L 4 V 940/95

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
4
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 16 V 887/93
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 V 940/95
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Das Gesetz Nr. 47 der Alliierten Hohen Kommission vom 8. Februar 1951 – Amtsblatt der Alliierten Hohen Kommission 1951, S. 767 – und das Gesetz über die Abgeltung von Besatzungsschäden vom 1. Dezember 1995 – BGBl. I, 734 – enthalten Vorschriften im Sinne des § 5 Abs. 2 Buchstabe a BVG, die dazu führen, daß im Falle ihrer Anwendbarkeit die Gewährung von Leistungen nach dem BVG ausscheidet. Dementsprechend sind Entschädigungsleistungen nach dem BVG für Schäden, die durch Angehörige der Besatzungsmächte oder durch Verkehrsmittel der Besatzungsmächte verursacht worden sind, nach dem 31. Juli 1945 nur noch nach § 89 Abs. 1 BVG (Weitergewährung bereits bindend bewilligter Leistungen) zu erbringen (Fortführung der Entscheidung des BSG vom 26. Oktober 1956 – 8 RV 321/54).
2. § 5 Abs. 2 Buchstabe a BVG findet im Bereich der Bundesrepublik Deutschland – Westzonen – nur für die Folgen von Schäden Anwendung, die vor dem 5. Mai 1955, 12.00 mittags, verursacht worden sind. Nach dem 5. Mai 1955, 12.00 Uhr mittags, hat es sich bei den Angehörigen der US-amerikanischen Streitkräfte nicht mehr um solche einer Besatzungsmacht im völkerrechtlichen Sinne gehandelt (Fortführung der Entscheidung des BSG vom 7. Juli 1955 – 10 RV 160/54).
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 3. August 1995 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz – BVG – an den Kläger für die gesundheitlichen Folgen nach einem Verkehrsunfall vom 11. April 1956 zwischen ihm und einem LKW, der von einem Angehörigen der US-Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland gefahren wurde.

