L 9 U 2540/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 4 U 1438/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 2540/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Verletztenrente.

Der 1941 geborene Kläger war seit 15.10.1973 bei der Firma B. und B. beschäftigt, zuletzt als Maurer-Vorarbeiter. Ausweislich der Unfallanzeige vom 23.07.2003 rutschte dem Kläger am Freitag, dem 20.06.2003 um 11.00 Uhr bei der Kontrolle der Dachrinnen auf dem Dach die Leiter weg und er stürzte mit der rechten Schulter ca. 60 bis 70 cm auf die Blechbrüstung einer anderen Rinne. Der Kläger setzte danach seine Tätigkeit bis zum Arbeitsende um 16.30 Uhr fort. Am 09.07.2003 suchte der Kläger wegen anhaltender Schmerzen PD Dr. W., Chefarzt der Abteilung für Unfallchirurgie des Städtischen Krankenhauses F., auf. Dieser führte im Durchgangsarztbericht vom 11.07.2003 aus, dem Kläger sei bei einem Kontrollgang auf dem Dach die Leiter weggerutscht, dieser sei auf die rechte Schulter gestürzt. Beim Entkleiden sei der rechte Arm stark eingeschränkt. Jobe-Test und Lift-off-Test rechts seien positiv. Es bestehe der Verdacht auf Rotatorenmanschettenruptur rechts (Supraspinatus und Subscapularis). In der von Dr. W. veranlassten Magnetresonanztomographie des rechten Schultergelenks vom 14.07.2003 zeigten sich eine Teilruptur des Musculus supraspinatus, eine deutliche Einengung des Subacromialraumes und ein Osteophyt an der kaudalen Zirkumferenz des Acromioms, passend zum Impingementsyndrom, sowie eine Acromioclavicular-Gelenkarthrose (Befundbericht von PD Dr.T.).

Im Zwischenbericht vom 30.07.2003 stellte Priv.-Doz. Dr. W. die Diagnosen eines Zustandes nach Schulterprellung am 20.06.2003, Rotatorenmanschettenläsion rechte Schulter, Impingement-Syndrom rechte Schulter und AC-Gelenkarthrose rechte Schulter. Insgesamt handele es sich beim Kläger um eine Aktivierung der Schultergelenksbeschwerden durch die stattgehabte Schulterprellung bei vorbestehenden degenerativen Veränderungen.

Mit Schreiben vom 18.08.2003 teilte der Kläger mit, der Unfall habe sich am Freitag, dem 20.06.2003 ereignet. Ab Montag, dem 23.06.2003, habe er den Unfall bei der Firma F., Herrn B., gemeldet und habe sodann ab 24.06.2003 drei Wochen Urlaub gehabt. Durch Schonung der Schulter im Urlaub habe er eine Krankmeldung vermeiden wollen. Da die Schmerzen jedoch schlimmer geworden seien, habe er bereits am 09.07.2003 PD Dr. W. aufgesucht. Herr B. teilte auf Anfrage mit, er habe von dem Unfall am 14.07.2003 erfahren.

Vom 01.10. bis 29.10.2003 befand sich der Kläger zur stationären Behandlung in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T ...

Im neurologischen Befundbericht vom 27.10.2003 führte Priv.-Doz. Dr. G. aus, der Kläger leide an einer Bewegungseinschränkung des rechten Armes nach Trauma mit Bänderriss im Bereich der rechten Schulter im Juni 2003, am ehesten mechanisch bedingt, ohne Anhalt für eine unfallbezogene Nervenschädigung. Im Befund- und Entlassbericht der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. vom 30.10.2003 stellte Prof. Dr. W. die Diagnosen einer Schulterprellung rechts 6/03 bei degenerativem Vorschaden mit posttraumatischer Teilsteife der rechten Schulter sowie bekannter internistischer Begleiterkrankungen. Die Entlassung sei mit einer deutlichen Befundbesserung im Vergleich zum Aufnahmebefund erfolgt.

Bis zum 19.12.2003 bezog der Kläger Verletztengeld.

