L 6 AL 1181/93

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 5 Ar 814/92
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AL 1181/93
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 22. September 1993 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über einen vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 15. bis 19. Juli 1992. Zentraler Streitpunkt ist die Frage, ob der vom Kläger in dem Kinderhilfsprojekt "Pelusa” in Santiago de Chile abgeleistete Dienst für die Erfüllung der Anwartschaftszeit gem. § 107 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) als Zeit gewertet werden kann, in der der Kläger als Ersatzdienstleistender beitragspflichtig war.

Der 1967 geborene Kläger absolvierte vom 1. August 1984 bis 31. Januar 1987 eine Ausbildung zum Möbeltischler. Nach einem Aushilfsarbeitsverhältnis als Lagerarbeiter (6. Februar 1987 bis 27. Februar 1987) war der Kläger vom 28. Februar 1987 bis 31. August 1987 arbeitslos und bezog für diesen Zeitraum von der Beklagten Alg. Vom 1. September 1987 bis 11. Juni 1990 besuchte der Kläger das Westfalen-Kolleg in Bielefeld und erwarb dort den Abschluß der Allgemeinen Hochschulreife. Vom 12. Juni bis 31. August 1990 erhielt der Kläger erneut Alg; am 1. September 1990 bestand für ihn ein Restanspruch für eine Zeitdauer von 84 Leistungstagen.

Der Kläger ist anerkannter Kriegsdienstverweigerer. In einer Vereinbarung mit der Evangelisch-lutherischen B-Gemeinde in B. als anerkannter Trägerin eines sog. "anderen Dienstes im Ausland” verpflichtete sich der Kläger zur Ableistung dieses Dienstes in dem Kinderhilfsprojekt "Pelusa” in Santiago de Chile. Nach Ziff. 4 der Vereinbarung war der Dienst gem. § 14 b Zivildienstgesetz (ZDG) unentgeltlich zu verrichten. Nach Ziff. 5 der Vereinbarung hatte der Kläger Anspruch auf ein monatliches Taschengeld von 200,– DM, auf einen Zuschuß von monatlich 100,– DM für die Unterbringung in einer chilenischen Familie sowie auf ein monatliches Kleidergeld von 50,– DM. Nach Ziff. 5 d und e der Vereinbarung trug die B-Gemeinde die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und zu einer Unfallversicherung. In der abschließenden Ziff. 7 der Vereinbarung heißt es, daß über ein Überbrückungsgeld für die Zeit nach dem Dienst in Santiago de Chile noch verhandelt werde und daß die B-Gemeinde sich bemühe, die Mittel dafür aufzubringen.

Der Kläger leistete den vereinbarten Dienst in Santiago de Chile in der Zeit vom 1. September 1990 bis 31. Januar 1992. Die Beigeladene teilte ihm mit Schreiben vom 12. Oktober 1990 mit, daß er nach § 14 b ZDG nicht zum Zivildienst herangezogen werde, solange er den unentgeltlichen anderen Dienst im Ausland von 17 Monaten Dauer verrichte.

Der Kläger meldete sich am 23. April 1992 beim Arbeitsamt Bielefeld arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosenhilfe (Alhi). Mit Bescheid vom 29. Juni 1992 lehnte die Beklagte den Antrag unter Berufung auf § 134 AFG mit der Begründung ab, der Kläger habe innerhalb des letzten Jahres vor der Arbeitslosmeldung nicht mindestens einen Tag Arbeitslosengeld bezogen, ohne daß der Anspruch gem. § 119 Abs. 3 AFG erloschen war, keine 150 Kalendertage in einer beitragspflichtigen Beschäftigung gestanden oder 240 Kalendertage Sozialleistungen zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes bezogen. Der Kläger erhob am 9. Juli 1992 Widerspruch unter Hinweis darauf, daß der von ihm geleistete andere Dienst gem. § 14 b ZDG dem Zivildienst gleichgestellt und dem Wesen nach Zivildienst sei. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7. September 1992 zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger sei nicht als Wehr- oder Ersatzdienstleistender beitragspflichtig zur Bundesanstalt für Arbeit gewesen (§ 107 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AFG). Vielmehr sei der Kläger von der Beigeladenen mit Bescheid vom 12. Oktober 1990 aufgrund des von ihm geleisteten anderen Dienstes im Ausland gerade von der Zivildienstpflicht befreit worden, habe also selbst keinen Zivildienst geleistet. Deshalb könne der andere Dienst im Ausland nach § 107 AFG nicht berücksichtigt werden. Die Rechtsnorm enthalte eine abschließende Aufzählung, die eine Berücksichtigung abgeleisteter anderer Dienste, die von der Wehr- oder Zivildienstpflicht befreiten, nicht zulasse.

Der Bescheid vom 29. Juni 1992 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 7. September 1992 ist bindend geworden, da der Kläger keine Klage erhoben hat.

Nachdem der Kläger im Juni 1992 nach M. verzogen war, meldete er sich am 1. Juli 1992 beim dortigen Arbeitsamt arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Auch diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10. Juli 1992 ab. Der Kläger erhob aus den gleichen Gründen wie zuvor Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. Oktober 1992 zurückwies. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe keinen Anspruch auf Alg, weil er die Anwartschaftszeit nicht erfülle. Ein Anspruch auf Alhi sei nicht gegeben, weil der Kläger innerhalb der einjährigen Vorfrist nicht mindestens 150 Kalendertage in einer Beschäftigung gestanden oder eine Zeit zurückgelegt habe, die zur Erfüllung der Anwartschaftszeit dienen könne (§ 134 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 b AFG). Zwar stünden nach § 134 Abs. 2 Nr. 2 Zeiten des Zivildienstes einer Beschäftigung im Sinne der zuvor genannten Vorschrift gleich, doch sei der Kläger durch den Bescheid der Beigeladenen vom 12. Oktober 1990 von der Zivildienstpflicht befreit gewesen, weshalb sein Friedensdienst im Ausland nicht berücksichtigt werden könne.

