L 9 U 2862/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 3149/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 2862/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 31. März 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Gewährung einer höheren Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung.

Der 1948 geborene Kläger erlitt am 8.10.1980 einen Arbeitsunfall, als er bei seiner Tätigkeit als Kraftfahrer von einem Container, der sich von einem entgegenkommenden Fahrzeug gelöst hatte, im Führerhaus eingequetscht wurde. Hierbei erlitt er eine offene Unterschenkelfraktur rechts mit ausgedehnten Weichteilverletzungen, multiplen Schnittwunden sowie eine Nierenprellung. Vom 8.10. bis 24.12.1980 wurde der Kläger in der Chirurgischen Abteilung des Kreiskrankenhauses T.-N. stationär behandelt, wo eine Osteosynthese und eine Hauttransplantation am rechten Unterschenkel vorgenommen wurde. Weitere stationäre Aufenthalte fanden dort vom 7.1. bis 23.1.1981 zur Entfernung des Osteosynthese-Materials und Anlage eines Fixateurs externe sowie vom 4.5. bis 19.6.1981 zur plastischen Deckung durch Schwenklappen wegen fehlenden Spontanverschlusses des Weichteildefekts statt. Wegen eines bis zum Knochen reichenden großen Hautdefekts und eines Corticalissequesters am rechten Schienbein befand sich der Kläger vom 24.8. bis 9.10.1981 in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T., wo eine operative Revision und eine Entfernung des Corticalissequesters vorgenommen wurde. Der den Kläger ambulant behandelnde Chirurg Dr. H. teilte unter dem 5.1.1982 mit, alle Entzündungszeichen im Bereich des Unterschenkels seien abgeklungen, die Durchblutungssituation habe sich einigermaßen normalisiert. Der Kläger sei ab 1.1.1982 arbeitsfähig mit weiterer Behandlungsnotwendigkeit. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage 30 vH.

Nach Einholung eines Gutachtens bei Dr. H. vom 2.2.1982 nebst Zusatzgutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. D. gewährte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 12.2.1982 eine vorläufige Rente nach einer MdE um 30 vH. Als Folgen des Arbeitsunfalls wurden anerkannt: nach Schien- und Wadenbeinbruch rechts: Bewegungseinschränkung im oberen und unteren Sprunggelenk. Muskelminderung am Bein. Zirkulationsstörungen und Schwellneigung im Bereich des Unterschenkels und des Fußes. Herabsetzung der Gebrauchsfähigkeit des Beines. Gangbehinderung und Spitzfußstellung. Im ehemaligen Bruchbereich des Wadenbeines liegt noch Fremdmaterial.

Nach Einholung eines Gutachtens bei PD Dr. W., Oberarzt der Chirurgischen Universitätsklinik F., vom 9.6.1982 nebst ergänzender Stellungnahme vom 11.8.1982 und Zusatzgutachten von Dr. D. vom 23.7.1982 gewährte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 27.8.1982 an Stelle der vorläufige Rente nach einer MdE um 30 vH eine Dauerrente nach einer MdE um 30 vH. Als Folgen des Arbeitsunfalls wurden anerkannt: Weitgehende Versteifung im oberen und unteren Sprunggelenk rechts. Muskelminderung am rechten Oberschenkel. Peronaeuslähmung. Zirkulationsstörungen und Schwellneigung im Bereich des rechten Unterschenkels und Fußes. Herabsetzung der Gebrauchsfähigkeit des rechten Beines. Gangbehinderung und Spitzfußstellung rechts. Minderbeschwielung der rechten Fußsohle. Im ehemaligen Bruchbereich des Wadenbeines liegt noch Fremdmaterial.

Nachdem die Beklagte einen Verschlimmerungsantrag des Klägers vom 27.8.1996 zunächst mit Bescheid vom 26.11.1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.3.1997 abgelehnt hatte, erklärte sich die Beklagte im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Freiburg (S 11 U 1172/97) mit Schreiben vom 27.2.1998 bereit, dem Kläger ab 27.8.1996 Rente nach einer MdE um 40 vH zu gewähren. Im Ausführungsbescheid vom 7.4.1998 führte sie aus, die dem Bescheid vom 27.8.1982 zu Grunde liegenden Verhältnisse hätten sich wesentlich geändert. Die Muskulatur des rechten Beines habe sich deutlich gemindert. Die Spitzfußstellung rechts habe zugenommen. Es sei zu einer Krallenzehenbildung rechts sowie einer Arthrose des rechten Großzehengrundgelenks gekommen. Grundlage für die Erhöhung der Rente war das orthopädische Gutachten von Prof. Dr. H. vom 24.11.1997 nebst ergänzenden Stellungnahmen vom 29.12.1997 und 10.2.1998.

Am 25.11.1999 beantragte der Kläger die Gewährung einer Rente nach einer MdE um 50 vH. Zur Begründung trug er vor, seit Oktober 1998 habe er ein Hüftleiden, das auf dem Unfall vom 8.10.1980 zurückzuführen sei. Eine Nervenentzündung des rechten Schultergelenks beruhe ebenfalls auf dem Unfall vom 8.10.1980. Der Kläger legte eine vom SG im Schwerbehinderten-Verfahren (S 6 SB 2961/98) eingeholte Zeugenauskunft des Chirurgen Dr. S. vom 30.12.1998 sowie einen Arztbrief von Dr. D. vom 27.7.1999 vor, die beide mit unterschiedlicher Begründung die Auffassung vertraten, die MdE betrage nun 50 v.H.

