Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 5 Ar 108/94
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AL 935/95
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 7 AL 28/98 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 26. Juli 1995 und der Bescheid der Beklagten vom 22. September 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 1994 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 18. August bis zum 26. Dezember 1993 unter Berücksichtigung der anrechenbaren Mieteinnahmen zu gewähren.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um den Anspruch des Klägers auf Arbeitslosenhilfe in der Zeit vom 18. August 1993 bis zum 26. Dezember 1993.
Der Kläger, geboren im Jahre 1949, ist Eigentümer eines Hausgrundstückes in BW ... Das Hausgrundstück hat nach einer Wertschätzung vom 12. März 1993 einen Verkehrswert in Höhe von 325.000,– DM und einen Einheitswert in Höhe von 18.000,– DM. Nach dem Einkommensteuerbescheid des Finanzamtes für das Jahr 1993 erzielte der Kläger im Jahr 1993 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von minus 4.242,– DM. Der Leistungsakte der Beklagten ist zu entnehmen, daß sich der Kläger spätestens seit dem 3. Dezember 1984 in Berlin zu einer Umschulung zum Industriekaufmann aufhielt. Der Beklagten war nach dem Akteninhalt bereits damals bekannt, daß der Kläger Eigentümer des Hausgrundstückes, belastet mit einem Nießbrauchrecht seiner Mutter, war.
Der Kläger bezog von dem Arbeitsamt Berlin bis zum 20. Juli 1993 Arbeitslosengeld. Die Beklagte hob diese Bewilligung ab dem 21. Juli 1993 auf, da der Kläger ein zweites Mal einer Meldeaufforderung nicht nachgekommen war.
Am 18. August 1993 meldete sich der Kläger wieder bei dem Arbeitsamt Berlin und beantragte die Gewährung von Arbeitslosenhilfe bzw. am 20. August 1993 die Weitergewährung von Arbeitslosengeld.
Die Beklagte lehnte die Weitergewährung von Arbeitslosengeld ab, da der Anspruch des Klägers verbraucht sei (Bescheid vom 2. September 1993). Mit Bescheid vom 22. September 1993 lehnte die Beklagte auch den Antrag auf Gewährung von Arbeitslosenhilfe ab. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger sei nicht bedürftig, da er sein Haus veräußern könne. Dies sei ihm auch zumutbar.
Dagegen erhob der Kläger am 27. September 1993 Widerspruch. Dazu führte er aus, auch wenn er in seinem Haus nicht wohne, sei ihm der Verkauf aus folgenden Gründen nicht zumutbar. Der Verkauf würde keinen Gewinn abwerfen, da auf dem Haus eine Hypothek in Höhe von 120.000,– DM laste, seine Schwester ein lebenslanges unentgeltliches Wohnrecht für zwei Zimmer des Hauses besitze und sein Adoptivsohn die Auszahlung seines Pflichtanteiles verlangen könne. Im übrigen wies der Kläger darauf hin, er erwarte für das Jahr 1994 einen Mietüberschuß, der auf seinen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe anrechenbar sei.
Der Kläger zog am 27. Dezember 1993 nach und teilte dies dem Arbeitsamt Berlin mit Veränderungsmitteilung am 27. Dezember 1993 mit, eingegangen bei der Beklagten am 3. Januar 1994. Seitdem wohnt der Kläger in seinem Haus.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24. Januar 1994 als unbegründet zurück.