Auch in diesem Fall haben der Bescheid und der Widerspruchsbescheid Bestandskraft erlangt.

Bevor der Kläger ab 20. Juli 1992 ein Arbeitsverhältnis begann, hatte er am 15. Juli 1992 bei der Beklagten einen Antrag auf Wiederbewilligung von Alg gestellt, den diese mit Bescheid vom 9. November 1992 ablehnte. Mit dem am 8. Dezember 1992 eingegangenen Widerspruch machte der Kläger erneut geltend, er habe einen Dienst geleistet, der als dem Zivildienst gleichgestellter Dienst seinem Wesen nach Zivildienst sei und deshalb im Rahmen der §§ 104, 134 AFG berücksichtigt werden müsse. Diesen Widerspruch lehnte die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. Dezember 1992 ab und nahm zur Begründung vollinhaltlich auf ihren Widerspruchsbescheid vom 8. Oktober 1992 Bezug.

Der Kläger hat sein Ziel mit der am 29. Dezember 1992 vor dem Sozialgericht Marburg erhobenen Klage weiterverfolgt. Er hat geltend gemacht, daß er in einer von der Rechtsordnung anerkannten Weise seinen Zivildienst im Ausland abgeleistet habe. Daß diese Art der Ableistung des Dienstes im Ausland gem. §§ 168, 107 AFG nicht der allgemeinen Wehr- oder Zivildienstleistung gleichgestellt sei, beruhe auf einem redaktionellen Versehen des Gesetzgebers. Der Ausschluß des Klägers von Leistungen nach §§ 100 ff. AFG sei wertungswidersprüchlich und behandele ohne Sachgrund die Wehr- und normale Zivildienstleistung unterschiedlich zu der von der Rechtsordnung gebilligten, ja sogar gewünschten Dienstleistung im Ausland. Im Wege der Lückenschließung sei daher ein Analogiegebot zu konstatieren, dessen Umsetzung zur Bejahung des Alg-Anspruches des Klägers fuhren müsse. Eine Differenzierung zwischen Zivildienst und anerkanntermaßen ersatzweise geleistetem Friedensdienst im Ausland sei willkürlich, weil ohne hinreichenden Grund; darin liege ein Verstoß gegen Art. 3 Grundgesetz (GG).

Demgegenüber hat die Beklagte vorgetragen, daß anerkannte Kriegsdienstverweigerer, die Entwicklungsdienst oder andere Dienste im Ausland i.S.d. §§ 14 a und 14 b ZDG leisteten, keinen Zivildienst ausübten. Die Leistung dieser Dienste bewirke lediglich die Nichtheranziehung zum Zivildienst. Daher seien diese Dienste beitrags- und leistungsrechtlich auch nicht dem Zivildienst gleichgestellt. Folglich begründeten die genannten Dienste nach § 168 Abs. 2 AFG keine Beitragspflicht zur Bundesanstalt für Arbeit und seien auch keine nach § 107 AFG gleichgestellten Zeiten.

Das Sozialgericht Marburg hat mit Beschluss vom 23. April 1993 die Bundesrepublik Deutschland, endvertreten durch den Präsidenten des Bundesamtes für den Zivildienst, beigeladen. Diese hat ausgeführt, sie teile die Auffassung der Beklagten. Zwar gehe die Regelung des § 14 b ZDG davon aus, daß ein anderer Dienst im Ausland eine angemessene, dem Zivildienst gleichwertige Tätigkeit für anerkannte Kriegsdienstverweigerer sei. Da jedoch der Zivildienst als hoheitlicher staatlicher Dienst nur auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland geleistet werden könne, könnten Dienste im Ausland nicht als Zivildienst geleistet, sondern nur durch die Freistellung vom Zivildienst berücksichtigt werden. Außerdem müsse der Auslandsdienst mindestens zwei Monate länger dauern als der Zivildienst. Damit werde dem Umstand Rechnung getragen, daß bei diesem Dienst die besonderen Pflichten fehlten, die sich für den Zivildienstleistenden aus der Staatlichkeit des Zivildienstes ergäben. Beiträge zur Beklagten würden während der Ableistung des Zivildienstes pauschal und ohne Bezug auf den einzelnen Dienstleistenden vom Bund übernommen. Zivildienstleistende erhielten nach Beendigung des Zivildienstes gem. § 46 Abs. 1 ZDG zusammen mit den Entlassungspapieren eine Dienstzeitbescheinigung, die sie bei der Beantragung von Alg oder Alhi beim Arbeitsamt vorlegen könnten. Hingegen erhielten Zivildienstpflichtige, die andere Dienste im Ausland nach § 14 b ZDG geleistet hätten, selbst dann keine (Zivil-)Dienstbescheinigung über ihre Dienste im Ausland, wenn diese Dienste nach § 14 b Abs. 2 S. 2 ZDG eine Anrechnung auf den Zivildienst erführen.

Mit Urteil vom 22. September 1993 hat das Sozialgericht Marburg den Bescheid der Beklagten vom 9. November 1992 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. Dezember 1992 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 15. Juli bis 19. Juli 1992 Arbeitslosengeld im gesetzlichen Umfang zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, die angefochtenen Bescheide seien rechtswidrig, weil in ihnen zu Unrecht ein Anspruch des Klägers auf Alg unter Berufung darauf verneint worden sei, daß der vom Kläger in Chile nach § 14 b ZDG geleistete anderer Dienst im Ausland nicht einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gleichstehe.