Der 1926 geborene Kläger befand sich am 11. April 1956 auf dem Weg zur Arbeit als Zivilbediensteter der US-amerikanischen Streitkräfte, als ein LKW der US-amerikanischen Streitkräfte in Gießen, nach Mißachtung der Vorfahrt, mit ihm zusammenstieß. Das Verfahren gegen den Fahrer des LKW, den Soldaten wurde durch Einstellungsbescheid des Oberstaatsanwaltes in Gießen (Az.: 7 Js 801/56) vom 15. Mai 1956 beendet. Aus einem Krankenblatt des Evangelischen Schwesternhauses in Gießen – Abteilung Chirurgie – ergibt sich, daß der Kläger bei dem Zusammenstoß auf den Kopf und das rechte Kniegelenk gefallen war. Er selber hatte vorgebracht, bis zu 15 Minuten bewußtlos gewesen zu sein. Es wurden am Kinn eine leichte Schürfwunde und am rechten Kniegelenk eine flache Hauterosion, die nicht blutete, festgestellt. Weitere äußere Verletzungen fanden sich nicht. Der Kläger klagte über diffuse Kopfschmerzen. Aus einer Röntgenuntersuchung ergab sich nach Auffassung der den Kläger im Evangelischen Schwesternhaus behandelnden Ärzte eine Berstungsfraktur am Parietalknochen links, am Übergang von der Occipitalschuppe zum Temporalen. Nach 28tägigem Krankenhausaufenthalt wurde der Kläger gehfähig unter weiterer Schonung nach Hause entlassen. Aus dem Krankenblatt des Evangelischen Schwesternhauses ergibt sich des weiteren, daß der Kläger am 18. Juni 1956 bei einer Nachschau nach wie vor unter Kopfschmerzen litt. Am 6. Juli 1956 sei ihm beim Fahren eines Autoliftes grün vor Augen geworden. Es wird weiter ausgeführt, daß eine neuro-vegetative Störung vorläge, die einer weiteren Klärung bedürfe, da der Kläger bei dem Unfall im April 1956 nur eine unvollständige Gehirnerschütterung erlitten habe. Auch am 28. Juni 1957 wäre ihm auf einer Dienstfahrt wieder übel geworden und im Dezember 1958 klagte der Kläger ausweislich des Krankenblattes des Evangelischen Schwesternhauses über ziehende Schmerzen an der linken Seite. Wegen der Entschädigung der Folgen des Verkehrsunfalles beantragte der Kläger die Gewährung von Leistungen durch die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Amt für Verteidigungslasten, der nunmehrigen Beigeladenen. In den Akten der Beigeladenen findet sich unter dem Datum des 8. August 1956 ein amtsärztliches Gutachten des Dr. (Gesundheitsamt Gießen), in dem die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers – MdE – zunächst mit 20 v.H. und nach einem Erholungsaufenthalt mit 0 v.H. wegen psychotischer Überlagerung der Beschwerden bewertet wird. Durch Bescheid vom 15. Dezember 1958 bewilligte die Beigeladene Entschädigungsleistungen zu einem Teil und wies im übrigen den Antrag zurück. Durch Mitteilung vom 30. Dezember 1957 gewährte die Hessische Ausführungsbehörde für die gesetzliche Unfallversicherung (Az.: D59 935) vorläufige Fürsorge nach § 1735 Reichsversicherungsordnung – RVO –. Zugleich heißt es in dieser Mitteilung, daß ab dem 30. April 1957 keine zu entschädigende MdE mehr vorliege. In dem sich anschließenden Klageverfahren vor dem Landgericht Gießen (Az.: 3 O 8/59) gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Amt für Verteidigungslasten, bewilligte dieses durch Beschluss vom 9. Februar 1959 dem Kläger Armenrecht für dessen Klage auf Ausgleich des Verdienstausfalls, Ersatz seiner Anwaltskosten sowie sonstigen Auslagen. Im übrigen verneinte das Landgericht Gießen die Erfolgsaussicht der Klage. Insbesondere führte es aus, daß die Behauptung des Klägers, daß er durch den Unfall einen Schädelbasisbruch, eine Verletzung des Gehörganges und des Rückgrates erlitten habe, im Gegensatz zu einem Gutachten der Universitätsklinik Frankfurt am Main vom 26. August 1957 stünde, das auf Ersuchen der Hessischen Ausführungsbehörde für Unfallversicherung in Frankfurt am Main erstattet worden sei. Dieser Beschluss wurde im Beschwerdeverfahren vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main am 30. November 1960 bestätigt. Die Beigeladene stellte den Kläger in Höhe der Entschädigungsleistungen, für die das Landgericht Gießen die Erfolgsaussicht der Klage bejaht hatte, klaglos. Ein weiteres Gerichtsverfahren betrieb der Kläger danach zunächst nicht. Am 27. Februar 1976 beantragte er erneut Gewährung von Entschädigungsleistungen für die verbliebenen Körperschäden. Die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Amt für Verteidigungslasten, wies auf die Rechtskraft ihrer Entscheidungen aus den 50iger Jahren sowie den Ablauf der Verjährungsfrist hin. Durch Entschließung vom 29. November 1977 lehnte die Beigeladene die Gewährung von Entschädigungsleistungen ab. Der Antrag des Klägers auf die Gewährung von Armenrecht vom 20. Januar 1978 wurde vom Landgericht Gießen durch Beschluss vom 21. Februar 1978 (Az.: 3 O 40/78) wegen mangelnder Erfolgsaussicht der Klage abgelehnt. Nach einem Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main im Rahmen des Beschwerde Verfahrens vom 18. April 1978, in dem dieses die Entscheidung des Landgerichts Gießen bestätigte, nahm der Kläger am 21. Juni 1978 die Klage zurück. Einen erneuten Antrag bei der Beigeladenen auf Gewährung von Entschädigungsleistungen lehnte diese durch Entschließung vom 12. Mai 1993 wiederum ab. Nach einer Gegenvorstellung des Klägers vom 15. Mai 1993 und einer Antwort der Beigeladenen hierauf, wurde dieses Verfahren nicht weiter betrieben. Am 10. August 1995 stellte der Kläger einen erneuten Antrag bei der Beigeladenen.