Nach Einholung eines orthopädischen Gutachtens bei Prof. Dr. W. vom 2.3.2000 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23.3.2000 die Erhöhung der Rente ab, weil sich die Unfallfolgen nicht wesentlich geändert hätten. Die Beschwerden im Bereich der rechten Hüfte seien behandlungsfähig und die Schmerzzustände im Bereich der rechten Schulter seien unfallunabhängig. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 18.7.2000 zurück.

Hiergegen erhob der Kläger am 15.8.2000 Klage zum SG Freiburg (S 9 U 2500/00), mit der er die Gewährung einer Rente nach einer MdE um 50 vH weiter verfolgte. Das SG hörte Dr. S. schriftlich als sachverständigen Zeugen (Auskunft vom 13.11.2000). Dieser berichtete, er habe den Kläger vom 6.10.1998 bis zum 11.9.1999 wegen einer Coxitis rechts und vom 26.10. bis 23.12.1999 wegen einer Periarthritis der rechten Schulter behandelt. Vom 27.4. bis 20.5.2000 habe der Kläger wieder verstärkt über Schmerzen in der rechten Schulter und in der rechten Hüfte geklagt. Am 10.10.2000 habe er einen akuten Schub der chronischen Osteomyelitis am rechten Unterschenkel diagnostiziert, nachdem zwei Tage zuvor Schmerzen im rechten Unterschenkel mit einer entzündlichen Schwellung des Gewebes und übelriechender Sekretion aus der Tiefe aufgetreten seien. Deswegen wurde der Kläger vom 25.10. bis 7.12.2000 in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Tübingen stationär behandelt. Es wurde eine Segmentresektion des osteomyelitisch veränderten Schienbeinsegments mit anschließendem Segmenttransport vorgenommen (Befund- und Entlassbericht vom 8.12.2000).

Die Beklagte legte eine Stellungnahme von Prof. Dr. W. vom 30.4.2001 vor, der ausführte, der Kläger habe anlässlich der Begutachtung am 29.2.2000 angegeben, dass es in den vorausgegangenen Jahren nicht mehr zu entzündlichen Erscheinungen gekommen sei. Daher sei davon auszugehen, dass es im Herbst 2000 seit langer Zeit zum ersten Mal wieder zu einer Reaktivierung des entzündlichen Prozesses gekommen sei. Es bestehe keine Veranlassung, die frühere Einstufung der MdE bis Oktober 2000 abzuändern. Im Übrigen sei der weitere Verlauf abzuwarten. Die Beteiligten einigten sich darüber, dass die Beklagte nach Ende des Verletztengeldbezugs eine Begutachtung zur Rentenüberprüfung veranlassen und dabei die MdE ab Oktober 1998 überprüfe. Mit Einverständnis der Beteiligten ordnete das SG mit Beschluss vom 15.6.2001 das Ruhen des Verfahrens an.

Vom 19.3.2001 an befand sich der Kläger nach abgeschlossenem Segmenttransport wieder in stationärer Behandlung der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. Bei der Entfernung des Fixateurs externe, der Anbringung einer Spongiosa-Plastik und Osteosynthese zeigte sich eine vermehrte Blutungsneigung bei deutlich erniedrigter Thrombozytenzahl. Nach intensiv-medizinischen Überwachungs- und Therapiemaßnahmen (Cortisontherapie, Gammaglobulintherapie) zeigten die Thrombozytenzahlen einen deutlichen Anstieg. Nach erneut fallender Tendenz wurde der Kläger erneut auf der Intensivstation behandelt und am 12.4.2001 zur weiterführenden Diagnostik und Therapie in die Medizinische Klinik und Poliklinik, Hämatologie, Onkologie, Immunologie der Universität T. verlegt. Bei dem bis 20.4.2001 andauernden stationären Aufenthalt wurde die Diagnose einer idiopathischen Thrombozytopenie (initiale Thrombozyten &8804; 5000 µl) gestellt und eine Milzentfernung empfohlen, die am 23.4.2001 in der Chirurgischen Universitätsklinik T. vorgenommen wurde. Von dort wurde der Kläger wieder in die BG-Klinik verlegt und bis zum 27.6.2001 stationär behandelt (Entlassungsbericht vom 5.7.2001). Nach einer weiteren stationären Behandlung in der BG-Klinik wegen Wundheilungsstörungen vom 22.10. bis 28.11.2001 trat Arbeitsfähigkeit am 2.4.2002 wieder ein.

Auf Veranlassung der Beklagten erstattete Prof. Dr. W., Ärztlicher Direktor der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T., das Gutachten vom 8.8.2002. Darin führte er aus, im Oktober 2000 sei es mit einem Wiederaufflackern der Knochenentzündung zu einer Verschlimmerung gekommen. Im Vergleich zum Gutachten von Prof. Dr. H. seien zusätzliche nachfolgend aufgeführte mittelbare Unfallfolgen aufgetreten: • Taubheitsgefühl am rechten außenseitigen Oberschenkel nach Knochenentnahme vom rechten Beckenkamm • Chronische Weichteilulceration am rechten körpernahen Unterschenkel bis auf den Knochen reichend • Stabilitätsminderung des rechten Schienbeinknochens nach abgeschlossenem Segmenttransport mit Notwendigkeit des Tragens einer Einsteckschiene • Posttraumatische arthrotische Veränderung im rechten Knie- und Sprunggelenk mit leichter Einschränkung der Kniegelenksbeweglichkeit rechts für die Streckung. Die MdE betrage ab Eintritt der Arbeitsfähigkeit am 2.4.2002 50 vH auf unfallchirurgischen Gebiet. Wegen der Verminderung der Blutplättchen sei eine internistische Begutachtung erforderlich.

