Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 2 An 702/70
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Stand der geschiedenen Frau während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes vor dem Tode des Versicherten nach dem Ehegesetz ein Unterhaltsanspruch gegen den Versicherten in einer Höhe zu, der über den in einem Unterhaltsvergleich vereinbarten Unterhaltsbeitrag hinausging, so rechtfertigt sich der Hinterbliebenenanspruch aus der 1. Alternative des § 1265 RVO, 42 AVG.
2. Nach allgemeiner Verkehrsauffassung kann davon ausgegangen werden, daß einer Frau, die das 65. Lebensjahr bereits vollendet hat, eine Erwerbstätigkeit i.S. der §§ 58, 59 EheG nicht mehr zumutbar ist.
2. Nach allgemeiner Verkehrsauffassung kann davon ausgegangen werden, daß einer Frau, die das 65. Lebensjahr bereits vollendet hat, eine Erwerbstätigkeit i.S. der §§ 58, 59 EheG nicht mehr zumutbar ist.
Die Berufung an der Beklagten und der Beigeladenen gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt a.M. vom 3. Juli 1970 werden zurückgewiesen.
Die Beklagte und die Beigeladene haben der Klägerin je zur Hälfte die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die 1900 geborene Klägerin war die erste Ehefrau des 1968 verstorbenen Versicherten M. M ... Ihre am 3. Juli 1926 geschlossene Ehe wurde durch das am 29. Juli 1950 rechtskräftig gewordene Urteil des Landgerichts Wiesbaden als alleinigem Verschulden des Versicherten geschieden. In der Sorgerechtssache vor dem Amtsgericht Königstein, verpflichtete sich der Versicherte am 29. September 1950 an die Klägerin einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von DM 45,– und an das gemeinsame Kind L. eine monatliche Unterhaltszahlung von DM 35,– für die Dauer der Lehrzeit zu leisten. Der Versicherte heiratete die Beigeladene am 12. Mai 1951. Im Zeitpunkt der Scheidung hatte er ein voreheliches Kind R. von S., Tochter der Beigeladenen, zu unterhalten. Seit dem 1. Dezember 1963 bezog er Altersruhegeld, das im Jahre 1968 nach dem 11. RAG DM 1.019,60 betrug. Die Klägerin bezog im Jahre 1968 Altersruhegeld in Höhe von monatlich DM 149,30. Daneben erhielt sie in der Zeit vom 1. Oktober 1967 bis zum 30. April 1968 monatlich DM 95,60 und vom 1. Mai 1968 an monatlich DM 102,60 Sozialhilfe. Der Sozialhilfesatz war für sie DM 176,80 zuzüglich einer Miete von DM 81,–. Der Versicherte zahlte ihr vereinbarungsgemäß vom Zeitpunkt der Scheidung bis zum Tode monatlich DM 45,–.
Die Beigeladene, die über kein eigenes Arbeitseinkommen verfügte, erhielt von der Beklagten seit dem Bescheid vom 14. März 1969 die volle Witwenrente.
Die Beklagte lehnte den am 12. Oktober 1968 gestellten Antrag der Klägerin, ihr Hinterbliebenenrente nach § 42 AVG zu gewähren, mit dem Bescheid vom 9. April 1969 mit der Begründung ab, daß der Klägerin im Zeitpunkt des Todes des Versicherten ein Unterhaltsanspruch nicht zugestanden habe. Die Zahlung der DM 45,– monatlich sei kein sonstiger Grund im Sinne der 2. Alternative des § 42 Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG), da er nicht mindestens 25 % des Mindestbedarf (Sozialhilferegelsatz) betragen habe.
Mit ihrer Klage machte die Klägerin geltend, daß im Jahre 1950 die Zahlung von DM 45,– monatlich mehr als 25 % des Sozialhilferegelsatzes betragen haben. Sie habe trotz einer Entfremdung von ihrem früheren Beruf nach der Scheidung wieder die Tätigkeit einer Stenotypistin aufgenommen und bis zum Jahre 1967 gearbeitet. Aus Alters- und Gesundheitsgründen habe sie dann die Arbeit aufgegeben. Aus menschlicher Rücksichtnahme habe sie von dem Versicherten keinen höheren Unterhalt gefordert, obgleich er trotz seiner Erkrankung einen höheren Unterhaltsbetrag hätte leisten können. Sie habe zwar von dem Lastenausgleichsamt jeweils die Hälfte des ausgeschütteten Betrages erhalten, – die andere Hälfte sei dem Versicherten gewährt worden – doch habe auch sie bei der Ausbombung ihre Hälfte der Einrichtung verloren.
Die Beklagte und die Beigeladene vertraten die Ansicht, daß für die Klägerin die Voraussetzungen des § 42 AVG nicht erfüllt seien, da der Unterhaltsbeitrag von DM 45,– nicht 25 % des Sozialhilferegelsatzes erreicht habe.
Das Sozialgericht Frankfurt a.M. hob mit dem Urteil vom 3. Juli 1970 den an die Klägerin gerichteten Bescheid vom 9. April 1969 auf, änderte den an die Beigeladene ergangenen Bescheid vom 14. März 1969 ab und verurteilte die Beklagte, der Klägerin Hinterbliebenenrente nach dem versicherten M. M. ab 1. November 1968 in gesetzlicher Höhe zu zahlen. In den Entscheidungsgründen führte es aus, daß der Klägerin der Hinterbliebenenrentenanspruch nach § 42 AVG, 2. Alternative, entsprechend der Dauer der Ehejahre mit dem Versicherten zustehe. Der Beklagten und der Beigeladenen sei zwar zuzugeben, daß der Unterhaltsbeitrag des Versicherten an die Klägerin von monatlich DM 45,– nicht 25 % des Sozialhilferegelsatzes erreicht habe. Doch habe das Bundessozialgericht in seinen Entscheidungen vom 27. Juni 1968 – 4 RJ 59/68 –, vom 23. Juli 1965 – RA – 163/63 –, vom 27. Oktober 1964 – 4 RJ 383/61 – in SozR. RVO § 1265 Aa 24, 26 vom 14. März 1968 – 5 RKn – 94/65 und vom 26. November 1970 – 12 RJ – 128/69 – ohne eine gesetzliche Notwendigkeit diesen Vomhundertsatz des Sozialhilferegelsatzes eingeführt, dabei außer acht gelassen, daß aber dieser für geschiedene Frauen von Kleinrentnern zu sozialen Härten führen müsse. Das erkennende Gericht könne sich dieser Rechtsauffassung, die knapp an der Grenze des Gleichbehandlungsgrundsatzes des Artikels 3 GG vorbeigehe, nicht anschließen, sondern halte es für gerechter einen Betrag von 10 % dessen als notwendigen Unterhalt anzusehen, der der geschiedenen Frau sonst zur Verfügung stehe; daß seien für die Klägerin, die über ein Gesamteinkommen von rund DM 260,– verfügt habe, DM 26,–. Der Unterhaltsbeitrag des Versicherten von DM 45,– monatlich liege wesentlich über diesem Richtsatz.
