Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 10 Eg 1129/96
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 EG 810/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 11. März 1998 wird zurückgewiesen. Auf die Anschlußberufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden geändert und zugleich der Urteilstenor wie folgt neu gefaßt: Die Bescheide des beklagten Landes vom 18. März 1996 sowie vom 24. Oktober 1996 und vom 18. Juni 1997 werden aufgehoben. Das beklagte Land wird verurteilt, der Klägerin für den 13. bis 24. Lebensmonat ihres Kindes S. ein monatliches Erziehungsgeld in Höhe von 71,– DM zu gewähren.
II. Das beklagte Land hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin für den 13.–24. Lebensmonat ihrer Tochter S. D. Erziehungsgeld zusteht.
Die Klägerin ist seit dem 15. Mai 1992 mit Herrn G. D. verheiratet. Aus dieser Ehe ist die 1995 geborene Tochter S. D. hervorgegangen. S. wurde im streitbefangenen Zeitraum von der Klägerin erzogen und betreut. Die Klägerin war in dieser Zeit nicht berufstätig. Am 14. Juni 1996 wurde das zweite Kind L. der Eheleute B./D. geboren, das ebenfalls in deren gemeinsamen Haushalt lebt und für das die Eltern von L. im Jahre 1996 Kindergeld bezogen haben.
Für die Erziehung und Betreuung von S. wurde der Klägerin vom beklagten Land für die ersten sechs Lebensmonate dieses Kindes durch Bescheid vom 23. Mai 1995 ein monatliches Erziehungsgeld in Höhe von 600,– DM und für die Zeit vom 7. bis 12. Lebensmonat in Höhe von 288,– DM gewährt.
Den am 1. Februar 1996 eingegangenen ersten Antrag auf Gewährung von Erziehungsgeld für den 13. bis 24. Lebensmonat von S. lehnte das beklagte Land durch Bescheid vom 18. März 1996 ab. Das beklagte Land ging in diesem Bescheid davon aus, aufgrund der Einkommensverhältnisse der Eheleute B./D. sei ein Anspruch auf Erziehungsgeld nicht gegeben.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein.
Am 21. Juni 1996 reichte die Klägerin einen weiteren Antrag auf Erziehungsgeld für die Zeit des 13. bis 24. Lebensmonat ihres Kindes S. beim beklagten Land ein. In diesem Antrag wies sie u.a. auf die zwischenzeitliche Geburt ihres Kindes L. hin.
Durch Widerspruchsbescheid vom 24. Oktober 1996 wurde der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen. Bei der Zurückweisung legte das beklagte Land die im Kalenderjahr 1996, also die im Kalenderjahr nach der Geburt von S. erzielten Einkünfte zugrunde und kam dabei zu folgender Berechnung:
Einkünfte aus nichtselbständiger
Arbeit des Ehemanns 70.146,66
./. Werbungskosten 2.399,–
Gesamtbetrag der positiven Einkünfte 67.747,66
./. Pauschbetrag § 6 Abs. 1 BErzGG (27 %) 18.291,86
Zu berücksichtigendes Einkommen 49.455,80
./. Grundfreibetrag 29.400,–
Übersteigender Betrag 20.055,80
davon 40 v.H. 8.022,32
davon 1/12 (= monatl. Anrechnungsbetrag) 668,52
Monatliches Erziehungsgeld 0,–.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 24. Oktober 1996 erhob die Klägerin Klage. Sie vertrat gegenüber dem Sozialgericht die Auffassung, bei der Einkommensanrechnung habe auch das zweite Kind L. berücksichtigt werden müssen.
Auch gegenüber dem beklagten Land selbst machte die Klägerin mit Schreiben vom 29. Oktober 1996 noch einmal auf die zwischenzeitliche Geburt ihres zweiten Kindes aufmerksam. Das beklagte Land nahm dies zum Anlaß, am 18. Juni 1997 einen weiteren Bescheid zu erlassen, mit dem unter Berufung auf § 44 Sozialgesetzbuch X (SGB X) die Zahlung von Erziehungsgeld für die Zeit ab dem 13. bis zum 24. Lebensmonat von S. erneut abgelehnt wurde.
