L 6 J 809/77

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 J 809/77
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein Versicherter kann nur auf Arbeitsplätze verwiesen werden, die dem allgemeinen Arbeitsmarkt zugänglich sind. Hierzu zählen nicht die Arbeitsplätze, die ausschliesslich im Wege der innerbetrieblichen Umsetzung besetzt werden (Schonarbeitsplätze).
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 10. Juni 1977 aufgehoben. Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheides vom 26. März 1976 verurteilt, dem Kläger Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit in gesetzlicher Höhe unter Beachtung des § 1241 d RVO ab 1. Dezember 1975 zu gewähren.

II. Die Beklagte hat dem Kläger die aussergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um den Anspruch des Klägers auf Gewährung von Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit.

Der im Jahre 1930 geborene Kläger hat den Maurerberuf erlernt und die Gesellenprüfung im Jahre 1950 abgelegt. Bis November 1956 war er in seinem Beruf tätig. Danach war er von Mai 1957 bis Februar 1959 als Rangierer bei der B. beschäftigt. Von Januar 1960 an arbeitete er als Maurer, Einschaler und Strassenbauer. Seit 29. September 1975 bezog der Kläger Arbeitslosengeld. Vom 1. März bis 31. Oktober 1977 war er als Gemeindekulturarbeiter bei der Gemeinde E. beschäftigt.

Im November 1975 beantragte der Kläger die Gewährung von Versichertenrente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit. Nach dem zum Rentenantrag eingeholten sozialärztlichen Gutachten des Medizinaldirektors a.D. Dr. S. Dezember 1975 liegen beim Kläger folgende Gesundheitsstörungen vor:

1) Fettleibigkeit mit Übergewicht stärkeren Grades.
2) Geringe Fehlhaltung der Wirbelsäule mit Verschleißerscheinungen.
3) Beginnende Verschleißerscheinungen in beiden Kniegelenken ohne wesentliche Funktionseinschränkung.
4) Allgemeine nervöse Fehlspannung.

Der Kläger wurde für fähig erachtet, alle leichten bis mittelschweren Arbeiten vollschichtig zu verrichten.

Aufgrund dieses Gutachtens lehnte die Beklagte den Rentenantrag durch Bescheid vom 26. März 1976 ab.

Im Klagenverfahren gegen diesen Bescheid holte das holte das Sozialgericht ein orthopädisches, internistisches und neurologisches Gutachten ein.

Der Orthopäde Dr. E. hielt den Kläger in seinem Gutachten vom 5. September 1976 noch für fähig, vollschichtig körperlich leichte bis vorübergehend mittelschwere Tätigkeiten sowohl im Freien als auch in geschlossenen Räumen abwechselnd im Stehen, Gehen und Sitzen zu verrichten. Der Kläger könne u.a. Maschinen überwachen und warten, zusätzlich Handarbeiten verrichten, die, falls nicht körperlich schwierig, durchaus eine gewisse körperliche Geschicklichkeit voraussetzen dürften.

Zum gleichen Ergebnis kam der Internist Prof. Dr. V. in seinem Gutachten vom 28. Februar 1977.

Der Neurologe Professor Dr. Su. hielt den Kläger in seinem Gutachten vom 10. Mai 1977 noch für fähig, leichte bis allenfalls mittelschweren körperliche Arbeiten sowohl im Freien als auch in geschlossenen Räumen abwechselnd im Stehen, Gehen und Sitzen vollschichtig zu verrichten.

Vom 8. November bis 14. Dezember 1976 gewährte die LVA Hessen dem Kläger ein Heilverfahren im E. Sanatorium in B ... Nach dem Entlassungsbericht wurde der Kläger als arbeitsfähig mit 14 Tagen Arbeitsruhe entlassen. Durch Bescheid vom 16. Februar 1977 lehnte die LVA Hessen die Gewährung von berufsfördernden Maßnahmen ab mit der Begründung, nach Kurabschluss sei der Kläger in der Lage, seinen erlernten Beruf als Maurer wieder ganztätig auszuüben.