Im Auftrag der Beklagten erstattete Prof. Dr. W. am 20.01.2004 ein unfallchirurgisches Zusammenhangsgutachten. Danach schilderte der Kläger den Unfallhergang dahingehend, er habe bei einem Kontrollgang auf einem Dach auf einer Leiter in ca. drei Meter Höhe gestanden. Als diese wegrutschte, habe er reflexartig mit der linken Hand an eine Brüstung gegriffen, um sich festzuhalten. Dabei sei er auf die rechte Seite gependelt und mit der rechten Schulter direkt auf die Brüstung aufgeschlagen. An Vorerkrankungen liege eine Schulterprellung 1987 ohne Seitenangabe vor. Der Orthopäde Dr. F. habe im Behandlungsbericht vom 12.03.2001 berichtet, der Kläger habe seit ca. drei Jahren Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule mit Ausstrahlung in die rechte Schulter. Dr. F. habe die Diagnosen eines subacromialen Impingements der rechten Schulter, einer beginnenden Omarthrose und einer AC-Gelenksarthrose der rechten Schulter gestellt. Prof. Dr. Weise stellte folgende Untersuchungsbefunde fest: 1. Konzentrische Bewegungseinschränkung an der rechten Schulter für die Vorwärts-, Seitwärts- und Außendrehungsbewegung aktiv und passiv. 2. Positiver Jobe-Test und Impingement-Test an der rechten Schulter, positiver schmerzhafter Bogen. 3. Radiologische Zeichen der erheblichen Omarthrose an der rechten und linken Schulter sowie der Schultergelenksarthrose beidseits mit Oberarmkopfhochstand. 4. Sonographisch ausgedehnte Läsion der Supraspinatussehne rechts und kleinere, ebenfalls vollschichtige Läsion der Supraspinatussehne links, AC-Gelenksarthrose beidseits. Der Kläger sei bei dem Unfallereignis mit der rechten Schulter direkt gegen eine Brüstung geprallt. Dieser Mechanismus sei nach dem momentan gültigen und in der Literatur vertretenen Kenntnisstand nicht geeignet, eine Läsion an der Rotatorenmanschette auszulösen. Direkt nach dem Unfallereignis habe der Kläger, wenn auch schmerzbedingt eingeschränkt, die Schulter noch bewegen können. Erst nach Ausbleiben der Besserung der Beschwerdesymptomatik habe er sich zweieinhalb Wochen später in ärztliche Behandlung begeben. Dieser Beschwerdeverlauf spreche eher gegen eine frische Verletzung der Rotatorenmanschette, bei der mit einem sofortigen vollständigen Verlust der Beweglichkeit zu rechnen gewesen wäre. Die fünf Wochen nach dem Unfallereignis angefertigte Kernspintomographie zeige ausgeprägte Arthrose-Zeichen im Schultergelenk. Diese seien ebenso wie die in den Unfallbildern erkennbaren Arthrose-Zeichen sicher vorbestehend. Es sei daher davon auszugehen, dass bereits verschleißbedingte Veränderungen an der Rotatorenmanschette einschließlich einer verschleißbedingten Läsion vorgelegen hätten. Hierfür spreche insbesondere der Behandlungsbericht aus dem Jahr 2001 mit schmerzbedingten Bewegungseinschränkungen an der rechten Schulter und einem klinisch evidenten Impingement-Syndrom rechts. Das Unfallereignis habe zu einer Schulterprellung rechts und einer vorübergehenden Verschlimmerung bei bekanntem Vorschaden geführt. Zum Zeitpunkt der gutachterlichen Untersuchung fänden sich keine Unfallfolgen mehr. Es bestehe keine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) mehr.

Mit Bescheid vom 05.03.2004 lehnte die Beklagte einen Anspruch auf Rente wegen des Arbeitsunfalls vom 20.06.2003 ab. Die hierbei erlittene Prellung der rechten Schulter sei nach vorübergehender Verschlimmerung des vorbestehenden Verschleißschadens folgenlos abgeklungen und bedinge keine über den 19.12.2003 hinausgehende Minderung der Erwerbsfähigkeit messbaren Grades (mindestens 10 v.H.) mehr.

