Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 1c Ar 527/93
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 Ar 917/94
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Wird wegen langer Krankheit ein Aufhebungsvertrag unter Einhaltung der Kündigungsfrist geschlossen, führt die vereinbarte Abfindung auch dann nicht zum Ruhen des Arbeitslosengeld-Anspruchs, wenn sich die Arbeitnehmerin später wegen Ende des Krankengeldbezuges (Aussteuerung) aber vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei dem Arbeitsamt arbeitslos meldet.
Bei weiterbestehender Arbeitsunfähigkeit besteht kein Lohnanspruch; die gezahlte Abfindung kann damit keinen Lohnanspruch (teilweise) ersetzen.
Es bleibt offen, ob für die Zeit vor Inkrafttreten des FKPG vom 23.06.1993 und Einfügung des § 117 Abs. 3 a AFG ein Ende des Beschäftigungsverhältnisses bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis zum Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld führen konnte.
Bei weiterbestehender Arbeitsunfähigkeit besteht kein Lohnanspruch; die gezahlte Abfindung kann damit keinen Lohnanspruch (teilweise) ersetzen.
Es bleibt offen, ob für die Zeit vor Inkrafttreten des FKPG vom 23.06.1993 und Einfügung des § 117 Abs. 3 a AFG ein Ende des Beschäftigungsverhältnisses bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis zum Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld führen konnte.
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 21. Juli 1994 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Es geht in dem Rechtsstreit um die Gewährung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 14. bis 22. Mai 1993.
Die 1939 geborene Klägerin hat einen anerkannten Behinderungsgrad von 40 %, ist einer Schwerbehinderten gleichgestellt und war ab 1974 bei der B.-AG als Montagearbeiterin und zuletzt als Registratorin beschäftigt. Seit 30. September 1991 war die Klägerin arbeitsunfähig und bezog Krankengeld bis 11. Mai 1993. Mit Aufhebungsvertrag vom 19. Dezember 1992 vereinbarten die Klägerin und die B.-BSH die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. Juni 1993. Es wurde eine zum 30. Juni 1993 fällige Abfindung in Höhe eines Bruttomonatslohnes von DM 3.026,– vereinbart.
Am 14. Mai 1993 meldete sich die Klägerin bei der Beklagten arbeitslos, stellte sich der Vermittlung im Rahmen ihrer eingeschränkten Leistungsfähigkeit zur Verfügung und beantragte Arbeitslosengeld. Mit Bescheid vom 25. August 1993 bewilligte die Beklagte Arbeitslosengeld für 832 Leistungstage ab 1. Juli 1993. Hiergegen hat die Klägerin am 13. September 1993 Widerspruch erhoben und zur Begründung u.a. vorgetragen, es gebe keinerlei Rechtsgrundlage für einen verspäteten Leistungsbeginn.
Mit Bescheid vom 16. September 1993 stellte die Beklagte das Ruhen des Leistungsanspruchs der Klägerin wegen der erhaltenen Abfindung bis zum 22. Mai 1993 (Samstag) fest. Mit weiterem Bescheid vom 22. September 1993 bewilligte die Beklagte Arbeitslosengeld für die Zeit vom 24. Mai bis 30. Juni 1993.
Am 29. September 1993 erhob die Klägerin Widerspruch auch gegen den Bescheid vom 16. September 1993 mit der Begründung, daß eine über halbjährige Kündigungsfrist eingehalten worden sei und bei den Aufhebungsverhandlungen Vertreter der Hauptfürsorgestelle anwesend gewesen seien und der Regelung zugestimmt hätten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Oktober 1993 hat die Beklagte den Widerspruch zurückgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, nach Sinn und Zweck des § 117 Abs. 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) sollte der Doppelbezug von Arbeitsentgelt und Arbeitslosengeld verhindert werden. In jedem Fall sei die dem § 117 Abs. 2 AFG zugrundeliegende Vermutung gerechtfertigt, daß auch eine bei lediglich vorzeitiger Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gezahlte Abfindung in pauschalem Umfang auch Arbeitsentgelt enthalte.