Die Beigeladene wendet sich mit ihrer zu Protokoll des Sozialgerichts Frankfurt a.M. am 4. August 1970 eingelegten Berufung gegen das zum Zwecke der Zustellung an sie am 22. Juli 1970 zur Post aufgelieferte Urteil.
Auch die Beklagte wendet sich mit ihrer am 19. August 1970 eingegangen Berufung gegen das ihr am 27. Juli 1970 zugestellte Urteil.
Sie verweisen übereinstimmend auf die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, wonach ein Unterhaltsbeitrag nur dann nicht als geringfügig betrachtet wird, wenn er 10 % des Einkommens der früheren Frau oder nicht mindestens 25 % des Sozialhilferegelsatzes betrage. Im Hinblick auf die Unterhaltsersatzfunktion der Geschiedenen – Witwenrente seien geringfügige Unterhaltsbeiträge des Versicherten außer Betracht zu lassen. Der Gleichheitsgrundsatz des Artikels 3 GG werde durch die vom Bundessozialgericht gefundene Rechtsprechung nicht verletzt.
Die Beigeladene und die Beklagte beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt a.M. vom 3. Juli 1970 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufungen zurückzuweisen.
Sie verweist auf ihr Vorbringen im Klageverfahren und die nach ihrer Ansicht zutreffende Entscheidung des Sozialgerichts.
Die Vormundschaftsakten – Az.: XXX – sind vom Amtsgericht K./Ts. beigezogen. Auf sie und den Inhalt der Renten- und Streitakten wird im übrigen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegten und auch statthaften Berufungen sind unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist im Ergebnis richtig. Der Klägerin steht die Hinterbliebenrente nach § 42 AVG zu. Der Senat vermag jedoch den Entscheidungsgründen des Sozialgerichts insoweit nicht zu folgen, als der Hinterbliebenenanspruch auf § 42 2. Alternative gestützt wird. Unstreitig hat die Klägerin einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von DM 45,– erhalten. Dieser Betrag erreicht nicht 25 v.H. den für die örtlich und zeitlich maßgebenden Sozialhilferegelsatzes, der nach der Auskunft der Gemeinde K. im Taunus DM 257,80 betrug. Dies hat das Sozialgericht richtig erkannt, aber abweichend von der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die Ansicht vertreten, daß nicht ein Betrag von 25 v.H. des jeweils in Betracht kommenden Sozialhilferegelsatzes gefordert werden könne; es müßten 10 v.H. des der Klägerin sonst zur Verfügung stehenden Unterhalts, hier also 26,– DM ausreichen, um den Begriff der Unterhaltsleistung durch den geschiedenen Ehemann zu erfüllen. Der Senat vermag sich dieser Rechtsauffassung nicht anzuschließen, sondern hält die in ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts erarbeiteten Rechtsgedanken für überzeugender (Urteil BSG: 19.6.1969 – 11 RA 138/68, 20.3.1969 – 12 RJ 118/68 –; 26.11.1970 – 12 RJ 128/69; BSG Bd. 22, S. 44). Abzustellen ist auf den Begriff "Unterhalt”. Nach der Verkehrsauffassung kann unter Berücksichtigung der 3. Alternative des § 42 AVG dann nicht von einem Unterhalt gesprochen werden, wenn die Leistungen des geschiedenen Ehemannes nur einen geringfügigen Teil des der geschiedenen Frau sonst zur Verfügung stehenden Unterhalts beträgt. Da in der 2. und 3. Alternative des § 42 AVG der Begriff "Unterhalt” im gleichen Sinne verwendet wird, bestehen keine Bedenken, diese Rechtsauffassung auch für die 2. Alternative heranzuziehen. Danach kann als Unterhalt nur eine solche Leistung gewertet werden, die mehr als geringfügig den Lebensunterhalt der geschiedenen Frau beeinflußt. Dies ergibt sich aus der Neuregelung der Geschiedenen – Witwenrente des § 42 AVG im Vergleich zu dem bis zum 31.12.1956 gültigen Recht. Gerade weil nach der Neuregelung ein die Höhe der Hinterbliebenenrente für die frühere Ehefrau nicht erreichender Unterhaltsbetrag jene Rente grundsätzlich auszulösen vermag, müssen verschwindend geringfügige Unterhaltsansprüche gegen den Versicherten als nicht ausreichend für die Auslösung des Hinterbliebenenrentenanspruchs angesehen werden (so BSG, Bd. 22, 44/47). Das ergibt sich auch aus dem Begriff der Unterhaltsersatzfunktion. Der Rentenversicherungsträger soll nur insoweit Geschiedenen – Witwenrente gewähren, als in tatsächlicher Hinsicht die Verpflichtung des Versicherten zur Zahlung des Unterhalts weggefallen ist. Wollte man jegliche, also auch geringfügige Leistungen ausreichen lassen zur Gewährung der Geschiedenen – Witwenrente, so