Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 J 849/80
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Im Falle berufsfördernder Maßnahmen zur Rehabilitation kann die Berechnung des Übergangsgeldes nach § 1241 Abs. 1 RVO im Einzelfall deswegen unbillig hart im Sinne des § 1241 a Abs. 2 Nr. 3 RVO sein, weil der Betreute während seiner Ausbildung einen Unfall erlitten hat und aus diesem Grunde in der Folgezeit daran gehindert gewesen ist Bereits erworbene Kenntnisse weiter auszubauen und alsdann auf dem Arbeitsmarkt ein entsprechendes Arbeitsentgelt zu erzielen (Anschluß an Urteil des BSG vom 15.12.1977 – 8 RU 54/77 im SozR 2200 § 568 RVO Nr. 1).
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 28. Mai 1980 insoweit aufgehoben und die Klage abgewiesen, als die Beklagte zur Gewährung eines höheren Übergangsgeldes für die Zeit vom 5. Oktober 1978 bis 14. Januar 1979 verpflichtet worden ist. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen Aufwendungen beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Höhe des Übergangsgeldes.
Der 1958 geborene Kläger begann nach dem Besuch der Realschule am 15. Juli 1975 bei dem Elektromeister O. E. in A.-M. eine Ausbildung zum Elektro-Installateur. Nach dem Inhalt des Ausbildungsvertrages vom 21. Oktober 1975, der eine Ausbildungsdauer von 3 1/2 Jahren bis zum 14. Januar 1979 vorsah, sollte der Kläger im ersten Ausbildungsjahr 230,– DM brutto, im zweiten Ausbildungsjahr 270,– DM brutto, im dritten Ausbildungsjahr 350,– DM brutto und im 4. Ausbildungsjahr 430,– DM brutto als Ausbildungsvergütung erhalten. Im Mai 1976 erzielte der Kläger einen Bruttoverdienst von 245,– DM, aus dem ein Nettoverdienst von 203,66 DM errechnet wurde.
Am 7. Juni 1976 erlitt der Kläger einen Verkehrsunfall, der eine totale Armplexuslähmung rechts zur Folge hatte und eine Fortsetzung der Ausbildung zum Elektroinstallateur unmöglich machte. Auf den am 3. Dezember 1976 beim Arbeitsamt Korbach gestellten Antrag des Klägers, dem die AOK Waldeck-Frankenberg seit dem 19. Juli 1976 auf der Grundlage eines Regellohns von 8,17 DM Krankengeld in Höhe von 6,54 DM täglich zahlte, auf Gewährung berufsfördernder Leistungen zur Rehabilitation erstellte dieses am 22. August 1977 auf Veranlassung der Beklagten einen Eingliederungsvorschlag, in dem es die Ausbildung des Klägers zum Ingenieur (grad.) – Fachrichtung Elektronik – befürwortete.
Durch Bescheid vom 21. Oktober 1977 bewilligte die Beklagte dem Kläger daraufhin für die Dauer von 36 Monaten eine Ausbildung zum Ingenieur (grad.) – Fachrichtung Elektronik mit Vorförderung im Berufsförderungswerk Heidelberg, das mit Schreiben vom 21. Dezember 1977 als Ergebnis einer individuellen Untersuchung die Aufnahme des Klägers in die Ausbildung davon abhängig machte, daß er ein einjähriges, mindestens aber ein halbjähriges Praktikum im Bereich der Elektronik absolvierte. Nachdem der Kläger in der Zeit vom 3. April 1978 bis 31. Juli 1978 sein Praktikum bei der Firma F. & G. in A. abgeleistet hatte, begann er am 5. Oktober 1978 seine Ausbildung im Berufsförderungswerk Heidelberg.
Durch Bescheid vom 22. Januar 1979 bewilligte die Beklagte dem Kläger daraufhin für die Zeit ab 5. Oktober 1978 ein Übergangsgeld von 5,99 DM täglich. Bei der Berechnung des Übergangsgeldes gemäß § 1241 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) ging die Beklagte entsprechend dem vom Kläger im Mai 1976 erzielten Entgelt von einem täglichen Regellohn von 8,17 DM und einem entgangenen regelmäßigen Netto-Arbeitsentgelt von täglich 6,79 DM aus. Ferner berücksichtigte sie, daß sie für die Dauer der Maßnahme die Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung des Klägers trug. Das auf diese Weise errechnete Übergangsgeld von 4,91 DM aktualisierte die Beklagte gemäß § 1241 c RVO auf 5,99 DM.
Mit seinem Widerspruch, den der Widerspruchsausschuß der Beklagten dem Sozialgericht Kassel gemäß § 85 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als Klage zuleitete, machte der Kläger geltend, die Berechnung des Übergangsgeldes auf der Grundlage der Ausbildungsvergütung vom Mai 1976 bedeute für ihn eine unbillige Härte. Die Beklagte müsse bei der Berechnung vielmehr von einem Tariflohn für Elektro-Installateure nach abgeschlossener Lehre ausgehen. Nach dem Ausbildungsvertrag vom 21. Oktober 1975 wäre die Vergütung mit fortschreitender Ausbildung erhöht worden und die Ausbildungszeit am 14. Januar 1979 beendet gewesen. Nach der Facharbeiterprüfung, die er voraussichtlich erfolgreich bestanden hätte, wäre er von seinem Lehrherrn als Facharbeiter gegen den entsprechenden Tariflohn übernommen worden. Für seine Auffassung bezog sich der Kläger auf das in dem Rechtsstreit 8 RU 54/77 ergangene Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 15. Dezember 1977.