Hiergegen hat die Klägerin am 27. Oktober 1993 Klage erhoben und im wesentlichen vorgetragen, aus gesundheitlichen Gründen habe sie die erforderliche Arbeitsleistung nicht mehr vollständig erbringen können, so daß sie schon seit längerer Zeit arbeitsunfähig krank gewesen sei. Unter Einhaltung der halbjährigen Kündigungsfrist sei mit Zustimmung der Hauptfürsorgestelle (eine betriebsbedingte Kündigung hätte anderenfalls angestanden) der Aufhebungsvertrag geschlossen worden. Da die Aussteuerung vom Krankengeld-Bezug erfolgt sei, habe sie sich ab 14. Mai 1993 arbeitslos melden müssen.
Das Sozialgericht hat eine Auskunft eingeholt bei -BSH vom 28. März 1994. Darin wurde bestätigt, daß die unterschriebene Aufhebungsvereinbarung keine Abfindung vorgesehen habe. Nach Intervention des Rechtssekretärs des DGB sei eine Abfindung in Höhe eines Bruttomonatslohnes zugesagt worden und daraufhin dem Aufhebungsvertrag zugestimmt worden. Die zum 30. Juni 1993 fällige Abfindung sei am 21. Juni 1993 überwiesen worden. Die entsprechende schriftliche Zusage vom 11. Dezember 1992 wurde beigefügt.
Mit Urteil vom 21. Juli 1994 hat das Sozialgericht Fulda unter Zulassung der Berufung die angefochtenen Bescheide vom 16. September und vom 14. Oktober 1993 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, Arbeitslosengeld für die Zeit vom 14. bis 22. Mai 1993 zu zahlen. In der Begründung hat es ausgeführt, daß die Klägerin seit 14. Mai 1993 arbeitslos gewesen sei, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden, die Anwartschaftszeit erfüllt, sich arbeitslos gemeldet und Arbeitslosengeld beantragt habe. Der Arbeitslosengeld-Anspruch der Klägerin ruhe nicht nach § 117 Abs. 2 AFG, da das Arbeitsverhältnis mit der tariflichen Frist von 6 Monaten zum Quartalsende beendet worden sei. Vorzeitig beendet worden sei nur das Beschäftigungsverhältnis. Die Bestimmung des § 117 Abs. 3 a AFG, wonach die Abs. 2 und 3 von § 117 entsprechend gelten, wenn das Beschäftigungsverhältnis beendet, das Arbeitsverhältnis jedoch aufrechterhalten werde, sei erst mit Wirkung vom 27. Juni 1993 in das AFG eingeführt worden. Doch selbst, wenn § 117 Abs. 3 a AFG nur als klarstellende Regelung anzusehen sein sollte, führe seine Anwendung hier nicht zum Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs. Die Abfindung sei nicht wegen der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, sondern des Arbeitsverhältnisses gezahlt worden; insoweit sei die ordentliche Kündigungsfrist vorgesehen worden. Eine Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses sei zwischen der Klägerin und der B.-AG nicht vereinbart worden. Aus dem Vertrag gehe auch nicht hervor, ob der Klägerin und der B.-AG klar gewesen sei, daß der Krankengeldanspruch bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit vor dem 30. Juni 1993 enden würde. Da die Klägerin bereits zu diesem Zeitpunkt einen Renteantrag gestellt habe, könne angenommen werden, daß sie nicht mit der Notwendigkeit der Arbeitslosmeldung gerechnet habe. Es könne deshalb auch offen bleiben, in welchem Zeitpunkt das Beschäftigungsverhältnis beendet gewesen sei; bei einer Beendigung vor dem 14. Mai 1993 habe der Ruhenszeitraum des § 117 Abs. 3 a AFG vor der Arbeitslosmeldung der Klägerin gelegen (die Beklagte hat laut Berechnungsbogen als letzten Tag des "Arbeitsverhältnisses” den 11.05.1993 angenommen = letzter Tag des Krankengeld-Bezuges). § 117 Abs. 2 AFG sei auch deshalb nicht anzuwenden, weil in der Abfindung kein Entgelt enthalten gewesen sei. Die Klägerin habe für den streitigen Zeitraum keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt gehabt, also habe ein solcher auch nicht durch die Abfindung ausgeglichen werden können (vgl. u.a. Urteil HLSG vom 18.07.1990 – L-6/Ar-603/89 = info also 1990, S. 209).