Hiergegen legte der Kläger am 24.03.2004 Widerspruch ein mit der Begründung, der Unfallmechanismus sei geeignet und kausal für den nahezu kompletten Abriss der Supraspinatussehne sowie die Teilsteifigkeit und eingeschränkte Bewegungsfreiheit der rechten Schulter gewesen. Er legte hierzu eine ärztliche Bescheinigung des Orthopäden Dr. M. vom 10.05.2004 vor. In dieser wird ausgeführt, die schmerzhafte Bewegungseinschränkung der rechten Schulter habe sich gegenüber den Vorbefunden nur unwesentlich geändert. Da der Kläger vor dem Unfall von Seiten der rechten Schulter keinerlei Beschwerden gehabt habe, müsse angenommen werden, dass das jetzige Beschwerdebild in ursächlichem Zusammenhang mit dem angeschuldigten Unfallereignis stehe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 08.06.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Auf den Widerspruchsbescheid wird insoweit Bezug genommen.

Hiergegen erhob der Kläger am 24.06.2004 Klage zum Sozialgericht (SG) Konstanz. Zur Begründung trug er vor, er habe sofort nach dem Unfall am 20.06.2003 an erheblichen Schmerzen gelitten. Der rechte Arm sei kaum noch zu bewegen gewesen. Nach den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit sei dann, wenn der Arm nur um 90 ° zu heben sei, von einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 v.H. auszugehen. Vor dem Zeitpunkt des Unfalls habe er nie an derartigen Beeinträchtigungen gelitten.

Das SG hörte Dr. F., bei dem der Kläger vom 12.03. bis 11.09.2001 in ärztlicher Behandlung gestanden hatte, als sachverständigen Zeugen. In der schriftlichen Aussage vom 23.11.2004 gab dieser an, er habe am 12.03.2001 beim Kläger ein subacromiales Impingement der rechten Schulter festgestellt.

Das SG hat weiter Dr. K. mit der Erstellung eines orthopädischen Gutachtens beauftragt. Im Gutachten vom 27.01.2005 führte Dr. K. aus, ursächlich auf das Ereignis vom 20.06.2003 zurückzuführen seien eine Prellung im Bereich des rechten Oberarmes, wahrscheinlich an der Außenseite, sowie eine Bewegungseinschränkung des rechten Schultergelenkes, welche bei degenerativem Vorschaden des Schulter- und Schultereckgelenkes eine längere als üblicherweise anzunehmende Abheilungszeit gehabt habe. Unfallunabhängig bestünden eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung der rechten Schulter, bedingt durch degenerative Veränderungen der Rotatorenmanschette, degenerative Veränderungen des Schultereckgelenkes und degenerative Veränderungen des Acromioclaviculargelenkes. Die hieraus folgenden funktionellen Einschränkungen, insbesondere die schmerzhafte Einschränkung der Beweglichkeit des Schultergelenkes bei Abduktions-/und Anteversionsbewegungen seien auf ein Impingement-Syndrom des rechten Schultergelenkes und den (degenerativen) Riss der Supraspinatussehne zurückzuführen. Bei über 60-Jährigen sei die Wahrscheinlichkeit eines Rotatorendefekts außerordentlich häufig. Bei den bestehenden ungünstigen biomechanischen Voraussetzungen und der typischen Altersklasse sei deswegen eine nicht traumatische Kontinuitätstrennung des Muskulus Supraspinatus beim Kläger ein nicht überraschender Befund. Für die Abgrenzung zwischen traumatischen und anlagebedingten Zusammenhangstrennungen im Bereich der Rotatorenmanschette lägen keine aussagekräftigen Statistiken vor, weil die Abgrenzung eine Wertung beinhalte. Deswegen sei bei der Zusammenhangsbegutachtung auf die Art der Schadensbildung abzustellen. Es gebe spezifisch unfallbedingte und spezifisch degenerativ bedingte Schadensbilder. Im vorliegenden Fall sei es zu einer direkten Traumatisierung der rechten Schulter durch den Aufprall des Oberarmes auf einer möglicherweise scharfkantigen Betonbrüstung gekommen. Ein Ursachenzusammenhang lasse sich dadurch nicht begründen. Dies ergebe sich aus der anatomisch geschützten Lage der Rotatorenmanschette (und also auch der Supraspinatussehne) unter dem knöchern und bindegewebigen Schulterdach sowie unter dem Deltamuskel. Bei der ersten ärztlichen Untersuchung am 09.07.2003 sei eine starke Einschränkung des rechten Armes beim Entkleiden festgestellt worden. Jobe-Test und Lift-Off-Test seien positiv gewesen, es habe ein Druckschmerz ventral an der rechten Schulter bei unauffälliger linker Schulter bestanden. Radiologisch sei kein pathologischer Befund festgestellt worden. Eine direkte Gewalteinwirkung, welche an unmittelbar betroffenen Weichteilen (Haut, Unterhautfettgewebe, Muskulatur) keinerlei Verletzungszeichen setze, führe an der in der Tiefe unter der Deltamuskulatur und unter dem knöchern - bindegewebigen - Schulterdach gelegenen Rotatorenmanschette isoliert zu keiner - auch keiner traumatischen - Zerreißung. Ein isolierter, ausschließlich traumatischer Supraspinatussehnenriss sei deshalb nicht bekannt. In Frage komme allein ein Verletzungsmechanismus im Sinne einer wesentlichen Teilursache bei bestehender Degeneration. Vom Vorgutachter Prof. Dr. W. sei bereits auf die fehlende klinische Symptomatik des Risses der Rotatorenmanschette hingewiesen worden. Die klinischen Zeichen einer akuten Zerreißung der Rotatorenmanschette seien neben den akuten Schmerzen im vorderen Schulterbereich eine typische Innenrotationshaltung des Armes und ein so genanntes Dead-Arm-Syndrom. Diese seien von den Vorgutachtern nicht beschrieben worden. Die aufgrund der Bewegungseinschränkung durchgeführte kernspintomographische Untersuchung habe einen Teilriss des Muskulus Supraspinatus, einen Osteophyten an der caudalen Circumferenz des Acromion, passend zu einem Impingement-Syndrom bei AC-Gelenkarthrose und eine verdickte Gelenkkapsel im AC-Gelenkbereich ergeben. Es sei eine geringgradige Ergussbildung im Schultergelenk festgestellt worden, nicht hingegen ein typischer unfallbedingter Schaden (massives Hämarthros-Kontusionsödem, Begleitschäden im Schulter- und Schultereckgelenk). Aus dem geschilderten Unfallhergang und den sich anschließenden diagnostischen Schritten lasse sich deswegen kein geeigneter Verletzungsmechanismus rekonstruieren. Gegen eine unfallbedingte und für eine degenerativ verursachte Kontinuitätstrennung der Rotatorenmanschette spreche damit der klinische Erstbefund, der nicht dem zu erwartenden Funktionsverlust einer frischen Verletzung entsprochen habe, das atypische verletzungskonforme Verhalten bei frischer Sehnenverletzung sowie der biomechanisch nicht auf den Schadenmechanismus (Prellung des Schultergelenkes) ursächlich rückführbare MRT-Befund vom 14.07.2003. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit habe bis zum 07.12.2003 bestanden. Eine unfallbedingte MdE bestehe nicht.