Die ergangenen Bescheide des beklagten Landes hat das Sozialgericht Wiesbaden durch Urteil vom 11. März 1998 aufgehoben. Das beklagte Land wurde verurteilt, der Klägerin Erziehungsgeld für S. ab Juni 1996 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Die Berufung gegen dieses Urteil wurde vom Sozialgericht zugelassen. Das Sozialgericht hat die Auffassung vertreten, Entscheidungsgrundlage seien die §§ 5 und 6 des Bundeserziehungsgeldgesetzes (BErzGG) i.d.F. des Gesetzes vom 24. März 1997 (BGBl. I S. 594). Danach sei für die ab dem 1. Juli 1993 geborenen Kinder für den Anspruch im zweiten Lebensjahr des Kindes das Einkommen im Jahr nach der Geburt maßgebend. Für das hiernach vom beklagten Land zu prognostizierende Einkommen komme es dabei auf den Zeitpunkt des Bewilligungs- bzw. Ablehnungsbescheides an. Tatsachen, die erst nach diesem Zeitpunkt einträten, könnten grundsätzlich nicht mehr berücksichtigt werden, es sei denn, es liege ein Härtefall i.S.v. § 6 Abs. 7 BErzGG vor. Ein Ausnahmefall gelte jedoch für die in § 5 Abs. 5 Satz 3 BErzGG genannten Freibeträge, um die sich die Beträge der Einkommensgrenzen nach Satz 1 und Satz 2 dieser Bestimmung erhöhten. Dies lasse sich bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes ableiten, so daß ein Rechtsanspruch auf Berücksichtigung des Kinderfreibetrages in jedem Stadium des Verfahrens erfolgen müsse, also auch dann, wenn – wie vorliegend – bereits eine zutreffende Prognoseentscheidung getroffen, nachträglich jedoch ein weiteres Kind geboren worden sei. Diese Auffassung werde auch gestützt durch die Regelung in § 5 Abs. 2 Satz 4 BErzGG, wonach maßgeblich die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Antragstellung seien. Vorliegend habe die Klägerin nämlich innerhalb der Frist des § 4 Abs. 2 Satz 2 BErzGG im Juni 1996 einen weiteren Antrag auf Erziehungsgeld gestellt. In diesem Antrag habe die Klägerin mitgeteilt, daß ein zweites Kind in der Familie lebe. Diesen Antrag hätte das beklagte Land zum Anlaß nehmen müssen, die Berechnung des Erziehungsgeldes "ab Juni 1996” unter Berücksichtigung des zweiten Kindes vorzunehmen. Durch den insoweit um 4.200,– DM erhöhten Freibetrag lasse sich somit ab diesem Zeitpunkt ein Anspruch der Klägerin auf Erziehungsgeld errechnen.
Gegen das dem beklagten Land am 10. Juni 1998 zugestellte Urteil richtet sich die am 17. Juni 1998 eingegangene Berufung des beklagten Landes und die in der mündlichen Verhandlung vom 21. April 1999 eingelegte Anschlußberufung der Klägerin.
Das beklagte Land ist der Auffassung, im Falle der Klägerin bestehe kein Rechtsanspruch auf Berücksichtigung eines weiteren Kinderfreibetrages durch die Geburt ihres zweiten Kindes. Der Hinweis im Gesetz auf die Erhöhung des Freibetrages um 4.200,– DM für jedes weitere Kind mache lediglich deutlich, daß dieser Freibetrag nicht für das anspruchsberechtigte, sondern nur für weitere Kinder in Betracht komme. Durch § 5 Abs. 2 Satz 5 BErzGG werde jedoch darüber hinaus – im Gegensatz zur Rechtsauslegung des Sozialgerichts – klargestellt, daß für die Berücksichtigung der Familienverhältnisse und damit für das Zugrundelegen der Freibeträge, auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Antragstellung, mithin im vorliegenden Fall auf den 12. Februar 1996 abzustellen sei. Auch eine Anwendung von § 48 SGB X im Hinblick auf den Familienstand und die Kinderzahl sei deshalb ausgeschlossen. Die familienfreundliche und sozial lobenswerte Rechtsauslegung des Bundeserziehungsgeldgesetzes durch das Sozialgericht entbehre damit aber der Grundlage.
Das beklagte Land beantragt, unter Zurückweisung der Anschlußberufung der Klägerin das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 11. März 1998 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Die Klägerin beantragt, unter Zurückweisung der Berufung des beklagten Landes das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 11. März 1998 abzuändern und das beklagte Land zu verurteilen, ihr für den 13. bis 24. Lebensmonat ihrer Tochter S. ein monatliches Erziehungsgeld in Höhe von 71,– DM zu gewähren.
Die Klägerin ist der Meinung, zumindest durch ihren weiteren Antrag vom 21. Juni 1996 habe die Verpflichtung des beklagten Landes bestanden, bei der Berechnung der Höhe des Erziehungsgeldes den in § 5 Abs. 2 Satz 3 BErzGG angesprochenen Kinderfreibetrag von 4.200,– DM zu berücksichtigen.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vertrags der Beteiligten wird im übrigen auf den gesamten weiteren Inhalt der Gerichtsakte sowie die beigezogene Leistungsakte des beklagten Landes (XXXXX) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§ 151 Abs. 1 SGG) des beklagten Landes ist ebenso zulässig wie die in der mündlichen Verhandlung vom 21. April 1999 eingelegte Anschlußberufung der Klägerin, nachdem das Sozialgericht die Berufung gegen sein Urteil insgesamt zugelassen hat (§ 144 Abs. 2 und Abs. 3 SGG).
Die Anschlußberufung der Klägerin ist auch begründet. Die Berufung des beklagten Landes war demgegenüber zurückzuweisen. Denn der Klägerin steht für das gesamte zweite Lebensjahr ihrer Tochter S. Erziehungsgeld zu, dessen Höhe sich auf monatlich 71,– DM beläuft.