Dagegen hat der Kläger am 31. Januar 1994 Klage vor dem Sozialgericht Kassel erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, er habe das Haus sein Leben lang als 1. oder 2. Wohnsitz benutzt. Der Verkehrswert des Hauses könne nicht in voller Höhe berücksichtigt werden. Das Wohnrecht seiner Schwester sei wertmindernd zu berücksichtigen. Es umfasse zwei Zimmer mit insgesamt 22 qm. Das gesamte Haus habe 157,4 qm. Der Kläger hat dazu eine Skizze des Erd- und Obergeschosses vorgelegt. Weiter hat er vorgetragen, das Haus diene ihm als Altersruhesitz und Altersvorsorge. Da er annehme, daß er alsbald wieder eine Arbeit finden werde, sei es ihm nicht zumutbar, das Haus zu verkaufen. Nach Abzug des anteiligen Wertes des Wohnrechts seiner Schwester (14 % des Gesamtwertes = 45.500,– DM), der Hypothek (142.841,74 DM), seiner Bankschulden und der unbezahlten Handwerkerrechnungen (120.000,– DM) von dem Wert des Hausgrundstückes (325.000,– DM) betrage sein Hausvermögen 124.658 DM. Auch könne auf seinen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe kein Einkommen aus Vermietung angerechnet werden, da er innerhalb der streitigen Zeit keinen anrechenbaren Mietüberschuß erzielt habe. Dazu hatte der Kläger seine Berechnungen für die Monate August bis einschließlich Dezember 1993 vorgelegt.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 26. Juli 1995 die Klage abgewiesen. Zur Begründung der Entscheidung hat es ausgeführt, der Kläger habe in der streitigen Zeit keinen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe, da er nicht bedürftig gewesen sei. Der Verkauf des Hausgrundstückes sei dem Kläger zumutbar gewesen, da er in der streitigen Zeit nicht in seinem Haus gewohnt habe und nicht absehbar gewesen sei, daß er im Dezember 1993 nach BW. umziehen werde. Der Verkauf wäre auch nicht unwirtschaftlich gewesen. Selbst wenn man von dem Verkehrswert als zu erwartendem Verkaufserlös alle vom Kläger genannten Belastungen abziehen würde, so wäre mit einem Gewinn in Höhe von 124.658,– DM zu rechnen. Damit stehe dem Kläger 157 Wochen keine Arbeitslosenhilfe, unter Berücksichtigung des Freibetrages in Höhe von 8.000,– DM und eines Arbeitsentgelts in Höhe von 740,– DM, zu.
Gegen das ihm am 9. August 1995 zugestellte Urteil hat der Kläger am 4. September 1995 Berufung eingelegt.
Dazu trägt er vor, er sei weiterhin der Auffassung, daß der Verkauf des Hauses unzumutbar gewesen sei. Er nutze das Haus seit 1986 als 2. Wohnsitz und der Nießbrauch des Hauses sei erst nach dem Tod seiner Mutter im März 1993 auf ihn übergegangen. Er habe seinen ersten Wohnsitz nach Berlin zum Zwecke der Weiterbildung verlegt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 26. Juli 1995 und den Bescheid der Beklagten vom 22. September 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 1994 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 18. August 1993 bis zum 26. Dezember 1993 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dem Kläger sei die Verwertung des Hausgrundstückes bis zum Einzug am 27. Dezember 1993 zumutbar gewesen.
Das Gericht hat die Leistungsakte der Beklagten (Stamm-Nr: XXXX Bl. XYXYX) und die Steuerakte des Klägers hinsichtlich der Einkommensteuererklärung für das Jahr 1993 beigezogen. Wegen der Einzelheiten des Vertrags der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Akten verwiesen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig. Sie wurde form- und fristgerecht eingelegt und ist statthaft gem. § 151 Abs. 1; §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Sie ist auch zum überwiegenden Teil begründet.
Die Beklagte war unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Kassel vom 26. Juli 1995 und des Bescheides der Beklagten vom 22. September 1993 sowie des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 1994 zu verurteilen, dem Kläger Arbeitslosenhilfe in der Zeit vom 18. August 1993 bis zum 26. Dezember 1993 zu gewähren.
Die Berufung des Klägers ist insoweit unbegründet, als die Beklagte bei der Gewährung von Arbeitslosenhilfe anrechenbare Mieteinnahmen zu berücksichtigen hat.
Anspruch auf Anschluß-Arbeitslosenhilfe gem. § 134 Abs. 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) i.d.F. vom 23. Juni 1993 (BGBl. I S. 944) hat, wer (Nr. 1) arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet hat und Arbeitslosenhilfe beantragt hat, (Nr. 3) bedürftig ist und (Nr. 4 a) innerhalb eines Jahres von dem Tag, an dem die sonstigen Voraussetzungen erfüllt sind, Arbeitslosengeld bezogen hat.
Der Kläger besitzt einen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe in der streitigen Zeit, da er alle diese Voraussetzungen erfüllt.
Er war in dieser Zeit arbeitslos, hatte sich am 18. August 1993 bei dem Arbeitsamt Berlin arbeitslos gemeldet, die Gewährung von Arbeitslosenhilfe beantragt und sich der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts Kassel und der Beklagten war der Kläger auch in dieser Zeit bedürftig.
Der Arbeitslose ist nach § 137 Abs. 1 AFG bedürftig i.S.d. § 134 Abs. 1 Nr. 3 AFG, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Arbeitslosenhilfe bestreiten kann.
