L 9 U 4519/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 8 U 268/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 4519/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15. September 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um mindestens 30 v. H. begehrt.

Der 1960 geborene Kläger erlitt am 24.4.2001 einen Arbeitsunfall, als sich ein Anhänger von einem PKW löste, auf seine Fahrbahn geriet und er mit seinem Motorroller damit kollidierte. Er zog sich dabei eine erstgradig offene Unterschenkelfraktur links mit Kompartementsyndrom, Prellung und Schürfung zu.

Im ersten Rentengutachten (Untersuchungstag 05.04.2002) stellte Professor Dr. W., Ärztlicher Direktor der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L., beim Kläger folgende Unfallfolgen fest: Muskelminderung im Bereich des linken Oberschenkels, Umfangsvermehrung im Bereich des linken Unterschenkels, Narbenbildung im Bereich des linken Unterschenkels, diskret eingeschränkte Beweglichkeit des linken Kniegelenks und des linken oberen Sprunggelenks, radiologische Veränderungen, insbesondere in diskreter Achsabweichung verheilte Tibiafraktur, vermutlich pseudarthrotisch ausgeheilte Fibulaköpfchenfraktur, Kalksalzminderung, einliegender Marknagel, Beinverkürzung links von 1,0 cm und Schwellneigung im Bereich des linken Unterschenkels. Die MdE schätzte er ab Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit (11.03.2002) bis zum 4.4.2002 sowie vom 5.4.2002 bis zum 30.6.2002 mit 20 v. H. ein. Danach betrage die MdE voraussichtlich noch 10 v. H. Der Beratungsarzt der Beklagten Dr. H. schlug eine MdE von 20 v. H bis 30.9.2002 vor. Dementsprechend teilte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 22.7.2002 mit, dass er vom 11.3.2002 bis 30.9.2002 Anspruch auf eine Rente in Höhe von 20% habe. Diese Rente werde in Form einer vorläufigen Entschädigung gem. § 62 SGG VII festgestellt und in Höhe des voraussichtlichen Rentenaufwandes mit einer Gesamtvergütung in Höhe von 1235,52 EUR abgefunden.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und begehrte eine Verletztenrente um mehr als 20% auf Dauer. Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung des Klägers durch Professor Dr. C., Orthopädische Universitätsklinik H ... Dieser schätzte im Gutachten vom 02.10.2002 die MdE vom 11.3. bis 30.9.2002 auf 20 v. H. sowie vom 1.10.2002 bis zur Entfernung des Marknagels ebenfalls auf 20 v. H. Eine Befundverbesserung sei im weiteren Verlauf zu erwarten, eine erneute Begutachtung werde nach Marknagelentfernung empfohlen. Dem Gutachten von Prof. Dr. W. werde in vollem Umfang zugestimmt. Nach Hinweis des Beratungsarztes Dr. H. in der Stellungnahme vom 5.11.2002, dass insofern eine Unstimmigkeit vorliege, als Professor Dr. C. einerseits dem Vorgutachten in vollem Umfang zustimme, andererseits aber die MdE über den 30.6.2002 mit 20 v. H. einschätze, erklärte Professor Dr. C. unter dem 20.11.2002, prinzipiell teile er die Ansicht von Dr. H ... Da er keine Änderung zum Vorbefund gesehen habe, habe er die MdE über den 30.6.2002 hinaus mit 20 v. H. eingeschätzt. Bei der Möglichkeit der freien Einschätzung würde er den Befund ab 1.10.2002 mit 10 v. H. einschätzen. Mit Bescheid vom 16.12.2002 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass ein Anspruch auf Rente nach Ablauf des Gesamtvergütungszeitraumes nicht bestehe. Mit Widerspruchsbescheid vom 31.1.2003 wies die Beklagte die Widersprüche gegen die Bescheide vom 22.7. und 16.12.2002 zurück.

Hiergegen erhob der Kläger am 20.2.2003 Klage zum Sozialgericht (SG) Karlsruhe, mit der er die Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 50 v. H. begehrte. Das SG hörte die behandelnden Ärzte des Klägers, die Chirurgen Dr. J. und Dr. B. schriftlich als sachverständige Zeugen (Auskünfte vom 30.4. und 17.6.2003), die der Beurteilung von Prof. Dr. C. im Gutachten vom 2.10.2002 und der Stellungnahme vom 20.11.2002 zustimmten. Ferner holte das SG ein Gutachten bei dem Orthopäden Dr. R. ein, der die MdE ab 11.3.2002 ebenfalls auf 10 v. H. einschätzte. Daraufhin nahm der Kläger mit Schriftsatz vom 10.11.2003 die Klage zurück.