Der Kläger legte das am 21.09.2004 im Auftrag der Z. Versicherung AG, K. von Dr. S., Facharzt für Orthopädie, erstattete Gutachten vor, das dieser auf der Grundlage einer klinischen, sonographischen und radiologischen Untersuchung des Klägers am 15.07.2004 erstellt hatte. Darin schilderte der Kläger der Unfallhergang dahingehend, er sei beim Wegkippen der Leiter mit voller Wucht mit dem gesamten Körpergewicht, mit der rechten Schulter voran, auf die Brüstungskante gestürzt. Er habe sofort den Arm nicht mehr hochnehmen können und daher die Arbeit abgebrochen, auch aus dem Grund, weil Feierabend gewesen sei. Vor dem Unfall hätten nie Behandlungen der rechten Schulter, sondern lediglich eine einmalige Behandlung wegen Halswirbelsäulenproblemen mit Ausstrahlung in den rechten Arm stattgefunden. Das Unfallereignis vom 20.06.2003 sei eine wesentliche Teilursache für die traumatische Rotatorenmanschettenruptur rechts mit daraus resultierender schmerzhafter Teilsteife und Funktionsminderung der rechten Schulter gewesen. Hierfür spreche zum einen die glaubhafte Angabe des Klägers, vor der Unfallverletzung sei der rechte Arm voll funktionstüchtig und frei beweglich gewesen. Ebenso spreche der Verlauf für eine traumatische Rotatorenmanschettenruptur, da der Kläger glaubhaft vortrage, er habe während seines anschließenden Urlaubes den rechten Arm kaum bewegen können und nächtliche Schmerzen gehabt. Der vorbestehende Schaden der rechten Schulter, welcher sich in den Verschleißzeichen des rechten Schulterhauptgelenkes und vor allem des Schultereckgelenkes zeige, könne zu einem Einriss der Rotatorenmanschette führen. Diese unfallunabhängige Mitwirkung sei mit 40% zu veranschlagen. Danach bestehe ein unfallabhängiger Dauerschaden von 60%. Der rechte Arm sei zur Zeit und dauernd um insgesamt ein Achtel gegenüber einem gesunden Arm in seiner Funktion eingeschränkt, wobei 60% auf das Unfallereignis und 40% auf unfallunabhängige Gesundheitsschäden entfielen.