Im einzelnen hat das Sozialgericht ausgeführt, dem Kläger stehe für den streitigen Zeitraum kein Restanspruch auf Alg zu. Zwar habe mit Ablauf des 31. August 1990 noch eine Restanspruchsdauer von 84 Leistungstagen bestanden. Dieser Restanspruch sei jedoch erloschen, da nach seiner Entstehung am 28. Februar 1987 mehr als 4 Jahre verstrichen seien (§ 125 Abs. 2 AFG). Weiter hat das Sozialgericht näher dargelegt, daß der Kläger bei seiner Antragstellung am 15. Juli 1992 innerhalb der 3-jährigen Rahmenfrist die Anwartschaftszeit für den Bezug von Alg nicht erfüllt habe, weil er im Zeitraum vom 15. Juli 1989 bis 14. Juli 1992 nicht mindestens 360 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden habe. Nach § 168 Abs. 1 S. 1 AFG könne insoweit nur ein Zeitraum von 44 Kalendertagen aus der Beschäftigung als Monteur (11. Mai bis 23. Juni 1992) berücksichtigt werden. Der in Santiago de Chile geleistete Dienst stelle hingegen keine beitragspflichtige Beschäftigung i.S.v. § 168 Abs. 1 S. 1 AFG dar, weil der Kläger dort weder gegen Entgelt noch zu seiner Berufsausbildung beschäftigt worden sei. Bei dem vom Kläger im Ausland geleisteten anderen Dienst handele es sich auch nicht um Ersatz- oder Zivildienst, wie er gem. § 107 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AFG Berücksichtigung finde. Dies folge daraus, daß § 14 b Abs. 1 ZDG den anderen Dienst im Ausland nicht dem Zivildienst als hoheitlichem staatlichem Dienst, der nur auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland geleistet werden könne, gleichstelle, sondern lediglich als angemessene, dem Zivildienst gleichwertige Tätigkeit anerkenne, ferner daraus, daß dieser Dienst mindestens zwei Monate länger dauere als der Zivildienst, und daraus, daß nach Ableistung des Dienstes im Ausland die Pflicht, Zivildienst zu leisten, lediglich erlösche, also der andere Dienst im Ausland nicht mehr als eine Freistellung von der Pflicht beinhalte, Zivildienst zu leisten.