Durch Urteil vom 28. Mai 1980 verpflichtete das Sozialgericht die Beklagte, das Übergangsgeld für die Zeit vom 5. Oktober 1978 bis 14. Januar 1979 auf der Grundlage einer Ausbildungsvergütung von monatlich 430,– DM und für die Zeit ab 15 – Januar 1979 nach der Leistungsgruppe 2 der Arbeiter entsprechend den Anlagen 1 und 5 zum Fremdrentengesetz (FRG) zu berechnen. In den Entscheidungsgründen führte es aus, die Berechnung der Beklagten sei unbillig hart. Das von ihr errechnete Übergangsgeld sei auffällig niedrig. Der Kläger habe den Unfall während der Ausbildung erlitten und sei durch diesen Unfall daran gehindert worden, seine Kenntnisse weiter auszubauen und alsdann nach Abschluß der Ausbildung ein entsprechendes Entgelt zu erzielen. Diese Umstände rechtfertigten es, eine angemessene berufliche Fortentwicklung mit einem entsprechenden höheren Verdienst zu berücksichtigen.
Gegen dieses der Beklagten am 13. Juni 1980 zugestellte Urteil richtet sich ihre am 11. Juli 1980 beim Hessischen Landessozialgericht eingegangene Berufung, mit der sie Aufhebung des Urteils und Abweisung der Klage verfolgt.
Sie ist der Ansicht, daß tatsächliche oder voraussichtliche Änderungen des Arbeitsentgelts, die erst nach dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit eintreten, bei der Berechnung des Übergangsgeldes grundsätzlich nicht zu berücksichtigen seien. Der vorliegende Fall weise keine Besonderheiten auf, die ein Abweichen von diesen Prinzipien rechtfertigen würden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 28. Mai 1980 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Akteninhalt Bezug genommen, insbesondere den der Verwaltungsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zwar zulässig, denn sie ist form- und fristgerecht eingelegt sowie an sich statthaft (§§ 143, 151 SGG). Sie ist jedoch zum überwiegenden Teil sachlich unbegründet.
Der mit der Klage angefochtene Bescheid vom 22. Januar 1979 konnte nicht in vollem Umfang aufrechterhalten werden. Der Kläger hat für die Zeit ab 15. Januar 1979 Anspruch auf Gewährung eines höheren Übergangsgeldes.
Nach § 1241 a Abs. 1 RVO ist das Übergangsgeld nach § 1241 Abs. 1 und 4 RVO zu berechnen, sofern bei einer berufsfördernden Maßnahme zur Rehabilitation der letzte Tag des Bemessungszeitraums zu Beginn der Maßnahme nicht länger als drei Jahre zurückliegt. Dagegen beträgt das Übergangsgeld für den Kalendertag den 450. Teil des Betrages, der sich bei entsprechender Anwendung der Anlagen des Fremdrentengesetzes für das bei Beginn der Maßnahme zuletzt angegebene Kalenderjahr ergibt, wenn bei einer berufsfördernden Maßnahme zur Rehabilitation der letzte Tag des Bemessungszeitraums zu Beginn der Maßnahme länger als drei Jahre zurückliegt oder ein Arbeitsentgelt nach § 1241 RVO nicht erzielt worden ist oder es unbillig hart wäre, das Arbeitsentgelt nach § 1241 Abs. 1 RVO der Bemessung des Übergangsgeldes zugrunde zu legen (§ 1241 a Abs. 2 Nr. 1–3 RVO). Bei der Zuordnung zu einer Leistungsgruppe nach Anlage 1 des Fremdrentengesetzes (FRG) ist von der Beschäftigung oder Tätigkeit auszugehen, die für den Betreuten nach seinen beruflichen Fähigkeit ten und seinem Lebensalter ohne die Behinderung in Betracht käme. § 1241 Abs. 4 RVO gilt.
Zutreffend ist das Sozialgericht davon ausgegangen, daß die Beklagte für die Zeit ab 15. Januar 1979 – dem mutmaßlichen Ausbildungsende – der Bemessung des Übergangsgeldes zu Unrecht die im Monat Mai 1976 empfangene Ausbildungsvergütung des Klägers von 245,– DM brutto zugrunde gelegt hat. Zwar lag zu Beginn der berufsfördernden Maßnahme am 5. Oktober 1978 der letzte Tag des Bemessungszeitraumes nicht länger als drei Jahre zurück. Bei der vom Kläger während dieser Zeit empfangenen Ausbildungsvergütung handelte es sich auch um Arbeitsentgelt im Sinne des Gesetzes (vgl. Urteil des BSG vom 15.12.1977 – 8 RU 54/77). Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten wäre es jedoch unbillig hart im Sinne des § 1241 a Abs. 2 Nr. 3 SGG, die für den Monat Mai 1976 gezahlte Ausbildungsvergütung von 245,– brutto der Bemessung des Übergangsgeldes auch für die Zeit ab 15. Januar 1979 zugrunde zu legen.