Maßgebend für die Dauer und die – vorliegend allein umstrittene – Höhe des Erziehungsgeldes sind vorliegend die §§ 4 bis 6 BErzGG in der Fassung der Neufassung des Bundeserziehungsgeldgesetzes vom 31. Januar 1994 (BGBl. I, S. 180). Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 der vorliegend anwendbaren Fassung des Bundeserziehungsgeldgesetzes wird für Kinder, die nach dem 31. Dezember 1992 geboren werden, Erziehungsgeld bis zur Vollendung des vierundzwanzigsten Lebensmonats gewährt. Hinsichtlich der Höhe des Erziehungsgeldes sind die Regelungen des § 5 Abs. 1, 2 und Abs. 3 i.V.m. § 6 BErzGG einschlägig. Nach § 5 Abs. 1 BErzGG beträgt das ungeminderte Erziehungsgeld monatlich 600,– DM. Es wird nach § 5 Abs. 2 Satz 2 BErzGG vom Beginn des 7. Monats an gemindert, wenn das Einkommen nach § 6 bei Verheirateten, die von ihrem Ehegatten nicht dauernd getrennt leben, 29.400,– DM übersteigt. Dieser Freibetrag erhöht sich nach § 5 Abs. 2 Satz 3 BErzGG um 4.200,– DM für jedes weitere Kind des Berechtigten oder seines nicht dauernd von ihm getrennt lebenden Ehegatten, für das ihm oder seinem Ehegatten Kindergeld gewährt wird oder ohne die Anwendung des § 8 Abs. 1 des Bundeskindergeldgesetzes gewährt würde. Maßgeblich sind nach § 5 Abs. 2 Satz 4 BErzGG "die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Antragstellung”. Dabei ist nach § 6 Abs. 2 Satz 1 BErzGG für die Minderung im 13. bis zum 24. Lebensmonat des Kindes auf das voraussichtliche Einkommen des auf das Jahr der Geburt des Kindes folgenden Jahres abzustellen.
Da die vom beklagten Land angestellte Prognose in Bezug auf den Gesamtbetrag der positiven Einkünfte des Jahres 1996 nicht zu beanstanden ist, bedarf es zur Bestimmung der Höhe des Erziehungsgeldes keines Rückgriffs auf die Einkünfte im Jahre der Geburt bzw. dem Kalenderjahr davor, wie dies ansonsten in § 6 Abs. 4 BErzGG vorgesehen ist.
Auf der Grundlage des für das Jahr 1996 prognostizierten Einkommens ergibt sich damit folgende Berechnung:
Gesamtbetrag der positiven Einkünfte 67.747,66
./. Pauschbetrag § 6 Abs. 1 BErzGG (27 %) 18.291,86
zu berücksichtigendes Einkommen 49.455,80
./. Grundfreibetrag (29.400,– + 4.200,–) 33.600,–
Übersteigendes Betrag 15.855,80
davon 40 % 6.343,32
davon 1/12 (= monatl. Anrechnungsbetrag) 528,53
Monatl. Erziehungsgeld (600,– -528,53 = 71,47) 71,–
Da die Eheleute B./D. für ihren Sohn L. bereits im Jahre 1996 kindergeldberechtigt waren, ist – in Übereinstimmung mit dem Sozialgericht – bei der vorliegenden Fallgestaltung eine Erhöhung des Grundfreibetrages von 29.400,– um 4.200,– DM vorzunehmen, die im Ergebnis zu einem Leistungsanspruch der Klägerin in der vorgeschriebenen Höhe führt.
Allerdings könnte einer solchen Erhöhung des Grundfreibetrages die in § 5 Abs. 2 Satz 4 BErzGG getroffene Regelung entgegenstehen, wonach für die Einkommensberechnung die Verhältnisse "zum Zeitpunkt der Antragstellung” maßgeblich sein sollen. Diese Regelung wurde durch das Gesetz zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms (FKPG) vom 23. Juni 1993 (BGBl. I, S. 944) eingeführte. Bis dahin war – im Rahmen der zuvor geltenden Bezugszeiträume – der Beginn des 7. Lebensmonats der maßgebliche Anknüpfungspunkt gewesen. Im Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. zum FKPG (BT-Drucks. 12/4401 vom 4. März 1993, S. 74) wurde die bereits im Gesetzentwurf enthaltene Anbindung an den "Zeitpunkt der Antragstellung” damit begründet, die vorgesehene Neuregelung sei "einfacher und wirklichkeitsnäher.”