Gegen das ihr am 5. September 1994 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 30. September 1994 Berufung eingelegt. Die Beklagte trägt vor, es treffe zu, daß das Arbeitsverhältnis im arbeitsrechtlichen Sinne fristgemäß beendet worden sei (6 Monate zum Vierteljahresende). Das Beschäftigungsverhältnis habe jedoch vor dem 30. Juni 1993 geendet. Dies folge aus der Tatsache, daß der Arbeitgeber die Erlaubnis zur Kündigung bzw. zur Aufhebung des Arbeitsverhältnisses eingeholt und damit auf seine Verfügungsgewalt verzichtet habe und die Klägerin sich am 14. Mai 1993 der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt habe und damit nicht mehr dienstbereit gewesen sei. Sinn und Zweck der Ruhensvorschrift des § 117 AFG beruhe auf der Erwägung, daß der Arbeitslose nicht der Leistungen der Versichertengemeinschaft bedürfe, solange er keinen Lohnausfall habe. Es solle ein Doppelbezug vermieden werden. Die Vermutung, eine Abfindung enthalte einen Teil des Arbeitsentgeltes sei aber nur dann gerechtfertigt, wenn tatsächlich ein solcher Arbeitsentgeltanspruch – grundsätzlich – bestanden habe. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sei jedoch fraglich, ob die Klägerin tatsächlich keine Arbeitsleistung für ihren Arbeitgeber hätte mehr erbringen können oder ob der Arbeitsplatz weggefallen sei. Es sollten deshalb noch ergänzend Feststellungen zu den gesundheitlichen Einschränkungen der Klägerin und zu den Anforderungen der Tätigkeit auf ihrem früheren Arbeitsplatz andererseits getroffen werden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 21. Juli 1994 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin trägt vor, aus gesundheitlichen Gründen habe sie ihren Arbeitsplatz bei B. nicht mehr ausfüllen können. Da die Hauptfürsorgestelle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zugestimmt habe, sei davon auszugehen, daß sie im Betrieb nicht habe anderweitig beschäftigt werden können. Zwischen ihr und dem Arbeitgeber habe Klarheit bestanden, daß die Beschäftigung aus gesundheitlichen Gründen nicht wieder habe aufgenommen werden können.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt, § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die eigentlich unzulässige Berufung ist durch Zulassung im erstinstanzlichen Urteil zulässig, § 144 Abs. 1 und 3 SGG.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 21. Juli 1994 ist nicht zu beanstanden.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 16. September 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Oktober 1993 ist rechtswidrig. Die Aufhebung durch das angefochtene Urteil erfolgte damit zu Recht.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Arbeitslosengeld auch für die streitbefangene Zeit vom 14. bis 22. Mai 1993 nach §§ 100 Abs. 1, 101 Abs. 1 Satz 1, 103 Abs. 1, 104, 105 Satz 1 AFG. Ein Fall des Ruhens nach § 117 Abs. 1 und 2 AFG liegt nicht vor. Hinsichtlich der Einzelheiten der Begründung wird auf die Gründe des Urteils des Sozialgerichts Fulda Bezug genommen, § 153 Abs. 2 SGG.