Bei dem Tatbestandsmerkmal der unbilligen Härte handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Anwendung durch den Versicherungsträger der gerichtlichen Nachprüfung unterliegt (vgl. Urteile des BSG vom 25.11.1977 – 2 RU 71/76 und 27.4.1978 – 11 RA 60/77). Eine Definition dieses unbestimmten Rechtsbegriffs findet sich im Gesetz nicht. Sein Inhalt ergibt sich jedoch aus Sinn und Zweck der Regelung. Dem Übergangsgeld kommt im Prinzip eine Lohnersatzfunktion zu. Es tritt für die Dauer der Rehabilitationsmaßnahme an die Stelle des vorher vom Rehabilitanden selbst erzielten Erwerbseinkommens und soll die Beibehaltung seines unmittelbar vor Beginn der Maßnahme innegehabten Lebensstandards ermöglichen (vgl. Urteil des BSG vom 30.5.1978 – 1 RA 61/77). Unter Berücksichtigung dieser Zielsetzung soll mit der Regelung des § 1241 a Abs. 2 RVO vermieden werden, daß die soziale Stellung des Behinderten während der Rehabilitationsmaßnahme zu seinem Nachteil verändert wird (vgl. amtliche Begründung zu § 14 Rena AnglG in BT – Drucksache 7/1237 S. 59). Entsprechend diesem Grundgedanken liegt eine unbillige Härte nach § 1241 a Abs. 2 Nr. 3 RVO in der Regel dann vor, wenn der Berechnung des Übergangsgeldes nach § 1241 a Abs. 1 RVO ein Arbeitsverdienst zugrunde gelegt worden ist, der nicht der bisherigen wirtschaftlichen und sozialen Stellung des Betreuten entspricht. Dies wird dann anzunehmen sein, wenn der Betreute wegen seiner Behinderung ein im Verhältnis zu früheren Arbeitsverdiensten wesentlich geringeres Arbeitsentgelt erzielt hat (vgl. KUGLER: Das Gesetz über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation, S. 75; Urteile des BSG vom 15.12.1977 – 8 RU 54/77 und 28.11.1978 – 4/5 RJ 78/76). Unter diesen Gesichtspunkten ist in Übereinstimmung mit der Beklagten und der vom BSG in seinem Urteil vom 25. November 1977 – 2 RU 71/76 – vertretenen Auffassung zwar davon auszugehen, daß es für sich allein genommen nicht unbillig hart ist, das Übergangsgeld nach der zuletzt bezogenen, niedrigen Ausbildungsvergütung zu bemessen, nur weil der Rehabilitand noch während der laufenden Berufsförderungsmaßnahme die Lehre beendet und das höhere Arbeitsentgelt eines Gesellen bezogen hätte. Dies gilt umso mehr, als zwischen dem Übergangsgeld und dem Krankengeld sowohl hinsichtlich der Berechnungsweise als auch bezüglich der Höhe eine enge Beziehung besteht, die auch bei der Auslegung des Begriffs der unbilligen Härte zu berücksichtigen ist. Tatsächliche oder voraussichtliche Änderungen des Arbeitsentgelts, die erst nach dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit eintreten, sind bei der Berechnung des Kranken- bzw. Übergangsgeldes aber grundsätzlich nicht zu berücksichtigen (vgl. BSG a.a.O., m.w.N.). Andererseits erscheint es aber auch nicht schlechthin ausgeschlossen, in den Begriff der unbilligen Härte im Sinne des § 1241 a Abs. 2 Nr. 3 RVO diejenigen Fälle mit einzubeziehen, in denen der Betreute den Unfall während der Ausbildung erlitten hat und deshalb in der Folgezeit daran gehindert gewesen ist, bereits erworbene Kenntnisse weiter auszubauen und alsdann auf dem Arbeitsmarkt ein entsprechendes Arbeitsentgelt zu erzielen (vgl. Urteil des BSG vom 15.12.1977 – 8 RU 54/77). Der Sinn des Übergangsgeldes erschöpft sich nicht darin, als Ersatz für den zuletzt erzielten und nunmehr ausgefallenen Lohn zu dienen. Wie die in § 1241 a Abs. 2 Nr. 1 und 2 RVO getroffenen Regelungen zeigen, wird mit der Gewährung des Übergangsgeldes in erster Linie die wirtschaftliche Sicherstellung des Rehabilitanden bezweckt. Dieser Grundgedanke sowie die in § 1241 a Abs. 2 Nr. 1 und 2 RVO geregelten Fallgestaltungen müssen auch bei der Auslegung des § 1241 a Abs. 2 Nr. 3 RVO beachtet werden, so daß eine unbillige Härte um so eher anzunehmen ist, je mehr sich der Beginn der Berufsförderungsmaßnahme verzögert hat und je geringer das im Bemessungszeitraum bezogene Arbeitsentgelt gewesen ist (vgl. Urteil des BSG vom 25.11.1977 – 2 RU 71/76). Entscheidend für die Frage der unbilligen Härte müssen aber immer die gesamten Umstände des Einzelfalles sein (vgl. BSG, a.a.O.).