Bei einer am Wortlaut dieser Bestimmung orientierten Auslegung würde dies im Falle der Klägerin tatsächlich dazu führen, daß jedenfalls auf den ersten – am 7. Februar 1996 gestellten – Antrag der Klägerin hin, die Berücksichtigung dieses Kinderfreibetrages für das nachgeborene Kind L. nicht zu berücksichtigten wäre, denn zu diesem Zeitpunkt lag für die Klägerin die Einkommensgrenze des § 5 Abs. 2 BErzGG, die die Grundlage der Freibetragsregelung beinhaltet, noch bei dem Betrag von 29.400,– DM, da bei diesem Freibetrag dasjenige Kind, für das Erziehungsgeld gewährt wird, nicht berücksichtigt werden kann. Die Erhöhung des Freibetrages gilt vielmehr nur für die "weiteren” Kinder (Hainbuchen, Kindergeld/Erziehungsgeld, Stand März 1999, RdNr. 21 zu § 5 BErzGG).
Der Senat läßt dahingestellt, ob eine solchermaßen typisierende Regelung, die allein auf diesen – häufig eher zufälligen – Zeitpunkt der Antragstellung abstellt, verfassungsrechtlich zulässig wäre (allgemein zu dieser Frage vgl. z.B. BSG, Urteil vom 27.6.1996 – 11 RAr 77/95 = SozR 3–4100 § 111 Nr. 14 m.w.N.), oder ob diese Regelung verfassungskonform dahingehend ausgelegt werden müßte, daß jedenfalls diejenigen Verhältnisse, die bis zum Abschluß des Verwaltungsverfahrens, also dem Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides (vgl. insoweit BSG Urteil vom 2.10.1997 – 14 ERg 10/96 = SozR 3–1300 § 20 Nr. 1) mit berücksichtigt werden müßten. Denn die vorliegende Fallgestaltung ist jedenfalls dadurch geprägt, daß die Klägerin tatsächlich einen solchen "neuen” Antrag gestellt hat, und zwar unmittelbar nach der Geburt ihres zweiten Kindes. Diesen Antrag durfte das beklagte Land schon deshalb nicht unberücksichtigt lassen, weil der Klägerin bis zur Stellung dieses Antrags jedenfalls das Recht hätte eingeräumt werden müssen, den ursprünglichen Antrag im Hinblick auf die Geburt des zweiten Kindes zurückzunehmen (vgl. dazu auch BSG Urteil vom 10.8.1993 – 14b/4 ERg 3/91 = SozR 3–7833 § 6 Nr. 5). Bei einer solchen Zurücknahme des ersten Antrags wären auch die Fristen des § 4 Abs. 2 Satz 2 BErzGG, der die Leistung von Erziehungsgeld rückwirkend für sechs Monate vor der Antragstellung ermöglicht, auch durch diesen zweiten Antrag gewahrt worden, so daß auch unter diesem Gesichtspunkt einer erneuten Antragstellung nichts entgegengestanden hätte, der Klägerin vielmehr auch unter diesen Voraussetzungen Erziehungsgeld ab Beginn des 13. Lebensmonats ihrer Tochter S. hätte gewährt werden müssen.
Daß über den "ersten” Antrag der Klägerin noch keine abschließende Verwaltungsentscheidung zu dem Zeitpunkt vorgelegen hat, als die Klägerin ihren zweiten Antrag stellte, kann der Klägerin nicht zum Nachteil gereichen. Denn das beklagten Land wäre in dieser – durch die Geburt Von L. hervorgerufenen – Situation, selbst bei einer wortgetreuen Auslegung des § 5 Abs. 2 Satz 4 BerzGG verpflichtet gewesen, die Klägerin nach § 16 Abs. 3 Sozialgesetzbuch I (SGB I) darüber zu belehren, den zunächst gestellten Antrag zurückzunehmen, um sodann das Erziehungsgeld erneut zu beantragen. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Klägerin einer solchen Anregung nachgekommen wäre.
Anders als das Sozialgericht geht der Senat allerdings davon aus, daß der Klägerin Erziehungsgeld nicht erst ab Juni 1996 zusteht, sondern bereits ab dem Beginn des 13. Lebensmonats von S ... Zwar wurde der Sohn L. der Klägerin erst im Juni 1996 geboren. Indes stellen die §§ 5 und 6 BErzGG hinsichtlich der Einkommensgrenze und in Bezug auf die Einkommensberechnung nicht auf monatliche Beträge ab, maßgeblich sind vielmehr insoweit allein die für das jeweilige Referenzjahr errechneten Jahresbeträge. Dies gilt insbesondere auch für die jeweiligen Freibeträge des § 5 Abs. 2 BErzGG, so daß auch im Falle der Klägerin kein Anlaß besteht, den Zahlbetrag des Erziehungsgeldes auf die Zeit ab der Geburt von L. zu begrenzen.
Die Berufung des beklagten Landes war nach alledem zurückzuweisen. Die Anschlußberufung der Klägerin führt zur vollständigen Aufhebung der angefochtenen Bescheide unter Einschluß des Bescheides vom 18. Juni 1997, der nach § 96 SGG bereits zum Gegenstand des sozialgerichtlichen Verfahrens geworden war. Gleichzeitig war das beklagte Land zur Zahlung des Erziehungsgeldes für die Zeit ab dem Beginn des 13. Monats der Tochter S. der Klägerin in Höhe von monatlich 71,– DM zu verurteilen. Da das sozialgerichtliche Urteil einen Zahlbetrag nicht enthält, war auch insoweit, als das Sozialgericht eine Verurteilung des beklagten Landes ausgesprochen hat, der Urteilstenor insgesamt neu zu fassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Zulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
II. Das beklagte Land hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin für den 13.–24. Lebensmonat ihrer Tochter S. D. Erziehungsgeld zusteht.
