26. Oktober 2001 in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 5. Juli 2002 und des Widerspruchsbescheids vom 26. Juli 2002 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ab dem 18. April 2001 einen GdB von 50 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte meint, der angefochtene Gerichtsbescheid sei zutreffend. Der Gesamt-GdB sei mit 40 angemessen bewertet. In seiner vä Stellungnahme vom 20.09.2005 hat Dr. G. für den Beklagten dazu ausgeführt, die vom Senat eingeholten Arztauskünfte ergäben insgesamt keine neuen Gesichtspunkte, so dass eine höhere Bewertung des GdB medizinisch nicht zu begründen sei.

Der Senat hat die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen befragt.

Der Facharzt für innere Medizin Dr. S. hat unter dem 23.06.2005 mitgeteilt, er habe die Klägerin zuletzt im Februar 2003 gesehen. Der Anästhesist H. hat unter dem 28.06.2005 darauf verwiesen, dass sich seit seiner letzten Auskunft gegenüber dem Sozialgericht keine signifikante Änderung im Gesundheitszustand der Klägerin ergeben habe. Der Orthopäde B. hat unter dem 12.07.2005 mitgeteilt, die Klägerin habe sich bei ihm nicht mehr vorgestellt, so dass er keine Auskünfte geben könne. Die Neurologin und Psychiaterin Dr. G. hat unter dem 18.07.2005 und auf telefonische Nachfrage des Senats nochmals am 20. 06.2007 mitgeteilt, bei der Klägerin bestehe weiterhin eine chronische Schmerzsymptomatik wegen Bandscheibenvorfalles im Bereich C5/C6 sowie L4/L5. Deswegen erscheine die Klägerin bei ihr alle paar Wochen kurz, um ein neues Rezept für Krankengymnastik abzuholen. Eine psychiatrische Behandlung finde nicht statt. Wesentliche Änderungen seien nicht eingetreten. Auf die Nachfrage des Senats vom Mai 2007 nach eventueller internistischer Behandlung wegen aktueller Herzbeschwerden hat die Klägerin nicht geantwortet.

Als Sachverständiger gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Orthopäde Dr. V. am 19.05.2006 ein Gutachten über die Klägerin erstattet. Dr. V. hat deutliche degenerative Veränderungen an der Halswirbelsäule im Bereich C5/6 ohne radikuläre Symptomatik, einen Zustand nach Verblockung HWK 6/7 im September 2001 und einen Verdacht auf Spondylosisthese L5/S1 diagnostiziert. Bei der gutachterlichen Untersuchung hätten maximal leichtgradige schmerzhafte Bewegungseinschränkungen bestanden. Aufgrund der degenerativen Veränderungen im Bereich der Halswirbelsäule sei allerdings davon auszugehen, dass immer wieder schmerzhafte Bewegungseinschränkungen im Bereich der Halswirbelsäule auftreten könnten, ebenso könne es durch muskuläre Verspannungen zu vegetativen Begleiterscheinungen wie Kopfschmerz, Ohrgeräuschen und Übelkeit kommen. Bei der aktuellen Untersuchung im Januar 2006 seien allerdings sämtliche Symptome bzw. Beschwerden dieser Art nicht nachweisbar gewesen. Aufgrund der erhobenen orthopädischen Befunde sei ein Grad der Behinderung von 30 ausreichend.