Diese Gesamtumstände lassen es im vorliegenden Fall unbillig hart erscheinen, das Übergangsgeld für die Zeit ab 15. Januar 1979 nach der im Mai 1976 gezahlten Ausbildungsvergütung von 245,– DM brutto zu bemessen. Der Kläger hat einen schweren Unfall erlitten, der zu einer kompletten traumatischen Armplexusparese rechts geführt hat, so daß der rechte Arm und die rechte Hand nicht mehr aktiv bewegt werden können. Dieses Unfallereignis fiel in ein relativ frühes Stadium der Ausbildung des Klägers, die als Folge der schwerwiegenden Verletzungen abgebrochen werden mußte. Ein Vergleich mit den bei Beginn der Berufsförderungsmaßnahme bekannt gewesenen durchschnittlichen Bruttojahresarbeitsentgelten der männlichen Versicherten der Rentenversicherung der Arbeiter zeigt, daß der Kläger bei erfolgreichem Abschluß der Gesellenprüfung als Angehöriger der Leistungsgruppe A 1 vermutlich ein jährliches Bruttoarbeitsentgelt von 25.428,– DM und damit einen monatlichen Bruttolohn von 2.119,– DM erzielt hätte (vgl. § 6 RV – Bezugsgrößenverordnung 1978 vom 16.12.1977 – BGBl. I S 2581). Das auf dieser Grundlage unter Berücksichtigung des § 1241 Abs. 4. RVO errechnete Übergangsgeld hätte sich auf 42,38 DM täglich belaufen. Zu diesem Betrag steht das dem Kläger durch den angefochtenen Bescheid gewährte, extrem niedrige Übergangsgeld von 5,99 DM täglich in einem krassen Mißverhältnis. Es kommt hinzu, daß die Berufsförderungsmaßnahme ohne Verschulden des Klägers erst ca. 28 Monate nach dem Unfallereignis begonnen hat und die Lebensbedürfnisse des mittlerweile fast zwanzigjährigen Klägers naturgemäß in der Zwischenzeit gestiegen waren. Zu berücksichtigen ist ferner, daß nach dem Inhalt des Lehrvertrages nur etwa 3 Monate der insgesamt 36 Monate dauernden Maßnahme in die Lehrzeit des Klägers gefallen wären, während er für den weitaus größeren Zeitabschnitt von ca. 33 Monaten den im Vergleich zur Ausbildungsvergütung erheblich höheren Gesellenlohn bezogen hätte. Schließlich fällt auch ins Gewicht, daß die Beklagte zwar für die Dauer der Maßnahme die Kosten für Unterkunft und Verpflegung des Klägers trägt, dieser aber unstreitig außer dem Übergangsgeld über keinerlei Einkünfte zur Befriedigung seiner sonstigen Lebensbedürfnisse verfügt.
Ob das Sozialgericht den Kläger für die Zeit ab 15. Januar 1979 zu Recht der Leistungsgruppe A 2 entsprechend der Anlage zum FRG zugeordnet hat, konnte unentschieden bleiben. Denn da der Kläger als Facharbeiter mit erfolgreicher Lehrabschlußprüfung unter keinen Umständen in die Leistungsgruppe A 3 eingestuft werden könnte, ist die Beklagte durch eine eventuell fehlerhafte Zuordnung des Klägers zur Leistungsgruppe A 2 nicht beschwert.
Soweit das Sozialgericht die Beklagte dagegen auch für die Zeit vom 5. Oktober 1978 bis 14. Januar 1979 zur Gewährung eines höheren Übergangsgeldes verpflichtet hat und zwar nach einer Ausbildungsvergütung von monatlich 430,– DM, konnte das Urteil nicht aufrechterhalten werden. Für diesen Zeitraum kann es entgegen der Auffassung des Sozialgerichts nicht als unbillig hart angesehen werden, das Übergangsgeld nach der im Monat Mai 1976 bezogenen Ausbildungsvergütung von 245,– DM zu bemessen. Zwar wäre der Kläger nach dem Inhalt des Vertrages vom 21. Oktober 1975 ohne das Unfallereignis bereits im 4. Ausbildungsjahr gewesen, so daß ihm eine monatliche Ausbildungsvergütung von 430,– DM zugestanden hätte. Insoweit ist die Diskrepanz jedoch nicht so auffällig, daß die Berechnung des Übergangsgeldes auf der Grundlage einer Ausbildungsvergütung von 245,– DM als untragbar empfunden werden könnte. Dies gilt um so mehr, als es sich bei der Zeit vom 5. Oktober 1978 bis 14. Januar 1979 nur um einen relativ geringfügigen Zeitabschnitt der Maßnahme handelt und der mutmaßlichen Einkommensdifferenz bereits durch die nach § 1241 c RVO erfolgten Anpassungen des Übergangsgeldes wenigstens zum Teil Rechnung getragen worden ist. Es kommt hinzu, daß die Vorschrift des § 1241 a Abs. 2 Nr. 3 RVO nicht zu einer wirtschaftlichen Besserstellung des Behinderten während der Rehabilitationsmaßnahme führen soll (vgl. Urteil des BSG vom 25.11.1977 – 2 RU 71/76). Gerade dieses, vom Gesetz unerwünschte Ergebnis würde jedoch erreicht, wenn man in Übereinstimmung mit dem Sozialgericht eine unbillige Härte auch für die Zeit vom 5. Oktober 1978 bis 14. Januar 1979 annehmen würde. Für die in § 1241 a Abs. 2 Nr. 1–3 RVO geregelten Fälle schreibt das Gesetz durch die Bezugnahme auf die Anlagen zum FRG die Berechnungsweise des Übergangsgeldes zwingend vor, so daß im vorliegenden Fall keine Möglichkeit besteht, das Übergangsgeld für die Zeit vom 5. Oktober 1978 bis 14. Januar 1979 nach der mutmaßlich bezogenen Ausbildungsvergütung von 430,– DM zu bemessen, wie es das Sozialgericht im angefochtenen Urteil getan hat (vgl. Urteil des BSG vom 15.12.1977 – 8 RU 54/77). Dies hätte zur Folge, daß die Berechnung des Übergangsgeldes für die streitige Zeit selbst bei einer Einstufung des Klägers in die Leistungsgruppe A 3 auf der Grundlage eines monatlichen Bruttolohns von 1.688,– DM (20.256: 12 – vgl. § 6 der RV-Bezugsgrößenverordnung 1978 vom 16.12.1977, a.a.O.) zu erfolgen hätte – ein Einkommen, das der Kläger auch ohne das Unfallereignis mit Sicherheit für die Zeit vom 5. Oktober 1978 bis 14. Januar 1979 nicht erreicht hätte.