Die Klägerin ist seit dem 15. Mai 1992 mit Herrn G. D. verheiratet. Aus dieser Ehe ist die 1995 geborene Tochter S. D. hervorgegangen. S. wurde im streitbefangenen Zeitraum von der Klägerin erzogen und betreut. Die Klägerin war in dieser Zeit nicht berufstätig. Am 14. Juni 1996 wurde das zweite Kind L. der Eheleute B./D. geboren, das ebenfalls in deren gemeinsamen Haushalt lebt und für das die Eltern von L. im Jahre 1996 Kindergeld bezogen haben.
Für die Erziehung und Betreuung von S. wurde der Klägerin vom beklagten Land für die ersten sechs Lebensmonate dieses Kindes durch Bescheid vom 23. Mai 1995 ein monatliches Erziehungsgeld in Höhe von 600,– DM und für die Zeit vom 7. bis 12. Lebensmonat in Höhe von 288,– DM gewährt.
Den am 1. Februar 1996 eingegangenen ersten Antrag auf Gewährung von Erziehungsgeld für den 13. bis 24. Lebensmonat von S. lehnte das beklagte Land durch Bescheid vom 18. März 1996 ab. Das beklagte Land ging in diesem Bescheid davon aus, aufgrund der Einkommensverhältnisse der Eheleute B./D. sei ein Anspruch auf Erziehungsgeld nicht gegeben.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein.
Am 21. Juni 1996 reichte die Klägerin einen weiteren Antrag auf Erziehungsgeld für die Zeit des 13. bis 24. Lebensmonat ihres Kindes S. beim beklagten Land ein. In diesem Antrag wies sie u.a. auf die zwischenzeitliche Geburt ihres Kindes L. hin.
Durch Widerspruchsbescheid vom 24. Oktober 1996 wurde der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen. Bei der Zurückweisung legte das beklagte Land die im Kalenderjahr 1996, also die im Kalenderjahr nach der Geburt von S. erzielten Einkünfte zugrunde und kam dabei zu folgender Berechnung:
Einkünfte aus nichtselbständiger
Arbeit des Ehemanns 70.146,66
./. Werbungskosten 2.399,–
Gesamtbetrag der positiven Einkünfte 67.747,66
./. Pauschbetrag § 6 Abs. 1 BErzGG (27 %) 18.291,86
Zu berücksichtigendes Einkommen 49.455,80
./. Grundfreibetrag 29.400,–
Übersteigender Betrag 20.055,80
davon 40 v.H. 8.022,32
davon 1/12 (= monatl. Anrechnungsbetrag) 668,52
Monatliches Erziehungsgeld 0,–.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 24. Oktober 1996 erhob die Klägerin Klage. Sie vertrat gegenüber dem Sozialgericht die Auffassung, bei der Einkommensanrechnung habe auch das zweite Kind L. berücksichtigt werden müssen.
Auch gegenüber dem beklagten Land selbst machte die Klägerin mit Schreiben vom 29. Oktober 1996 noch einmal auf die zwischenzeitliche Geburt ihres zweiten Kindes aufmerksam. Das beklagte Land nahm dies zum Anlaß, am 18. Juni 1997 einen weiteren Bescheid zu erlassen, mit dem unter Berufung auf § 44 Sozialgesetzbuch X (SGB X) die Zahlung von Erziehungsgeld für die Zeit ab dem 13. bis zum 24. Lebensmonat von S. erneut abgelehnt wurde.