Der erkennende Senat hat auch keine Veranlassung gesehen, die von der Beklagten vorgeschlagenen weiteren Ermittlungen hinsichtlich des Umfangs der gesundheitlichen Einschränkungen der Klägerin und der Anforderungen der Tätigkeit auf dem letzten Arbeitsplatz der Klägerin bei B.-AG durchzuführen. Zum einen kommt es für die Entscheidung auf den Gesundheitszustand der Klägerin nicht an, da die Klägerin einen Anspruch auf Lohn für die streitbefangene Zeit bereits deshalb nicht hatte, weil sie die ihr vertraglich oblegenen Dienste weder erbracht noch der B.-AG angeboten hat, § 611 BGB. Durch die Einstellung der Krankengeldzahlung entsprechend § 48 SGB V (wegen derselben Krankheit für längstens 78 Wochen) ist ein Lohnanspruch der Klägerin nicht wieder entstanden. Die gezahlte Abfindung konnte deshalb keinen Ausgleich für einen Verzicht auf Entgeltansprüche darstellen. Zum anderen hat die Beklagte selbst verwertbare Feststellungen hinsichtlich der gesundheitlichen Verhältnisse der Klägerin und ihrer dadurch geminderten Einsatzfähigkeit getroffen. Aus einem Vermerk vom 24. August 1993 (Verwaltungsakte Blatt 13) ergibt sich, daß die Beklagte Einsicht in die Rehabilitations-Betriebsakte B. genommen und dort die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle zur Kündigung der Klägerin festgestellt hat. Es findet sich ferner die Feststellung, daß es im Betrieb keine Tätigkeiten gibt, die die Klägerin noch ausüben könne. Die Beklagte hat diese Feststellung auch entsprechend umgesetzt durch die Verfügung "keine Sperrzeit”. Es wird ferner Bezug genommen auf eine Entscheidung der Arbeitsvermittlung, daß die Klägerin für leichte Tätigkeiten verfügbar sei, nicht jedoch für die möglichen Tätigkeiten bei dem bisherigen Arbeitgeber. Damit ist die Beklagte selbst von einer entsprechend eingeschränkten Verfügbarkeit der Klägerin ausgegangen. Für den erkennenden Senat sind keine vernünftigen Gründe erkennbar, daß diese Feststellungen zweifelhaft sind. Vom Ablauf her und auch inhaltlich gesehen ist damit das von der Klägerin begehrte Arbeitslosengeld (auch für den streitbefangenen Zeitraum) Ersatz für die weggefallene Lohnersatzleistung Krankengeld und nicht für einen Lohnanspruch. Ein von § 117 AFG erfaßter Doppelbezug von Lohn (in der Form der Abfindung) und Arbeitslosengeld liegt deshalb nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen worden, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Es geht in dem Rechtsstreit um die Gewährung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 14. bis 22. Mai 1993.
Die 1939 geborene Klägerin hat einen anerkannten Behinderungsgrad von 40 %, ist einer Schwerbehinderten gleichgestellt und war ab 1974 bei der B.-AG als Montagearbeiterin und zuletzt als Registratorin beschäftigt. Seit 30. September 1991 war die Klägerin arbeitsunfähig und bezog Krankengeld bis 11. Mai 1993. Mit Aufhebungsvertrag vom 19. Dezember 1992 vereinbarten die Klägerin und die B.-BSH die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. Juni 1993. Es wurde eine zum 30. Juni 1993 fällige Abfindung in Höhe eines Bruttomonatslohnes von DM 3.026,– vereinbart.
Am 14. Mai 1993 meldete sich die Klägerin bei der Beklagten arbeitslos, stellte sich der Vermittlung im Rahmen ihrer eingeschränkten Leistungsfähigkeit zur Verfügung und beantragte Arbeitslosengeld. Mit Bescheid vom 25. August 1993 bewilligte die Beklagte Arbeitslosengeld für 832 Leistungstage ab 1. Juli 1993. Hiergegen hat die Klägerin am 13. September 1993 Widerspruch erhoben und zur Begründung u.a. vorgetragen, es gebe keinerlei Rechtsgrundlage für einen verspäteten Leistungsbeginn.