Bei dieser Sach- und Rechtslage mußte die Berufung Erfolg haben, soweit die Beklagte zur Gewährung eines höheren Übergangsgeldes für die Zeit vom 5. Oktober 1978 bis 14. Januar 1979 verpflichtet worden ist. Im übrigen war das angefochtene Urteil zu bestätigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, da der Senat der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimißt.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen Aufwendungen beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Höhe des Übergangsgeldes.
Der 1958 geborene Kläger begann nach dem Besuch der Realschule am 15. Juli 1975 bei dem Elektromeister O. E. in A.-M. eine Ausbildung zum Elektro-Installateur. Nach dem Inhalt des Ausbildungsvertrages vom 21. Oktober 1975, der eine Ausbildungsdauer von 3 1/2 Jahren bis zum 14. Januar 1979 vorsah, sollte der Kläger im ersten Ausbildungsjahr 230,– DM brutto, im zweiten Ausbildungsjahr 270,– DM brutto, im dritten Ausbildungsjahr 350,– DM brutto und im 4. Ausbildungsjahr 430,– DM brutto als Ausbildungsvergütung erhalten. Im Mai 1976 erzielte der Kläger einen Bruttoverdienst von 245,– DM, aus dem ein Nettoverdienst von 203,66 DM errechnet wurde.
Am 7. Juni 1976 erlitt der Kläger einen Verkehrsunfall, der eine totale Armplexuslähmung rechts zur Folge hatte und eine Fortsetzung der Ausbildung zum Elektroinstallateur unmöglich machte. Auf den am 3. Dezember 1976 beim Arbeitsamt Korbach gestellten Antrag des Klägers, dem die AOK Waldeck-Frankenberg seit dem 19. Juli 1976 auf der Grundlage eines Regellohns von 8,17 DM Krankengeld in Höhe von 6,54 DM täglich zahlte, auf Gewährung berufsfördernder Leistungen zur Rehabilitation erstellte dieses am 22. August 1977 auf Veranlassung der Beklagten einen Eingliederungsvorschlag, in dem es die Ausbildung des Klägers zum Ingenieur (grad.) – Fachrichtung Elektronik – befürwortete.
Durch Bescheid vom 21. Oktober 1977 bewilligte die Beklagte dem Kläger daraufhin für die Dauer von 36 Monaten eine Ausbildung zum Ingenieur (grad.) – Fachrichtung Elektronik mit Vorförderung im Berufsförderungswerk Heidelberg, das mit Schreiben vom 21. Dezember 1977 als Ergebnis einer individuellen Untersuchung die Aufnahme des Klägers in die Ausbildung davon abhängig machte, daß er ein einjähriges, mindestens aber ein halbjähriges Praktikum im Bereich der Elektronik absolvierte. Nachdem der Kläger in der Zeit vom 3. April 1978 bis 31. Juli 1978 sein Praktikum bei der Firma F. & G. in A. abgeleistet hatte, begann er am 5. Oktober 1978 seine Ausbildung im Berufsförderungswerk Heidelberg.
Durch Bescheid vom 22. Januar 1979 bewilligte die Beklagte dem Kläger daraufhin für die Zeit ab 5. Oktober 1978 ein Übergangsgeld von 5,99 DM täglich. Bei der Berechnung des Übergangsgeldes gemäß § 1241 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) ging die Beklagte entsprechend dem vom Kläger im Mai 1976 erzielten Entgelt von einem täglichen Regellohn von 8,17 DM und einem entgangenen regelmäßigen Netto-Arbeitsentgelt von täglich 6,79 DM aus. Ferner berücksichtigte sie, daß sie für die Dauer der Maßnahme die Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung des Klägers trug. Das auf diese Weise errechnete Übergangsgeld von 4,91 DM aktualisierte die Beklagte gemäß § 1241 c RVO auf 5,99 DM.
Mit seinem Widerspruch, den der Widerspruchsausschuß der Beklagten dem Sozialgericht Kassel gemäß § 85 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als Klage zuleitete, machte der Kläger geltend, die Berechnung des Übergangsgeldes auf der Grundlage der Ausbildungsvergütung vom Mai 1976 bedeute für ihn eine unbillige Härte. Die Beklagte müsse bei der Berechnung vielmehr von einem Tariflohn für Elektro-Installateure nach abgeschlossener Lehre ausgehen. Nach dem Ausbildungsvertrag vom 21. Oktober 1975 wäre die Vergütung mit fortschreitender Ausbildung erhöht worden und die Ausbildungszeit am 14. Januar 1979 beendet gewesen. Nach der Facharbeiterprüfung, die er voraussichtlich erfolgreich bestanden hätte, wäre er von seinem Lehrherrn als Facharbeiter gegen den entsprechenden Tariflohn übernommen worden. Für seine Auffassung bezog sich der Kläger auf das in dem Rechtsstreit 8 RU 54/77 ergangene Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 15. Dezember 1977.