Die Hessische Ausführungsbehörde für Unfallversicherung wandelte die durch Mitteilung vom 30. Dezember 1957 bewilligte vorläufige Fürsorge später in endgültige Leistungen um. Der Kläger verfolgte seine Ansprüche gegen den gesetzlichen Unfallversicherungsträger in zahlreichen Verfahren anschließend weiter. Hierbei gelangten diverse Sachverständigengutachten, insbesondere auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet, zu den Verwaltungsakten der Hessischen bzw. Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung, aber auch zu den Gerichtsakten.

Das Sozialgericht Gießen wies erstmals durch Urteil vom 30. November 1959 die Klage auf Weitergewährung einer Unfallrente ab. Dies bestätigten das Hessische Landessozialgericht durch Urteil vom 26. September 1961 und das Bundessozialgericht durch Beschluss vom 21. September 1962 (Az.: L 3 U 227/59 und 2 RU 208/61). Auch in den weiteren Jahren blieb der Kläger vor den Gerichten der Hessischen Sozialgerichtsbarkeit im Hinblick auf die Weitergewährung der Unfallrente erfolglos (Urteile des Sozialgerichts Gießen vom 11. Oktober 1973 und 14. Februar 1980 sowie des Landessozialgerichts vom 5. Februar 1975, 1. April 1981 und 18. März 1992 – L 3 U 1069/73, L 3 U 442/80 und L 3 U 115/87 –, bestätigt durch Beschluss des Bundessozialgerichts vom 5. August 1992 – 2 BU 94/92). Den letzten Antrag des Klägers beschied die Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung durch Bescheid vom 15. März 1993 und Widerspruchsbescheid vom 2. August 1993 ebenfalls ablehnend. Die Klage hiergegen ist vom Sozialgericht Gießen durch Urteil vom 3. Februar 1997 (S 3 U 947/93) wiederum abgewiesen worden. Das Berufungsverfahren ist zur Zeit noch anhängig (L 3 U 376/97).

Am 14. Mai 1993 beantragte der Kläger bei dem Beklagten die Gewährung von Leistungen wegen der Folgen des Unfalls aus dem Jahre 1956. Durch Bescheid vom 27. Mai 1993 lehnte dieser die Gewährung der beantragten Leistungen ab. Zur Begründung führte er aus, daß eine Leistungsverpflichtung nach dem BVG deswegen nicht bestünde, weil der Schaden erst nach dem Tag verursacht worden sei, von dem an Leistungen nach anderen Vorschriften zu gewähren gewesen wären (§ 5 Abs. 2 Buchstabe a BVG). Für Schäden nach dem 31. Juli 1945 käme die Gewährung von Entschädigungsleistungen nur nach dem Gesetz über die Abgeltung von Besatzungsschäden vom 1. Dezember 1955 in Betracht. In seinem Widerspruch vom 22. Juni 1993 führte der Kläger aus, daß die Stichtagsregelung verfassungswidrig sei. Durch Widerspruchsbescheid vom 23. Juli 1993 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.

Auf die Klage vor dem Sozialgericht Gießen vom 4. August 1993 sind die eingangs erwähnten Unterlagen der Beigeladenen und Teile der Unterlagen aus den Verfahren gegen die Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung zu den Akten gelangt bzw. vom Sozialgericht beigezogen worden. Durch Beschluss vom 11. April 1995 hat das Sozialgericht Gießen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Amt für Verteidigungslasten, beigeladen. Durch Urteil vom 3. August 1995 hat das Sozialgericht Gießen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, daß ein Anspruch auf Versorgung nach dem BVG nicht bestehe, da zu dem Unfallzeitpunkt das BVG bereits keine Anwendung mehr gefunden habe. Zwar habe das Gesetz über die Abgeltung von Besatzungsschäden vom 1. Dezember 1955 auch nur für Schäden, die im Zeitraum vom 1. August 1945 bis 5. Mai 1955 entstanden seien, Anwendung gefunden. Danach seien jedoch Ausgleichsansprüche von Arbeitnehmern bei den US-amerikanischen Streitkräften bei der Bundesaufsichtsbehörde für Unfallversicherung in Wilhelmshaven aufgrund des Truppenvertrages vom 31. März 1955 bzw. des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut vom 3. August 1959 geltend zu machen gewesen. Außerhalb der gesetzlichen Unfallversicherung seien für die Entschädigung zuständig die Ämter für Verteidigungslasten nach Art. 8 Abs. 2 Buchstabe a des Finanzvertrages für die US-amerikanischen Entschädigungsstellen. Hierbei handele es sich um Vorschriften im Sinne des § 5 Abs. 2 Buchstabe a BVG, die die Entschädigung von Leistungen nach dem BVG regelten. Eine Verurteilung des Amtes für Verteidigungslasten komme nicht in Betracht, da die Bundesrepublik Deutschland im vorliegenden Fall nicht als Beigeladene im Sinne des § 75 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz – SGG – verurteilbar sei.