Durch Urteil vom 10. Juni 1977 hat das Sozialgericht Kassel die Klage abgewiesen mit der Begründung, der Kläger sei nicht berufsunfähig; der Kläger geniesse zwar Berufsschutz als Facharbeiter (Maurer), doch könne er seinen Beruf noch in grösseren Baubetrieben und Fertigbauunternehmen mit Ausbesserungs- und Reparaturarbeiten ausüben. Im übrigen sei der Kläger auf Revisions- und Überwachungsarbeiten, Meßwart- und Schalttafeltätigkeiten sowie auf Tätigkeiten in Anlagekontrollen im Bereich der industriellen Fertigung zumutbar zu verweisen.

Gegen dieses dem Kläger am 26. Juli 1977 zugestellte Urteil richtet sich seine am 10. August 1977 beim Hessischen Landessozialgericht eingegangene Berufung.

Er wendet sich zunächst gegen die vom Sozialgericht angenommene Einsatzfähigkeit als Maurer und macht dazu geltend, nach den in soweit übereinstimmenden ärztlichen Gutachten solle er abwechselnd im Stehen, Gehen und Sitzen arbeiten. Darüber hinaus leide er an Schwindelanfällen. Er solle sich nicht häufig bücken und nicht schwer heben. Der rechte Arm sei belastungsgemindert. Schliesslich sollten die Arbeiten leicht und nur vorübergehend mittelschwer sein. Bauarbeiten seien hierdurch schlechthin ausgeschlossen.

Gleiches gelte für Arbeiten in Fertigbetonteilwerken, in Ziegeleien sowie als Hausmeister. Dieses Vorbringen belegt der Kläger durch sachkundige Ausführungen.

Weiter legt der Kläger im einzelnen dar, warum nach seiner Auffassung Tätigkeiten als Schalttafelwärter, Apparatewärter, Maschinenwärter, Kontrolleur, Maschinist in Drucklufterzeugeranlagen, Materialverwalter und Einsteller für Serienfertigungsmaschinen entweder wegen der damit verbundenen Anforderungen oder wegen der praktischen Verschlossenheit des Arbeitsmarktes nicht in Betracht kämen.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 10. Juni 1977 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 26. März 1976 zu verurteilen, ihm Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit in gesetzlicher Höhe unter Beachtung des § 1241 RVO ab 1. Dezember 1975 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt vor, nach ständiger Rechtsprechung müsse sich der Kläger auf berufsfremde gehobene Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisen lassen.

Der Senat hat zur Einsatzfähigkeit des Klägers eine Auskunft beim Arbeitsamt Kassel eingeholt. Nach der Auskunft vom 9. Dezember 1977 ist der Kläger nicht mehr als Maurer, aber noch als technischer Zeichner, Bautechniker und Kalkulator einsatzfähig. Dies setze eine qualifizierte Umschulung bzw. Fortbildung voraus. Die weiter in Betracht kommende Tätigkeit eines Magaziners bedürfe lediglich einer kurzen Anlernzeit, entspreche jedoch nicht der Qualifikationsebene eines Maurers. Tätigkeiten als Schalttafelwärter, Apparatewärter, Maschinenwärter, Maschinist in Drucklufterneuerungsanlagen, Materialverwalter und Einsteller für Serienfertigungsmaschinen existierten zwar, doch gebe es einen offenen Arbeitsmarkt im eigentlichen Sinne z.Zt. nicht, da es sich um begehrte Leichtarbeitsplätze in der Industrie handele, die in aller Regel von sog. "Betriebsinvaliden” besetzt würden.

Die Beklagte macht hierzu geltend, es sei ohne wesentliche Bedeutung, ob der Kläger hierfür einen Arbeitsplatz finde. Dies falle in den Risikobereich der Arbeitslosenversicherung.