Durch Urteil vom 28. Mai 1980 verpflichtete das Sozialgericht die Beklagte, das Übergangsgeld für die Zeit vom 5. Oktober 1978 bis 14. Januar 1979 auf der Grundlage einer Ausbildungsvergütung von monatlich 430,– DM und für die Zeit ab 15 – Januar 1979 nach der Leistungsgruppe 2 der Arbeiter entsprechend den Anlagen 1 und 5 zum Fremdrentengesetz (FRG) zu berechnen. In den Entscheidungsgründen führte es aus, die Berechnung der Beklagten sei unbillig hart. Das von ihr errechnete Übergangsgeld sei auffällig niedrig. Der Kläger habe den Unfall während der Ausbildung erlitten und sei durch diesen Unfall daran gehindert worden, seine Kenntnisse weiter auszubauen und alsdann nach Abschluß der Ausbildung ein entsprechendes Entgelt zu erzielen. Diese Umstände rechtfertigten es, eine angemessene berufliche Fortentwicklung mit einem entsprechenden höheren Verdienst zu berücksichtigen.
Gegen dieses der Beklagten am 13. Juni 1980 zugestellte Urteil richtet sich ihre am 11. Juli 1980 beim Hessischen Landessozialgericht eingegangene Berufung, mit der sie Aufhebung des Urteils und Abweisung der Klage verfolgt.
Sie ist der Ansicht, daß tatsächliche oder voraussichtliche Änderungen des Arbeitsentgelts, die erst nach dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit eintreten, bei der Berechnung des Übergangsgeldes grundsätzlich nicht zu berücksichtigen seien. Der vorliegende Fall weise keine Besonderheiten auf, die ein Abweichen von diesen Prinzipien rechtfertigen würden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 28. Mai 1980 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Akteninhalt Bezug genommen, insbesondere den der Verwaltungsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zwar zulässig, denn sie ist form- und fristgerecht eingelegt sowie an sich statthaft (§§ 143, 151 SGG). Sie ist jedoch zum überwiegenden Teil sachlich unbegründet.
Der mit der Klage angefochtene Bescheid vom 22. Januar 1979 konnte nicht in vollem Umfang aufrechterhalten werden. Der Kläger hat für die Zeit ab 15. Januar 1979 Anspruch auf Gewährung eines höheren Übergangsgeldes.
Nach § 1241 a Abs. 1 RVO ist das Übergangsgeld nach § 1241 Abs. 1 und 4 RVO zu berechnen, sofern bei einer berufsfördernden Maßnahme zur Rehabilitation der letzte Tag des Bemessungszeitraums zu Beginn der Maßnahme nicht länger als drei Jahre zurückliegt. Dagegen beträgt das Übergangsgeld für den Kalendertag den 450. Teil des Betrages, der sich bei entsprechender Anwendung der Anlagen des Fremdrentengesetzes für das bei Beginn der Maßnahme zuletzt angegebene Kalenderjahr ergibt, wenn bei einer berufsfördernden Maßnahme zur Rehabilitation der letzte Tag des Bemessungszeitraums zu Beginn der Maßnahme länger als drei Jahre zurückliegt oder ein Arbeitsentgelt nach § 1241 RVO nicht erzielt worden ist oder es unbillig hart wäre, das Arbeitsentgelt nach § 1241 Abs. 1 RVO der Bemessung des Übergangsgeldes zugrunde zu legen (§ 1241 a Abs. 2 Nr. 1–3 RVO). Bei der Zuordnung zu einer Leistungsgruppe nach Anlage 1 des Fremdrentengesetzes (FRG) ist von der Beschäftigung oder Tätigkeit auszugehen, die für den Betreuten nach seinen beruflichen Fähigkeit ten und seinem Lebensalter ohne die Behinderung in Betracht käme. § 1241 Abs. 4 RVO gilt.
Zutreffend ist das Sozialgericht davon ausgegangen, daß die Beklagte für die Zeit ab 15. Januar 1979 – dem mutmaßlichen Ausbildungsende – der Bemessung des Übergangsgeldes zu Unrecht die im Monat Mai 1976 empfangene Ausbildungsvergütung des Klägers von 245,– DM brutto zugrunde gelegt hat. Zwar lag zu Beginn der berufsfördernden Maßnahme am 5. Oktober 1978 der letzte Tag des Bemessungszeitraumes nicht länger als drei Jahre zurück. Bei der vom Kläger während dieser Zeit empfangenen Ausbildungsvergütung handelte es sich auch um Arbeitsentgelt im Sinne des Gesetzes (vgl. Urteil des BSG vom 15.12.1977 – 8 RU 54/77). Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten wäre es jedoch unbillig hart im Sinne des § 1241 a Abs. 2 Nr. 3 SGG, die für den Monat Mai 1976 gezahlte Ausbildungsvergütung von 245,– brutto der Bemessung des Übergangsgeldes auch für die Zeit ab 15. Januar 1979 zugrunde zu legen.