Gegen dieses dem Kläger am 12. August 1995 zugestellte Urteil hat er am 5. September 1995 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt.

Der Senat hat die Akten der Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung sowie die Akten der Unfallrechtsstreite und der Beigeladenen beigezogen.

Der Kläger macht zur Begründung seiner Berufung insbesondere geltend, daß neben den Entschädigungsleistungen nach dem Finanzvertrag Leistungen nach § 5 Abs. 2 Buchstabe a BVG zu gewähren seien. Es sei keine Stichtagsregelung in das Gesetz aufgenommen worden. Insbesondere handele es sich bei § 5 Abs. 2 Buchstabe a BVG nicht um eine Ausschlußregelung. Im übrigen hätte eine Verurteilung der Beigeladenen erfolgen müssen, wenn auch die Bundesrepublik Deutschland nicht ausdrücklich in § 75 Abs. 5 SGG genannt werde. Die Verurteilung habe jedoch aus prozeßökonomischen Gründen zu erfolgen gehabt. Außerdem hätte eine Verweisung von Amts wegen an das zuständige Gericht erfolgen müssen.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 3. August 1995 sowie den Bescheid des Beklagten vom 27. Mai 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli 1993 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm unter Anerkennung der Folgen des Unfalls vom 11. April 1956 als unmittelbare Schädigungsfolgen Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz ab dem 1. Januar 1989 in gesetzlicher Höhe zu gewähren,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil für zutreffend.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten sowie zum Vorbringen der Beteiligten im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den Inhalt der Verwaltungsakte des Beklagten und der vom Senat beigezogenen Verwaltungsakte der Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung zum Aktenzeichen: XXXXX sowie der Gerichtsakten zu den Aktenzeichen S-3/U-1069/73, S-3/U-174/77, S-3/U-35/85 und S-3/U-947/93 und der Akten der Beigeladenen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, denn sie ist form- und fristgerecht eingelegt sowie an sich statthaft (§§ 143, 151 SGG).

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 3. August 1995 ist nicht zu beanstanden. Der Bescheid des Beklagten vom 27. Mai 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli 1993 ist rechtmäßig. Der Kläger wird dadurch nicht in seinen Rechten verletzt. Der Beklagte ist nicht verpflichtet, dem Kläger wegen der gesundheitlichen Folgen des Verkehrsunfalles vom 11. April 1956 Versorgungsleistungen nach dem BVG zu gewähren.

Der Senat macht sich die überwiegend zutreffende und ausführliche Begründung des erstinstanzlichen Urteils zu eigen und weist die Berufung aus den dort niedergelegten Gründen, unter anderem, um Wiederholungen zu vermeiden, zurück. Der Senat sieht angesichts dessen insoweit von einer erneuten Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend zu den Ausführungen des Sozialgerichts weist der Senat daraufhin, daß sich eine andere Beurteilung der Sach- und Rechtslage auch nicht aus dem Vortrag des Klägers im Berufungsverfahren ergibt. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Leistungen nach § 5 Abs. 2 Buchstabe a BVG. Zum einen hatte er einen Anspruch auf Entschädigungsleistungen nach anderen Vorschriften i.S. des § 5 Abs. 2 Buchstabe a BVG. Zum zweiten stellt § 5 Abs. 2 Buchstabe a BVG für Folgen eines schädigenden Ereignisses nach dem 5. Mai 1955, 12.00 Uhr mittags, keine Anspruchsgrundlage mehr dar.