Mit Bescheid vom 16. September 1993 stellte die Beklagte das Ruhen des Leistungsanspruchs der Klägerin wegen der erhaltenen Abfindung bis zum 22. Mai 1993 (Samstag) fest. Mit weiterem Bescheid vom 22. September 1993 bewilligte die Beklagte Arbeitslosengeld für die Zeit vom 24. Mai bis 30. Juni 1993.
Am 29. September 1993 erhob die Klägerin Widerspruch auch gegen den Bescheid vom 16. September 1993 mit der Begründung, daß eine über halbjährige Kündigungsfrist eingehalten worden sei und bei den Aufhebungsverhandlungen Vertreter der Hauptfürsorgestelle anwesend gewesen seien und der Regelung zugestimmt hätten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Oktober 1993 hat die Beklagte den Widerspruch zurückgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, nach Sinn und Zweck des § 117 Abs. 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) sollte der Doppelbezug von Arbeitsentgelt und Arbeitslosengeld verhindert werden. In jedem Fall sei die dem § 117 Abs. 2 AFG zugrundeliegende Vermutung gerechtfertigt, daß auch eine bei lediglich vorzeitiger Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gezahlte Abfindung in pauschalem Umfang auch Arbeitsentgelt enthalte.
Hiergegen hat die Klägerin am 27. Oktober 1993 Klage erhoben und im wesentlichen vorgetragen, aus gesundheitlichen Gründen habe sie die erforderliche Arbeitsleistung nicht mehr vollständig erbringen können, so daß sie schon seit längerer Zeit arbeitsunfähig krank gewesen sei. Unter Einhaltung der halbjährigen Kündigungsfrist sei mit Zustimmung der Hauptfürsorgestelle (eine betriebsbedingte Kündigung hätte anderenfalls angestanden) der Aufhebungsvertrag geschlossen worden. Da die Aussteuerung vom Krankengeld-Bezug erfolgt sei, habe sie sich ab 14. Mai 1993 arbeitslos melden müssen.
Das Sozialgericht hat eine Auskunft eingeholt bei -BSH vom 28. März 1994. Darin wurde bestätigt, daß die unterschriebene Aufhebungsvereinbarung keine Abfindung vorgesehen habe. Nach Intervention des Rechtssekretärs des DGB sei eine Abfindung in Höhe eines Bruttomonatslohnes zugesagt worden und daraufhin dem Aufhebungsvertrag zugestimmt worden. Die zum 30. Juni 1993 fällige Abfindung sei am 21. Juni 1993 überwiesen worden. Die entsprechende schriftliche Zusage vom 11. Dezember 1992 wurde beigefügt.