In dem internistisch-hämatologischen Gutachten vom 13.12.2002 stellte Prof. Dr. B., Oberarzt der Medizinischen Klinik und Poliklinik T. sowie Arzt für Innere Medizin, Hämatologie und internistische Onkologie folgende Diagnosen: • Idiopathische Thrombozytopenie • Zustand nach Trümmerfraktur rechter Unterschenkel 1980 (Autounfall), Zustand nach mehrmaligen Osteomyelitiden. Die Ursachen der idiopathischen Thrombozytopenie seien nicht bekannt. Es handele sich um eine Autoimmunerkrankung, die zur Destruktion der Thrombozyten im retikuloendothelialen System führe. In der Literatur seien einzelne Fälle einer Thrombozytopenie beschrieben, die mit einer bakteriellen Infektion einhergingen. Unter adäquater Antibiose habe sich jeweils zumindest eine partielle Remission der idiopathischen Thrombozytopenie gezeigt. In den Berichten der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. sei ein blander Lokalbefund beschrieben worden. Somit müsse ein kausaler Zusammenhang zwischen der Thrombozytopenie und der bekannten Osteomyelitis als sehr unwahrscheinlich angesehen werden. Es müsse von getrennten Krankheitsbildern ausgegangen werden. Diese Ansicht werde dadurch gestützt, dass die Thrombozytopenie nach Abheilen der Osteomyelitis persistiere.

Prof. Dr. S. gelangte im neurologischen Gutachten vom 14.12.2002 zum Ergebnis, eine Verschlimmerung sei in den Unfallfolgen nicht eingetreten. Eine vom Kläger angegebene Gefühlsstörung an der vorderen Außenseite des rechten Oberschenkel sei neu; sie bedinge jedoch keine messbare MdE. In der ergänzenden Stellungnahme vom 11.12.2002 schätzte der Prof. Dr. W. unter Berücksichtigung der Zusatzgutachten die MdE für die Unfallfolgen auf 50 vH ab 2.4.2004.

Am 28.10.2002 rief der Kläger das ruhende Verfahren (S 9 U 3149/02) wieder an.

Mit Bescheid vom 6.2.2003 gewährte die Beklagte dem Kläger eine Rente nach einer MdE um 50 vH ab 2.4.2002. Sie führte aus, die dem Bescheid vom 7.4.1998 zu Grunde liegenden Verhältnisse hätten sich wesentlich geändert. Hinzugetreten seien chronische Weichteilgeschwüre am Unterschenkel, Gefühlsempfindungsstörungen an der Außenseite des Oberschenkels und röntgenologisch nachweisbare Veränderungen im Knie- und Sprunggelenk rechts mit leichter Bewegungseinschränkung im Kniegelenk. Die Stabilität des rechten Schienbeinknochens habe sich vermindert. Unfallunabhängig liege eine verminderte Zahl der Blutplättchen vor.

Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beauftragte das SG PD Dr. M., Arzt für Innere Medizin, Hämatologie und Onkologie, mit der Begutachtung des Klägers. Im Gutachten vom 18.12.2003 führte dieser aus, beim Kläger liege eine chronische idiopathische Thrombozytopenie vor. Diese sei die am häufigsten erworbene Thrombopenie. Sie entstehe ohne erkennbare Grundkrankheit oder auslösende Ursache. Viele wissenschaftliche Befunde sprächen dafür, dass es sich um eine Immunerkrankung handele. Die chronische idiopathische Thrombozytopenie sei eine Erkrankung des Erwachsenenalters. Die Inzidenz der chronischen Verlaufsform betrage 2 bis 3 pro 100.000 Erwachsene pro Jahr. Das mittlere Erkrankungsalter liege bei 56 Jahren. Es gebe keinen Untersuchungsbefund und keine Labortests, die die chronische idiopathische Thrombozytopenie beweisen könnten. Vielmehr erreiche man die Diagnose "per exclusionem", d. h. alle anderen möglichen Ursachen für eine Thrombopenie müssten ausgeschlossen werden. Die Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Osteomyelitis und internistischen Erkrankungen könne nicht ausgeschlossen werden. Es sei jedoch nicht möglich zu belegen, dass die Osteomyelitis die wesentliche Ursache der idiopathischen Thrombozytopenie sei; es sei genauso gut möglich, dass die idiopathische Thrombozytopenie zufällig zur gleichen Zeit aufgetreten und nur erkannt worden sei, weil der Kläger wegen seiner Osteomyelitis operiert worden sei. Es sei möglich, aber nicht belegbar, dass die Osteomyelitis den Krankheitsverlauf der idiopathischen Thrombozytopenie verschlimmert habe.