Ergänzend wird auf den Inhalt der Gerichts- und Rentenakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig; sie ist an sich statthaft und in rechter Form und Frist eingelegt (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).

Die Berufung ist auch begründet.

Das angefochtene Urteil konnte nicht aufrechterhalten werden. Sowohl nach dem Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren als auch nach der weiteren Sachaufklärung ist dieser berufsunfähig im Sinne des § 1246 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO).

Zur Feststellung der Berufsunfähigkeit ist der Kläger als gelernter Maurer (Facharbeiter) zu behandeln. Diesen Beruf hat der Kläger erlernt und im wesentlichen während seines Arbeitslebens ausgeübt. Er hat dem Arbeitsleben des Klägers das Gepräge gegeben. Die Tätigkeit des Klägers als Rangierer bei der B. kann zu keiner anderen Beurteilung führen, weil der Kläger dort nur während einer verhältnismäßig nicht langen Zeit beschäftigt war und im Anschluss an diese Beschäftigung seinen Maurerberuf wieder aufgenommen und über eine längere Zeit hinweg ununterbrochen ausgeübt hat.

Als Maurer kann der Kläger wegen seines Gesundheitszustandes nicht mehr weiter tätig sein. Dies ergibt sich aus den insoweit übereinstimmenden ärztlichen Gutachten, wonach der Kläger nur noch leichte und allenfalls vorübergehend mittelschwere Arbeiten verrichten kann. Dieser Umstand in Verbindung mit weiteren Leistungseinschränkungen – Vermeiden von Heben und Tragen nach dem orthopädischen Gutachten von Dr. E. schliessen eine Maurertätigkeit aus, weil diese in aller Regel schwere und mittelschwere Arbeiten in nicht unwesentlichem Umfang enthält und auch mit Bücken, Heben und Tragen verbunden zu sein pflegt. Dem angefochtenen Urteil kann nicht darin gefolgt werden, dass der Kläger sich als Maurer auf Ausbesserungs- und Reparaturarbeiten beschränken kann. Hier folgt der Senat der von ihm eingeholten Auskunft des Arbeitsamtes Kassel vom 9. Dezember 1977, wonach das körperliche Restleistungsvermögen des Klägers eine Tätigkeit als Maurer ausschließt. Anderenfalls hätte das Arbeitsamt aufgrund seiner Kenntnis des Arbeitsmarktes mit Sicherheit die im angefochtenen Urteil aufgeführte Einsatzmöglichkeit erwähnt.

Auf berufsverwandte Tätigkeiten kann der Kläger ebenfalls zumutbar nicht verwiesen werden. Hierzu hat zunächst der Kläger in überzeugender Weise vorgetragen, dass Arbeiten in Fertigbetonteilwerken, in Ziegeleien und als Hausmeister wegen der damit verbundenen körperlichen Anforderungen ausscheiden. Auch das Arbeitsamt Kassel erwähnt in seiner Auskunft vom 9. Dezember 1977 derartige Arbeiten nicht. Die vom Arbeitsamt erwähnten Tätigkeiten eines technischen Zeichners, Bautechnikers und Kalkulators bedürfen einer qualifizierten Umschulung bzw. Fortbildung. Über die hierfür erforderliche Qualifikation verfügt der Kläger ersichtlich noch nicht. Insoweit bedarf es der Einleitung von Rehabilitationsmaßnahmen, die bis jetzt noch nicht einmal angeboten wurden. Vielmehr hat die LVA Hessen durch Bescheid vom 16. Februar 1977 derartige Maßnahmen abgelehnt.