Mit Gerichtsbescheid vom 10.05.2005 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, von dem Unfall vom 20.06.2003 rühre keine MdE in rentenberechtigendem Maße her. Unfallfolge sei lediglich eine zwischenzeitlich folgenlos ausgeheilte Schulterprellung. Keine Unfallfolge sei dagegen die Rotatorenmanschettenruptur. Der Sturz auf die Schulter habe keinen Unfallmechanismus dargestellt, der geeignet gewesen wäre, eine isolierte Zerreißung der Rotatorenmanschette herbeizuführen. Eine direkte Gewalteinwirkung ohne Verletzung der unmittelbaren Weichteile könne nicht zu einer traumatischen Zerreißung der in der Tiefe unter der Deltamuskulatur und dem Schulterdach liegenden Rotatorenmanschette führen. Gegen eine unfallbedingte Verursachung sprächen auch, dass keine klinischen Zeichen einer akuten Zerreißung der Rotatorenmanschette vorgelegen hätten. Zum einen hätten keine akuten Schmerzen, die zum Aufsuchen eines Arztes gezwungen hätten, vorgelegen. Auch habe PD Dr. W. (richtig W.) nicht die typische Innenrotationshaltung des Armes und ein Dead-Arm-Syndrom beschrieben. Die danach durchgeführte kernspintomographische Untersuchung habe einen Teilriss des Muskulus Supraspinatus gezeigt, ein typischer unfallbedingter Schaden sei nicht festgestellt worden. Das SG folge nicht den Ausführungen von Dr. S. im Gutachten vom 21.09.2004. Dieser sei zum einen ohne nähere Begründung davon ausgegangen, dass der Kläger bis zum Unfall keine Probleme mit der rechten Schulter gehabt habe. Auch habe er die von ihm angenommene anteilige unfallabhängige Schadensverursachung nicht weiter begründet.

Gegen den am 17.05.2005 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger über das SG Konstanz am 15.06.2005 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Durch Verfügung vom 07.10.2005 wurde an die Abgabe der Berufungsbegründung erinnert und mitgeteilt, dass der Sachverhalt als aufgeklärt angesehen werde. Die Einholung von Gutachten von Amts wegen sei nicht beabsichtigt. Mit am 11.09.2006 per Fax beim LSG eingegangenem Schriftsatz teilte der Kläger mit, er habe sich letztlich entschlossen, doch von der Möglichkeit eines Gutachtens gemäß § 109 SGG Gebrauch zu machen. Es werde daher beantragt, die mündliche Verhandlung zu vertagen und ein Gutachten gemäß § 109 SGG bei Prof. Dr. R., K., einzuholen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 10. Mai 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 05. März 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08. Juni 2004 aufzuheben und die Beklagte zur Gewährung einer Unfallrente mit einer MdE von mindestens 20 v.H. ab dem 20. Dezember 2003 zu verurteilen hilfsweise gemäß § 109 SGG ein Gutachten bei Prof. Dr. Runkel, Konstanz, einzuholen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Der Senat sah sich durch die Abwesenheit des Bevollmächtigten des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung an einer Entscheidung nicht gehindert, da im Terminsbeschluss gemäß § 110 Abs. 1 Satz 2 SGG darauf hingewiesen worden war, dass auch im Falle des Ausbleibens von Beteiligten nach Lage der Akten entschieden werden könne. Es bestand auch kein Grund die mündliche Verhandlung zu vertagen, da dem Antrag auf Einholung eines Gutachtens gemäß § 109 SGG bei Prof. Dr. R. nicht stattgegeben wurde.