Dennoch ist das Sozialgericht zu der Auffassung und zu dem Ergebnis gelangt, der vom Kläger in Santiago der Chile geleistete Dienst stehe einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung i.S.d. § 107 AFG gleich. Gegenüber einem teilweise vertretenen Verständnis des § 107 AFG als einer abschließenden Regelung verweist das Sozialgericht auf gesetzliche Gleichstellungen, z.B. in § 90 a Bundesvertriebenengesetz sowie vor allem in § 13 Entwicklungshelfergesetz (EhfG), wonach in Fällen, in denen ein AFG-Anspruch davon abhänge, daß der Antragsteller in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden habe, auch Zeiten des Entwicklungsdienstes einschließlich des Vorbereitungsdienstes berücksichtigt würden. Das bedeute: Obwohl anerkannte Kriegsdienstverweigerer, die Entwicklungsdienst leisteten, genauso wie solche, die andere Dienste im Ausland leisteten, lediglich gem. § 14 a Abs. 1 ZDG von der Verpflichtung, Zivildienst zu leisten, freigestellt würden und ihre Pflicht zur Zivildienstleistung nach Beendigung des Entwicklungsdienstes gem. § 14 a Abs. 3 ZDG ebenso erlösche wie bei denen, die andere Dienste im Ausland leisteten, erfuhren Entwicklungshelfer spezialgesetzlich eine Besserstellung dadurch, daß ihr Entwicklungsdienst im EhfG ausdrücklich als einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gleichstehend anerkannt werde. Das Sozialgericht hat sodann ausgeführt, es habe einen Grund nicht zu erkennen vermocht, warum durch § 107 AFG allein der "reguläre” Zivildienst, nicht aber der statt dessen für einen deutschen Träger abgeleistete andere Dienst im Ausland den Zeiten einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gleichgestellt werde. Vielmehr seien hier die Voraussetzungen für eine Rechtsanalogie gegeben (anfängliche oder nachträgliche Gesetzeslücke, Ähnlichkeit des nicht geregelten Tatbestands mit dem gesetzlich geregelten, Gleichbewertung beider Tatbestände wegen ihrer Ähnlichkeit). Die fehlende Regelung müsse eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes darstellen. Insoweit sei der vom Kläger nach § 14 b ZDG geleistete andere Dienst im Ausland den von § 107 AFG unmittelbar erfaßten Zeiten vergleichbar; zumindest bestehe insoweit aber eine ausfüllungsbedürftige Lücke. Den unterschiedlichen Tatbeständen des § 107 AFG sei nämlich gemeinsam, daß sie der Gesetzgeber aus sozialen Schutzerwägungen innerhalb der Anwartschaftszeitregelung wie beitragspflichtige Beschäftigungszeiten berücksichtigen wollte. Den (vom Sozialgericht im einzelnen aufgeführten) Regelungen des § 107 AFG sei letztlich gemeinsam, gerade denjenigen in den Schutz der Arbeitslosenversicherung einzubeziehen, der bei Realisierung des Versichertenrisikos der Solidargemeinschaft angehöre bzw. für eine bestimmte vorangegangene Zeitspanne angehört habe. Übertrage man diesen Grundsatz auf den vom Kläger geleisteten Dienst, so sei der Kläger genauso schutzbedürftig wie jeder andere anerkannte Kriegsdienstverweigerer, der "regulären” Zivildienst leiste. Schließlich habe der vom Kläger geleistete Dienst nicht nur dazu geführt, ihn zunächst von der Pflicht zur Zivildienstleistung freizustellen, sondern nach Ableisten des Dienstes sogar dazu, daß diese Pflicht erloschen sei. Hätte der Kläger den Auslandsdienst aus Gründen, die er nicht zu vertreten gehabt hätte, vorzeitig beendet, so wäre die im Auslandsdienst zurückgelegte Zeit, soweit sie zwei Monate überstiegen hätte, auf den insoweit noch zu leistenden Zivildienst anzurechnen gewesen (§ 14 b Abs. 2 S. 2 ZDG). All dies verdeutliche, daß ein solcher in praktischer Arbeit bestehender Dienst im Ausland als eine angemessene, dem Zivildienst gleichwertige Tätigkeit anzusehen sei, also kein Grund bestehe, Zivildienstpflichtige, die diesen Dienst leisteten, in arbeitslosenversicherungsrechtlicher Hinsicht anders zu behandeln und letztlich schlechter zu stellen als Zivildienstpflichtige, die "regulären” Zivildienst leisten. Das Sozialgericht hat im weiteren einige Argumente angeführt, warum die Vergleichbarkeit der beiden Dienste nicht dadurch beeinträchtigt werde, daß nur der Zivildienst als hoheitlicher staatlicher Dienst auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland geleistet werden könne (Bl. 15 der Urteilsgründe). Zusammenfassend ist das Sozialgericht zu dem Ergebnis gekommen, der vom Kläger geleistete Dienst sei als einer beitragspflichtigen Beschäftigung gleichgestellte Zeit i.S.v. § 107 AFG anzusehen, weil er entweder aufgrund seiner Vergleichbarkeit mit dem nach dem ZDG zu leistenden Zivildienst von § 107 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AFG mit umfaßt werde oder das Fehlen seiner Gleichstellung eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes darstelle, die nur dadurch geschlossen werden könne, daß auch der nach § 14 b ZDG geleistete andere Dienst im Ausland als gleichgestellte Zeit anzusehen sei. Damit habe der Kläger innerhalb der 3-jährigen Rahmenfrist mehr als 360 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden bzw. im selben Umfang eine Zeit zurückgelegt, die einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gleichstehe, so daß er am 15. Juli 1992 die Anwartschaftszeit für den Bezug von Alg erfüllt habe. Gleiches gelte, wenn man die erste nach dem Dienst in Chile erfolgte Arbeitslosmeldung und Alg-Beantragung vom 23. April 1992 zugrunde lege, von einer Rahmenfrist 23. April 1989 bis 22. April 1992 ausgehe und die Anträge vom 1. Juli 1992 und 15. Juli 1992 lediglich als Wiederbewilligungsanträge ansähe, da auch dann die Anwartschaftszeit und die weiteren Voraussetzungen für den Bezug von Alg gem. § 100 AFG erfüllt gewesen seien. Deshalb sei die Beklagte verpflichtet, dem Kläger Alg für die Zeit vom 15. bis 19. Juli 1992 in gesetzlichem Umfang zu zahlen.

Das Sozialgericht hat ausdrücklich die Berufung zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung besitze.

Das Urteil ist der Beklagten am 24. November 1993, der Beigeladenen am 23. November 1993 zugestellt worden. Die Berufung der Beklagten ist am 8. Dezember 1993, die der Beigeladenen am 20. Dezember 1993 eingegangen. Mit Schriftsatz vom 26. Januar 1994 hat die Beigeladene ihre Berufung zurückgenommen und gleichzeitig erklärt, sie trete dem Rechtsstreit auch im Berufungsverfahren auf der Seite der Beklagten bei und unterstütze deren Rechtsauffassung.