Auf die Tätigkeit eines Magaziners kann der Kläger zumutbar nicht verwiesen werden. Hierbei handelt es sich um eine unqualifizierte Tätigkeit, die sich nicht durch besondere berufliche Anforderungen deutlich aus dem Kreis unqualifizierter Hilfsarbeiten heraushebt (vgl. BSG v. 19. Jan. 1978, 4 RJ 103/76). Nach dem Lohntarif für das Baugewerbe vom 1. Mai 1975 (Nr. 30.3–30.9) ist der Magaziner auf der gleichen Ebene wie Platzarbeiter, Pförtner, Wärter, Wächter, Pumpenwärter, Barackenwärter und -Heizer sowie Sanitäter eingestuft. Alle diese Berufe erhalten den einheitlichen Lohn und zwar einen Schichtlohn von 54,00 DM in der Ortsklasse I. Hier ergibt sich sowohl aus der Aufzählung der Tätigkeiten als auch aus der Höhe des Tariflohnes, dass es sich um unqualifizierte Hilfsarbeiten handelt, wo kein Merkmal erkennbar ist, das sie aus diesem Tätigkeitskreis in irgendeiner Weise heraushebt.

Auf berufsfremde gehobene Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes kann der Kläger ebenfalls nicht verwiesen werden (vgl. BSG v. 19. Okt. 1977, 4 RJ 171/76 m. weit. Nachw., BSG 41, 129, 135 f; SozR 2200 § 1246 RVO Nr. 16 u. 17). Die vom Arbeitsamt erwähnte Tätigkeit des Einstellers für Serienfertigungsmaschinen scheidet schon deswegen aus, weil sich der Einsteller erfahrungsgemäß aus den Facharbeiterberufen der metallverarbeitenden Industrie entwickelt, der Kläger dagegen Facharbeiter des Baugewerbes ist.

Die vom Arbeitsamt weiter genannten Tätigkeiten eines Schalttafelwärters, Apparatewärters, Maschinenwärters, Maschinisten in Drucklufterneuerungsanlagen, Materialverwalters sind wegen ihrer besonderen Anforderungen (vgl. Kuebarth in Soziale Sicherheit 1975 S. 143 ff.) dem Kläger nicht zumutbar. Er wäre hierdurch fachlich und gesundheitlich überfordert.

Hinzu kommt indessen noch, dass derartige Tätigkeiten dem Arbeitsmarkt nicht zugänglich sind. Das Arbeitsamt Kassel hebt in seiner Auskunft vom 9. Dezember 1977 ausdrücklich hervor, dass es einen offenen Arbeitsmarkt im eigentlichen Sinne nicht gibt, da es sich um begehrte Leichtarbeitsplätze in der Industrie handelt, die in aller Regel von sog. "Betriebsinvaliden” besetzt werden. Hierbei handelt es sich nicht um eine nur vorübergehende Erscheinung im Arbeitsleben. Die weithin übliche tarifliche Absicherung älterer, leistungsgeminderter Arbeiter erfordert vielmehr auf lange Sicht eine hohe Quote der Bereitstellung solcher Arbeitsplätze. Diese Tendenz wird verstärkt durch die Notwendigkeit diejenigen Arbeitnehmer, deren Arbeitsplatz durch Rationalisierungsmaßnahmen wegfällt, nicht zu entlassen, sondern im Wege der Erhaltung ihres Besitzstandes innerbetrieblich umzusetzen. Diese Tendenz zur Erhaltung eines Arbeitsverhältnisses beherrscht die Tarifverhandlungen in zunehmendem Maße. Die bekannten jüngsten Tarifauseinandersetzungen im Druck- und Metallgewerbe haben dies deutlich werden lassen. Abschluss und Erfüllung dieser Tarifverträge setzen die Bereitstellung einer nicht unerheblichen Zahl geeigneter Arbeitsplätze voraus. Dies hat zur Folge, dass derartige Arbeitsplätze zwar vorhanden und auch tarifvertraglich erfaßt sind, jedoch infolge der innerbetrieblichen Umsetzung dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehen und für Aussenstehende praktisch nicht mehr erreichbar sind.