käme es oftmals zu einer nicht geringfügige Unterhaltsleistung des Versicherten muß dann außer Betracht bleiben, wenn sie für die geschiedene Frau wegen ihrer Geringfügigkeit für die Lebensführung ohne nennenswerte wirtschaftliche Bedeutung war. Diesen Grundgedanken hat wohl auch das Sozialgericht vertreten, indem es fordert, daß die Unterhaltsleistung des Versicherten mindestens 10 v.H. des der geschiedenen Frau sonst zur Verfügung stehenden Unterhalts erreichen muß. Da es davon ausgeht, daß der Klägerin aus eigenem Altersruhegeld und der Sozialhilfe ein Gesamtbetrag von DM 260,– als Unterhalt zur Verfügung stand, fordert es, daß ein Betrag von 10 v.H., also DM 26,–, nicht mehr als geringfügig zu bezeichnen sei. Dabei setzt das Sozialgericht lediglich an die Stelle des vom Bundessozialgericht gefundenen Hundertsatzes den eigenen von 10 v.H ... Es glaubt auf diese weise den Ehefrauen von Kleinrentnern gerecht zu werden. Es ist aber darauf abzustellen, wie das Bundessozialgericht in oben zitierten Entscheidungen in ständiger Rechtsprechung überzeugend ausgeführt hat, daß die Leistungen des Versicherten einen wesentlichen Beitrag zum Unterhalt darstellen müßten. Zwar kann die frühere Ehefrau eines Versicherten mit hohem Einkommen von diesem eher höhere Unterhaltsleistungen erhalten, als die frühere Ehefrau eines unbemittelten Versicherten (Kleinrentners). Sie wird aber dann beim Tode des Versicherten durch den Wegfall dieser Leistungen wirtschaftlich mehr beeinträchtigt, und dadurch insoweit schutzbedürftig, was für die frühere Ehefrau eines unbemittelten Versicherten nicht zutrifft. Da die Gewährung der Hinterbliebenenrente nach dem Willen des Gesetzgebers nicht von der Bedürftigkeit der geschiedenen Frau abhängig gemacht wird, kann nicht argumentiert werden, daß die geschiedene Frau eines bemittelten Versicherten ohne rechtlichen Grund gegenüber der geschiedenen Frau eines Kleinrentners bevorzugt wird. Auch nach eigener Prüfung vertritt der Senat die Ansicht, daß 25 v.H. des örtlich und zeitlich zuständigen Sozialhilferegelsatzes eine Mindestgrenze darstellt, von der ausgehend man die Geringfügigkeit der Unterhaltsleistung erkennen muß. Regelmäßige Zuwendungen unter diesem Richtsatz sind weder im Sinne der 3. Alternative, noch im Sinne der beiden ersten Alternativen des § 42 als Unterhalt im Sinne des Gesetzes zu berücksichtigen. "Von einer Unterhaltsleistung im Sinne des § 42 AVG kann nur dann gesprochen werden, wenn Werte zu leisten sind, oder gewährt worden sind, die nach der allgemeinen Auffassung, unter Berücksichtigung auch der zeitlichen und örtlichen Verhältnisse nominell ins Gewicht fallen”, so BSG, Bd. 22, 44 (48). Demnach ist festzustellen, daß der von dem Versicherten auf Grund des Unterhaltsvergleiches regelmäßig gezahlte monatliche Betrag von DM 45, nicht geeignet ist, den Witwenrentenanspruch aus der 2. Alternative des § 42 AVG auszulösen. 25 v.H. des örtlich und zeitlich der Klägerin zustehenden Sozialhilferegelsatzes waren DM 65,–.
Der Klägerin steht aber der sogenannte Geschiedenen–Witwenrentenanspruch aus der 1. Alternative des § 42 AVG zu. In der Rechtsprechung ist, soweit ersichtlich, bisher noch nicht die Frage erörtert worden, ob neben dem Anspruch auf Gewährung der Geschiedenen – Witwenrente aus der 2. Alternative des § 42 AVG auch ein Anspruch nach der 1. oder 3. Alternative bestehen kann. Es dürfte selbstverständlich sein, daß der geschiedenen Frau dann ein Hinterbliebenrentenanspruch zusteht, wenn ihr der Versicherte während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes vor seinem Tode tatsächlich einen höheren Unterhalt gewährt hat, als er auf Grund eines Unterhaltstitels oder -vergleiches zu leisten gehabt hätte. In einem solchen Falle steht der geschiedenen Frau der Anspruch nach der 3. Alternative zu. Dies muß aber auch dann gelten, wenn die geschiedene Frau während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes vor dem Tode des Versicherten berechtigt gewesen wäre, eine über den Unterhaltsvergleich hinausgehende Unterhaltsforderung gegen den geschiedenen Ehemann geltend zu machen und durchzusetzen. Es trifft jedoch nur dann zu, wenn in dem Unterhaltsvergleich nicht auf einen Teil des nach den §§ 58 und 59 Ehegesetz zustehenden Unterhaltsanspruches verzichtet wurde. Dies ist bei der Klägerin nicht der Fall.