Der Arbeitslose ist nach § 137 Abs. 2 AFG auch dann nicht bedürftig, solange mit Rücksicht auf sein Vermögen die Gewährung von Arbeitslosenhilfe offenbar nicht gerechtfertigt ist.
Der Kläger war im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 1994 bedürftig, da ihm zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zumutbar war, sein Hausgrundstück in , durch Verkauf oder Belastung zu verwerten.
Der Kläger war nach Erlaß des Bescheides vom 22. September 1993, aber vor Erlaß des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 1994 am 27. Dezember 1993 in dieses Haus eingezogen.
Dies hätte die Beklagte bei Erlaß des Widerspruchsbescheides berücksichtigen müssen. Nach § 137 Abs. 2, 3 AFG, § 6 Abs. 3 Nr. 7 Arbeitslosenhilfe-Verordnung (AlhiVO) ist die Verwertung eines Hausgrundstückes von angemessener Größe, das der Eigentümer selbst bewohnt, nicht zumutbar. Das Hausgrundstück des Klägers hat eine angemessene Größe. Nach dem Wertschätzungsgutachten handelt es sich um ein Wohnhaus, erbaut um 1900, auf einem Grundstück mit 1.131 qm. Das Haus wird bei der Brandschutzversicherung als Einfamilienhaus geführt und besitzt nach der Berechnung des Klägers im Erdgeschoß 71,6 qm und im Obergeschoß 84,8 qm Nutz- und Wohnfläche. Ausweislich der Skizze des Klägers hat er dabei den Flurbereich nicht berücksichtigt. Dies kann jedoch vernachlässigt werden. Der Bodenwert beträgt 62.205,– DM, der Gebäudewert 287.100,– DM.
Die Beklagte konnte zwar bei Erlaß des Bescheides vom 22. September 1993 davon ausgehen, daß die Verwertung dieses Hauses gem. § 6 Abs. 3 Nr. 7 AlhiVO zumutbar gewesen ist. Der Kläger wohnte zu diesem Zeitpunkt noch nicht in seinem Haus in sondern in Berlin. Weiter konnte die Beklagte berücksichtigen, daß der Kläger seit geraumer Zeit, nämlich seit spätestens Dezember 1984, in Berlin lebte. Auch hatte sie zu diesem Zeitpunkt noch keine Anhaltspunkte dafür, daß sich dies in absehbarer Zeit ändern würde. Denn der Kläger erklärte später, erst Ende des Jahres 1993 habe er den Entschluß gefaßt, nach zurückzukehren.
Die Beklagte hätte dem Kläger jedoch im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 1994 Arbeitslosenhilfe für die streitige Zeit gewähren müssen. Denn der Kläger war zu diesem Zeitpunkt bereits nach verzogen. Dies war der Beklagten auch bei Erlaß des Widerspruchsbescheides bekannt. Der Kläger teilte dem Arbeitsamt Berlin mit der Veränderungsmitteilung vom 27. Dezember 1993, bei der Beklagten am 3. Januar 1994 eingegangen, mit, daß er zum 27. Dezember 1993 nach , verzogen sei.
Auch eine Verwertung des Hausgrundstückes in Form einer Beleihung (z.B. durch seine Hausbank) für die streitige Zeit ist dem Kläger nicht zumutbar gewesen. Die Rückzahlung des Darlehens wäre nicht gesichert gewesen. Der Kläger bezog seit geraumer Zeit Leistungen vom Arbeitsamt und ab dem 1. Dezember 1993 Sozialhilfe. Auch ist nach der Aktenlage nicht erkennbar, daß er eine Aussicht auf einen Arbeitsplatz gehabt hat.
Entgegen der Auffassung des Klägers wurde die Verwertung seines Hausgrundstückes erst mit seinem Einzug am 27. Dezember 1993 nicht mehr zumutbar. Zwar hatte der Kläger nach seinem Vortrag während seines gesamten Aufenthalts in Berlin in seinen zweiten Wohnsitz. Nach Überzeugung des Senats ist ein Hausgrundstück nach § 6 Abs. 7 Alhi-VO nur dann geschützt, wenn der Arbeitslose dieses mit 1. Wohnsitz bewohnt, d.h. dort seinen Lebensmittelpunkt hat. Denn der Sinn des Verwertungsschutzes ist allein darin zu sehen, daß dem Arbeitslosen nicht zugemutet werden kann, sein angemessenes "Dach über dem Kopf” zu verwerten, bevor er Arbeitslosenhilfe erhalten kann. Denn in solchen Fällen könnte eine noch größere Bedürftigkeit des Arbeitslosen eintreten, die dann ergänzend mit Sozialhilfe abzudecken wäre.