In ihrer Berufungsbegründung trägt die Beklagte zunächst vor, daß das Sozialgericht zutreffend davon ausgegangen sei, daß es sich bei dem vom Kläger geleisteten Dienst nicht um Ersatz- bzw. Zivildienst i.S.d. § 107 Abs. 1 Nr. 1 AFG handele, und bezieht sich dafür auch auf die Amtliche Begründung des Artikelgesetzes zu § 14 b ZDG vom 13. Juni 1986. Übereinstimmend greifen die Beklagte und die Beigeladene das Urteil des Sozialgerichts jedoch insoweit an, als das Sozialgericht angenommen hat, der Dienst des Klägers in Chile stehe einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung i.S.v. § 107 AFG gleich, weil insoweit das Fehlen einer gesetzlichen Regelung als planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes und damit als Lücke angesehen werden müsse, die durch Analogie zu schließen sei. Für diese Auffassung stützen sich die Beklagte und die Beigeladene auf folgende Argumente: Während der andere Dienst im Ausland gem. § 14 b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZDG ein unentgeltlicher Dienst sein müsse, seien "andere Beschäftigungen” i.S.d. § 107 AFG nur solche, in denen der Arbeitslose aus Gründen äußerer Umstände (Wehrdienst, Ersatzdienst, Krankheit, Schwangerschaft, Mutterschaft, Kindererziehung, Inhaftierung) daran gehindert sei, einer entgeltlichen beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Eine unentgeltliche Tätigkeit könne keine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung sein. Die Unentgeltlichkeit der Beschäftigung stelle den entscheidenden Unterschied zu den in § 107 AFG aufgeführten Fällen dar, so daß von einer planwidrigen Regelungslücke nicht gesprochen werden könne. Vergleichbare Fälle, in denen eine Beitragspflicht für eine unentgeltliche Beschäftigung oder für Zeiten, in denen eine solche nicht ausgeübt werden könne, bestehe, seien gesetzlich nicht vorgesehen. Deshalb sei es systemimmanent, den unentgeltlichen Dienst gem. § 14 b ZDG den Fällen des § 107 AFG nicht gleichzustellen. Ferner seien die in § 107 AFG geregelten Fälle enumerativ und damit abschließend aufgeführt und deshalb einer analogen Anwendung auf andere Sachverhalte nicht zugänglich. Die Vorschrift unterliege der ständigen Bearbeitung durch den Gesetzgeber unter Anpassung an aktuelle Sachverhalte, ohne daß der Gesetzgeber den hier vorliegenden Sachverhalt berücksichtigt habe. Die Ergänzung von § 107 AFG durch § 13 EhfG im Jahre 1987 habe deutlich gemacht, daß Ergänzungen dem Gesetzgeber vorbehalten seien und nicht der richterlichen Rechtsfortbildung unterlägen. Im Gegensatz zu den Auslandsdiensten gem. § 14 b ZDG sei die Tätigkeit eines Entwicklungshelfers eine entgeltliche, so daß es der Gesetzessystematik entspreche, diese den beitragspflichtigen Beschäftigungen gleichzustellen. Der Gesetzgeber habe die früher in § 107 Abs. 1 Nr. 2, 3, 4 AFG enthaltene Gleichstellung von Zeiten, in denen es trotz einer Beschäftigung an einer Beitragspflicht fehlte, aufgehoben und so mit aller Deutlichkeit gezeigt, daß er solche Zeiten, zu denen auch der unentgeltliche Dienst gem. § 14 b ZDG systematisch gehöre, den die Beitragspflicht begründenden Beschäftigungen nicht gleichstellen wollte. Schließlich könne eine Beitragspflicht der Beigeladenen auch deshalb nicht entstehen, weil sie gegenüber dem anerkannten Kriegsdienstverweigerer, der einen anderen Dienst im Ausland leistet, keine Arbeitgeberstellung habe. Anders als der Zivildienstleistende stehe der anerkannte Kriegsdienstverweigerer in diesen Fällen in keinem besonderen Gewaltverhältnis zu der Beigeladenen, sondern in einem privatrechtlichen unentgeltlichen Vertragsverhältnis zu dem nach § 14 b Abs. 3 ZDG anerkannten Träger. Der Auslandsdienst führe auch nicht zur Erfüllung der Wehrpflicht, sondern bewirke nur, daß der anerkannte Kriegsdienstverweigerer nicht mehr zum Zivildienst herangezogen werden könne. Schließlich werde der Unterschied zum Wehr- und Ersatzdienst auch dadurch deutlich, daß der Auslandsdienst unter Berücksichtigung des Grundsatzes der allgemeinen Dienstgerechtigkeit mindestens zwei Monate länger dauern müsse als der Zivildienst.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 22. September 1993 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.

Der Kläger bezweifelt, daß der Auslandsdienst im Hinblick auf die fehlende Staatlichkeit der Dienstleistung ein aliud gegenüber dem Zivildienst sei, und verweist auf die erheblichen Belastungen und Schwierigkeiten beim Einsatz im Ausland. Weiterhin komme dem Argument der Unentgeltlichkeit des Auslandsdienstes unter dem Aspekt der notwendigen sozialen Sicherung des Dienstleistenden, hier des Klägers, keine entscheidende Bedeutung zu. Im Gegenteil spreche gerade die Tatsache, daß der Kläger mit ausdrücklicher Billigung der Rechtsordnung einen Dienst geleistet habe, ohne einen öffentlich-rechtlichen Beitrag zu seinem Lebensunterhalt zu erhalten, eher für als gegen die analoge Anwendung des § 107 AFG. Das angefochtene Urteil habe zutreffend erkannt, daß der Formalaspekt der Unentgeltlichkeit gegenüber dem Gewicht des Sicherungsgedankens zurücktreten müsse. Wer wie der Kläger im Ausland einen anerkannten Dienst leiste, ohne einen "Ehrensold” zu erhalten und für seinen Unterhalt auf Leistungen Dritter angewiesen sei, dürfe in Bezug auf die gesetzliche Wertung des AFG, nämlich die persönlich-soziale Sicherung zu gewährleisten, nicht schlechter gestellt werden als derjenige, der gegen Vergütung als Zivildienstleistender im Sinne seines Gemeinwesens tätig werde. Der Gesetzgeber könne nicht einerseits den im Ausland geleisteten Dienst dem Wehr- oder Zivildienst gleichstellen, andererseits aber den Auslandsdienstleister, hier den Kläger, gänzlich schutzlos stellen. Die Art und Weise der von der Beklagten für richtig gehaltenen Gesetzesanwendung führe zu einer geradezu willkürlichen Differenzierung gleichbewerteter Personengruppen und damit zu einem Verstoß von Bundesrecht gegen Art. 3 des Grundgesetzes. Zu Recht habe das Sozialgericht diesen offenkundigen Grundgesetzverstoß als Folge einer planwidrigen Gesetzeslücke angesehen und diese durch Analogie in korrekter Weise geschlossen. Wer schon während seiner Gemeinwohl-Dienstzeit nicht einmal einen Unterhaltsbeitrag von seinem Gemeinwesen erhalte, habe auf jeden Fall Anspruch auf gleichbehandelnde Kompensation für die Zeit nach der Ableistung des Dienstes. Daß der Auslandsdienstleistende nicht in einem besonderen Gewaltverhältnis zur Bundesrepublik Deutschland stehe, sei eine reine Formalie. Es sei kennzeichnend für das Gemeinwohlverständnis der Bundesrepublik, daß junge Deutsche in Auslandseinrichtungen, die staatlich geprüft und anerkannt seien, Dienst tun und sich auf diesem Wege ihrer Gemeinwohlpflichtigkeit entledigen. Dem entspreche es, daß die ausgewählten Träger gegenüber der Beigeladenen verpflichtet seien, ihr die Prüfung ihrer Arbeit zu ermöglichen sowie der Beigeladenen regelmäßig zu berichten.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Leistungsakte der Beklagten, die beide Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.
Die Berufung der Beklagten ist frist- und formgerecht eingelegt (§ 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG –). Sie ist kraft ausdrücklicher Zulassung durch das Sozialgericht zulässig (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 Abs. 3 SGG).