Nach den vorliegenden Versicherungsunterlagen des Versicherten hatte er im Zeitpunkt der Scheidung, also im Jahre 1950 ein zu versicherndes Arbeitseinkommen von monatlich rund DM 517,–. Auf Grund der zweiten Ehe war er seiner zweiten Frau, dem Kind aus erster Ehe und dem eigenen vorehelichen Kind gegenüber unterhaltspflichtig. Aus diesem Umstand läßt sich im Zeitpunkt der Wiederverheiratung des Versicherten nur ein Unterhaltsanspruch der Klägerin von rund DM 45,– monatlich errechnen. In dem Unterhaltsvergleich wurde lediglich der Betrag als Unterhaltsleistung des Versicherten genannt, den die Klägerin nach dem Eherecht hätte fordern können. Dies ist nach § 72 des Ehegesetzes zulässig. Trotz des abgeschlossenen Unterhaltsvergleiches, der ihren Unterhaltsanspruch gegen den Versicherten nach §§ 58, 59 EheG festlegte, war die Klägerin berechtigt, bei Änderung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse oder der Verhältnisse des Versicherten eine Abänderungsklage (§ 323 ZPO) zu erheben. Denn nicht nur der Unterhaltsverpflichtete kann, wie der Große Senat in seiner Entscheidung Bd. 20 S. 1 ausgeführt hat, die Wirkung eines Unterhaltsvergleichs oder -titels aus den Vorschriften des § 323, § 767 ZPO beseitigen, sondern nach Meinung des Senats auch die Unterhaltsberechtigte. Demnach ist darauf abzustellen, welcher Unterhaltsanspruch der Klägerin im Zeitpunkt des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes vor dem Tode des Versicherten zustand. Für sie begann der letzte wirtschaftliche Dauerzustand mit der Aufgabe ihrer Erwerbstätigkeit, für den Versicherten mit dem 11. Rentenanpassungsgesetz. Die Klägerin verfügte ab Januar 1968 (nach dem 11. RAG) über ein Altersruhegeld von monatlich DM 149,30, der Versicherte über ein Altersruhegeld von DM 1.019,60 DM. Die früher unterhaltsberechtigten Kinder aus der ersten und zweiten Ehe waren inzwischen volljährig geworden, so daß nur noch der zweiten Frau, der Beigeladenen, ein Unterhaltsanspruch gegen den Versicherten zustand. Selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, daß der Versicherte in den letzten 4 Jahren vor seinem Tod fast ständig pflegebedürftig war, muß doch nach §§ 58 und 59 EheG der Klägerin ein Unterhaltsanspruch in Höhe von 20 bis 25 v.H. des Einkommens des Versicherten zugestanden werden, also rund zwischen DM 210,– und DM 250,–. Auf diesen Unterhaltsanspruch muß sich jedoch die Klägerin die Erträgnisse aus einer eigenen Erwerbstätigkeit, also auch ihr eigenes Altersruhegeld, anrechnen lassen, das während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes vor dem Tode des Versicherten DM 149,30 betrug. Der Differenzbetrag bis zu DM 210,– oder DM 250,– ist der Unterhaltsanspruch, der der Klägerin nach den Vorschriften des Ehegesetzes (§ 42, 1. Alternative AVG) zustand. Dieser Unterhaltsbetrag ist auch nicht geringfügig, denn er übersteigt 25 v.H. des örtlich und zeitlich für die Klägerin maßgeblichen Sozialhilferegelsatzes von DM 257,80, also rund DM 64,–. Er ist auch mehr als 10 v.H. des der Klägerin sonst zur Verfügung stehenden Unterhalts. Zu einem gleichen Unterhaltsanspruch kommt man bei der Überlegung, daß der im Unterhaltsvergleich vereinbarte Unterhaltsbetrag von monatlich DM 45,– aufgrund der gestiegenen Lebenshaltungskosten im Zeitpunkt des Todes des Versicherten rund DM 66,15 erreicht hatte. Setzt man im Jahre 1950 den Lebenshaltungsinder mit 100 Punkten an, so hätte sich nach den Mitteilungen des Statistischen Bundesamtes Wiesbaden, Reihe 6, Heft Juli 1970, der Lebenshaltungsindex im Jahre 1968 auf 147,30 erhöht, d.h., statt des im Jahre 1950 gewährten Unterhaltsbetrages von DM 45,– stand der Klägerin gegen den Versicherten im Zeitpunkt seines Todes, letzter wirtschaftlicher Dauerzustand, ein Unterhaltungsanspruch in Höhe von DM 66,15 zu. Entgegen der Rechtsansicht des Sozialgerichts sieht sich der Senat nicht veranlaßt, durch Einholung eines medizinischen Gutachtens die Frage zu überprüfen, ob die Klägerin im Zeitpunkt des Todes des Versicherten gesundheitlich noch in der Lage gewesen wäre, durch eine zumutbare Erwerbstätigkeit zu ihrem Lebensunterhalt beizutragen. Die Klägerin hatte im Zeitpunkt des Todes des Versicherten nahezu das 68. Lebensjahr vollendet. In einem solchen Fall ist nach allgemeiner Verkehrsauffassung regelmäßig davon auszugehen, daß eine über das 65. Lebensjahr hinausgehende Erwerbstätigkeit nicht mehr zumutbar ist. Das folgert der Senat aus der Altersgrenze von 65 Lebensjahren bei der Gewährung des Altersruhegeldes. Es ist auch nicht einzusehen, warum die Klägerin – die nach ihrem Vorbringen aus Alters- und Gesundheitsgründen mit dem 67. Lebensjahr die regelmäßige Erwerbstätigkeit aufgegeben hat – nur deshalb weiterhin einer beruflichen Tätigkeit nachgehen soll, um ihren gesetzlichen Unterhaltsanspruch gegen den Versicherten zu mindern. Hat eine geschiedene Frau bereits das 65. Lebensjahr vollendet, dann kann regelmäßig davon ausgegangen werden, daß eine weitere Erwerbstätigkeit unzumutbar ist. Rechtliche Gesichtspunkte, die aus den §§ 1246, Abs. 2 RVO, 23. Abs. 2 AVG hergeleitet sind, haben außer Betracht zu bleiben.
Das Sozialgericht hat richtig erkannt, daß, da der Klägerin die sogenannte Geschiedenen – Witwenrente zuzusprechen war, der an sie gerichtete Bescheid aufzuheben und der an die Beigeladene gerichtete Bescheid abzuändern war. Nach § 45 Abs. 4 AVG ist, da eine Berechtigte nach § 41 AVG und eine weitere nach § 42 AVG vorhanden ist, die Hinterbliebenenrente aus der Versicherung des M. M. an die Klägerin und die Beigeladene gemäß der Dauer ihrer Ehe mit dem Versicherten aufzuteilen. Der Hinterbliebenenrentenanspruch der Klägerin beginnt nach § 67 Abs. 4 AVG vom Ablauf des Antragsmonats an. Die Hinterbliebenenrente der Beigeladenen kann nach § 45 Abs. 4 letzter Satz AVG erst nach Ablauf des Monats, der dem Monat folgt, in dem der Neufeststellungsbescheid zugestellt wird, neu festgestellt werden.