Grundsätzlich spielt es für die Anwendung des § 1246 Abs. 2 RVO keine ausschlaggebende Rolle, ob die für einen Versicherten noch in Betracht kommenden Arbeitsplätze besetzt sind oder nicht. Dies kann aber nur dann und insoweit gelten, als offene Arbeitsplätze dieser Art dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Ist dies aus den genannten Gründen generell nicht (oder nicht mehr) der Fall, dann scheiden sie als Verweisungstätigkeiten aus.

Der Grundsatz, dass das Vorhandensein von Arbeitsplätzen für die Verweisbarkeit ausreicht ohne Rücksicht darauf, ob diese Arbeitsplätze frei sind oder besetzt, kann nicht uneingeschränkt gelten. Vielmehr ist danach zu unterscheiden, ob freiwerdende Arbeitsplätze dem allgemeinen Arbeitsmarkt zugänglich sind. Allein in diesem Falle hat ein Versicherter die Chance, einen solchen Arbeitsplatz zu erhalten. Es hängt dann nur noch von seiner Wettbewerbsfähigkeit ab, ob ihm dies gelingt oder nicht. Nur so ist eine zuverlässige Abgrenzung der Risikobereiche der Arbeitslosenversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung möglich. Die Wettbewerbsfähigkeit (Risiko der Arbeitslosenversicherung) setzt voraus, dass Stellen tatsächlich angeboten werden, für die eine Nachfrage besteht oder im Wege der Verweisbarkeit eines Versicherten eine Nachfrage geschaffen werden kann. Ohne ein Angebot von Arbeitsplätzen ist der Arbeitsmarkt nicht nur verschlossen, sondern schlechthin nicht vorhanden. Begrifflich bedeutet der Markt einen Austausch von Wirtschaftsgütern. Dies setzt ein Angebot voraus, weil ohne Angebote ein Güteraustausch nicht stattfinden kann.

Der Existenz eines Arbeitsmarktes muss nicht entgegenstehen, dass freiwerdende Arbeitsplätze primär innerbetrieblich ausgeschrieben (§ 93 Betriebsverfassungsgesetz) und aufgrund dieser Ausschreibung auch besetzt werden. Entscheidend ist vielmehr, ob und inwieweit zumindest ein Restbestand von Arbeitsplätzen nicht innerbetrieblich besetzt wird, sondern dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung steht. Hierüber kann die Arbeitsverwaltung Auskunft geben, weil sie im Rahmen ihres Aufgabenbereichs zwangsläufig Kenntnis von den Verhältnissen des allgemeinen Arbeitsmarktes erlangen muss.

Im vorliegenden Fall hat das Arbeitsamt Kassel in überzeugender Weise ausgeführt, dass gehobene Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes (Schalttafelwärter etc.) wegen innerbetrieblicher Umsetzung dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen. Es ist nicht zu erkennen, dass es sich hier nur um spezielle Gegebenheiten des Kasseler Arbeitsmarktes handelt. Weiter ergibt sich aus dieser Auskunft deutlich, dass das fehlende Arbeitsplatzangebot nicht nur vorübergehender Natur ist, sondern seinen Grund in der schon seit einiger Zeit bestehenden und erkennbar auf längere Sicht fortwirkenden Struktur des Arbeitsmarktes hat.

Unter diesen Umständen kann der Kläger nicht auf berufsfremde gehobene Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden. Derartige Tätigkeiten sind und bleiben für ihn nicht vorhanden. Sie sind ihm nicht etwa wegen seiner fehlenden Wettbewerbsfähigkeit verschlossen. Der Kläger hat keine reelle Chance mehr, einen zumutbaren Arbeitsplatz zu erhalten. Dies ist allenfalls im Wege berufsfördernder Maßnahmen möglich, die indessen noch eingeleitet werden müssten.

Nach alledem war auf die Berufung des Klägers das angefochtene Urteil aufzuheben und die Beklagte zur Gewährung von Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit ab Antragstellung zu verurteilen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war zuzulassen, weil die Rechtsfrage der Verweisbarkeit des Klägers von grundsätzlicher Bedeutung ist.
Rechtskraft
Aus
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