Mit Urteil vom 21. Juli 1994 hat das Sozialgericht Fulda unter Zulassung der Berufung die angefochtenen Bescheide vom 16. September und vom 14. Oktober 1993 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, Arbeitslosengeld für die Zeit vom 14. bis 22. Mai 1993 zu zahlen. In der Begründung hat es ausgeführt, daß die Klägerin seit 14. Mai 1993 arbeitslos gewesen sei, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden, die Anwartschaftszeit erfüllt, sich arbeitslos gemeldet und Arbeitslosengeld beantragt habe. Der Arbeitslosengeld-Anspruch der Klägerin ruhe nicht nach § 117 Abs. 2 AFG, da das Arbeitsverhältnis mit der tariflichen Frist von 6 Monaten zum Quartalsende beendet worden sei. Vorzeitig beendet worden sei nur das Beschäftigungsverhältnis. Die Bestimmung des § 117 Abs. 3 a AFG, wonach die Abs. 2 und 3 von § 117 entsprechend gelten, wenn das Beschäftigungsverhältnis beendet, das Arbeitsverhältnis jedoch aufrechterhalten werde, sei erst mit Wirkung vom 27. Juni 1993 in das AFG eingeführt worden. Doch selbst, wenn § 117 Abs. 3 a AFG nur als klarstellende Regelung anzusehen sein sollte, führe seine Anwendung hier nicht zum Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs. Die Abfindung sei nicht wegen der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, sondern des Arbeitsverhältnisses gezahlt worden; insoweit sei die ordentliche Kündigungsfrist vorgesehen worden. Eine Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses sei zwischen der Klägerin und der B.-AG nicht vereinbart worden. Aus dem Vertrag gehe auch nicht hervor, ob der Klägerin und der B.-AG klar gewesen sei, daß der Krankengeldanspruch bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit vor dem 30. Juni 1993 enden würde. Da die Klägerin bereits zu diesem Zeitpunkt einen Renteantrag gestellt habe, könne angenommen werden, daß sie nicht mit der Notwendigkeit der Arbeitslosmeldung gerechnet habe. Es könne deshalb auch offen bleiben, in welchem Zeitpunkt das Beschäftigungsverhältnis beendet gewesen sei; bei einer Beendigung vor dem 14. Mai 1993 habe der Ruhenszeitraum des § 117 Abs. 3 a AFG vor der Arbeitslosmeldung der Klägerin gelegen (die Beklagte hat laut Berechnungsbogen als letzten Tag des "Arbeitsverhältnisses” den 11.05.1993 angenommen = letzter Tag des Krankengeld-Bezuges). § 117 Abs. 2 AFG sei auch deshalb nicht anzuwenden, weil in der Abfindung kein Entgelt enthalten gewesen sei. Die Klägerin habe für den streitigen Zeitraum keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt gehabt, also habe ein solcher auch nicht durch die Abfindung ausgeglichen werden können (vgl. u.a. Urteil HLSG vom 18.07.1990 – L-6/Ar-603/89 = info also 1990, S. 209).
Gegen das ihr am 5. September 1994 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 30. September 1994 Berufung eingelegt. Die Beklagte trägt vor, es treffe zu, daß das Arbeitsverhältnis im arbeitsrechtlichen Sinne fristgemäß beendet worden sei (6 Monate zum Vierteljahresende). Das Beschäftigungsverhältnis habe jedoch vor dem 30. Juni 1993 geendet. Dies folge aus der Tatsache, daß der Arbeitgeber die Erlaubnis zur Kündigung bzw. zur Aufhebung des Arbeitsverhältnisses eingeholt und damit auf seine Verfügungsgewalt verzichtet habe und die Klägerin sich am 14. Mai 1993 der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt habe und damit nicht mehr dienstbereit gewesen sei. Sinn und Zweck der Ruhensvorschrift des § 117 AFG beruhe auf der Erwägung, daß der Arbeitslose nicht der Leistungen der Versichertengemeinschaft bedürfe, solange er keinen Lohnausfall habe. Es solle ein Doppelbezug vermieden werden. Die Vermutung, eine Abfindung enthalte einen Teil des Arbeitsentgeltes sei aber nur dann gerechtfertigt, wenn tatsächlich ein solcher Arbeitsentgeltanspruch – grundsätzlich – bestanden habe. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sei jedoch fraglich, ob die Klägerin tatsächlich keine Arbeitsleistung für ihren Arbeitgeber hätte mehr erbringen können oder ob der Arbeitsplatz weggefallen sei. Es sollten deshalb noch ergänzend Feststellungen zu den gesundheitlichen Einschränkungen der Klägerin und zu den Anforderungen der Tätigkeit auf ihrem früheren Arbeitsplatz andererseits getroffen werden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 21. Juli 1994 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin trägt vor, aus gesundheitlichen Gründen habe sie ihren Arbeitsplatz bei B. nicht mehr ausfüllen können. Da die Hauptfürsorgestelle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zugestimmt habe, sei davon auszugehen, daß sie im Betrieb nicht habe anderweitig beschäftigt werden können. Zwischen ihr und dem Arbeitgeber habe Klarheit bestanden, daß die Beschäftigung aus gesundheitlichen Gründen nicht wieder habe aufgenommen werden können.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt, § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die eigentlich unzulässige Berufung ist durch Zulassung im erstinstanzlichen Urteil zulässig, § 144 Abs. 1 und 3 SGG.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 21. Juli 1994 ist nicht zu beanstanden.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 16. September 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Oktober 1993 ist rechtswidrig. Die Aufhebung durch das angefochtene Urteil erfolgte damit zu Recht.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Arbeitslosengeld auch für die streitbefangene Zeit vom 14. bis 22. Mai 1993 nach §§ 100 Abs. 1, 101 Abs. 1 Satz 1, 103 Abs. 1, 104, 105 Satz 1 AFG. Ein Fall des Ruhens nach § 117 Abs. 1 und 2 AFG liegt nicht vor. Hinsichtlich der Einzelheiten der Begründung wird auf die Gründe des Urteils des Sozialgerichts Fulda Bezug genommen, § 153 Abs. 2 SGG.