Der Senat sah keine Veranlassung, insoweit den Tenor des angefochtenen Urteils abzuändern, da aus ihm zu entnehmen ist, daß die Beklagte die Hinterbliebenenrente der Klägerin und der Beigeladenen "in gesetzlicher Höhe” zugewähren hat. Die Formulierung im Urteilsspruch ist eindeutig genug, um die Verpflichtung der Beklagten zu erkennen.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Rechtsfrage läßt der Senat die Revision zu.
Die Kostenentscheidung bestimmt sich aus § 193 SGG.
Die Beklagte und die Beigeladene haben der Klägerin je zur Hälfte die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die 1900 geborene Klägerin war die erste Ehefrau des 1968 verstorbenen Versicherten M. M ... Ihre am 3. Juli 1926 geschlossene Ehe wurde durch das am 29. Juli 1950 rechtskräftig gewordene Urteil des Landgerichts Wiesbaden als alleinigem Verschulden des Versicherten geschieden. In der Sorgerechtssache vor dem Amtsgericht Königstein, verpflichtete sich der Versicherte am 29. September 1950 an die Klägerin einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von DM 45,– und an das gemeinsame Kind L. eine monatliche Unterhaltszahlung von DM 35,– für die Dauer der Lehrzeit zu leisten. Der Versicherte heiratete die Beigeladene am 12. Mai 1951. Im Zeitpunkt der Scheidung hatte er ein voreheliches Kind R. von S., Tochter der Beigeladenen, zu unterhalten. Seit dem 1. Dezember 1963 bezog er Altersruhegeld, das im Jahre 1968 nach dem 11. RAG DM 1.019,60 betrug. Die Klägerin bezog im Jahre 1968 Altersruhegeld in Höhe von monatlich DM 149,30. Daneben erhielt sie in der Zeit vom 1. Oktober 1967 bis zum 30. April 1968 monatlich DM 95,60 und vom 1. Mai 1968 an monatlich DM 102,60 Sozialhilfe. Der Sozialhilfesatz war für sie DM 176,80 zuzüglich einer Miete von DM 81,–. Der Versicherte zahlte ihr vereinbarungsgemäß vom Zeitpunkt der Scheidung bis zum Tode monatlich DM 45,–.
Die Beigeladene, die über kein eigenes Arbeitseinkommen verfügte, erhielt von der Beklagten seit dem Bescheid vom 14. März 1969 die volle Witwenrente.
Die Beklagte lehnte den am 12. Oktober 1968 gestellten Antrag der Klägerin, ihr Hinterbliebenenrente nach § 42 AVG zu gewähren, mit dem Bescheid vom 9. April 1969 mit der Begründung ab, daß der Klägerin im Zeitpunkt des Todes des Versicherten ein Unterhaltsanspruch nicht zugestanden habe. Die Zahlung der DM 45,– monatlich sei kein sonstiger Grund im Sinne der 2. Alternative des § 42 Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG), da er nicht mindestens 25 % des Mindestbedarf (Sozialhilferegelsatz) betragen habe.
Mit ihrer Klage machte die Klägerin geltend, daß im Jahre 1950 die Zahlung von DM 45,– monatlich mehr als 25 % des Sozialhilferegelsatzes betragen haben. Sie habe trotz einer Entfremdung von ihrem früheren Beruf nach der Scheidung wieder die Tätigkeit einer Stenotypistin aufgenommen und bis zum Jahre 1967 gearbeitet. Aus Alters- und Gesundheitsgründen habe sie dann die Arbeit aufgegeben. Aus menschlicher Rücksichtnahme habe sie von dem Versicherten keinen höheren Unterhalt gefordert, obgleich er trotz seiner Erkrankung einen höheren Unterhaltsbetrag hätte leisten können. Sie habe zwar von dem Lastenausgleichsamt jeweils die Hälfte des ausgeschütteten Betrages erhalten, – die andere Hälfte sei dem Versicherten gewährt worden – doch habe auch sie bei der Ausbombung ihre Hälfte der Einrichtung verloren.
Die Beklagte und die Beigeladene vertraten die Ansicht, daß für die Klägerin die Voraussetzungen des § 42 AVG nicht erfüllt seien, da der Unterhaltsbeitrag von DM 45,– nicht 25 % des Sozialhilferegelsatzes erreicht habe.
Das Sozialgericht Frankfurt a.M. hob mit dem Urteil vom 3. Juli 1970 den an die Klägerin gerichteten Bescheid vom 9. April 1969 auf, änderte den an die Beigeladene ergangenen Bescheid vom 14. März 1969 ab und verurteilte die Beklagte, der Klägerin Hinterbliebenenrente nach dem versicherten M. M. ab 1. November 1968 in gesetzlicher Höhe zu zahlen. In den Entscheidungsgründen führte es aus, daß der Klägerin der Hinterbliebenenrentenanspruch nach § 42 AVG, 2. Alternative, entsprechend der Dauer der Ehejahre mit dem Versicherten zustehe. Der Beklagten und der Beigeladenen sei zwar zuzugeben, daß der Unterhaltsbeitrag des Versicherten an die Klägerin von monatlich DM 45,– nicht 25 % des Sozialhilferegelsatzes erreicht habe. Doch habe das Bundessozialgericht in seinen Entscheidungen vom 27. Juni 1968 – 4 RJ 59/68 –, vom 23. Juli 1965 – RA – 163/63 –, vom 27. Oktober 1964 – 4 RJ 383/61 – in SozR. RVO § 1265 Aa 24, 26 vom 14. März 1968 – 5 RKn – 94/65 und vom 26. November 1970 – 12 RJ – 128/69 – ohne eine gesetzliche Notwendigkeit diesen Vomhundertsatz des Sozialhilferegelsatzes eingeführt, dabei außer acht gelassen, daß aber dieser für geschiedene Frauen von Kleinrentnern zu sozialen Härten führen müsse. Das erkennende Gericht könne sich dieser Rechtsauffassung, die knapp an der Grenze des Gleichbehandlungsgrundsatzes des Artikels 3 GG vorbeigehe, nicht anschließen, sondern halte es für gerechter einen Betrag von 10 % dessen als notwendigen Unterhalt anzusehen, der der geschiedenen Frau sonst zur Verfügung stehe; daß seien für die Klägerin, die über ein Gesamteinkommen von rund DM 260,– verfügt habe, DM 26,–. Der Unterhaltsbeitrag des Versicherten von DM 45,– monatlich liege wesentlich über diesem Richtsatz.