Der Kläger besitzt jedoch nur einen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe unter Anrechnung der Mieteinnahmen innerhalb der streitigen Zeit vom 18. August bis zum 26. Dezember 1993.
Denn Mieteinnahmen sind nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts Einkommen i.S.v. § 138 Abs. 1 S. 1 AFG (Urteil vom 30. Mai 1990, Az.: 11 RAr 33/88). Dieser Rechtsprechung schließt sich der Senat an.
Bei der Feststellung des anrechenbaren Einkommens des Klägers aus Vermietung und Verpachtung seines Hausgrundstückes wird die Beklagte zu berücksichtigen haben, daß § 138 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 AFG die Möglichkeit eröffnet, Aufwendungen vom Einkommen abzusetzen, die dem Erwerb, der Sicherung und der Erhaltung des anrechenbaren Einkommens dienen (Bundessozialgericht, Urteil vom 13. März 1997, Az.: 11 RAr 79/96 in NZS 1998, 46 ff.). Vermögensbildende Aufwendungen sind damit nicht abzugsfähig, soweit sie nicht zum Erhalt der Mieteinnahmen beitragen.
Wie das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 13. März 1997 (a.a.O.) ausführt, können nur die notwendigen Aufwendungen im Rahmen des § 138 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 AFG berücksichtigt werden, die in einem konkreten finalen Zusammenhang zu den zu berücksichtigenden Einnahmen stehen.
Die Beklagte wird bei der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe ebenfalls zu berücksichtigen haben, daß der Kläger Arbeitslosenhilfe nur bis zum 25. Dezember 1993 beanspruchen kann.
Gem. §§ 114 S. 1, 134 Abs. 4 S. 1 AFG wird Arbeitslosenhilfe nur für sechs Wochentage und damit nicht für die Sonntage gewährt. Der 26. Dezember 1993 ist jedoch ein Sonntag gewesen.
Da der Kläger im Sinne eines Grundurteils obsiegt, ist die Beklagte gem. § 193 SGG verpflichtet, ihm die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision war gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um den Anspruch des Klägers auf Arbeitslosenhilfe in der Zeit vom 18. August 1993 bis zum 26. Dezember 1993.
Der Kläger, geboren im Jahre 1949, ist Eigentümer eines Hausgrundstückes in BW ... Das Hausgrundstück hat nach einer Wertschätzung vom 12. März 1993 einen Verkehrswert in Höhe von 325.000,– DM und einen Einheitswert in Höhe von 18.000,– DM. Nach dem Einkommensteuerbescheid des Finanzamtes für das Jahr 1993 erzielte der Kläger im Jahr 1993 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von minus 4.242,– DM. Der Leistungsakte der Beklagten ist zu entnehmen, daß sich der Kläger spätestens seit dem 3. Dezember 1984 in Berlin zu einer Umschulung zum Industriekaufmann aufhielt. Der Beklagten war nach dem Akteninhalt bereits damals bekannt, daß der Kläger Eigentümer des Hausgrundstückes, belastet mit einem Nießbrauchrecht seiner Mutter, war.
Der Kläger bezog von dem Arbeitsamt Berlin bis zum 20. Juli 1993 Arbeitslosengeld. Die Beklagte hob diese Bewilligung ab dem 21. Juli 1993 auf, da der Kläger ein zweites Mal einer Meldeaufforderung nicht nachgekommen war.
Am 18. August 1993 meldete sich der Kläger wieder bei dem Arbeitsamt Berlin und beantragte die Gewährung von Arbeitslosenhilfe bzw. am 20. August 1993 die Weitergewährung von Arbeitslosengeld.
Die Beklagte lehnte die Weitergewährung von Arbeitslosengeld ab, da der Anspruch des Klägers verbraucht sei (Bescheid vom 2. September 1993). Mit Bescheid vom 22. September 1993 lehnte die Beklagte auch den Antrag auf Gewährung von Arbeitslosenhilfe ab. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger sei nicht bedürftig, da er sein Haus veräußern könne. Dies sei ihm auch zumutbar.