Nachdem der Kläger von ihm eingenommene Medikamente aufgeführt und die Gebrauchsinformationen (mit Nebenwirkungen) vorgelegt hatte, holte das SG eine ergänzende Stellungnahme bei PD Dr. M. ein. In der Stellungnahme vom 18.9.2004 führte dieser aus, die Osteomyelitis sei im Herbst 2000 diagnostiziert worden, die idiopathische Thrombozytopenie im April 2001. Die zeitliche Nähe könnte für einen Zusammenhang sprechen, eine zufällige Koinzidenz sei genauso möglich. Gegen die Annahme, die Osteomyelitis habe die idiopathische Thrombozytopenie verschlimmert, spreche außerdem, dass nach Ausheilung der Osteomyelitis die idiopathischen Thrombozytopenie in unverminderter Schwere weiter bestehe. Ein Zusammenhang mit Medikamenten könne nur dann mit hinreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden, wenn das Medikament eingenommen worden sei, bevor die Thrombozytopenie aufgetreten sei und wenn sich die Thrombozytenzahl nach Absetzen des Medikaments wieder normalisiert habe. Weitere Kriterien seien, wenn eine wiederholte Medikamenteneinnahme erneut zu einem Thrombozytenabfall geführt oder wenn medikamentenspezifische Antikörper nachgewiesen worden seien. Wenn die Angaben des Klägers stimmten, dass bereits im April 2000 eine Thrombopenie von 50.000 µl und im September 2000 eine Thrombozytenzahl von 35.000 µl vorgelegen habe, so würde dies bedeuten, dass bereits ein halbes Jahr vor der Osteomyelitis und ein Jahr vor der eigentlichen Diagnosestellung in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. eine idiopathische Thrombozytopenie vorgelegen hätte. Dies würde dagegen sprechen, dass die Osteomyelitis oder eines der Medikamente, die in der Klinik verabreicht worden seien, die idiopathische Thrombozytopenie ausgelöst hätte. Gegen eine Verursachung der Thrombopenie durch Diclofenac spreche, dass trotz Beendigung der Diclofenac-Gabe von April 2000 bis September 2000 die Thrombozyten nicht angestiegen seien. Das Medikament Dalteparin (Fragmin ®) könne selten schwere Thrombopenien mit Blutungen und Thrombosen auslösen. Man nenne dies eine Heparin-induzierte Thrombopenie Typ II. Eine solche sei jedoch durch die fehlende Normalisierung der Thrombozytenzahl nach Absetzen von Dalteparin und die Untersuchung der Universitätsklinik Tübingen im April 2001 ausgeschlossen. Bei Einnahme der sonstigen Medikamente (Morphium, Cefuroxim, Ranitin) müsse sich die Thrombozytenzahl nach Absetzen der Medikamente ebenfalls normalisieren. Es sei zwar auch möglich, dass Medikamente eine Thrombopenie auslösten, die auch nach Absetzen der Medikamente weiter bestehen bleibe. Diese Fälle seien sehr selten und würden für wenige Medikamente beschrieben, die der Kläger jedoch nicht eingenommen habe.

Prof. Dr. W. erklärte unter dem 25.10.2004, aus den Unterlagen ergäben sich keine Hinweise, dass dem Kläger während des stationären Aufenthalts vom 25.10. bis 8.12.2000 ein Präparat mit dem Wirkstoff Diclofenac verabreicht worden sei. Ferner teilte er die beim Kläger mehrmals bestimmten Thrombozytenzahl (17.10. bis 24.11.2000 zwischen 11.000 und 69.000 µl) mit. Nachdem der Kläger eine Liste der Medikamente vorgelegt hatte, die er in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik erhalten hatte und bei der "Voltaren Ranitic ?" aufgeführt ist, erklärte Professor Dr. W. am 29.12.2004, er bleibe dabei, dass der Kläger während des stationären Aufenthalts vom 25.10. bis 8.12.2000 keine Präparate mit dem Wirkstoff Diclofenac erhalten habe. Zwar sei am Aufnahmetag, dem 25.10.2000, das Präparat Voltaren resinat als Bedarfsmedikation auf dem stationären Behandlungsbogen eingetragen. Wie aus der (vorgelegten) Aufzeichnung erkennbar, sei diese Eintragung noch am Aufnahmetag mit dem typischen Handzeichen versehen, dass das Medikamente nicht verabreicht werden dürfe bzw. abgesetzt werden solle, sodass der Kläger dieses Medikament laut den schriftlichen Unterlagen nie erhalten habe.