Die Beigeladene wendet sich mit ihrer zu Protokoll des Sozialgerichts Frankfurt a.M. am 4. August 1970 eingelegten Berufung gegen das zum Zwecke der Zustellung an sie am 22. Juli 1970 zur Post aufgelieferte Urteil.
Auch die Beklagte wendet sich mit ihrer am 19. August 1970 eingegangen Berufung gegen das ihr am 27. Juli 1970 zugestellte Urteil.
Sie verweisen übereinstimmend auf die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, wonach ein Unterhaltsbeitrag nur dann nicht als geringfügig betrachtet wird, wenn er 10 % des Einkommens der früheren Frau oder nicht mindestens 25 % des Sozialhilferegelsatzes betrage. Im Hinblick auf die Unterhaltsersatzfunktion der Geschiedenen – Witwenrente seien geringfügige Unterhaltsbeiträge des Versicherten außer Betracht zu lassen. Der Gleichheitsgrundsatz des Artikels 3 GG werde durch die vom Bundessozialgericht gefundene Rechtsprechung nicht verletzt.
Die Beigeladene und die Beklagte beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt a.M. vom 3. Juli 1970 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufungen zurückzuweisen.
Sie verweist auf ihr Vorbringen im Klageverfahren und die nach ihrer Ansicht zutreffende Entscheidung des Sozialgerichts.
Die Vormundschaftsakten – Az.: XXX – sind vom Amtsgericht K./Ts. beigezogen. Auf sie und den Inhalt der Renten- und Streitakten wird im übrigen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegten und auch statthaften Berufungen sind unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist im Ergebnis richtig. Der Klägerin steht die Hinterbliebenrente nach § 42 AVG zu. Der Senat vermag jedoch den Entscheidungsgründen des Sozialgerichts insoweit nicht zu folgen, als der Hinterbliebenenanspruch auf § 42 2. Alternative gestützt wird. Unstreitig hat die Klägerin einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von DM 45,– erhalten. Dieser Betrag erreicht nicht 25 v.H. den für die örtlich und zeitlich maßgebenden Sozialhilferegelsatzes, der nach der Auskunft der Gemeinde K. im Taunus DM 257,80 betrug. Dies hat das Sozialgericht richtig erkannt, aber abweichend von der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die Ansicht vertreten, daß nicht ein Betrag von 25 v.H. des jeweils in Betracht kommenden Sozialhilferegelsatzes gefordert werden könne; es müßten 10 v.H. des der Klägerin sonst zur Verfügung stehenden Unterhalts, hier also 26,– DM ausreichen, um den Begriff der Unterhaltsleistung durch den geschiedenen Ehemann zu erfüllen. Der Senat vermag sich dieser Rechtsauffassung nicht anzuschließen, sondern hält die in ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts erarbeiteten Rechtsgedanken für überzeugender (Urteil BSG: 19.6.1969 – 11 RA 138/68, 20.3.1969 – 12 RJ 118/68 –; 26.11.1970 – 12 RJ 128/69; BSG Bd. 22, S. 44). Abzustellen ist auf den Begriff "Unterhalt”. Nach der Verkehrsauffassung kann unter Berücksichtigung der 3. Alternative des § 42 AVG dann nicht von einem Unterhalt gesprochen werden, wenn die Leistungen des geschiedenen Ehemannes nur einen geringfügigen Teil des der geschiedenen Frau sonst zur Verfügung stehenden Unterhalts beträgt. Da in der 2. und 3. Alternative des § 42 AVG der Begriff "Unterhalt” im gleichen Sinne verwendet wird, bestehen keine Bedenken, diese Rechtsauffassung auch für die 2. Alternative heranzuziehen. Danach kann als Unterhalt nur eine solche Leistung gewertet werden, die mehr als geringfügig den Lebensunterhalt der geschiedenen Frau beeinflußt. Dies ergibt sich aus der Neuregelung der Geschiedenen – Witwenrente des § 42 AVG im Vergleich zu dem bis zum 31.12.1956 gültigen Recht. Gerade weil nach der Neuregelung ein die Höhe der Hinterbliebenenrente für die frühere Ehefrau nicht erreichender Unterhaltsbetrag jene Rente grundsätzlich auszulösen vermag, müssen verschwindend geringfügige Unterhaltsansprüche gegen den Versicherten als nicht ausreichend für die Auslösung des Hinterbliebenenrentenanspruchs angesehen werden (so BSG, Bd. 22, 44/47). Das ergibt sich auch aus dem Begriff der Unterhaltsersatzfunktion. Der Rentenversicherungsträger soll nur insoweit Geschiedenen – Witwenrente gewähren, als in tatsächlicher Hinsicht die Verpflichtung des Versicherten zur Zahlung des Unterhalts weggefallen ist. Wollte man jegliche, also auch geringfügige Leistungen ausreichen lassen zur Gewährung der Geschiedenen – Witwenrente, so