Dagegen erhob der Kläger am 27. September 1993 Widerspruch. Dazu führte er aus, auch wenn er in seinem Haus nicht wohne, sei ihm der Verkauf aus folgenden Gründen nicht zumutbar. Der Verkauf würde keinen Gewinn abwerfen, da auf dem Haus eine Hypothek in Höhe von 120.000,– DM laste, seine Schwester ein lebenslanges unentgeltliches Wohnrecht für zwei Zimmer des Hauses besitze und sein Adoptivsohn die Auszahlung seines Pflichtanteiles verlangen könne. Im übrigen wies der Kläger darauf hin, er erwarte für das Jahr 1994 einen Mietüberschuß, der auf seinen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe anrechenbar sei.
Der Kläger zog am 27. Dezember 1993 nach und teilte dies dem Arbeitsamt Berlin mit Veränderungsmitteilung am 27. Dezember 1993 mit, eingegangen bei der Beklagten am 3. Januar 1994. Seitdem wohnt der Kläger in seinem Haus.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24. Januar 1994 als unbegründet zurück.
Dagegen hat der Kläger am 31. Januar 1994 Klage vor dem Sozialgericht Kassel erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, er habe das Haus sein Leben lang als 1. oder 2. Wohnsitz benutzt. Der Verkehrswert des Hauses könne nicht in voller Höhe berücksichtigt werden. Das Wohnrecht seiner Schwester sei wertmindernd zu berücksichtigen. Es umfasse zwei Zimmer mit insgesamt 22 qm. Das gesamte Haus habe 157,4 qm. Der Kläger hat dazu eine Skizze des Erd- und Obergeschosses vorgelegt. Weiter hat er vorgetragen, das Haus diene ihm als Altersruhesitz und Altersvorsorge. Da er annehme, daß er alsbald wieder eine Arbeit finden werde, sei es ihm nicht zumutbar, das Haus zu verkaufen. Nach Abzug des anteiligen Wertes des Wohnrechts seiner Schwester (14 % des Gesamtwertes = 45.500,– DM), der Hypothek (142.841,74 DM), seiner Bankschulden und der unbezahlten Handwerkerrechnungen (120.000,– DM) von dem Wert des Hausgrundstückes (325.000,– DM) betrage sein Hausvermögen 124.658 DM. Auch könne auf seinen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe kein Einkommen aus Vermietung angerechnet werden, da er innerhalb der streitigen Zeit keinen anrechenbaren Mietüberschuß erzielt habe. Dazu hatte der Kläger seine Berechnungen für die Monate August bis einschließlich Dezember 1993 vorgelegt.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 26. Juli 1995 die Klage abgewiesen. Zur Begründung der Entscheidung hat es ausgeführt, der Kläger habe in der streitigen Zeit keinen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe, da er nicht bedürftig gewesen sei. Der Verkauf des Hausgrundstückes sei dem Kläger zumutbar gewesen, da er in der streitigen Zeit nicht in seinem Haus gewohnt habe und nicht absehbar gewesen sei, daß er im Dezember 1993 nach BW. umziehen werde. Der Verkauf wäre auch nicht unwirtschaftlich gewesen. Selbst wenn man von dem Verkehrswert als zu erwartendem Verkaufserlös alle vom Kläger genannten Belastungen abziehen würde, so wäre mit einem Gewinn in Höhe von 124.658,– DM zu rechnen. Damit stehe dem Kläger 157 Wochen keine Arbeitslosenhilfe, unter Berücksichtigung des Freibetrages in Höhe von 8.000,– DM und eines Arbeitsentgelts in Höhe von 740,– DM, zu.
Gegen das ihm am 9. August 1995 zugestellte Urteil hat der Kläger am 4. September 1995 Berufung eingelegt.
Dazu trägt er vor, er sei weiterhin der Auffassung, daß der Verkauf des Hauses unzumutbar gewesen sei. Er nutze das Haus seit 1986 als 2. Wohnsitz und der Nießbrauch des Hauses sei erst nach dem Tod seiner Mutter im März 1993 auf ihn übergegangen. Er habe seinen ersten Wohnsitz nach Berlin zum Zwecke der Weiterbildung verlegt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 26. Juli 1995 und den Bescheid der Beklagten vom 22. September 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 1994 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 18. August 1993 bis zum 26. Dezember 1993 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dem Kläger sei die Verwertung des Hausgrundstückes bis zum Einzug am 27. Dezember 1993 zumutbar gewesen.