Bei § 5 Abs. 2 Buchstabe a BVG handelt es sich zum ersten um eine Regelung, die eine zivilrechtliche Anspruchslücke schließen soll. Grundsätzlich waren und sind nämlich durch die Besatzungsmächte hervorgerufene Personenschäden nach zivilrechtlichen Grundsätzen zu entschädigen. Für den Zeitraum, in dem seit Kriegsende die Besatzungsmächte sich weigerten, eine zivilrechtliche Entschädigung vorzunehmen, werden die Schäden durch § 5 Abs. 2 Buchstabe a BVG zu nachträglichen Auswirkungen kriegerischer Vorgänge erklärt (vgl. BSG vom 18.06.96 – Az.: 9 RV 24/94, SozR 3-3100 § 5 BVG; BSG vom 26.10.1956 – Az.:8 RV 321/54, BSGE 1, 65, 68). Der Gesetzgeber des Jahres 1950 konnte keinen konkreten Stichtag in § 5 Abs. 2 Buchstabe a BVG aufnehmen, da bei den Beratungen noch nicht absehbar war, ob und wann die Alliierte Hohe Kommission die Verpflichtung zur Entschädigung von Besatzungsschäden anerkennen würde. So war auch in Art. 4 Buchstabe a des Gesetzes Nr. 47 der Alliierten Hohen Kommission (Amtsblatt der Alliierten Hohen Kommission 1951, S. 767) vorgesehen, daß die Zahlung von Entschädigungen für Schäden, die vor dem 1. August 1945 eingetreten waren, nicht genehmigt werde. Damit wird zugleich deutlich, daß es sich bei § 5 Abs. 2 Buchstabe a BVG um eine Ausschlußregelung für den Fall handelt, daß der Schaden zu einem Zeitpunkt eingetreten ist, zu dem andere Vorschriften als die des BVG die Gewährung von Entschädigungsleistungen vorsehen. Konsequenterweise nimmt das Bundessozialgericht an, daß der 1. August 1945 der Stichtag im Sinne des § 5 Abs. 2 Buchstabe a BVG für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland ist, von dem ab Leistungen nach anderen Vorschriften gewährt werden konnten (BSG, a.a.O., S. 68 und BSG vom 7.7.1955 – Az.: 10 RV 160/54, BSGE 1, 98, 101).

Soweit für den Machtbereich der sowjetischen Besatzungsmacht ein anderer Stichtag gilt, hat dies seinen Grund darin, daß eine konkrete Regelung zwischen den Regierungen der UdSSR und der DDR über die Entschädigung von Besatzungsschäden erst am 11. April 1957 erfolgt ist (vgl. die Hinweise in BSG vom 06.11.1985 – Az.: 9 RV 2/84, SozR 3100 § 5 BVG Nr. 9). Insoweit mußte, um die zuvor benannten Härten zu vermeiden, für den Fall der Schädigung durch einen Angehörigen der sowjetischen Besatzungsmacht § 5 Abs. 2 Buchstabe a BVG bis zum 6. Oktober 1955 – Zeitpunkt des Inkrafttretens des Vertrages über die Beziehungen zwischen der DDR und der UdSSR – weiterhin Anwendung finden. Eine Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 Grundgesetzes – GG – kann hierin jedoch nicht erblickt werden. Sowohl Lebenssachverhalt, als auch rechtlicher Hintergrund der Gruppe der Bewohner der drei Westzonen/Bundesrepublik Deutschland und der der Ostzone/DDR waren insoweit verschieden und rechtfertigen die von der Rechtsprechung vorgenommene Differenzierung. Hiermit wird zugleich auch deutlich, daß der Gesetzgeber wegen der Ungewissen Entwicklung der Rechtslage in der DDR des Jahres 1950 keinen konkreten Stichtag in den § 5 Abs. 2 Buchstabe a BVG aufnehmen konnte (S. auch BSG v. 7.7.1955, a.a.O., 102).