Die ergangenen Bescheide des beklagten Landes hat das Sozialgericht Wiesbaden durch Urteil vom 11. März 1998 aufgehoben. Das beklagte Land wurde verurteilt, der Klägerin Erziehungsgeld für S. ab Juni 1996 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Die Berufung gegen dieses Urteil wurde vom Sozialgericht zugelassen. Das Sozialgericht hat die Auffassung vertreten, Entscheidungsgrundlage seien die §§ 5 und 6 des Bundeserziehungsgeldgesetzes (BErzGG) i.d.F. des Gesetzes vom 24. März 1997 (BGBl. I S. 594). Danach sei für die ab dem 1. Juli 1993 geborenen Kinder für den Anspruch im zweiten Lebensjahr des Kindes das Einkommen im Jahr nach der Geburt maßgebend. Für das hiernach vom beklagten Land zu prognostizierende Einkommen komme es dabei auf den Zeitpunkt des Bewilligungs- bzw. Ablehnungsbescheides an. Tatsachen, die erst nach diesem Zeitpunkt einträten, könnten grundsätzlich nicht mehr berücksichtigt werden, es sei denn, es liege ein Härtefall i.S.v. § 6 Abs. 7 BErzGG vor. Ein Ausnahmefall gelte jedoch für die in § 5 Abs. 5 Satz 3 BErzGG genannten Freibeträge, um die sich die Beträge der Einkommensgrenzen nach Satz 1 und Satz 2 dieser Bestimmung erhöhten. Dies lasse sich bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes ableiten, so daß ein Rechtsanspruch auf Berücksichtigung des Kinderfreibetrages in jedem Stadium des Verfahrens erfolgen müsse, also auch dann, wenn – wie vorliegend – bereits eine zutreffende Prognoseentscheidung getroffen, nachträglich jedoch ein weiteres Kind geboren worden sei. Diese Auffassung werde auch gestützt durch die Regelung in § 5 Abs. 2 Satz 4 BErzGG, wonach maßgeblich die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Antragstellung seien. Vorliegend habe die Klägerin nämlich innerhalb der Frist des § 4 Abs. 2 Satz 2 BErzGG im Juni 1996 einen weiteren Antrag auf Erziehungsgeld gestellt. In diesem Antrag habe die Klägerin mitgeteilt, daß ein zweites Kind in der Familie lebe. Diesen Antrag hätte das beklagte Land zum Anlaß nehmen müssen, die Berechnung des Erziehungsgeldes "ab Juni 1996” unter Berücksichtigung des zweiten Kindes vorzunehmen. Durch den insoweit um 4.200,– DM erhöhten Freibetrag lasse sich somit ab diesem Zeitpunkt ein Anspruch der Klägerin auf Erziehungsgeld errechnen.
Gegen das dem beklagten Land am 10. Juni 1998 zugestellte Urteil richtet sich die am 17. Juni 1998 eingegangene Berufung des beklagten Landes und die in der mündlichen Verhandlung vom 21. April 1999 eingelegte Anschlußberufung der Klägerin.
Das beklagte Land ist der Auffassung, im Falle der Klägerin bestehe kein Rechtsanspruch auf Berücksichtigung eines weiteren Kinderfreibetrages durch die Geburt ihres zweiten Kindes. Der Hinweis im Gesetz auf die Erhöhung des Freibetrages um 4.200,– DM für jedes weitere Kind mache lediglich deutlich, daß dieser Freibetrag nicht für das anspruchsberechtigte, sondern nur für weitere Kinder in Betracht komme. Durch § 5 Abs. 2 Satz 5 BErzGG werde jedoch darüber hinaus – im Gegensatz zur Rechtsauslegung des Sozialgerichts – klargestellt, daß für die Berücksichtigung der Familienverhältnisse und damit für das Zugrundelegen der Freibeträge, auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Antragstellung, mithin im vorliegenden Fall auf den 12. Februar 1996 abzustellen sei. Auch eine Anwendung von § 48 SGB X im Hinblick auf den Familienstand und die Kinderzahl sei deshalb ausgeschlossen. Die familienfreundliche und sozial lobenswerte Rechtsauslegung des Bundeserziehungsgeldgesetzes durch das Sozialgericht entbehre damit aber der Grundlage.
Das beklagte Land beantragt, unter Zurückweisung der Anschlußberufung der Klägerin das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 11. März 1998 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Die Klägerin beantragt, unter Zurückweisung der Berufung des beklagten Landes das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 11. März 1998 abzuändern und das beklagte Land zu verurteilen, ihr für den 13. bis 24. Lebensmonat ihrer Tochter S. ein monatliches Erziehungsgeld in Höhe von 71,– DM zu gewähren.
Die Klägerin ist der Meinung, zumindest durch ihren weiteren Antrag vom 21. Juni 1996 habe die Verpflichtung des beklagten Landes bestanden, bei der Berechnung der Höhe des Erziehungsgeldes den in § 5 Abs. 2 Satz 3 BErzGG angesprochenen Kinderfreibetrag von 4.200,– DM zu berücksichtigen.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vertrags der Beteiligten wird im übrigen auf den gesamten weiteren Inhalt der Gerichtsakte sowie die beigezogene Leistungsakte des beklagten Landes (XXXXX) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§ 151 Abs. 1 SGG) des beklagten Landes ist ebenso zulässig wie die in der mündlichen Verhandlung vom 21. April 1999 eingelegte Anschlußberufung der Klägerin, nachdem das Sozialgericht die Berufung gegen sein Urteil insgesamt zugelassen hat (§ 144 Abs. 2 und Abs. 3 SGG).
Die Anschlußberufung der Klägerin ist auch begründet. Die Berufung des beklagten Landes war demgegenüber zurückzuweisen. Denn der Klägerin steht für das gesamte zweite Lebensjahr ihrer Tochter S. Erziehungsgeld zu, dessen Höhe sich auf monatlich 71,– DM beläuft.