II.
Die Berufung ist auch begründet. Die angefochtenen Bescheide sind zu Recht ergangen, da dem Kläger der geltend gemachte Alg-Anspruch nicht zusteht. Der Kläger hat entgegen der Auffassung des Sozialgerichts die Anwartschaftszeit (§§ 100 Abs. 1, 104, 107 AFG) nicht erfüllt.

1. Zutreffend ist das Sozialgericht davon ausgegangen, daß sich der Kläger nicht auf einen mit Ablauf des 31. August 1990 bestehenden Restanspruch auf Alg berufen kann, da dieser gemäß § 125 Abs. 2 AFG erloschen war.

2. Innerhalb der dreijährigen Rahmenfrist des § 104 AFG (15.7.1989 bis 14.7.1992) hat der Kläger nicht mindestens 360 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden, sondern nur 44 Kalendertage vom 11.5.1992 bis 23.6.1992 als Monteur in Bielefeld. Der innerhalb der Rahmenfrist vom 1.9.1990 bis 31.1.1992 geleistete Dienst in Santiago de Chile stellt trotz seiner Anerkennung als anderer Dienst im Ausland (§ 14 b ZDG), wie das Sozialgericht richtig erkannt hat, keine beitragspflichtige Beschäftigung im Sinne von § 168 Abs. 1 Satz 1 AFG dar und kann auch nicht gemäß § 107 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AFG als Zeit gelten, in der der Kläger als Ersatzdienstleistender gemäß § 168 Abs. 2 AFG beitragspflichtig war. Zutreffend hat das Sozialgericht zu letzterem dargelegt, daß der Kläger zwar Zeiten eines Bezugs von Alg aufweist (12.6. bis 31.8.1990, 28.2. bis 31.8.1987), der auf beitragspflichtigen Beschäftigungen (1.8.1984 bis 31.1.1987 sowie 6.2.1987 bis 27.2.1987) beruhte (§ 168 Abs. 2 Satz 3 AFG), daß er aber keinen Zivildienst im Sinne des § 168 Abs. 2 AFG geleistet hat, weil der Zivildienst als hoheitlicher staatlicher Dienst nur auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland geleistet werden kann (vgl. auch die Amtliche Begründung zu Art. 4 Nr. 5 des Gesetzes vom 13. Juni 1986, BR-Drs. 483/85, ferner Gagel/Steinmeyer, Kommentar zum AFG, § 107 Randziffer 23).

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts kann der vom Kläger in Santiago de Chile geleistete Dienst auch nicht im Wege richterlicher Rechtsfortbildung durch Analogie den in § 107 Abs. 1 AFG im einzelnen aufgeführten Zeiten gleichgestellt werden.

a) Ob der Katalog der Fälle in § 107 AFG abschließend in dem Sinne ist, daß für eine erweiternde Anwendung kein Raum ist, kann unterschiedlich beurteilt werden (verneinend BSG, Urteil vom 11.01.1989 – Az.: 7 RAr 14/88; Hessisches LSG, Urteil vom 15.09.1980 – Az.: L-10/1/Ar-1049/78; Gagel/Steinmeyer, § 107 AFG Randziffer 7; offen gelassen von BSG, Urteil vom 26.7.1989 – Az.: 11/7 RAr 87/87 – SozR 4100 § 107 Nr. 4). Gegen die Annahme eines abschließenden Charakters der Norm kann jedenfalls nicht eingewendet werden, daß der Gesetzgeber an anderer Stelle, beispielsweise in § 13 EhfG i.d.F. des Gesetzes vom 27.06.1987 Zeiten des Entwicklungsdienstes ebenfalls den Zeiten einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gleichgestellt hat. Es ist unerheblich, ob eine solche Gleichstellung im Rahmen von § 107 AFG oder im Rahmen eines Spezialgesetzes erfolgt; es ist jeweils der Gesetzgeber, der die Gleichstellungsentscheidung trifft, ohne daß daraus bereits eine Legitimation zur Gleichstellung im Wege richterlicher Rechtsfortbildung folgen würde. Aber auch wenn man in § 107 AFG (und den anderen gesetzlichen Gleichstellungsfällen) eine abschließende Regelung sieht, ist damit die Möglichkeit einer Erweiterung im Wege der Analogie nicht schlechthin ausgeschlossen. Denn auch bei einem abschließend gemeinten Katalog von Fällen könnte dem Gesetzgeber dadurch ein Fehler unterlaufen sein, daß er einen im Vergleich zur gesetzlichen Regelung gleichartigen und gleich zu bewertenden Fall oder eine gleichartige und gleich zu bewertende Fallgruppe übersehen hat, so daß die Nichtberücksichtigung als Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz des Art. 3 GG angesehen werden müßte.