Der Neurologe und Psychiater Dr. E., Abteilungsleiter Neurologie und Psychiatrie im Penta-Zentrum für Akutmedizin B. S., hat am 15.05.2007 als weiterer Sachverständiger gemäß § 109 SGG ein Gutachten über die Klägerin erstattet. In seinem neurologisch-psychiatrischen Gutachten hat er eine chronifizierte Depression schweren Auswirkungsgrades diagnostiziert. Zu ihren Beschwerden hat die Klägerin angegeben, sie habe ständige Schmerzen und einen erheblich störenden Tinnitus. Arztbesuche machten dies jedoch nicht besser, so dass sie solche weitgehend aufgegeben habe. Im Alter von 34 sei wegen einer Krebserkrankung eine gynäkologische Totaloperation notwendig geworden, infolge derer sie in die Wechseljahre gefallen sei. Ihr Ehemann habe den Krebs negiert und lasse sie sehr viel allein. Auch der Sohn habe eine eigene Familie mit Beruf und brauche sie nicht mehr. Die Ehe, so der Sachverständige, werde als chronisch belastet beschrieben. Im Rahmen der Befundwiedergabe heißt es, der psychische Befund weise deutlich auf eine Depression hin. Die Klägerin leide an Lebensüberdruss mit Todeswunsch und Suizidgedanken bei ausgeprägtem Verlust des Selbstwertes. Die Klägerin sei freudlos und habe einen ausgeprägten Interessenverlust bei hochgradig erlahmtem Antrieb. In der Untersuchungssituation falle eine ausgeprägt depressive Stimmungslage auf, die sich in einer gewissen Gleichgültigkeit gegenüber dem eigenen Lebensschicksal und einer resignativen Haltung gegenüber einer konflikthaften familiären Situation widerspiegle. In der Symptomdarstellung vordergründig seien multiple Schmerzen ohne hinreichend organisches Korrelat. Diese dienten als unbewusstes Ausdrucksmittel für das seelische Leid. Die 2002 noch mittelgradige Depression müsse jetzt als schwergradig bezeichnet werden. Bei der mittlerweile eingetretenen Chronifizierung müsse der Erfolg künftiger Behandlungsversuche fraglich erscheinen, diese seien jedoch schon wegen der Suizidalität dringend angeraten. In Anbetracht der erheblich eingeschränkten, aber noch vorhandenen sozialen Funktionsfähigkeit werde ein GdB von 70 für die Depression vorgeschlagen, in Anbetracht der übrigen Erkrankungen und der Wechselwirkung der Depression mit Wirbelsäulenfunktionsbehinderung und Tinnitus werde ein Gesamt-GdB von 80 als angemessen betrachtet. Ob hinter den pectanginösen Beschwerden eine ernsthafte Herzerkrankung stecke, welche möglicherweise einen weiteren GdB bewirke, müsse vom Internisten erfragt werden.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und Akteninhaltes wird auf die beigezogene Akte des Beklagten und die sozialgerichtlichen Akten ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG) ist zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden und statthaft (§ 151 Abs. 1 und §§ 143, 144 SGG). Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft.

Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die Beurteilung des GdB sind seit dem 1. Juli 2001 die Vorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX), die an die Stelle der durch dieses Gesetz aufgehobenen Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) getreten sind (Artikel 63 und 68 SGB IX vom 19. Juni 2001, BGBl. I S. 1046).

Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Sind neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, so treffen die für die Durchführung des BVG zuständigen Behörden ebenfalls die erforderlichen Feststellungen (§ 69 Abs. 4 SGB IX). Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die zuständigen Behörden auf Grund einer Feststellung der Behinderung einen Ausweis über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch, den GdB sowie weitere gesundheitliche Merkmale aus (§ 69 Abs. 5 SGB IX).

Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 SGB IX). Aus dieser Definition folgt, dass für die Feststellung einer Behinderung sowie Einschätzung ihres Schweregrades nicht das Vorliegen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes entscheidend ist, sondern es vielmehr auf die Funktionsstörungen ankommt, die durch einen regelwidrigen Zustand verursacht werden.

Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung nur dann zu treffen ist, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Sätze 3 und 6 SGB IX). Die Feststellung des GdB oder eines Nachteilsausgleichs ist eine rechtliche Wertung von Tatsachen, die mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen festzustellen sind. Dabei orientiert sich der Senat im Interesse der Gleichbehandlung aller Behinderten an den Bewertungsmaßstäben, wie sie in den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)", Ausgabe 2004 (AHP) niedergelegt sind (vgl. dazu auch BSG, Urteil vom 15. März 1979 - 9 RVs 6/77 - BSGE 48, 82; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 7. November 2001 – B 9 SB 1/01 R - VersorgVerw 2002, 26). Die AHP haben zwar keine Normqualität, weil sie weder auf einem Gesetz noch auf einer Verordnung oder auch nur auf Verwaltungsvorschriften beruhen. Sie sind vielmehr als antizipierte Sachverständigengutachten anzusehen, die in der Praxis wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit wirken. Sie haben deshalb normähnliche Auswirkungen und sind im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung wie untergesetzliche Normen von den Gerichten anzuwenden (BSG, Urteil vom 23. Juni 1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285, 286; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18. September 2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 91, 205; BSG, Urteil vom 29. August 1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1). In den AHP ist der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Sie ermöglichen somit eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB oder eines Nachteilsausgleichs. Die AHP stellen dabei ein einleuchtendes, abgewogenes und geschlossenes Beurteilungsgefüge dar (BSG, Urteil vom 1. September 1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22).

Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Dabei dürfen die einzelnen Werte bei der Ermittlung des Gesamt-GdB nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet (AHP, 19 Abs. 1, S. 24). Vielmehr ist darauf abzustellen, ob und wie sich die Auswirkungen von einzelnen Beeinträchtigungen einander verstärken, überschneiden oder aber auch gänzlich voneinander unabhängig sein können (BSG, Urteil vom 15. März 1979 - 9 RVs 6/77 - BSGE 48, 82; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19). Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB-Grad 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (AHP, 19 Abs. 3, S. 25). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass, von Ausnahmefällen abgesehen, leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzel-GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte. Dies auch nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (AHP, 19 Abs. 4, S. 26).

Hiervon ausgehend gelangt der Senat nach eigener Überprüfung mit dem SG zur Überzeugung, dass die Klägerin nicht schwerbehindert ist.

Die Klägerin hat im Berufungsverfahren geltend gemacht, der orthopädische Teil-GdB sei durch den Beklagten zu niedrig bemessen, der ein Wirbelsäulensyndrom mit mittelgradig schmerzhafter Bewegungseinschränkung mit einem Teil-GdB von 30, ein chronisches Schmerzsyndrom mit begleitender depressiver Symptomatik mit einem Teil-GdB von 20 und Ohrgeräusche beidseits (Tinnitus) mit einem Teil-GdB von 10, zusammen einen GdB von 40 zugrunde gelegt hatte. Der Senat konnte sich nach weiterer Aufklärung des Sachverhalts nicht davon überzeugen, dass der orthopädische Teil-GdB zu gering sei, sondern kam im Gegenteil zu der Auffassung, dass das Wirbelsäulenleiden der Klägerin durch den Beklagten (zu) großzügig bemessen ist. Der GdB für angeborene und erworbene Schäden an der Wirbelsäule wird nach Nr. 26.18 der AHP entscheidend durch die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen wie Bewegungsbehinderung und Minderbelastung und ggf. die Mitbeteiligung anderer Organsysteme bestimmt. Bewegungseinschränkung, Wirbelsäulenverformung und Wirbelsäuleninstabilität sowie die Anzahl der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte sind zu berücksichtigen. Die üblicherweise dabei auftretenden Beschwerden wie Schmerzen sind dabei in die GdB-Werte einberechnet. Wirbelsäulenbeschwerden ohne Bewegungseinschränkung oder Instabilität werden nach den AHP mit 0 bemessen. Geringe funktionelle Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurzdauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) schlagen mit einem GdB von 10 zu Buche. Erst mittelgradige funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und Tage anhaltende Wirbelsäulensyndrome) rechtfertigen dabei einem GdB von 20. Ein GdB von 30 würde schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) erfordern.