Der erkennende Senat hat auch keine Veranlassung gesehen, die von der Beklagten vorgeschlagenen weiteren Ermittlungen hinsichtlich des Umfangs der gesundheitlichen Einschränkungen der Klägerin und der Anforderungen der Tätigkeit auf dem letzten Arbeitsplatz der Klägerin bei B.-AG durchzuführen. Zum einen kommt es für die Entscheidung auf den Gesundheitszustand der Klägerin nicht an, da die Klägerin einen Anspruch auf Lohn für die streitbefangene Zeit bereits deshalb nicht hatte, weil sie die ihr vertraglich oblegenen Dienste weder erbracht noch der B.-AG angeboten hat, § 611 BGB. Durch die Einstellung der Krankengeldzahlung entsprechend § 48 SGB V (wegen derselben Krankheit für längstens 78 Wochen) ist ein Lohnanspruch der Klägerin nicht wieder entstanden. Die gezahlte Abfindung konnte deshalb keinen Ausgleich für einen Verzicht auf Entgeltansprüche darstellen. Zum anderen hat die Beklagte selbst verwertbare Feststellungen hinsichtlich der gesundheitlichen Verhältnisse der Klägerin und ihrer dadurch geminderten Einsatzfähigkeit getroffen. Aus einem Vermerk vom 24. August 1993 (Verwaltungsakte Blatt 13) ergibt sich, daß die Beklagte Einsicht in die Rehabilitations-Betriebsakte B. genommen und dort die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle zur Kündigung der Klägerin festgestellt hat. Es findet sich ferner die Feststellung, daß es im Betrieb keine Tätigkeiten gibt, die die Klägerin noch ausüben könne. Die Beklagte hat diese Feststellung auch entsprechend umgesetzt durch die Verfügung "keine Sperrzeit”. Es wird ferner Bezug genommen auf eine Entscheidung der Arbeitsvermittlung, daß die Klägerin für leichte Tätigkeiten verfügbar sei, nicht jedoch für die möglichen Tätigkeiten bei dem bisherigen Arbeitgeber. Damit ist die Beklagte selbst von einer entsprechend eingeschränkten Verfügbarkeit der Klägerin ausgegangen. Für den erkennenden Senat sind keine vernünftigen Gründe erkennbar, daß diese Feststellungen zweifelhaft sind. Vom Ablauf her und auch inhaltlich gesehen ist damit das von der Klägerin begehrte Arbeitslosengeld (auch für den streitbefangenen Zeitraum) Ersatz für die weggefallene Lohnersatzleistung Krankengeld und nicht für einen Lohnanspruch. Ein von § 117 AFG erfaßter Doppelbezug von Lohn (in der Form der Abfindung) und Arbeitslosengeld liegt deshalb nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen worden, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
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