Das Gericht hat die Leistungsakte der Beklagten (Stamm-Nr: XXXX Bl. XYXYX) und die Steuerakte des Klägers hinsichtlich der Einkommensteuererklärung für das Jahr 1993 beigezogen. Wegen der Einzelheiten des Vertrags der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Akten verwiesen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig. Sie wurde form- und fristgerecht eingelegt und ist statthaft gem. § 151 Abs. 1; §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Sie ist auch zum überwiegenden Teil begründet.
Die Beklagte war unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Kassel vom 26. Juli 1995 und des Bescheides der Beklagten vom 22. September 1993 sowie des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 1994 zu verurteilen, dem Kläger Arbeitslosenhilfe in der Zeit vom 18. August 1993 bis zum 26. Dezember 1993 zu gewähren.
Die Berufung des Klägers ist insoweit unbegründet, als die Beklagte bei der Gewährung von Arbeitslosenhilfe anrechenbare Mieteinnahmen zu berücksichtigen hat.
Anspruch auf Anschluß-Arbeitslosenhilfe gem. § 134 Abs. 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) i.d.F. vom 23. Juni 1993 (BGBl. I S. 944) hat, wer (Nr. 1) arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet hat und Arbeitslosenhilfe beantragt hat, (Nr. 3) bedürftig ist und (Nr. 4 a) innerhalb eines Jahres von dem Tag, an dem die sonstigen Voraussetzungen erfüllt sind, Arbeitslosengeld bezogen hat.
Der Kläger besitzt einen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe in der streitigen Zeit, da er alle diese Voraussetzungen erfüllt.
Er war in dieser Zeit arbeitslos, hatte sich am 18. August 1993 bei dem Arbeitsamt Berlin arbeitslos gemeldet, die Gewährung von Arbeitslosenhilfe beantragt und sich der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts Kassel und der Beklagten war der Kläger auch in dieser Zeit bedürftig.
Der Arbeitslose ist nach § 137 Abs. 1 AFG bedürftig i.S.d. § 134 Abs. 1 Nr. 3 AFG, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Arbeitslosenhilfe bestreiten kann.
Der Arbeitslose ist nach § 137 Abs. 2 AFG auch dann nicht bedürftig, solange mit Rücksicht auf sein Vermögen die Gewährung von Arbeitslosenhilfe offenbar nicht gerechtfertigt ist.
Der Kläger war im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 1994 bedürftig, da ihm zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zumutbar war, sein Hausgrundstück in , durch Verkauf oder Belastung zu verwerten.
Der Kläger war nach Erlaß des Bescheides vom 22. September 1993, aber vor Erlaß des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 1994 am 27. Dezember 1993 in dieses Haus eingezogen.
Dies hätte die Beklagte bei Erlaß des Widerspruchsbescheides berücksichtigen müssen. Nach § 137 Abs. 2, 3 AFG, § 6 Abs. 3 Nr. 7 Arbeitslosenhilfe-Verordnung (AlhiVO) ist die Verwertung eines Hausgrundstückes von angemessener Größe, das der Eigentümer selbst bewohnt, nicht zumutbar. Das Hausgrundstück des Klägers hat eine angemessene Größe. Nach dem Wertschätzungsgutachten handelt es sich um ein Wohnhaus, erbaut um 1900, auf einem Grundstück mit 1.131 qm. Das Haus wird bei der Brandschutzversicherung als Einfamilienhaus geführt und besitzt nach der Berechnung des Klägers im Erdgeschoß 71,6 qm und im Obergeschoß 84,8 qm Nutz- und Wohnfläche. Ausweislich der Skizze des Klägers hat er dabei den Flurbereich nicht berücksichtigt. Dies kann jedoch vernachlässigt werden. Der Bodenwert beträgt 62.205,– DM, der Gebäudewert 287.100,– DM.
Die Beklagte konnte zwar bei Erlaß des Bescheides vom 22. September 1993 davon ausgehen, daß die Verwertung dieses Hauses gem. § 6 Abs. 3 Nr. 7 AlhiVO zumutbar gewesen ist. Der Kläger wohnte zu diesem Zeitpunkt noch nicht in seinem Haus in sondern in Berlin. Weiter konnte die Beklagte berücksichtigen, daß der Kläger seit geraumer Zeit, nämlich seit spätestens Dezember 1984, in Berlin lebte. Auch hatte sie zu diesem Zeitpunkt noch keine Anhaltspunkte dafür, daß sich dies in absehbarer Zeit ändern würde. Denn der Kläger erklärte später, erst Ende des Jahres 1993 habe er den Entschluß gefaßt, nach zurückzukehren.