Zwar hat der Sachverständige Dr. Volz als Gutachter nach § 109 SGG einen GdB von 30, wie ihn der Beklagte seiner Beurteilung zugrunde gelegt hatte, bestätigt, aber er hatte bei seiner Befunderhebung bei der Klägerin keine Symptome oder Beschwerden festgestellt. Aufgrund seiner Untersuchung der Klägerin war er daher zu dem Ergebnis gelangt, dass maximal leichtgradige Bewegungseinschränkungen vorgelegen hätten. Den beschriebenen Funktionseinschränkungen entspricht die Aussage des behandelnden Orthopäden Dr. B., die Klägerin habe eine nur geringe Einschränkung der Rückenbeweglichkeit, wobei die Funktion der Wirbelsäule und der Extremitäten voll erhalten sei. Dr. B. hatte daher nur einen Teil-GdB von 10 für angemessen gehalten. Zu beachten ist allerdings, dass bei der Klägerin, worauf Dr. V. wesentlich abgestellt hat, in bildgebenden Verfahren deutlich degenerative Veränderungen der HWS mit einem Zustand nach Verblockung der HWK C6/C7 nachweisbar sind. Die Klägerin beklagt infolgedessen auch rezidivierende Beschwerden, welche angesichts des Befundes nachvollziehbar sind. Zudem hat die Verblockung an der HWS die Folge, dass die Klägerin in der Entfaltbarkeit und Beweglichkeit der HWS dauerhaft eingeschränkt ist. Entscheidend für die Bemessung des GdB sind nach den AHP die tatsächlich vorhandenen und nachweisbaren Funktionsbeeinträchtigungen. Der objektiv bestehende Schadensbefund an der HWS wirkt sich aber bei der Klägerin nicht nachweisbar mehr als mittelgradig (Teil-GdB 20) aus. Weil die Klägerin Arztbesuche -nach eigenem Bekunden wegen Erfolglosigkeit- im wesentlichen eingestellt hat, kann der Orthopäde B. trotz des Wirbelgleitens keine konkreten Schmerzzustände oder Bewegungseinschränkungen bei akuten Beschwerden an konkreten Behandlungstagen bestätigen, zumal er eine erhebliche Besserung der ursprünglichen HWS-Problematik nach Krankengymnastik benennt. Auch bei der Untersuchung durch den Sachverständigen Dr. V. war die Klägerin beschwerdefrei. Inwieweit sie an anderen Tagen kurzzeitige oder länger dauernde Funktionseinbußen oder rezidivierende Schmerzzustände hat, war angesichts der dem Senat vorliegenden ärztlichen Auskünfte und nach dem Untersuchungsbefund im Rahmen des Sachverständigengutachtens nicht objektivierbar, so dass der Senat wegen der Folgen der Verblockung allenfalls häufig rezidivierende und maximal Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome für seine Feststellungen zugrunde legen kann, die in den AHP mit einem GdB von 20 bewertet sind. Für die von der Klägerin geltend gemachten schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten besteht danach kein ausreichender Anhalt. Auch die von ihr weiter angeführten Beeinträchtigungen durch ein Rotatorenmanschettensyndrom und eine Epicondylitis humeri radialis (Tennisarm) können vom Senat nicht als nachgewiesen festgestellt werden. Der Sachverständige Dr. V. hat eine freie Beweglichkeit beider Schultern beschrieben. Bei ihm haben Provokationstests der Rotatorenmanschette keinen pathologischen Befund erbracht; die Gelenke waren nicht eingeschränkt. Weder der behandelnde Orthopäde B. noch Dr. V. konnten einen Befund am rechten Arm benennen, auch die Klägerin selbst hat offenbar weder bei ihrem Orthopäden noch beim Sachverständigen anamnetisch diesbezügliche Gesundheitsbeeinträchtigungen geschildert. Ein weiterer Teil-GdB lässt sich daher weder für beidseitige Schulter- noch Armbeschwerden rechts ausweisen.