Zutreffend ist das Sozialgericht demnach davon ausgegangen, daß das Gesetz über die Abgeltung von Besatzungsschäden vom 1. Dezember 1955 (BGBl. I, 734 – § 61 Nr. 1 Buchstabe a Gesetz über die Abgeltung von Besatzungsschäden –), welches das vom 21.09.1949 bis 30.06.1951 geltende Gesetz Nr. 47 vom 8. Februar 1951 der Alliierten Hohen Kommission (Amtsblatt der Alliierten Hohen Kommission für Deutschland 1951, S. 767) aufgehoben hat, die Entschädigungspflicht nach § 5 Abs. 2 Buchstabe a BVG abgelöst hat. Das Gesetz über die Abgeltung von Besatzungsschäden sah in § 52 eine gerichtsförmige Überprüfungsmöglichkeit vor. Es regelte detailliert die Art der zu entschädigenden Schäden sowie die Entschädigungshöhe. Es entspricht insoweit dem Begriff der "Vorschriften” im Sinne des § 5 Abs. 2 Buchstabe a BVG.

Das schädigende Ereignis hat sich jedoch erst am 11. April 1956 zugetragen. Damit hat die Entschädigung des Klägers für den durch einen Soldaten der US-amerikanischen Streitkräfte verursachten Schaden durch den Finanzvertrag – im Rahmen der Regelungen zur Beendigung des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik Deutschland (BGBl. II 1955,381) –zu erfolgen. Der Finanzvertrag hat das Gesetz über die Abgeltung von Besatzungsschäden vom 1. Dezember 1955 abgelöst, soweit es Schäden betrifft, die nach dem 5. Mai 1955, 12.00 Uhr mittags, (§ 2 Gesetz über die Abgeltung von Besatzungsschäden) und vor dem 1. Juli 1963 eingetreten sind. Am 1. Juli 1963 sind die Verträge über das NATO-Truppenstatut und die Zusatzvereinbarungen in Kraft getreten. Für vor diesem Zeitpunkt entstandene Schäden bleibt jedoch Art. 8 des Finanzvertrages Rechtsgrundlage (vgl. Entschädigungsrecht der Truppenschäden – Art. VII des NATO-Truppenstatuts –, Hrsgb. Bundesministerium für Finanzen, Bonn 1981). In Art. 8 Abs. 1 des Finanzvertrages heißt es, daß Ansprüche wegen Verlusten oder Schäden, die nach dem Inkrafttreten des Vertrages im Bundesgebiet infolge von Handlungen oder Unterlassungen der Streitkräfte entstehen, gemäß den Vorschriften dieses Artikels zu behandeln (sind) und nur gemäß diesen Vorschriften geltend gemacht werden (dürfen). Nach Art. 8 Abs. 4 des Finanzvertrages haben bei der Entscheidung, ob und inwieweit für Schäden, die durch Handlungen der Streitkräfte verursacht worden sind, Entschädigungen zu zahlen sind, die zuständigen Dienststellen der Streitkräfte die Vorschriften des deutschen Rechts zu berücksichtigen, nach denen sich die Haftung der Bundesrepublik Deutschland unter sonst gleichen Umständen bestimmen würde. Unter Beteiligung der Dienststellen der Streitkräfte ist über die Schadensentstehung und die Höhe der Entschädigung ein rechtsförmiges Verfahren durchzuführen mit der Eröffnung des Rechtswegs zu den ordentlichen Gerichten (Art. 8 Abs. 10 des Finanzvertrages). Das Verfahren bei Beteiligung von Angehörigen der US-amerikanischen Streitkräfte wurde im Anhang B zum Finanzvertrag gesondert geregelt (BGBl. II 1955, 403).