Bei dem Tatbestandsmerkmal der unbilligen Härte handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Anwendung durch den Versicherungsträger der gerichtlichen Nachprüfung unterliegt (vgl. Urteile des BSG vom 25.11.1977 – 2 RU 71/76 und 27.4.1978 – 11 RA 60/77). Eine Definition dieses unbestimmten Rechtsbegriffs findet sich im Gesetz nicht. Sein Inhalt ergibt sich jedoch aus Sinn und Zweck der Regelung. Dem Übergangsgeld kommt im Prinzip eine Lohnersatzfunktion zu. Es tritt für die Dauer der Rehabilitationsmaßnahme an die Stelle des vorher vom Rehabilitanden selbst erzielten Erwerbseinkommens und soll die Beibehaltung seines unmittelbar vor Beginn der Maßnahme innegehabten Lebensstandards ermöglichen (vgl. Urteil des BSG vom 30.5.1978 – 1 RA 61/77). Unter Berücksichtigung dieser Zielsetzung soll mit der Regelung des § 1241 a Abs. 2 RVO vermieden werden, daß die soziale Stellung des Behinderten während der Rehabilitationsmaßnahme zu seinem Nachteil verändert wird (vgl. amtliche Begründung zu § 14 Rena AnglG in BT – Drucksache 7/1237 S. 59). Entsprechend diesem Grundgedanken liegt eine unbillige Härte nach § 1241 a Abs. 2 Nr. 3 RVO in der Regel dann vor, wenn der Berechnung des Übergangsgeldes nach § 1241 a Abs. 1 RVO ein Arbeitsverdienst zugrunde gelegt worden ist, der nicht der bisherigen wirtschaftlichen und sozialen Stellung des Betreuten entspricht. Dies wird dann anzunehmen sein, wenn der Betreute wegen seiner Behinderung ein im Verhältnis zu früheren Arbeitsverdiensten wesentlich geringeres Arbeitsentgelt erzielt hat (vgl. KUGLER: Das Gesetz über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation, S. 75; Urteile des BSG vom 15.12.1977 – 8 RU 54/77 und 28.11.1978 – 4/5 RJ 78/76). Unter diesen Gesichtspunkten ist in Übereinstimmung mit der Beklagten und der vom BSG in seinem Urteil vom 25. November 1977 – 2 RU 71/76 – vertretenen Auffassung zwar davon auszugehen, daß es für sich allein genommen nicht unbillig hart ist, das Übergangsgeld nach der zuletzt bezogenen, niedrigen Ausbildungsvergütung zu bemessen, nur weil der Rehabilitand noch während der laufenden Berufsförderungsmaßnahme die Lehre beendet und das höhere Arbeitsentgelt eines Gesellen bezogen hätte. Dies gilt umso mehr, als zwischen dem Übergangsgeld und dem Krankengeld sowohl hinsichtlich der Berechnungsweise als auch bezüglich der Höhe eine enge Beziehung besteht, die auch bei der Auslegung des Begriffs der unbilligen Härte zu berücksichtigen ist. Tatsächliche oder voraussichtliche Änderungen des Arbeitsentgelts, die erst nach dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit eintreten, sind bei der Berechnung des Kranken- bzw. Übergangsgeldes aber grundsätzlich nicht zu berücksichtigen (vgl. BSG a.a.O., m.w.N.). Andererseits erscheint es aber auch nicht schlechthin ausgeschlossen, in den Begriff der unbilligen Härte im Sinne des § 1241 a Abs. 2 Nr. 3 RVO diejenigen Fälle mit einzubeziehen, in denen der Betreute den Unfall während der Ausbildung erlitten hat und deshalb in der Folgezeit daran gehindert gewesen ist, bereits erworbene Kenntnisse weiter auszubauen und alsdann auf dem Arbeitsmarkt ein entsprechendes Arbeitsentgelt zu erzielen (vgl. Urteil des BSG vom 15.12.1977 – 8 RU 54/77). Der Sinn des Übergangsgeldes erschöpft sich nicht darin, als Ersatz für den zuletzt erzielten und nunmehr ausgefallenen Lohn zu dienen. Wie die in § 1241 a Abs. 2 Nr. 1 und 2 RVO getroffenen Regelungen zeigen, wird mit der Gewährung des Übergangsgeldes in erster Linie die wirtschaftliche Sicherstellung des Rehabilitanden bezweckt. Dieser Grundgedanke sowie die in § 1241 a Abs. 2 Nr. 1 und 2 RVO geregelten Fallgestaltungen müssen auch bei der Auslegung des § 1241 a Abs. 2 Nr. 3 RVO beachtet werden, so daß eine unbillige Härte um so eher anzunehmen ist, je mehr sich der Beginn der Berufsförderungsmaßnahme verzögert hat und je geringer das im Bemessungszeitraum bezogene Arbeitsentgelt gewesen ist (vgl. Urteil des BSG vom 25.11.1977 – 2 RU 71/76). Entscheidend für die Frage der unbilligen Härte müssen aber immer die gesamten Umstände des Einzelfalles sein (vgl. BSG, a.a.O.).
Diese Gesamtumstände lassen es im vorliegenden Fall unbillig hart erscheinen, das Übergangsgeld für die Zeit ab 15. Januar 1979 nach der im Mai 1976 gezahlten Ausbildungsvergütung von 245,– DM brutto zu bemessen. Der Kläger hat einen schweren Unfall erlitten, der zu einer kompletten traumatischen Armplexusparese rechts geführt hat, so daß der rechte Arm und die rechte Hand nicht mehr aktiv bewegt werden können. Dieses Unfallereignis fiel in ein relativ frühes Stadium der Ausbildung des Klägers, die als Folge der schwerwiegenden Verletzungen abgebrochen werden mußte. Ein Vergleich mit den bei Beginn der Berufsförderungsmaßnahme bekannt gewesenen durchschnittlichen Bruttojahresarbeitsentgelten der männlichen Versicherten der Rentenversicherung der Arbeiter zeigt, daß der Kläger bei erfolgreichem Abschluß der Gesellenprüfung als Angehöriger der Leistungsgruppe A 1 vermutlich ein jährliches Bruttoarbeitsentgelt von 25.428,– DM und damit einen monatlichen Bruttolohn von 2.119,– DM erzielt hätte (vgl. § 6 RV – Bezugsgrößenverordnung 1978 vom 16.12.1977 – BGBl. I S 2581). Das auf dieser Grundlage unter Berücksichtigung des § 1241 Abs. 4. RVO errechnete Übergangsgeld hätte sich auf 42,38 DM täglich belaufen. Zu diesem Betrag steht das dem Kläger durch den angefochtenen Bescheid gewährte, extrem niedrige Übergangsgeld von 5,99 DM täglich in einem krassen Mißverhältnis. Es kommt hinzu, daß die Berufsförderungsmaßnahme ohne Verschulden des Klägers erst ca. 28 Monate nach dem Unfallereignis begonnen hat und die Lebensbedürfnisse des mittlerweile fast zwanzigjährigen Klägers naturgemäß in der Zwischenzeit gestiegen waren. Zu berücksichtigen ist ferner, daß nach dem Inhalt des Lehrvertrages nur etwa 3 Monate der insgesamt 36 Monate dauernden Maßnahme in die Lehrzeit des Klägers gefallen wären, während er für den weitaus größeren Zeitabschnitt von ca. 33 Monaten den im Vergleich zur Ausbildungsvergütung erheblich höheren Gesellenlohn bezogen hätte. Schließlich fällt auch ins Gewicht, daß die Beklagte zwar für die Dauer der Maßnahme die Kosten für Unterkunft und Verpflegung des Klägers trägt, dieser aber unstreitig außer dem Übergangsgeld über keinerlei Einkünfte zur Befriedigung seiner sonstigen Lebensbedürfnisse verfügt.