Mit Urteil vom 31.3.2005 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, in orthopädischer bzw. unfallchirurgischer Hinsicht seien die Gutachten von zutreffenden und vollständigen Befunden ausgegangen. Die darauf gestützten MdE-Einschätzungen erschienen ebenfalls plausibel. Weitere Gesundheitsstörungen, insbesondere die Thrombozytopenie, seien bei der MdE-Schätzung nicht zu berücksichtigen. Dies ergebe sich ab aus den Gutachten von Drs .../Professor B. und PD Dr. M ... Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen das am 1.7.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13.7.2005 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und vorgetragen, entgegen der Auffassung der Beklagten sei er vom 1.12.1999 bis 1.4.2002 schwerbehindert gewesen, weswegen eine MdE um 50 vH zugrunde zu legen sei. Er habe schon ab dem 1.12.1999 die Entzündung des Knochens am rechten Schienbein gehabt, die zu Schmerzen geführt habe. Die anschließende Operation, bei der der entzündete Schienbeinknochen entfernt worden sei, stelle nur eine unmittelbare Folge des Zustandes seit 1999 dar. Da die Beklagte den Zustand des rechten Beines mittlerweile mit einer MdE um 50 vH bewerte, müsse dies auch für den Zustand vor der Operation gelten. Auf Grund seiner Gehbehinderung sei er im Jahr 2003 auf dem Heimweg von der Arbeit gestürzt und habe sich einen Kapselriss der linken Schulter zugezogen. Diesen Schadensfall habe die Einzelhandels-Berufsgenossenschaft abgewickelt. Maßgebend für diesen Unfall sei jedoch die Gehbehinderung gewesen, weswegen die Beklagte einstandspflichtig sei. Wegen der Fehlbewegung infolge der Schädigung des rechten Beines habe er Beschwerden an der rechten Hüfte, welche typischerweise bei der Nichtbelastung des rechten Beines und bei der Fortbewegung mit Krücken entstünden. Die Thrombozytopenie habe bereits im April 1999 begonnen. 1999 bis 2000 habe er von Dr. S. das Medikament Diclofenac als Spritze zur Schmerzlinderung erhalten. Als er sich in die Berufsgenossenschaftliche Klinik begeben habe, habe er äußerst schlechte Thrombozytenwerte gehabt, wodurch nachgewiesen sei, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Medikamentengabe und dem Thrombozytenabfall bestehe. Er habe weitere Medikamente erhalten, die zu einer Thrombozytopenie führten. Während seiner Behandlung habe er seit Dezember 2000 starke Blutungen in Schleimhautbereich (Mund- und Rachebereich) gehabt. Das Urteil des SG sei nicht schlüssig. Die Angabe der Entstehung einer idiopathischen Thrombozytopenie durchschnittlich im Alter von 56 Jahren sei wissenschaftlich nicht nachgewiesen. Dr. M. habe Anknüpfungstatsachen nicht ordnungsgemäß festgestellt. So sei die Osteomyelitis nicht erst im Herbst 2000 diagnostiziert worden; sie sei bereits im Frühjahr vorhanden gewesen. Im Herbst 2000 sei Eiter durch die Haut gekommen; eine derartige Osteomyelitis könne sich nicht innerhalb von Tagen entwickeln, sondern brauche Monate zur Entstehung. Auch habe Dr. M. nicht berücksichtigt, dass er eine Mixtur von Medikamenten erhalten habe. Fälschlicherweise sei Dr. M. davon ausgegangen, dass bei ihm keine Osteomyelitis mehr vorhanden sei. Seine behandelnden Ärzte hätten ihm mitgeteilt, dass nach wie vor eine akute Osteomyelitis vorhanden sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 31. März 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. März 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 2000 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 6. Februar 2003 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm vom 1. Dezember 1999 eine Rente nach einer MdE um 50 vH und ab 2. April 2002 nach einer MdE um 100 vH zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Senat hat die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen gehört und weitere ergänzende Stellungnahmen von PD Dr. M.eingeholt.

Der Radiologe Dr. H. hat am 1.9.2005 erklärt, er habe am 23.3.2005 beim Kläger ein CT des Unterschenkels durchgeführt. Dabei seien auf der Aufnahme keine eindeutigen Veränderungen im Sinne eines noch aktiven knöchernen entzündlichen Prozesses nachweisbar gewesen. Ein definitiver Ausschluss noch vorhandener Aktivität sei allerdings im CT nicht möglich. Eine Aussage "die Osteomyelitis sei aktiv bzw. nicht abgeheilt" habe er sicher nicht gemacht.

Dr. S. hat am 12.9.2005 angegeben, er habe den Kläger von Oktober 1998 bis September 1999 wegen einer Coxitis rechts und von Oktober 1999 bis Mai 2000 wegen einer Periarthritis der rechten Schulter behandelt und dem Kläger Diclofenac verabreicht. Wegen der chronischen Osteomyelitis habe seit 10. Oktober 2000 lediglich lokale Wundbehandlung stattgefunden. Eine systemische Gabe eines Antiphlogistikums oder Analgetikums sei nicht erfolgt.

Der Arzt für Allgemeinmedizin Vogel hat die beim Kläger im Zeitraum vom 27.3.1990 bis 31.8.2005 bestimmten Thrombozytenzahlen mitgeteilt, u. a. 27.3.1990 258.000 11.6.1997 171.000 2.11.1998 195.000 5.4.2000 50.000 23.4.2002 11.000 9.6.2004 6.000 28.7.2004 23.000 23.12.2004 3.000 31.8.2005 24.000 Professor Dr. W. hat am 28.9.2005 mitgeteilt, der Kläger habe während seines stationären Aufenthalts vom 22.10. bis 30.11.2001 am 22. und 23.10.2001 Voltaren resinat erhalten.