käme es oftmals zu einer nicht geringfügige Unterhaltsleistung des Versicherten muß dann außer Betracht bleiben, wenn sie für die geschiedene Frau wegen ihrer Geringfügigkeit für die Lebensführung ohne nennenswerte wirtschaftliche Bedeutung war. Diesen Grundgedanken hat wohl auch das Sozialgericht vertreten, indem es fordert, daß die Unterhaltsleistung des Versicherten mindestens 10 v.H. des der geschiedenen Frau sonst zur Verfügung stehenden Unterhalts erreichen muß. Da es davon ausgeht, daß der Klägerin aus eigenem Altersruhegeld und der Sozialhilfe ein Gesamtbetrag von DM 260,– als Unterhalt zur Verfügung stand, fordert es, daß ein Betrag von 10 v.H., also DM 26,–, nicht mehr als geringfügig zu bezeichnen sei. Dabei setzt das Sozialgericht lediglich an die Stelle des vom Bundessozialgericht gefundenen Hundertsatzes den eigenen von 10 v.H ... Es glaubt auf diese weise den Ehefrauen von Kleinrentnern gerecht zu werden. Es ist aber darauf abzustellen, wie das Bundessozialgericht in oben zitierten Entscheidungen in ständiger Rechtsprechung überzeugend ausgeführt hat, daß die Leistungen des Versicherten einen wesentlichen Beitrag zum Unterhalt darstellen müßten. Zwar kann die frühere Ehefrau eines Versicherten mit hohem Einkommen von diesem eher höhere Unterhaltsleistungen erhalten, als die frühere Ehefrau eines unbemittelten Versicherten (Kleinrentners). Sie wird aber dann beim Tode des Versicherten durch den Wegfall dieser Leistungen wirtschaftlich mehr beeinträchtigt, und dadurch insoweit schutzbedürftig, was für die frühere Ehefrau eines unbemittelten Versicherten nicht zutrifft. Da die Gewährung der Hinterbliebenenrente nach dem Willen des Gesetzgebers nicht von der Bedürftigkeit der geschiedenen Frau abhängig gemacht wird, kann nicht argumentiert werden, daß die geschiedene Frau eines bemittelten Versicherten ohne rechtlichen Grund gegenüber der geschiedenen Frau eines Kleinrentners bevorzugt wird. Auch nach eigener Prüfung vertritt der Senat die Ansicht, daß 25 v.H. des örtlich und zeitlich zuständigen Sozialhilferegelsatzes eine Mindestgrenze darstellt, von der ausgehend man die Geringfügigkeit der Unterhaltsleistung erkennen muß. Regelmäßige Zuwendungen unter diesem Richtsatz sind weder im Sinne der 3. Alternative, noch im Sinne der beiden ersten Alternativen des § 42 als Unterhalt im Sinne des Gesetzes zu berücksichtigen. "Von einer Unterhaltsleistung im Sinne des § 42 AVG kann nur dann gesprochen werden, wenn Werte zu leisten sind, oder gewährt worden sind, die nach der allgemeinen Auffassung, unter Berücksichtigung auch der zeitlichen und örtlichen Verhältnisse nominell ins Gewicht fallen”, so BSG, Bd. 22, 44 (48). Demnach ist festzustellen, daß der von dem Versicherten auf Grund des Unterhaltsvergleiches regelmäßig gezahlte monatliche Betrag von DM 45, nicht geeignet ist, den Witwenrentenanspruch aus der 2. Alternative des § 42 AVG auszulösen. 25 v.H. des örtlich und zeitlich der Klägerin zustehenden Sozialhilferegelsatzes waren DM 65,–.
Der Klägerin steht aber der sogenannte Geschiedenen–Witwenrentenanspruch aus der 1. Alternative des § 42 AVG zu. In der Rechtsprechung ist, soweit ersichtlich, bisher noch nicht die Frage erörtert worden, ob neben dem Anspruch auf Gewährung der Geschiedenen – Witwenrente aus der 2. Alternative des § 42 AVG auch ein Anspruch nach der 1. oder 3. Alternative bestehen kann. Es dürfte selbstverständlich sein, daß der geschiedenen Frau dann ein Hinterbliebenrentenanspruch zusteht, wenn ihr der Versicherte während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes vor seinem Tode tatsächlich einen höheren Unterhalt gewährt hat, als er auf Grund eines Unterhaltstitels oder -vergleiches zu leisten gehabt hätte. In einem solchen Falle steht der geschiedenen Frau der Anspruch nach der 3. Alternative zu. Dies muß aber auch dann gelten, wenn die geschiedene Frau während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes vor dem Tode des Versicherten berechtigt gewesen wäre, eine über den Unterhaltsvergleich hinausgehende Unterhaltsforderung gegen den geschiedenen Ehemann geltend zu machen und durchzusetzen. Es trifft jedoch nur dann zu, wenn in dem Unterhaltsvergleich nicht auf einen Teil des nach den §§ 58 und 59 Ehegesetz zustehenden Unterhaltsanspruches verzichtet wurde. Dies ist bei der Klägerin nicht der Fall.