Den vom Beklagten angenommenen GdB für ein chronisches Schmerzsyndrom und seelische Störungen von 20 hält der Senat dagegen für zu niedrig bewertet. Er geht insoweit von stärker behindernden Störungen mit einem Teil-GdB von 30 aus. Soweit der Sachverständige Dr ... wegen einer schweren chronischen Depression mit Suizidgefahr allerdings einen GdB von 70 annimmt, folgt der Senat dem nicht. Neurosen, Persönlichkeitsstörungen und Folgen psychischer Traumen werden nach den AHP bei leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen mit einem GdB von 0 bis 20, bei stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (etwa ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) mit 30 bis 40 und schwere Störungen (etwa eine schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen bzw. schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einem GdB von 50-70 bzw. 80-100 bewertet. Die danach für einen Einzel-GdB von 70, wie von Dr. E. vorgeschlagen, erforderliche schwere seelische Störung mit erheblichen mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten konnte der Senat im Verfahren nicht feststellen. Der Sachverständige Dr. E. hat zwar eine schwere Depression und Todesgedanken bei der Klägerin benannt und dies auf die im 34. Lebensjahr der Klägerin von ihr durchgemachte Krebserkrankung und familiäre Probleme zurückgeführt. Das überzeugt den Senat jedoch nicht zur Gänze. Zwar hält der Senat die von Dr. E. benannten multiplen Schmerzen der Klägerin ohne hinreichendes organisches Korrelat auch für ein typisches Ausdrucksmittel tiefer liegenden seelischen Leids. Dem entspricht aber der Krankheitsbegriff der somatoformen Schmerzstörung, welcher in den AHP zu den stärker behindernden seelischen Störungen (GdB 30 bis 40) gerechnet wird. Die behandelnde Neurologin und Psychiaterin Dr. G. hat in ihrer Aussage vom 17.10.2002 ein ausgeprägtes chronisches Schmerzsyndrom bestätigt und dazu eine mittelgradige Depression diagnostiziert. Der Orthopäde Dr. S. hat desgleichen im Rentenversicherungsverfahren eine chronische Schmerzkrankheit mit depressiver Komponente benannt. Er beschreibt wie Dr. E. ein "depressives Erscheinungsbild" der Klägerin, ordnet dieses aber der Schmerzerkrankung zu. Diese Zuordnung überzeugt den Senat, denn eine chronische Schmerzerkrankung geht häufig aufgrund des damit verbundenen Leidens mit reaktiven Verstimmungszuständen einher; übliche seelische Begleiterscheinungen sind aber nach Nr. 18 (8) der AHP bereits in die GdB-Sätze eingearbeitet und bedingen, sofern ihnen kein eigener, darüber hinaus gehender Krankheitswert zukommt, keine Erhöhung des GdB. Von einer davon unabhängigen und eigenständigen länger dauernden mittelschweren Depression der Klägerin konnte sich der Senat aber nicht überzeugen. Die Klägerin befindet sich nunmehr seit Jahren nicht wegen psychischer Leiden in Behandlung. Eine tatsächlich bestehende Depression würde dagegen nach Auffassung des Senats mit erheblichem Leidensdruck einhergehen und stattdessen erwarten lassen, dass