PD Dr. M. hat in der Stellungnahme vom 15.2.2006 ausgeführt, ein Zusammenhang der Thrombozytopenie mit der Gabe des Wirkstoffes Diclofenac im Sinne einer medikamenteninduzierten Immunthrombopenie könne weiterhin nicht belegt werden. Beim Kläger habe die idiopathische Thrombozytopenie nämlich weiter bestanden, nachdem Dr. S. das Präparat im Mai 2000 abgesetzt habe. Die Behandlungen in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik hätten erst im Oktober 2000 begonnen. Bereits sechs Monate vorher, im April 2000, seien erstmals erniedrigte Thrombozytenwerte gemessen worden. Deshalb könne ein ursächlicher Zusammenhang der idiopathischen Thrombozytopenie mit der kombinierten Gabe mehrerer Medikamente im Rahmen der Osteomyelitis-Behandlung nicht belegt werden. Da die Thrombozytenwerte vor der Behandlung in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik bei 17.000 µl gelegen hätten, während der stationären Aufenthalts sogar kurzfristig auf 69.000 µl angestiegen und am Ende der Behandlung wieder auf den Ausgangswert von 19.000 µl abgefallen seien, könne auch eine Verschlimmerung der idiopathischen Thrombozytopenie durch die Medikamentengabe nicht angenommen werden. Auch unter Berücksichtigung der neuen Ermittlungsergebnisse könne nicht ausreichend begründet werden, dass der Arbeitsunfall von 1980, seine Behandlung und seine Folgeerkrankungen eine wesentliche auslösende oder verschlimmernde Ursache der idiopathischen Thrombozytopenie darstellten.

In der Stellungnahme vom 20.2.2006 hat PD Dr. M. ergänzend ausgeführt, dass auch das dem Kläger im September 2002 verabreichte Medikament Rituximab die Thrombozytopenie weder ausgelöst noch verschlimmert habe.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung einer höheren Rente hat. Mit dem Bescheid vom 6.2.2003 hat die Beklagte die eingetretene Verschlimmerung zutreffend berücksichtigt.

Nach § 48 Abs. 1 SGB X ist ein Anspruch auf Rente neu festzustellen, wenn in den für seine Feststellung maßgebend gewesenen Verhältnissen eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Bei der Feststellung der MdE ist eine solche wesentliche Änderung nur gegeben, wenn die Änderung mehr als 5 vH beträgt und bei Rente auf unbestimmte Zeit - wie vorliegend - länger als drei Monate andauert (§ 73 Abs. 3 SGB VII). Ob eine wesentliche Änderung vorliegt, ist durch einen Vergleich der für die letzte Feststellung maßgebenden Verhältnisse mit denjenigen zu ermitteln, die bei der Prüfung der Neufeststellung vorliegen.

Im vorliegenden Fall sind die unfallbedingten Verhältnisse des Klägers, wie sie im Zeitpunkt der letzten bindend gewordenen Feststellung mit Bescheid vom 7.4.1998 vorlagen und wie sie im Gutachten von Prof. Dr. H. vom 14.11.1997 (mit ergänzenden Stellungnahmen vom 19.12.1997 und 10.2.1998) beschrieben wurden, mit denen zu vergleichen, wie sie nunmehr vorliegen.

Der eingetretenen wesentlichen Änderung der unfallbedingten Verhältnisse beim Kläger hat die Beklagte mit Bescheid vom 6.2.2003 Rechnung getragen und die MdE ab 2.4.2002 von 40 auf 50 vH erhöht. Ein Anspruch auf Erhöhung der MdE auf 50 vH vor dem 2.4.2002, dem Eintritt der Arbeitsfähigkeit, besteht nicht.

Nach § 74 Abs. 2 SGB VII dürfen Renten nicht für die Zeit neu festgestellt werden, in der Verletztengeld zu zahlen ist oder ein Anspruch auf Verletztengeld wegen des Bezugs von Einkommen oder des Erhalts von Betriebs- und Haushaltshilfe oder wegen der Erfüllung der Voraussetzungen für den Erhalt von Betriebs- und Haushaltshilfe nicht besteht. Eine Rentenerhöhung neben dem Bezug von Verletztengeld würde zu Doppelleistungen führen, wenn - wie in der Regel - die Wiedererkrankung zugleich eine Verschlimmerung mit Anspruch auf Rentenerhöhung nach § 48 Abs. 1 SGB X enthielte (vgl. Ricke in Kasseler Kommentar, Stand November 2006, § 74 SGB VII Rdnr. 6).

Die Verschlimmerung ist beim Kläger am 10.10.2000 mit Auftreten der Osteomyelitis eingetreten. Seitdem hatte der Kläger bis zum Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit am 2.4.2002 Anspruch auf Verletztengeld, sodass eine Neufeststellung der Rente gemäß § 74 Abs. 2 SGB VII für die Zeit vom 10.10. bis zum 1.4.2002 ausgeschlossen war.