Nach den vorliegenden Versicherungsunterlagen des Versicherten hatte er im Zeitpunkt der Scheidung, also im Jahre 1950 ein zu versicherndes Arbeitseinkommen von monatlich rund DM 517,–. Auf Grund der zweiten Ehe war er seiner zweiten Frau, dem Kind aus erster Ehe und dem eigenen vorehelichen Kind gegenüber unterhaltspflichtig. Aus diesem Umstand läßt sich im Zeitpunkt der Wiederverheiratung des Versicherten nur ein Unterhaltsanspruch der Klägerin von rund DM 45,– monatlich errechnen. In dem Unterhaltsvergleich wurde lediglich der Betrag als Unterhaltsleistung des Versicherten genannt, den die Klägerin nach dem Eherecht hätte fordern können. Dies ist nach § 72 des Ehegesetzes zulässig. Trotz des abgeschlossenen Unterhaltsvergleiches, der ihren Unterhaltsanspruch gegen den Versicherten nach §§ 58, 59 EheG festlegte, war die Klägerin berechtigt, bei Änderung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse oder der Verhältnisse des Versicherten eine Abänderungsklage (§ 323 ZPO) zu erheben. Denn nicht nur der Unterhaltsverpflichtete kann, wie der Große Senat in seiner Entscheidung Bd. 20 S. 1 ausgeführt hat, die Wirkung eines Unterhaltsvergleichs oder -titels aus den Vorschriften des § 323, § 767 ZPO beseitigen, sondern nach Meinung des Senats auch die Unterhaltsberechtigte. Demnach ist darauf abzustellen, welcher Unterhaltsanspruch der Klägerin im Zeitpunkt des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes vor dem Tode des Versicherten zustand. Für sie begann der letzte wirtschaftliche Dauerzustand mit der Aufgabe ihrer Erwerbstätigkeit, für den Versicherten mit dem 11. Rentenanpassungsgesetz. Die Klägerin verfügte ab Januar 1968 (nach dem 11. RAG) über ein Altersruhegeld von monatlich DM 149,30, der Versicherte über ein Altersruhegeld von DM 1.019,60 DM. Die früher unterhaltsberechtigten Kinder aus der ersten und zweiten Ehe waren inzwischen volljährig geworden, so daß nur noch der zweiten Frau, der Beigeladenen, ein Unterhaltsanspruch gegen den Versicherten zustand. Selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, daß der Versicherte in den letzten 4 Jahren vor seinem Tod fast ständig pflegebedürftig war, muß doch nach §§ 58 und 59 EheG der Klägerin ein Unterhaltsanspruch in Höhe von 20 bis 25 v.H. des Einkommens des Versicherten zugestanden werden, also rund zwischen DM 210,– und DM 250,–. Auf diesen Unterhaltsanspruch muß sich jedoch die Klägerin die Erträgnisse aus einer eigenen Erwerbstätigkeit, also auch ihr eigenes Altersruhegeld, anrechnen lassen, das während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes vor dem Tode des Versicherten DM 149,30 betrug. Der Differenzbetrag bis zu DM 210,– oder DM 250,– ist der Unterhaltsanspruch, der der Klägerin nach den Vorschriften des Ehegesetzes (§ 42, 1. Alternative AVG) zustand. Dieser Unterhaltsbetrag ist auch nicht geringfügig, denn er übersteigt 25 v.H. des örtlich und zeitlich für die Klägerin maßgeblichen Sozialhilferegelsatzes von DM 257,80, also rund DM 64,–. Er ist auch mehr als 10 v.H. des der Klägerin sonst zur Verfügung stehenden Unterhalts. Zu einem gleichen Unterhaltsanspruch kommt man bei der Überlegung, daß der im Unterhaltsvergleich vereinbarte Unterhaltsbetrag von monatlich DM 45,– aufgrund der gestiegenen Lebenshaltungskosten im Zeitpunkt des Todes des Versicherten rund DM 66,15 erreicht hatte. Setzt man im Jahre 1950 den Lebenshaltungsinder mit 100 Punkten an, so hätte sich nach den Mitteilungen des Statistischen Bundesamtes Wiesbaden, Reihe 6, Heft Juli 1970, der Lebenshaltungsindex im Jahre 1968 auf 147,30 erhöht, d.h., statt des im Jahre 1950 gewährten Unterhaltsbetrages von DM 45,– stand der Klägerin gegen den Versicherten im Zeitpunkt seines Todes, letzter wirtschaftlicher Dauerzustand, ein Unterhaltungsanspruch in Höhe von DM 66,15 zu. Entgegen der Rechtsansicht des Sozialgerichts sieht sich der Senat nicht veranlaßt, durch Einholung eines medizinischen Gutachtens die Frage zu überprüfen, ob die Klägerin im Zeitpunkt des Todes des Versicherten gesundheitlich noch in der Lage gewesen wäre, durch eine zumutbare Erwerbstätigkeit zu ihrem Lebensunterhalt beizutragen. Die Klägerin hatte im Zeitpunkt des Todes des Versicherten nahezu das 68. Lebensjahr vollendet. In einem solchen Fall ist nach allgemeiner Verkehrsauffassung regelmäßig davon auszugehen, daß eine über das 65. Lebensjahr hinausgehende Erwerbstätigkeit nicht mehr zumutbar ist. Das folgert der Senat aus der Altersgrenze von 65 Lebensjahren bei der Gewährung des Altersruhegeldes. Es ist auch nicht einzusehen, warum die Klägerin – die nach ihrem Vorbringen aus Alters- und Gesundheitsgründen mit dem 67. Lebensjahr die regelmäßige Erwerbstätigkeit aufgegeben hat – nur deshalb weiterhin einer beruflichen Tätigkeit nachgehen soll, um ihren gesetzlichen Unterhaltsanspruch gegen den Versicherten zu mindern. Hat eine geschiedene Frau bereits das 65. Lebensjahr vollendet, dann kann regelmäßig davon ausgegangen werden, daß eine weitere Erwerbstätigkeit unzumutbar ist. Rechtliche Gesichtspunkte, die aus den §§ 1246, Abs. 2 RVO, 23. Abs. 2 AVG hergeleitet sind, haben außer Betracht zu bleiben.
Das Sozialgericht hat richtig erkannt, daß, da der Klägerin die sogenannte Geschiedenen – Witwenrente zuzusprechen war, der an sie gerichtete Bescheid aufzuheben und der an die Beigeladene gerichtete Bescheid abzuändern war. Nach § 45 Abs. 4 AVG ist, da eine Berechtigte nach § 41 AVG und eine weitere nach § 42 AVG vorhanden ist, die Hinterbliebenenrente aus der Versicherung des M. M. an die Klägerin und die Beigeladene gemäß der Dauer ihrer Ehe mit dem Versicherten aufzuteilen. Der Hinterbliebenenrentenanspruch der Klägerin beginnt nach § 67 Abs. 4 AVG vom Ablauf des Antragsmonats an. Die Hinterbliebenenrente der Beigeladenen kann nach § 45 Abs. 4 letzter Satz AVG erst nach Ablauf des Monats, der dem Monat folgt, in dem der Neufeststellungsbescheid zugestellt wird, neu festgestellt werden.
Der Senat sah keine Veranlassung, insoweit den Tenor des angefochtenen Urteils abzuändern, da aus ihm zu entnehmen ist, daß die Beklagte die Hinterbliebenenrente der Klägerin und der Beigeladenen "in gesetzlicher Höhe” zugewähren hat. Die Formulierung im Urteilsspruch ist eindeutig genug, um die Verpflichtung der Beklagten zu erkennen.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Rechtsfrage läßt der Senat die Revision zu.
Die Kostenentscheidung bestimmt sich aus § 193 SGG.
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