Zum zweiten scheidet die Anwendung des § 5 Abs. 2 Buchstabe a BVG als Anspruchsgrundlage für eine Entschädigung wegen der Folgen des Unfalls vom 11. April 1956 bereits deswegen aus, weil der Soldat, der den Unfall und damit die Schäden verursacht hatte, zum Unfallzeitpunkt nicht mehr Angehöriger einer Besatzungsmacht im völkerrechtlichen Sinne war. Nur Schäden, verursacht durch Angehörige der Besatzungsmächte sind jedoch nach § 5 Abs. 2 Buchstabe a BVG zu entschädigen.

In Art. 1 Abs. 1 des Vertrages über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den "Drei Mächten” vom 26. Mai 1952 – Protokoll vom 23. Oktober 1954 – (BGBl. II 1955, 305) heißt es, daß mit dem Inkrafttreten dieses Vertrages die Vereinigten Staaten von Amerika, das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland und die Französische Republik das Besatzungsregime in der Bundesrepublik Deutschland beenden, das Besatzungsstatut aufheben und die Alliierte Hohe Kommission sowie die Dienststellen der Landeskommissare in der Bundesrepublik Deutschland auflösen werden. Nach Art. 1 Abs. 2 des Vertrages sollte die Bundesrepublik Deutschland demgemäß die volle Macht eines souveränen Staates über ihre inneren und äußeren Angelegenheiten erhalten. Diesem Protokoll über die Beendigung des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik Deutschland hat der Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates durch Gesetz vom 24. März 1955 zugestimmt. Die förmliche Aufhebung des Besatzungsregimes erfolgte dann durch Proklamation am 5. Mai 1955, mittags 12.00 Uhr, (vgl. Alternativ-Kommentar zum Grundgesetz, Denninger AI Rdnr. 35). Dementsprechend endet der Geltungsbereich des Gesetzes über die Abgeltung von Besatzungsschäden am 5. Mai 1955 um 12.00 Uhr mittags (§ 2 Satz 1). Es ist im Finanzvertrag auch nicht mehr von durch "Besatzungsstreitkräfte” verursachten "Besatzungsschäden”, sondern von solchen der "beteiligten Streitkräfte” die Rede. Im völkerrechtlichen Sinne hat es sich mithin bei dem den Unfall verursachenden Soldaten der US-amerikanischen Streitkräfte nicht mehr um einen Angehörigen einer Besatzungsmacht gehandelt, wenn auch gewisse Eingriffsrechte bei den "Drei Mächten” verblieben waren. Dies widerspricht jedoch nicht der Aufhebung der Besatzungsherrschaft im Sinne des § 5 Abs. 2 Buchstabe a BVG (vgl. zu einem Unfallereignis aus dem Jahre 1965, an dem ein Angehöriger der sowjetischen Streitkräfte beteiligt war: BSG vom 06.11.1985 – Az.: 9 aRV 2/84, SozR 3100 § 5 BVG Nr. 9, S. 29 f).

Soweit der Kläger geltend macht, daß der unveränderte Fortbestand der Vorschrift des § 5 Abs. 2 Buchstabe a BVG über den 5. Mai 1955 hinaus dafür spräche, daß auch heute noch Entschädigungsleistungen auf Grundlage dessen zu erbringen seien, kann dies nicht zu einem Erfolg von Klage und Berufung fuhren. Eine Notwendigkeit, die Vorschrift zu streichen, bestand für den Gesetzgeber bereits deswegen nicht, weil es durchaus denkbar ist, daß noch heute Entschädigungen für vor dem 1. August 1945 entstandene Schäden, verursacht durch Angehörige der westlichen Besatzungsmächte, oder vor dem 6. Oktober 1955, verursacht durch Angehörige der sowjetischen Besatzungsmacht, geltend gemacht werden. Wegen des eindeutigen Wortlauts des § 5 Abs. 2 Buchstabe a BVG bedurfte es nach der Auffassung des Senats ebensowenig einer Aufnahme eines Stichtags in § 5 Abs. 2 Buchstabe a BVG. Die Stichtage: 1. August 1945 sowie 6. Oktober 1955 bzw. 5. Mai 1955 ergeben sich eindeutig aus den in § 5 Abs. 2 Buchstabe a BVG benannten "anderen Vorschriften”. Es wird insoweit auf die vorangegangenen Ausführungen verwiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war zuzulassen, da der Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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