Maßgebend für die Dauer und die – vorliegend allein umstrittene – Höhe des Erziehungsgeldes sind vorliegend die §§ 4 bis 6 BErzGG in der Fassung der Neufassung des Bundeserziehungsgeldgesetzes vom 31. Januar 1994 (BGBl. I, S. 180). Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 der vorliegend anwendbaren Fassung des Bundeserziehungsgeldgesetzes wird für Kinder, die nach dem 31. Dezember 1992 geboren werden, Erziehungsgeld bis zur Vollendung des vierundzwanzigsten Lebensmonats gewährt. Hinsichtlich der Höhe des Erziehungsgeldes sind die Regelungen des § 5 Abs. 1, 2 und Abs. 3 i.V.m. § 6 BErzGG einschlägig. Nach § 5 Abs. 1 BErzGG beträgt das ungeminderte Erziehungsgeld monatlich 600,– DM. Es wird nach § 5 Abs. 2 Satz 2 BErzGG vom Beginn des 7. Monats an gemindert, wenn das Einkommen nach § 6 bei Verheirateten, die von ihrem Ehegatten nicht dauernd getrennt leben, 29.400,– DM übersteigt. Dieser Freibetrag erhöht sich nach § 5 Abs. 2 Satz 3 BErzGG um 4.200,– DM für jedes weitere Kind des Berechtigten oder seines nicht dauernd von ihm getrennt lebenden Ehegatten, für das ihm oder seinem Ehegatten Kindergeld gewährt wird oder ohne die Anwendung des § 8 Abs. 1 des Bundeskindergeldgesetzes gewährt würde. Maßgeblich sind nach § 5 Abs. 2 Satz 4 BErzGG "die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Antragstellung”. Dabei ist nach § 6 Abs. 2 Satz 1 BErzGG für die Minderung im 13. bis zum 24. Lebensmonat des Kindes auf das voraussichtliche Einkommen des auf das Jahr der Geburt des Kindes folgenden Jahres abzustellen.
Da die vom beklagten Land angestellte Prognose in Bezug auf den Gesamtbetrag der positiven Einkünfte des Jahres 1996 nicht zu beanstanden ist, bedarf es zur Bestimmung der Höhe des Erziehungsgeldes keines Rückgriffs auf die Einkünfte im Jahre der Geburt bzw. dem Kalenderjahr davor, wie dies ansonsten in § 6 Abs. 4 BErzGG vorgesehen ist.
Auf der Grundlage des für das Jahr 1996 prognostizierten Einkommens ergibt sich damit folgende Berechnung:
Gesamtbetrag der positiven Einkünfte 67.747,66
./. Pauschbetrag § 6 Abs. 1 BErzGG (27 %) 18.291,86
zu berücksichtigendes Einkommen 49.455,80
./. Grundfreibetrag (29.400,– + 4.200,–) 33.600,–
Übersteigendes Betrag 15.855,80
davon 40 % 6.343,32
davon 1/12 (= monatl. Anrechnungsbetrag) 528,53
Monatl. Erziehungsgeld (600,– -528,53 = 71,47) 71,–
Da die Eheleute B./D. für ihren Sohn L. bereits im Jahre 1996 kindergeldberechtigt waren, ist – in Übereinstimmung mit dem Sozialgericht – bei der vorliegenden Fallgestaltung eine Erhöhung des Grundfreibetrages von 29.400,– um 4.200,– DM vorzunehmen, die im Ergebnis zu einem Leistungsanspruch der Klägerin in der vorgeschriebenen Höhe führt.
Allerdings könnte einer solchen Erhöhung des Grundfreibetrages die in § 5 Abs. 2 Satz 4 BErzGG getroffene Regelung entgegenstehen, wonach für die Einkommensberechnung die Verhältnisse "zum Zeitpunkt der Antragstellung” maßgeblich sein sollen. Diese Regelung wurde durch das Gesetz zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms (FKPG) vom 23. Juni 1993 (BGBl. I, S. 944) eingeführte. Bis dahin war – im Rahmen der zuvor geltenden Bezugszeiträume – der Beginn des 7. Lebensmonats der maßgebliche Anknüpfungspunkt gewesen. Im Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. zum FKPG (BT-Drucks. 12/4401 vom 4. März 1993, S. 74) wurde die bereits im Gesetzentwurf enthaltene Anbindung an den "Zeitpunkt der Antragstellung” damit begründet, die vorgesehene Neuregelung sei "einfacher und wirklichkeitsnäher.”
Bei einer am Wortlaut dieser Bestimmung orientierten Auslegung würde dies im Falle der Klägerin tatsächlich dazu führen, daß jedenfalls auf den ersten – am 7. Februar 1996 gestellten – Antrag der Klägerin hin, die Berücksichtigung dieses Kinderfreibetrages für das nachgeborene Kind L. nicht zu berücksichtigten wäre, denn zu diesem Zeitpunkt lag für die Klägerin die Einkommensgrenze des § 5 Abs. 2 BErzGG, die die Grundlage der Freibetragsregelung beinhaltet, noch bei dem Betrag von 29.400,– DM, da bei diesem Freibetrag dasjenige Kind, für das Erziehungsgeld gewährt wird, nicht berücksichtigt werden kann. Die Erhöhung des Freibetrages gilt vielmehr nur für die "weiteren” Kinder (Hainbuchen, Kindergeld/Erziehungsgeld, Stand März 1999, RdNr. 21 zu § 5 BErzGG).