b) Analoge Rechtsanwendung bedeutet die Erstreckung einer für einen Fall oder eine Fallgruppe A gesetzlich festgelegten Rechtsfolge auf einen gesetzlich nicht geregelten Fall oder eine gesetzlich nicht geregelte Fallgruppe B. Voraussetzung einer zulässigen Analogie ist die Feststellung einer Lücke, also einer planwidrigen Unvollständigkeit des gesetzten Rechts (Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 194; grundlegend Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 1964, S. 16 ff., ihm folgend die h.M., ebenso BSG, Urteil vom 26.07.1989, a.a.O., S. 5). Sowohl die Feststellung der Lücke, also die Erkenntnis der Unvollständigkeit des Gesetzes, gemessen an seiner Zwecksetzung, als auch die Lückenfüllung durch Analogie setzen voraus, daß der ungeregelte Fall bzw. die ungeregelte Fallgruppe in allen wichtigen Elementen dem geregelten Fall gleicht (sachlich übereinstimmend spricht das BSG, Urteil vom 26.7.1989, a.a.O. davon, daß der nicht geregelte Tatbestand dem gesetzlich festgelegten ähnlich sein müsse und beide Tatbestände in ihrer Ähnlichkeit gleich zu bewerten seien). Da der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz vom Gesetzgeber verlangt, Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. dazu auch BSG in dem zitierten Urteil vom 11.1.1989, S. 11 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts) erscheint bei Gleichartigkeit bzw. Gleichwertigkeit der Fälle A und B das Fehlen der gesetzlichen Regelung für den Fall B als willkürlich. Eben deshalb ist der Richter berechtigt und verpflichtet, die Lücke durch analoge Rechtsanwendung zu schließen.

c) Im vorliegenden Rechtsstreit kommt als mit dem anderen Dienst im Ausland (§ 14 b ZDG) vergleichbare Fallgruppe nur die des § 107 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AFG in Betracht. Das Sozialgericht hat zwar alle von § 107 AFG erfaßten Fälle als Analogiebasis heranziehen wollen. Dem ist aber nicht zu folgen, weil die für die Ausgestaltung der verschiedenen Fallgruppen maßgeblichen Schutzerwägungen des Gesetzgebers durchaus verschiedenartig sind, so daß eine Vergleichbarkeit beispielsweise der in § 107 Satz 1 Nr. 5 a bis d aufgeführten Fälle mit dem im Ausland geleisteten anderen Dienst nicht gegeben ist.

Die Gleichstellung von Zeiten des Wehr- und Ersatzdienstes in § 107 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AFG mit Zeiten einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung beruht darauf, daß für diese Zeiten gemäß § 168 Abs. 2 AFG Beitragspflicht besteht. Damit hat der Gesetzgeber für das Leistungsrecht die Konsequenz daraus gezogen, daß diese Zeiten beitragsrechtlich für beitragspflichtig erklärt worden sind (Gagel/Steinmeyer, § 107 AFG, Randziffer 8). Eben dieser Grund ist bezüglich des nach § 14 b ZDG im Ausland geleisteten Dienstes nicht gegeben, da dieser Dienst gemäß § 14 b Abs. 1 Nr. 2 ZDG unentgeltlich erfolgen muß und eine Beitragspflicht zur Bundesanstalt nicht besteht. Der Senat teilt die Auffassung der Beklagten und der Beigeladenen, daß eine analoge Gleichstellung des unentgeltlich geleisteten Auslandsdienstes mit Zeiten einer beitragspflichtigen Zivildienstleistung das System des § 107 sprengen würde.

Dieses Ergebnis wird durch die Entstehungsgeschichte des § 14 b ZDG bestätigt. Diese Vorschrift ist durch das Gesetz zur Verbesserung der Wehrgerechtigkeit und Verlängerung der Dauer des Grundwehrdienstes vom 13. Juni 1986 (BGBl. I S. 873) in das ZDG eingefügt worden. "§ 14 b stellt eine zusätzliche Zivildienstausnahme dar, für die es im Wehrpflichtgesetz keine Entsprechung gibt. Damit wird das Prinzip durchbrochen, daß Wehrdienst- und Zivildienstpflichtige grundsätzlich gleich behandelt werden sollen. § 14 b stellt anerkannte Zivildienstverweigerer besser als die sonstigen Wehrpflichtigen” (Harrer/Haberland, Kommentar zum ZDG, 4. Aufl. 1992, § 14 b Anm. 1). Mit der seinerzeit eingeführten Regelung sollte eine bereits zuvor bestehende Verwaltungspraxis auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden. Aufgrund einer Absprache aus dem Jahre 1969 mit bestimmten Organisationen (z.B. Aktion Sühnezeichen, Internationaler Diakonischer Jugendeinsatz, EIRENE, Service Civil International) waren Zivildienstpflichtige nicht zum Zivildienst einberufen worden, wenn sie bei diesen Organisationen Auslandsdienst mit dem Ziel der Förderung des friedlichen Zusammenlebens der Völker leisteten (vgl. Harrer/Haberland, a.a.O., Anm. 2).