Die Beklagte hätte dem Kläger jedoch im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 1994 Arbeitslosenhilfe für die streitige Zeit gewähren müssen. Denn der Kläger war zu diesem Zeitpunkt bereits nach verzogen. Dies war der Beklagten auch bei Erlaß des Widerspruchsbescheides bekannt. Der Kläger teilte dem Arbeitsamt Berlin mit der Veränderungsmitteilung vom 27. Dezember 1993, bei der Beklagten am 3. Januar 1994 eingegangen, mit, daß er zum 27. Dezember 1993 nach , verzogen sei.
Auch eine Verwertung des Hausgrundstückes in Form einer Beleihung (z.B. durch seine Hausbank) für die streitige Zeit ist dem Kläger nicht zumutbar gewesen. Die Rückzahlung des Darlehens wäre nicht gesichert gewesen. Der Kläger bezog seit geraumer Zeit Leistungen vom Arbeitsamt und ab dem 1. Dezember 1993 Sozialhilfe. Auch ist nach der Aktenlage nicht erkennbar, daß er eine Aussicht auf einen Arbeitsplatz gehabt hat.
Entgegen der Auffassung des Klägers wurde die Verwertung seines Hausgrundstückes erst mit seinem Einzug am 27. Dezember 1993 nicht mehr zumutbar. Zwar hatte der Kläger nach seinem Vortrag während seines gesamten Aufenthalts in Berlin in seinen zweiten Wohnsitz. Nach Überzeugung des Senats ist ein Hausgrundstück nach § 6 Abs. 7 Alhi-VO nur dann geschützt, wenn der Arbeitslose dieses mit 1. Wohnsitz bewohnt, d.h. dort seinen Lebensmittelpunkt hat. Denn der Sinn des Verwertungsschutzes ist allein darin zu sehen, daß dem Arbeitslosen nicht zugemutet werden kann, sein angemessenes "Dach über dem Kopf” zu verwerten, bevor er Arbeitslosenhilfe erhalten kann. Denn in solchen Fällen könnte eine noch größere Bedürftigkeit des Arbeitslosen eintreten, die dann ergänzend mit Sozialhilfe abzudecken wäre.
Der Kläger besitzt jedoch nur einen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe unter Anrechnung der Mieteinnahmen innerhalb der streitigen Zeit vom 18. August bis zum 26. Dezember 1993.
Denn Mieteinnahmen sind nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts Einkommen i.S.v. § 138 Abs. 1 S. 1 AFG (Urteil vom 30. Mai 1990, Az.: 11 RAr 33/88). Dieser Rechtsprechung schließt sich der Senat an.
Bei der Feststellung des anrechenbaren Einkommens des Klägers aus Vermietung und Verpachtung seines Hausgrundstückes wird die Beklagte zu berücksichtigen haben, daß § 138 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 AFG die Möglichkeit eröffnet, Aufwendungen vom Einkommen abzusetzen, die dem Erwerb, der Sicherung und der Erhaltung des anrechenbaren Einkommens dienen (Bundessozialgericht, Urteil vom 13. März 1997, Az.: 11 RAr 79/96 in NZS 1998, 46 ff.). Vermögensbildende Aufwendungen sind damit nicht abzugsfähig, soweit sie nicht zum Erhalt der Mieteinnahmen beitragen.
Wie das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 13. März 1997 (a.a.O.) ausführt, können nur die notwendigen Aufwendungen im Rahmen des § 138 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 AFG berücksichtigt werden, die in einem konkreten finalen Zusammenhang zu den zu berücksichtigenden Einnahmen stehen.
Die Beklagte wird bei der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe ebenfalls zu berücksichtigen haben, daß der Kläger Arbeitslosenhilfe nur bis zum 25. Dezember 1993 beanspruchen kann.
Gem. §§ 114 S. 1, 134 Abs. 4 S. 1 AFG wird Arbeitslosenhilfe nur für sechs Wochentage und damit nicht für die Sonntage gewährt. Der 26. Dezember 1993 ist jedoch ein Sonntag gewesen.
Da der Kläger im Sinne eines Grundurteils obsiegt, ist die Beklagte gem. § 193 SGG verpflichtet, ihm die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision war gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
Rechtskraft
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