sich die Klägerin in entsprechende fachärztliche Behandlung begäbe. Die Nervenfachärztin Dr. G. hat dem Senat jedoch auf Nachfrage mitgeteilt, dass eine solche Behandlung nicht durchgeführt werde. Der Schmerztherapeut H. sah im Gegenteil bei Auswertung eines Schmerzfragebogens und psychometrischer Testverfahren normale Werte in Bezug auf die subjektive Behinderungseinschätzung der Klägerin und die Erfassung depressiver Symptome bzw. depressiver Verstimmung. Der behandelnde Internist Dr. S., die HNO-Ärztin Dr. F. und der Orthopäde B. erwähnen in ihren Aussagen gegenüber dem SG keine psychischen Probleme, auch Dr. H. vom MDK erwähnt seelische Leiden mit keinem Wort. Der Sachverständige Dr. E., welcher die Krebserkrankung und familiäre Probleme der Klägerin als Auslöser sieht, setzt sich nicht damit auseinander, dass die Krebserkrankung der Klägerin schon Mitte der 80iger Jahre auftrat und ihr Ehemann es nach ihren Aussagen bereits damals an der -trotz der auch psychisch belastenden Krebskrankheit besonders notwendig gewordenen- Zuwendung hat fehlen lassen. Damals hat die Klägerin aber noch keinen Antrag an den Beklagten gestellt oder Behandlungen eingefordert. Der Sachverständige selbst legt im Widerspruch zu seiner Annahme, eine Depression der Klägerin habe sich mit der Krebserkrankung und der lieblosen Reaktion ihrer Umgebung darauf entwickelt, den Beginn der von ihm diagnostizierten Depression etwa auf das Jahr 2000, also etwa eineinhalb Jahrzehnte später, fest. Die Klägerin selbst sieht den Beginn ihrer Probleme im Zeitraum 2000/2001, als sie am Arbeitsplatz einen "Hexenschuss" erlitt. Diese Diskrepanz wird vom Sachverständigen nicht aufgelöst. Der Sachverständige bezieht sich zu seiner Diagnose zudem allein auf die Angaben der Klägerin über einen ausgeprägten Interessenverlust bei Lebensüberdruss. Er erhebt keinen detaillierten Tagesablauf, der dazu nähere und konkrete Erkenntnisse vermitteln könnte. Keiner der übrigen im Verfahren beteiligten Ärzte beschreibt eine Suizidgefahr der Klägerin, die anamnestischen Schilderungen der Klägerin bei Ärzten oder ihre Angaben gegenüber der Verwaltung und dem Gericht lassen keinen Lebensüberdruss erkennen, Selbstmordversuche oder andere appellative Autoaggressionshandlungen sind nicht dokumentiert. Eine Auseinandersetzung damit und den vom Schmerztherapeuten H. als normal bezeichneten Depressionswerten durch den Sachverständigen unterbleibt. Infolgedessen hält es der Senat nicht für nachgewiesen, dass die Klägerin unter einer schweren seelischen Störung mit erheblichen sozialen Anpassungsschwierigkeiten leidet. Der Senat geht daher von einer bereits stärker behindernden somatoformen Schmerzstörung mit Schlafstörungen und sich wiederholenden Verstimmungszuständen mit einer schon wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit der Klägerin aus, die sich aber bei fehlendem Leidensdruck zu psychotherapeutischer Behandlung noch im unteren Bereich bewegt, so dass ein Teil-GdB von 30 insoweit angemessen erscheint.