Gemäß § 109 Abs. 2 SGG kann das Gericht einen Antrag auf gutachtliche Anhörung eines bestimmten Arztes ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist. Grobe Nachlässigkeit liegt dann vor, wenn die zur sorgfältigen Prozessführung erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen wird, wenn nicht getan wird, was jedem einleuchten muss.

Grobe Nachlässigkeit ist im vorliegenden Fall gegeben. Dem Bevollmächtigen des Klägers wurde bereits durch Verfügung vom 07.10.2005 mitgeteilt, dass der Senat den Sachverhalt als aufgeklärt ansehe und die Einholung von Gutachten von Amts wegen nicht beabsichtigt sei. Auf diesen Hinweis hätte der als Fachanwalt für Sozialrecht tätige Bevollmächtigte des Klägers innerhalb einer angemessenen Frist, die mit etwa einem Monat bemessen wird (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 109 Rn. 11), einen Antrag gemäß § 109 SGG stellen müssen. Spätestens jedoch wäre eine Antragstellung im Zeitpunkt des Zugangs der Terminsmitteilung (11.08.2006) zu erwarten gewesen. Der am Tag vor der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag war somit aus grober Nachlässigkeit zu spät gestellt und damit abzulehnen.

Die Berufung des Klägers ist in der Sache nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da beim Kläger keine unfallbedingten Gesundheitsstörungen mehr bestehen und deshalb auch keine Minderung der Erwerbsfähigkeit vorliegt. Er hat daher auch keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente.

Nach § 56 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) - gesetzliche Unfallversicherung - haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit in Folge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall um wenigstens 20 vom Hundert gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit wird Teilrente geleistet; sie wird in der Höhe des Vomhundertsatzes der Vollrente festgesetzt, der dem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit entspricht (§ 56 Abs. 3 SGB VII). Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründeten Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (vgl. § 8 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB VII).

Die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung setzt voraus, dass die versicherte Tätigkeit, das Unfallereignis und der geltend gemachte Gesundheitsschaden mit Gewissheit bewiesen sind. Die Kausalität zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden - sog. haftungsausfüllende Kausalität - als Voraussetzung für den Entschädigungsanspruch beurteilt sich nach der unfallrechtlichen Kausalitätslehre von der wesentlichen Bedingung. Danach sind ursächlich oder mitursächlich nur die Bedingungen, die unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes wegen der besonderen Bedeutung für den Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Hierbei muss der Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden, dessen Entschädigung begehrt wird, zwar nicht nachgewiesen, aber hinreichend wahrscheinlich gemacht sein. Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände die für den wesentlichen Ursachenzusammenhang sprechenden so stark überwiegen, dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann und ernstliche Zweifel ausscheiden; die bloße Möglichkeit einer wesentlichen Verursachung genügt nicht (BSG, Urteil vom 07.09.2004 - B 2 U 34/03 R m.w.N.).

Der Kläger erlitt am 20.06.2003 einen Arbeitsunfall, als er bei einem Kontrollgang auf einem Dach auf einer Leiter stand und diese wegrutschte. Hierbei hielt sich der Kläger mit der linken Hand an einer Brüstung fest, pendelte sodann auf die rechte Seite und schlug mit der rechten Schulter direkt auf die Brüstung auf.

Bei diesem Unfall zog sich der Kläger eine Prellung im Bereich des rechten Oberarms zu. Diese Unfallfolge ist zwischenzeitlich folgenlos ausgeheilt. Weitere Unfallfolgen liegen nicht vor. Insbesondere kann die Rotatorenmanschettenruptur rechts mit daraus resultierender schmerzhafter Teilsteife und Funktionsminderung der rechten Schulter nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückgeführt werden. Der Senat stützt sich bei dieser Beurteilung auf das von Prof. Dr. W. am 20.01.2004 erstattete Zusammenhangsgutachten, das im Wege des Urkundenbeweises verwertet wird, sowie das von Dr. K. am 27.01.2005 im Klageverfahren erstattete orthopädische Gutachten.