Der Gesetzgeber hat sich damit begnügt, den zumeist aus religiösen oder ethischen Motiven geleisteten unentgeltlichen Auslandsdienst, der mindestens zwei Monate länger dauern muß als der Zivildienst, als einen Dienst zu bewerten, dessen Ableistung von der Heranziehung zum Zivildienst befreit und die Pflicht zur Zivildienstleistung endgültig erlöschen läßt, wenn er in der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestdauer abgeleistet wurde. Der Gesetzgeber hat in § 14 b ZDG die näheren Voraussetzungen dafür festgelegt, daß der im Ausland geleistete Dienst insoweit als mit dem Zivildienst gleichwertig anerkannt werden kann. Er hat jedoch darauf verzichtet, zusätzliche Regelungen über die soziale Absicherung der Jugendlichen während ihres Dienstes im Ausland festzulegen, wie sie für Entwicklungshelfer bereits im Besonderen Teil des Entwicklungshelfergesetzes vom 18. Juni 1969 vorgesehen waren. Dem entspricht es, wenn der Gesetzgeber davon abgesehen hat, für den Fall einer auf den unentgeltlichen Auslandsdienst folgenden Arbeitslosigkeit Sonderregelungen zu treffen.

Deshalb liegt keine willkürliche Ungleichbehandlung vor, wenn der Gesetzgeber zwar beitragspflichtige Zivildienstleistende, nicht aber nicht beitragspflichtige Auslandsdienstleistende in § 107 AFG und damit in das Leistungssystem der Arbeitslosenversicherung einbezogen hat. Es stand ihm frei, unter bestimmten Voraussetzungen den absolvierten Auslandsdienst als für die Erfüllung der Zivildienstpflicht gleichrangig anzuerkennen, ohne deshalb eine zusätzliche Absicherung gegen Arbeitslosigkeit vornehmen zu müssen. Der Gesetzgeber hat in § 14 b ZDG keine statusmäßige Gleichstellungsentscheidung dahingehend getroffen, daß Auslandsdienstleistende in jeder Hinsicht wie Wehr- oder Zivildienstleistende zu behandeln seien. Hätte er derartiges tun wollen, so hätte er anläßlich der Einfügung des § 14 b in das Zivildienstgesetz eine Ergänzung der §§ 107, 168 AFG vornehmen können, was aber nicht geschehen ist. Der Senat hält sich nicht für befugt, den Gesetzgeber insoweit zu korrigieren. Er vermag auch nicht der Argumentation des Klägers zu folgen, gerade weil der andere Dienst im Ausland unentgeltlich geleistet werde, sei eine Absicherung des Dienstleistenden gegen Arbeitslosigkeit zwingend geboten.

d) Dieses Ergebnis wird durch einen Vergleich mit der AFG-rechtlichen Behandlung von Entwicklungshelfern bestätigt. Zu Unrecht glaubt das Sozialgericht aus dem Umstand, daß für anerkannte Kriegsdienstverweigerer, die Entwicklungshelferdienst oder -vorbereitungsdienst leisten, eine ähnliche Anrechnung bzw. Berücksichtigung dieser Zeit im Hinblick auf die Pflicht zur Zivildienstleistung nach § 14 a ZDG erfolgt wie bei der Ableistung eines anderen Dienstes im Ausland nach § 14 b ZDG, den Schluß ziehen zu können, daß Auslandsdienstleistende auch hinsichtlich der Gleichstellung ihrer Dienstzeit mit die Beitragspflicht begründenden Beschäftigungszeiten ebenso behandelt werden müßten wie Entwicklungshelfer nach § 13 EhfG. Für den im vorliegenden Rechtsstreit maßgeblichen Zeitraum bestimmte § 13 EfhG i.d.F. des Gesetzes zur Verlängerung des Versicherungsschutzes bei Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit vom 27. Juni 1987 (BGBl. I S. 1542):

"§ 13 Lohnersatzleistung bei Arbeitslosigkeit
(1) Soweit ein Anspruch nach dem Arbeitsförderungsgesetz davon abhängt, daß der Antragsteller in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden hat, werden auch Zeiten des Entwicklungsdienstes einschließlich des Vorbereitungsdienstes berücksichtigt.

(2) Bei der Feststellung des für die Bemessung der Leistung maßgebenden Arbeitsentgelts ist für die Zeit eines nach Abs. 1 zu berücksichtigenden Dienstes das Arbeitsentgelt nach § 112 Abs. 7 des Arbeitsförderungsgesetzes zugrunde zu legen.

(3) Mehraufwendungen, die der Bundesanstalt für Arbeit durch die Regelung des Absatzes 1 entstehen, erstattet der Bund. Verwaltungskosten werden nicht erstatten.”

§ 13 trifft (wie die früher geltenden Vorschriften über eine Arbeitslosenbeihilfe für Entwicklungshelfer) also eine § 107 AFG ergänzende Sonderregelung für alle Entwicklungshelfer, nicht nur für diejenigen, die ihren Dienst als Ersatz für Wehr- oder Zivildienst leisten. § 13 EhfG ermöglicht die Einbeziehung arbeitsloser Entwicklungshelfer in das Alg- und Alhi-Leistungssystem, weil sonst mangels Beitragspflicht eine Anwartschaft nach § 104 AFG nicht entstehen könnte. Da diese Regelung nicht im Hinblick auf den von § 14 a ZDG erfaßten Personenkreis geschaffen worden ist, sondern diesem nur zugute kommt, ist es verfehlt, insoweit von einer Besserstellung der Entwicklungshelfer im Vergleich zu den Auslandsdienstleistenden zu sprechen. Die in § 13 EhfG getroffene Regelung ist im Wege der Analogie nicht auf den von § 14 b ZDG erfaßten Personenkreis übertragbar.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

IV.
Der Senat hat die Revision zugelassen, weil er der Streitsache, auch im Hinblick auf bisher fehlende einschlägige Entscheidungen des Bundessozialgerichts, grundsätzliche Bedeutung beimißt.
Rechtskraft
Aus
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