Der Teil-GdB von 10 für den HNO-ärztlichen Befund erscheint dem Senat ausreichend, wenn nicht zu hoch, denn ein fortbestehender Tinnitus ist nicht nachgewiesen. Die HNO-Ärztin Dr. F. hat nur eine geringgradige Hochtonschwerhörigkeit diagnostiziert; die Verständigung mit der Klägerin ist ausweislich aller im Verfahren beteiligten Ärzte, die Kontakte mit ihr beschrieben haben, nicht eingeschränkt. Das von Dr. F. beigefügte Tonaudiogramm gibt für die Tabellen zu Nr. 26.5 der AHP keinen höheren GdB her, es entspricht im Gegenteil annähernd normalem Gehör. Was den von der Klägerin als quälend beschriebenen Tinnitus angeht, hat Dr. F. für die Zeit seit Juni 2000 ein beidseitiges Rauschen und ein Klingeln auf dem rechten Ohr diagnostiziert. Deswegen fanden im Juli 2000 für eine Woche Behandlungen bei Dr. F. statt. Danach sind keine konkreten Befunde oder Behandlungen mehr aktenkundig: Dr. F. schreibt, dass sich die Klägerin bei ihr seit Juli 2000 nicht mehr vorgestellt habe, was mit den Angaben der Klägerin, sie befinde sich nur bei Dres. H. und G. in Behandlung, korrespondiert. Der Entlassbericht über die Rehabilitationsmaßnahme im April und Mai 2001 in Bad Rippoldsau listet keinerlei Hörbeschwerden unter den Diagnosen auf, weder der Aufnahmebefund zum Kopf-Hals-Bereich noch die Bemerkungen zur Therapie oder Reha-Verlauf und -Ergebnis erwähnen HNO-Probleme. Gleiches gilt für die zweite Reha der Klägerin in Bad Rippoldsau im Oktober/November 2001, nur Schluckbeschwerden und Heiserkeit betrafen das Gebiet der HNO. Der Schmerztherapeut H., der Orthopäde Berberich und der Internist Dr. S. äußerten sich bei ihrer mehrmaligen Befragung durch das SG und den Senat nicht zu Schwerhörigkeit oder Tinnitus, Dr. H. für den MDK vermerkt lediglich, dass das Hörvermögen mit Hörgerät (dessen Herkunft unklar bleibt) nicht eingeschränkt sei und Dr. S. hat in seinem Gutachten für die Rentenversicherung eine minimale Schwerhörigkeit benannt, ein Tinnitus rechts oder beidseits taucht weder in den Diagnosen noch in der Beschreibung der Beschwerdeschilderung der Klägerin auf. Im Erörterungstermin vom 27.05.2005 vor dem früheren Berichterstatter des Senats hat die Klägerin keine Behandlungen bei Dr. F. oder einem anderen HNO-Arzt angegeben. Nur Dr. G. schildert in ihrer ersten Aussage vom 17.10.2002 einen anamnetisch seit Mai 2001 neu hinzugetretenen Tinnitus, was sie in ihrer Aussage vom 18.07.2005 nicht wiederholt. Der Sachverständige Dr. V. erwähnt keine Schwerhörigkeit und keinen Tinnitus. Er schreibt lediglich, dass es aufgrund der bei der Klägerin bestehenden degenerativen Veränderungen der HWS bei muskulären Verspannungen zu vegetativen Begleiterscheinungen wie Kopfschmerz, Ohrgeräusch und Übelkeit kommen könne. Nur bei Dr. E. wird im Beschwerdebild vermerkt, die Klägerin benenne ihren Tinnitus als so störend, dass sie überall das Radio anmache. Wann der Tinnitus entstanden ist (Juli 2000 wie von Dr. F. vermerkt oder Mai 2001, wie Dr. G. schreibt) und ob er auf einem oder beiden Ohren mit welcher konkreten Intensität und Dauer besteht, bleibt dabei im Unklaren, weil sich die Klägerin seit 2000 nicht mehr in fachärztliche Behandlung begeben hat. Die einzigen Aussagen dazu stammen fachfremd von den Nervenfachärzten Dres. G. und E., die mangels eigener HNO-Fachkompetenz nur Angaben der Klägerin wiedergeben, ohne diese zu hinterfragen oder zu verifizieren. Die Anerkennung eines Teil-GdB für Tinnitus setzt aber nach Nr. 8 (16) der AHP audiometrische Analysen voraus, welche mangels diesbezüglicher Arztbesuche und auch Beschwerdeschilderungen in der Reha bzw. beim Rentengutachter nicht angefertigt wurden. Ohne durchgehende Beschwerdeschilderung, Diagnosen und Behandlung als Nachweis lässt sich ein Teil-GdB für einen Tinnitus nach Auffassung des Senats im vorliegenden Fall daher nicht rechtfertigen.

Zusammenfassend geht der Senat daher von einem Teil-GdB von 30 für die somatoforme Schmerzstörung der Klägerin, einem Teil-GdB von 20 für das HWS-Leiden und einem Teil-GdB von maximal 10 für das HNO-Leiden aus, was einen Gesamt-GdB von 40 ergibt. Hat die Klägerin damit aber nicht nachgewiesen, dass Schwerbehinderung mit einem Gesamt-GdB von 50 vorliegt, war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie berücksichtigt, dass die Klägerin ihr Klageziel, die Anerkennung der Schwerbehinderung zu erreichen, verfehlt hat und dass der Beklagte unmittelbar nach Bekanntwerden weiterer medizinischer Erkenntnisse über den Gesundheitszustand der Klägerin ein Vergleichsangebot in Höhe eines GdB von 40 abgegeben hat. Das Verbot der sog. reformatio in peius (Verböserung) gilt hinsichtlich der Kostenentscheidung nicht (BSGE 62, 131, 136).

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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