Ob das Sozialgericht den Kläger für die Zeit ab 15. Januar 1979 zu Recht der Leistungsgruppe A 2 entsprechend der Anlage zum FRG zugeordnet hat, konnte unentschieden bleiben. Denn da der Kläger als Facharbeiter mit erfolgreicher Lehrabschlußprüfung unter keinen Umständen in die Leistungsgruppe A 3 eingestuft werden könnte, ist die Beklagte durch eine eventuell fehlerhafte Zuordnung des Klägers zur Leistungsgruppe A 2 nicht beschwert.
Soweit das Sozialgericht die Beklagte dagegen auch für die Zeit vom 5. Oktober 1978 bis 14. Januar 1979 zur Gewährung eines höheren Übergangsgeldes verpflichtet hat und zwar nach einer Ausbildungsvergütung von monatlich 430,– DM, konnte das Urteil nicht aufrechterhalten werden. Für diesen Zeitraum kann es entgegen der Auffassung des Sozialgerichts nicht als unbillig hart angesehen werden, das Übergangsgeld nach der im Monat Mai 1976 bezogenen Ausbildungsvergütung von 245,– DM zu bemessen. Zwar wäre der Kläger nach dem Inhalt des Vertrages vom 21. Oktober 1975 ohne das Unfallereignis bereits im 4. Ausbildungsjahr gewesen, so daß ihm eine monatliche Ausbildungsvergütung von 430,– DM zugestanden hätte. Insoweit ist die Diskrepanz jedoch nicht so auffällig, daß die Berechnung des Übergangsgeldes auf der Grundlage einer Ausbildungsvergütung von 245,– DM als untragbar empfunden werden könnte. Dies gilt um so mehr, als es sich bei der Zeit vom 5. Oktober 1978 bis 14. Januar 1979 nur um einen relativ geringfügigen Zeitabschnitt der Maßnahme handelt und der mutmaßlichen Einkommensdifferenz bereits durch die nach § 1241 c RVO erfolgten Anpassungen des Übergangsgeldes wenigstens zum Teil Rechnung getragen worden ist. Es kommt hinzu, daß die Vorschrift des § 1241 a Abs. 2 Nr. 3 RVO nicht zu einer wirtschaftlichen Besserstellung des Behinderten während der Rehabilitationsmaßnahme führen soll (vgl. Urteil des BSG vom 25.11.1977 – 2 RU 71/76). Gerade dieses, vom Gesetz unerwünschte Ergebnis würde jedoch erreicht, wenn man in Übereinstimmung mit dem Sozialgericht eine unbillige Härte auch für die Zeit vom 5. Oktober 1978 bis 14. Januar 1979 annehmen würde. Für die in § 1241 a Abs. 2 Nr. 1–3 RVO geregelten Fälle schreibt das Gesetz durch die Bezugnahme auf die Anlagen zum FRG die Berechnungsweise des Übergangsgeldes zwingend vor, so daß im vorliegenden Fall keine Möglichkeit besteht, das Übergangsgeld für die Zeit vom 5. Oktober 1978 bis 14. Januar 1979 nach der mutmaßlich bezogenen Ausbildungsvergütung von 430,– DM zu bemessen, wie es das Sozialgericht im angefochtenen Urteil getan hat (vgl. Urteil des BSG vom 15.12.1977 – 8 RU 54/77). Dies hätte zur Folge, daß die Berechnung des Übergangsgeldes für die streitige Zeit selbst bei einer Einstufung des Klägers in die Leistungsgruppe A 3 auf der Grundlage eines monatlichen Bruttolohns von 1.688,– DM (20.256: 12 – vgl. § 6 der RV-Bezugsgrößenverordnung 1978 vom 16.12.1977, a.a.O.) zu erfolgen hätte – ein Einkommen, das der Kläger auch ohne das Unfallereignis mit Sicherheit für die Zeit vom 5. Oktober 1978 bis 14. Januar 1979 nicht erreicht hätte.
Bei dieser Sach- und Rechtslage mußte die Berufung Erfolg haben, soweit die Beklagte zur Gewährung eines höheren Übergangsgeldes für die Zeit vom 5. Oktober 1978 bis 14. Januar 1979 verpflichtet worden ist. Im übrigen war das angefochtene Urteil zu bestätigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, da der Senat der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimißt.
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