Wie Prof. Dr. W. und Dr. K. überzeugend ausgeführt haben, ist schon der Unfallhergang, der Sturz von der Leiter aus der Höhe von 60 bis 70 Zentimeter auf den rechten Oberarm, nicht geeignet gewesen, eine Läsion der Rotatorenmanschette herbeizuführen. Geeignete Verletzungsmechanismen für Rupturen der Rotatorenmanschette sind ein massives plötzliches Rückwärtsreißen oder Heranführen des Armes, eine starke Zugbelastung bei gewaltsamer Rotation des Armes oder ein Sturz auf den nach hinten und innen gehaltenen Arm, nicht jedoch eine direkte Krafteinwirkung auf die Schulter (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl. 2003, S. 507). Eine direkte Gewalteinwirkung, welche an den unmittelbar betroffenen Weichteilen keine Verletzungszeichen setzt, kann auch zu keiner Zerreißung der unter der Deltamuskulatur und dem knöchern-bindegewebigen Schulterdach liegenden Rotatorenmanschette führen.

Darüber hinaus lag unmittelbar nach dem Unfallereignis und auch bei der erstmaligen Untersuchung des Klägers keine klinische Symptomatik im Sinne eines Risses der Rotatorenmanschette vor. Diese ist neben akuten Schmerzen gekennzeichnet durch eine typische Innenrotationshaltung des Armes und ein so genanntes Dead-Arm-Syndrom. Der Kläger hat demgegenüber nicht unmittelbar nach bzw. in zeitlichem Zusammenhang mit dem Unfall einen Arzt konsultiert. Er hat ausweislich der Unfallanzeige nach dem um 11.00 Uhr eingetretenen Unfallereignis noch bis zum Ende der Arbeitszeit um 16.30 Uhr weitergearbeitet und konnte, wenn auch unter Schmerzen, die Schulter noch bewegen. Sodann hat er, obwohl sein Urlaub erst am Dienstag, dem 24.06.2003 begann, nach seinen Angaben und den Angaben in der Unfallanzeige zufolge am Montag, dem 23.06.2003, lediglich Herrn B. von der Fa. F. von dem Unfallgeschehen informiert, während Herr B. selber angegeben hat, vom Unfall des Klägers erst am 14.07.2003 erfahren zu haben.

Gegen einen traumatischen Riss der Rotatorenmanschette sprechen auch die bereits im März 2001 von Dr. F. festgestellten degenerativen Veränderungen im Bereich der rechten Schultger des Klägers. Es bestand seinerzeit in diesem Bereich nicht nur ein Impingementsyndrom, sondern auch eine beginnende Omarthrose und eine AC-Gelenksarthrose. Diese degenerativen Veränderungen zeigten sich auch in dem MRT-Befund vom 14.07.2003 mit ausgeprägten Arthroseezeichen im Schultergelenk. Besonders hervorzuheben ist der Befund einer deutlichen Einengung des Subacromialraumes und eines Osteophyten an der kaudalen Zirkumferenz des Acromions, welcher nach den Darlegungen von Dr. K. als mitursächlich für im höheren Lebensalter auftretende (Teil-) Rupturen der Rotatorenmanschette angesehen werden muss. Schließlich fehlen in dem MRT-Befund auch typische unfallbedingte Schäden in Form eines Hämarthros oder von Begleitschäden im Schulter- und Schultereckgelenkbereich.

Der Senat folgt nicht der Beurteilung von Dr. M. in der ärztlichen Bescheinigung vom 10.05.2004 und Dr. S. im Gutachten vom 21.09.2004, das Unfallereignis vom 20.06.2003 sei eine wesentliche Ursache für die Rotatorenmanschettenruptur rechts. Beide legen ihrer Beurteilung schon den unzutreffenden Sachverhalt zugrunde, vor dem Unfall sei der rechte Arm des Klägers voll funktionstüchtig und frei beweglich gewesen, es hätten von Seiten der rechten Schulter keinerlei Beschwerden bestanden. Demgegenüber hat Dr. F. mitgeteilt, dass er am 12.03.2001 beim Kläger ein subacromiales Impingement der rechten Schulter bei entsprechenden degenerativen Veränderungen diagnostiziert und der Kläger angegeben hat, seit ca. 3 Jahren Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule mit Schmerzausstrahlung in die rechte Schulter zu haben. Beide Ärzte haben sich auch nicht mit dem dargestellten Geschehensablauf im zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfallereignis und auch nicht mit den von PD Dr. W. und PD Dr ... am 09. und 14.07.2003 erhobenen Befunden auseinandergesetzt.

Nach alledem war der angefochtene Gerichtsbescheid des SG Konstanz nicht zu beanstanden. Die Berufung des Klägers musste deswegen zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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