Eine Verschlimmerung der Unfallfolgen vor dem 10.10.2000 vermag der Senat nicht festzustellen. Insoweit stützt sich der Senat auf die Gutachten von Prof. Dr. W. vom 2.3.2000 mit ergänzender Stellungnahme vom 30.4.2001 und Prof. Dr. W. vom 8.8.2002 nebst ergänzender Stellungnahme vom 11.12.2002, die im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden. Die Coxitis rechts, die am 6.10.1998 auftrat und von Dr. S. bis zum 11.9.1999 behandelt wurde, führte im Zeitraum der Behandlungsbedürftigkeit nach der Einschätzung des Neurologen Dr. D. zu einer Bewegungseinschränkung des Hüftgelenks geringen Grades, die er mit einer MdE von 0 bis 10 vH bewertete (Arztbrief vom 27.7.1999). Damit ist eine Verschlimmerung der Unfallfolgen nach den dargelegten Grundsätzen aber nicht dargetan, zumal Prof. Dr. W. am 29.2.2000 eine Einschränkung der Hüftgelenksbeweglichkeit nicht mehr feststellen konnte und darauf hinwies, dass die Überlastungsbeschwerden im Bereich der rechten Hüfte, die auf das gestörte Gangbild zurückzuführen seien, therapeutischen Maßnahmen gut zugänglich seien. Die von Dr. S. von Oktober bis Dezember 1999 behandelte Periarthritis der rechten Schulter bzw. die vom Kläger bei Prof. Dr. W. am 29.2.2000 geklagten elektrisierenden Schmerzzustände im Bereich der rechten oberen Gliedmaße können nach dessen Ausführungen schon aus biomechanischen Gründen nicht auf die Unfallfolgen zurückgeführt werden. Bei Prof. Dr. W. gab der Kläger am 30.7.2002 auch an, dass er mit der rechten Schulter keine Probleme mehr habe und auch die Probleme am rechten Hüftgelenk gering seien. Schließlich hat auch die Osteomyelitis nicht schon vor dem 10.10.2000 zu einer Erhöhung der MdE auf 50 geführt. Der Senat entnimmt der sachverständigen Zeugenaussage von Dr. S. vom 13.11.2000, dass dieser den Kläger vom 6.10.1998 bis zum 11.9.1999 wegen der Coxitis rechts und vom 26.10. bis 23.12.1999 wegen der Periarthritis der rechten Schulter behandelt hat, und dass der Kläger in der Zeit vom 27.4. bis 20.5.2000 wieder verstärkt über Schmerzen in der rechten Schulter und in der rechten Hüfte geklagt hat. Zu dem von ihm am 10.10.2000 festgestellten akuten Schub der chronischen Osteomyelitis am rechten Unterschenkel hat er anamnestisch festgehalten, dass zwei Tage zuvor, also am 8.10.2000, Schmerzen im rechten Unterschenkel mit einer entzündlichen Schwellung des Gewebes und übelriechender Sekretion aus der Tiefe aufgetreten waren. Mithin hat sich die Verschlimmerung im unfallbedingten Gesundheitszustand des Klägers durch die Osteomyelitis erst zwei Tage vor dem Eintritt der dadurch ausgelösten Arbeitsunfähigkeit manifestiert.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Gewährung einer höheren Verletztenrente als 50 vH ab 2.4.2002. Insbesondere ist die bei Kläger vorliegende idiopathische Thrombozytopenie bei der Bewertung der MdE nicht zu berücksichtigen, da diese nicht mit Wahrscheinlichkeit Unfallfolge ist. Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt, das heißt, es müssen die für einen ursächlichen Zusammenhang sprechenden Umstände deutlich überwiegen (vgl. BSGE 19, 52, 53; 32, 203, 207, 209; 45, 285, 287). Ein Kausalzusammenhang ist insbesondere nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen ist.

Ein Kausalzusammenhang zwischen der idiopathischen Thrombozytopenie und dem Unfall vom 8.10.1980 bzw. den Unfallfolgen oder deren Behandlung lässt sich auch zur Überzeugung des Senats nicht wahrscheinlich machen. Dies ergibt sich im wesentlichen aus der Gesamtwürdigung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen, insbesondere des Gutachtens von Prof. Dr. B. vom 13.12.2002, das im Wege des Urkundenbeweises verwertet wird, des auf Antrag des Klägers bei PD Dr. M. eingeholten Gutachtens vom 18.12.2003 sowie der ergänzenden Stellungnahmen vom 18.9.2004, 13.2. und 20.2.2006 sowie der sachverständigen Zeugenaussagen von Dr. H. vom 1.9.2005, Dr. S. vom 12.9.2005, des Arztes Vogel vom 13.9.2005 sowie Professor Dr. W. vom 28.9.2005.