Mit Schreiben vom 1.6.2004 machte der Kläger geltend, dass sich seine Unfallfolgen verschlimmert hätten. Es seien Beschwerden im Bereich des Hüftgelenks eingetreten. Die Beklagte veranlasste daraufhin die Untersuchung des Klägers durch den Arzt für Chirurgie Dr. K ... Dieser stellte im Gutachten vom 22.9.2004 beim Kläger folgende Unfallfolgen fest: Beinverkürzung um 1,5 cm, Muskelminderung am Oberschenkel, Narben am Unterschenkel, Fascienlücke am Unterschenkel sowie radiologische Veränderungen und führte aus, in den für die Höhe der Rente maßgebenden Verhältnissen sei keine wesentliche Änderung eingetreten. Die MdE sei weiterhin mit 10 v. H. einzuschätzen.

Mit Bescheid vom 6.10.2004 lehnte die Beklagte den Antrag auf Neufeststellung der Rente ab. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 17.12.2004 zurück.

Hiergegen erhob der Kläger am 21.1.2005 Klage zum Sozialgericht (SG) Karlsruhe, mit der er die Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 30 v. H. weiter verfolgte. Das SG ließ den Kläger durch den Orthopäden Dr. T. gutachterlich untersuchen. Dieser stellte im Gutachten vom 14.6.2005 beim Kläger folgende Unfallfolgen fest: 1. Beinverkürzung links 1,3 cm nach Unterschenkelfraktur sowie Wadenbeinköpfchenfraktur, achsengerecht belastungsstabil verheilt bei noch sichtbaren knochennarbigen Veränderungen ohne Zeichen für eine Osteomyelitis 2. Endgradige Bewegungseinschränkung im Bereich des linken Kniegelenkes und Sprunggelenkes ohne wesentliche Kapselreizung oder vorauseilende arthrotische Veränderungen 3. Muskelminderung linker Oberschenkel, Umfangsvermehrung linker Unterschenkel. Als unfallunabhängig sah er die Navikularfraktur links mit endgradiger Bewegungseinschränkung und Belastungsschmerzen sowie die geringe Bewegungseinschränkung der linken Hüfte bei beginnender Coxarthrose beidseits an. Die MdE für die Unfallfolgen schätzte er für die Zeit ab Oktober 2002 auf 10 v. H.

Mit Urteil vom 15.9.2005 wies das SG die Klage, gestützt auf das Gutachten von Dr. T., ab.

Gegen das am 7.10.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28.10.2005 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und vorgetragen, das Gutachten von Dr. T. lasse nach seiner Auffassung Bagatellisierungtendenzen erkennen und erscheine in sich unstimmig. Der Sachverständige stelle eine Bewegungseinschränkung des linken Hüftgelenks um 1/3 gegenüber der rechten Seite fest, lege aber dar, dass keine vorauseilende Arthrose vorliege. Er spreche vielmehr von einer seitengleichen geringfügigen Coxarthrose. Es stelle sich daher die Frage, woher bei seitengleichem Zustand der Hüftgelenke die Bewegungseinschränkung des linken Hüftgelenks kommen solle. Unabhängig von rein medizinischen Kausalitätsfragen und -erwägungen sei der festzusetzende Grad der MdE auch an den tatsächlich für den Geschädigten verbleibenden Erwerbsmöglichkeiten zu orientieren. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass er vor dem Unfall neben seiner damaligen Haupterwerbstätigkeit als Küchenhelfer, bei welcher er ein durchschnittliches Nettoeinkommen von DM 2000,00 gehabt habe, einer zweiten Erwerbstätigkeit habe nachgehen können, bei welcher er ein weiteres monatliches Einkommen von durchschnittlich DM 510,00 erzielt habe. Seit dem Unfall sei er nicht mehr in der Lage, einer zweiten Erwerbstätigkeit nachzugehen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15. September 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 6. Oktober 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm auf Grund der gesundheitlichen Folgen des Arbeitsunfalls vom 24. April 2001 Verletztenrente nach einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 30 v. H. ab dem 2. Juni 2004 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Mit Verfügungen vom 17.2.2006 und 27.4.2006 hat der Senat auf die Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss gem. § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente hat.

Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das LSG - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Mit Schreiben vom 17.2. und 27.4. 2006 hat der Senat die Beteiligten auch auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.

Das SG hat den rechtserheblichen Sachverhalt umfassend dargestellt, die an eine Rentengewährung geknüpften Voraussetzungen zutreffend benannt und das Beweisergebnis frei von Rechtsfehlern gewürdigt. Hierbei ist es ausführlich auf die beim Kläger bestehenden Gesundheitsstörungen eingegangen; auch hat es überzeugend begründet, weshalb es den Beurteilungen des Sachverständigen Dr. T. gefolgt ist. Der Senat schließt sich der Beweiswürdigung des SG uneingeschränkt an und sieht deshalb von einer Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 153 Abs. 2 SGG weitgehend ab.

Ergänzend ist auszuführen, dass auch der Senat zur Überzeugung gelangt ist, dass beim Kläger keine Unfallfolgen vorliegen, die eine MdE um mindestens 20 v. H. bedingen. Dabei stützt sich der Senat - ebenso wie das SG - auf die Beurteilung von Dr. T. im Gutachten vom 14.6.2005 und darüber hinaus auf die von Dr. K. im Gutachten vom 22.9.2004, die im Wege des Urkundenbeweises verwertet wird.

Entgegen der klägerischen Ansicht vermag der Senat auch nicht festzustellen, dass sich Dr. T. mit den vom Kläger angegebenen Beschwerden nicht hinreichend auseinandergesetzt hat, zumal er diese auf Seite 3 und 4 sowie 18 und 19 seines Gutachtens ausführlich wiedergegeben hat. Unzutreffend geht der Kläger auch davon aus, dass bei ihm eine Bewegungseinschränkung der linken Hüfte um ein Drittel vorliegt; festgestellt wurde von Dr. T. lediglich eine geringe Einschränkung der Innenrotationsbeweglichkeit des linken Hüftgelenks, was auch die von Dr. T. mitgeteilten Bewegungsausmaße belegen (Streckung/Bewegung rechts 0-0-120, links 0-0-125; Abspreizung/Anführen rechts 45-0-40, links 45-0-40; Drehung auswärts/einwärts bei 90 °gebeugtem Hüftgelenk rechts 30-0-15, links 30-0-10). Auch bei der Untersuchung durch Dr. K. konnte keine wesentliche Bewegungseinschränkung des linken Hüftgelenks festgestellt werden, was dem Messblatt zu entnehmen ist. Damit steht im Einklang, dass beim Kläger radiologisch nur eine beginnende beidseitige Coxarthrose nachweisbar ist.

Ärztliche Unterlagen, aus denen sich ergibt, dass die von Dr. K. und Dr. T. erhobenen Befunde nicht zutreffen, sowie ärztliche Beurteilungen, die das Begehren des Klägers stützen könnten, hat der Kläger nicht vorgelegt. Der Senat hält den Sachverhalt für umfassend geklärt, zumal neben den von Dr. T. und Dr. K. erstatteten Gutachten vom 14.6.2005 und 22.9.2004 auch die Gutachten von Prof. Dr. W. vom 24.4.2001, Professor Dr. C. vom 2.10.2002 nebst ergänzender Stellungnahme vom 20.11.2002 und Dr. R. vom 21.8.2003 vorliegen sowie die Zeugenaussagen von Dr. J. vom 30.4.2003 und Dr. B. vom 17.6.2003, die den Verlauf der Unfallfolgen gut dokumentieren.

Unerheblich ist für die Beurteilung der MdE auch, dass der Kläger - gegebenenfalls unfallbedingt - seine Nebentätigkeit nicht mehr ausüben kann. Denn selbst der bisher ausgeübte (Haupt-) Beruf, das bisherige Qualitätsniveau und auch ein konkreter Einkommensverlust haben keine Relevanz, da in der gesetzlichen Unfallversicherung das Prinzip der abstrakten Schadensbemessung gilt (BSG SozR 2200 § 581 Nr. 6; BSGE 31, 185).

Nach alledem war das angefochtene Urteil des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung des Klägers musste deswegen zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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