Der Senat läßt dahingestellt, ob eine solchermaßen typisierende Regelung, die allein auf diesen – häufig eher zufälligen – Zeitpunkt der Antragstellung abstellt, verfassungsrechtlich zulässig wäre (allgemein zu dieser Frage vgl. z.B. BSG, Urteil vom 27.6.1996 – 11 RAr 77/95 = SozR 3–4100 § 111 Nr. 14 m.w.N.), oder ob diese Regelung verfassungskonform dahingehend ausgelegt werden müßte, daß jedenfalls diejenigen Verhältnisse, die bis zum Abschluß des Verwaltungsverfahrens, also dem Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides (vgl. insoweit BSG Urteil vom 2.10.1997 – 14 ERg 10/96 = SozR 3–1300 § 20 Nr. 1) mit berücksichtigt werden müßten. Denn die vorliegende Fallgestaltung ist jedenfalls dadurch geprägt, daß die Klägerin tatsächlich einen solchen "neuen” Antrag gestellt hat, und zwar unmittelbar nach der Geburt ihres zweiten Kindes. Diesen Antrag durfte das beklagte Land schon deshalb nicht unberücksichtigt lassen, weil der Klägerin bis zur Stellung dieses Antrags jedenfalls das Recht hätte eingeräumt werden müssen, den ursprünglichen Antrag im Hinblick auf die Geburt des zweiten Kindes zurückzunehmen (vgl. dazu auch BSG Urteil vom 10.8.1993 – 14b/4 ERg 3/91 = SozR 3–7833 § 6 Nr. 5). Bei einer solchen Zurücknahme des ersten Antrags wären auch die Fristen des § 4 Abs. 2 Satz 2 BErzGG, der die Leistung von Erziehungsgeld rückwirkend für sechs Monate vor der Antragstellung ermöglicht, auch durch diesen zweiten Antrag gewahrt worden, so daß auch unter diesem Gesichtspunkt einer erneuten Antragstellung nichts entgegengestanden hätte, der Klägerin vielmehr auch unter diesen Voraussetzungen Erziehungsgeld ab Beginn des 13. Lebensmonats ihrer Tochter S. hätte gewährt werden müssen.
Daß über den "ersten” Antrag der Klägerin noch keine abschließende Verwaltungsentscheidung zu dem Zeitpunkt vorgelegen hat, als die Klägerin ihren zweiten Antrag stellte, kann der Klägerin nicht zum Nachteil gereichen. Denn das beklagten Land wäre in dieser – durch die Geburt Von L. hervorgerufenen – Situation, selbst bei einer wortgetreuen Auslegung des § 5 Abs. 2 Satz 4 BerzGG verpflichtet gewesen, die Klägerin nach § 16 Abs. 3 Sozialgesetzbuch I (SGB I) darüber zu belehren, den zunächst gestellten Antrag zurückzunehmen, um sodann das Erziehungsgeld erneut zu beantragen. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Klägerin einer solchen Anregung nachgekommen wäre.
Anders als das Sozialgericht geht der Senat allerdings davon aus, daß der Klägerin Erziehungsgeld nicht erst ab Juni 1996 zusteht, sondern bereits ab dem Beginn des 13. Lebensmonats von S ... Zwar wurde der Sohn L. der Klägerin erst im Juni 1996 geboren. Indes stellen die §§ 5 und 6 BErzGG hinsichtlich der Einkommensgrenze und in Bezug auf die Einkommensberechnung nicht auf monatliche Beträge ab, maßgeblich sind vielmehr insoweit allein die für das jeweilige Referenzjahr errechneten Jahresbeträge. Dies gilt insbesondere auch für die jeweiligen Freibeträge des § 5 Abs. 2 BErzGG, so daß auch im Falle der Klägerin kein Anlaß besteht, den Zahlbetrag des Erziehungsgeldes auf die Zeit ab der Geburt von L. zu begrenzen.
Die Berufung des beklagten Landes war nach alledem zurückzuweisen. Die Anschlußberufung der Klägerin führt zur vollständigen Aufhebung der angefochtenen Bescheide unter Einschluß des Bescheides vom 18. Juni 1997, der nach § 96 SGG bereits zum Gegenstand des sozialgerichtlichen Verfahrens geworden war. Gleichzeitig war das beklagte Land zur Zahlung des Erziehungsgeldes für die Zeit ab dem Beginn des 13. Monats der Tochter S. der Klägerin in Höhe von monatlich 71,– DM zu verurteilen. Da das sozialgerichtliche Urteil einen Zahlbetrag nicht enthält, war auch insoweit, als das Sozialgericht eine Verurteilung des beklagten Landes ausgesprochen hat, der Urteilstenor insgesamt neu zu fassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Zulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
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