Beim Kläger liegt eine chronische idiopathische Thrombozytopenie vor. Diese Diagnose, die besagt, dass die Thrombozytopenie ohne erkennbare Ursache entstanden ist bzw. deren Ursache nicht nachweisbar ist (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 258. Auflage, S. 737), ergibt sich daraus, dass alle möglichen nachweisbaren Ursachen für eine Thrombopenie ausgeschlossen werden konnten. Für eine nicht-immunologische Ursache einer Thrombopenie geben die Vorgeschichte, die früheren und aktuellen Untersuchungen keinen Anhalt. Auch andere Erkrankungen, die Thrombozytenantikörper induzieren, wie medikamenteninduzierte Immunthrombopenien, Heparin-induzierte Thrombozytopenie, Immunthrombopenie durch Infektionen, Immunthrombozytopenie bei Lymphomen, Immunthrombopenien bei anderen Autoimmunerkrankungen sind ausgeschlossen worden. Viele wissenschaftliche Befunde sprechen dafür, dass es sich bei der idiopathischen Thrombozytopenie um eine Immunerkrankung handelt. Die Inzidenz der chronischen Verlaufsform beträgt 2 bis 3 pro 100.000 Erwachsene pro Jahr. Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei 56 Jahren. Die Möglichkeit, dass zwischen der Erkrankung und dem Unfallereignis mit seinen Folgeerkrankungen (Osteomyelitis) ein ursächlicher Zusammenhang besteht, kann zwar nicht ausgeschlossen werden. Die Osteomyelitis ist jedoch nicht mit Wahrscheinlichkeit wesentliche Ursache der idiopathischen Thrombozytopenie, denn es ist genauso möglich, dass die idiopathische Thrombozytopenie zufällig zur gleichen Zeit aufgetreten und nur erkannt worden ist, weil der Kläger wegen seiner Osteomyelitis operiert wurde. Nach den Angaben des Arztes Vogel waren die Thrombozyten schon im April 2000 erniedrigt. Die Osteomyelitis verursachte sechs Monate später (8.10.2000) erstmals - wieder - Beschwerden. Der Kläger hatte nach der Stellungnahme von Prof. Dr. W. vom 30.4.2001 anlässlich der Begutachtung am 29.2.2000 selber angegeben, dass es in den vorausgegangenen Jahren nicht mehr zu entzündlichen Erscheinungen gekommen sei, woraus Prof. Dr. W. - entgegen der Auffassung des Klägers - den Schluss zog, es sei im Herbst 2000 seit langer Zeit zum ersten Mal wieder zu einer Reaktivierung des entzündlichen Prozesses gekommen sei. Aber selbst wenn entsprechend dem Vortrag des Klägers - ohne entsprechende medizinische Befunde - ein früherer Beginn des Wiederauflebens des entzündlichen Geschehens angenommen würde, könnte hieraus ein ursächlicher Zusammenhang nicht abgeleitet werden. Allein die zeitliche Nähe zwischen dem Auftreten der idiopathischen Thrombozytopenie und der Osteomyelitis reicht nicht aus, um einen ursächlichen Zusammenhangs zu begründen. Hinzukommt, dass auch nach Abklingen der Osteomyelitis die idiopathische Thrombozytopenie fortbestand und fortbesteht. Die Behauptung des Klägers, es liege nach wie vor eine akute Osteomyelitis vor, trifft nicht zu, wie sich aus der sachverständigen Zeugenaussage von Dr. H. ergibt. Auch das Erkrankungsalter des Klägers entspricht dem üblichen Erkrankungsalter von Patienten mit idiopathischer Thrombozytopenie.

Ein ursächlicher Zusammenhang der Thrombozytopenie mit der Gabe von Medikamenten ist ebenfalls nicht feststellbar. Ein solcher kann nur dann mit hinreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden, wenn das Medikament eingenommen wurde, bevor die Thrombozytopenie auftrat und wenn sich nach Absetzten des Medikaments die Thrombozytenzahl wieder normalisiert. Das vom Kläger insbesondere angeschuldigte Medikament Diclofenac wurde von Dr. S. nach dem vorliegenden Auszug aus seinen medizinischen Daten für das Jahr 1999 ab April 1999 wegen der Coxitis rechts und ab Oktober 1999 wegen der Periarthritis der rechten Schulter und im Jahr 2000 vom 27.4. bis 20.5.2000 wegen Überlastungsbeschwerden im Bereich der rechten Hüfte eingesetzt. Auch erhielt der Kläger in der BG-Klinik am 22. und 23.10. 2001 Diclofenac. Unabhängig davon, dass die Periarthritis der rechten Schulter nach den Darlegungen von Prof. Dr. W. aus biomechanischen Gründen nicht als Unfallfolge gelten kann, ist ein Zusammenhang zwischen der Gabe von Diclofenac und dem Auftreten der idiopathischen Thrombozytopenie nicht wahrscheinlich. Denn nach den vom Arzt für Allgemeinmedizin V. dem Senat mitgeteilten Daten wurden beim Kläger am 5.4.2000 erstmals erniedrigte Thrombozytenwerte festgestellt, die sich aber im weiteren Verlauf nicht mehr normalisierten, wie die weiteren von Dr. V. mitgeteilten Werte und die im Oktober und November 2000 in der BG-Klinik erhobenen Werte (sachverständige Zeugenaussage von Prof. Dr. Weise vom 25.10.2004) belegen. Aus demselben Grund kann ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der kombinierten Gabe mehrerer Medikamente während der stationären Behandlung in der BG-Klinik und der idiopathischen Thrombozytopenie nicht mit Wahrscheinlichkeit angenommen werden. Die Tatsache, dass während der stationären Behandlung im Oktober/November 2000 die bei Aufnahme erniedrigten Thrombozytenwerte zwischenzeitlich leicht anstiegen und dann wieder zum Ausgangswert abfielen, spricht gegen einen ursächlichen Einfluss der medikamentösen Behandlung auf die Thrombozytenzahl. Ferner ist nicht feststellbar, dass der Kläger eines der seltenen Medikamente erhalten hat, bei denen nach Absetzen des Medikaments ein Fortbestehen der Thrombozytopenie beschrieben wird.

Soweit der Kläger geltend macht, bei ihm seien Folgen eines Unfall aus dem Jahr 2003 zu berücksichtigen, ist darauf hinzuweisen, dass dieser nicht Gegenstand des Verfahrens ist. Insoweit wurde kein Feststellungsverfahren durch die Beklagte durchgeführt. Ein diesbezüglicher Verwaltungsakt ist nicht ergangen. Nach dem eigenen Vortrag des Klägers erfolgte das Feststellungsverfahren durch die Einzelhandels-Berufsgenossenschaft, was schon gegen eine Zuständigkeit der Beklagten spricht.

Nach alledem war das angefochtene Urteil des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung des Klägers musste deswegen zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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