L 19 B 72/07 AS ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 11 AS 88/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 B 72/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Der Zweijahreszeitraum des § 65e Satz 2 SGB II (in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende vom 20.07.2006 - BGBl. I 1706, 1715) beginnt frühestens mit dem 01.08.2006, dem Datum des Inkrafttretens dieser Norm.
Auf die Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen wird der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 02.05.2007 geändert. Der Antrag auf Auszahlung der Leistungen der Antragsgegnerin in nicht durch die Aufrechnung zu Gunsten der Beigeladenen in Höhe von monatlich 50,00 EUR verringerter Höhe wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt N, C, beigeordnet.

Gründe:

I. Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist streitig die Zulässigkeit der Aufrechnung von Ansprüchen eines Trägers der Sozialhilfe nach dem BSHG gegen Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II (§§ 43 Satz 1, 65e SGB II).

Nach vorherigem Bezug von Leistungen der Beigeladenen nach dem BSHG erhält die Antragstellerin seit dem 01.01.2005 durchgängig Leistungen der Antragsgegnerin nach dem SGB II.

Für den hier streitigen Zeitraum bewilligte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit Bescheiden vom 31.10.2006 und 06.11.2006 für den Zeitraum vom 01.11.2006 bis 30.04.2007 sowie mit Bescheid vom 14.03.2007 für den Zeitraum vom 01.05.2007 bis 31.10.2007 Leistungen nach dem SGB II unter Einschluss der Regelleistung nach § 20 SGB II und 345,00 EUR in Höhe von monatlich insgesamt jeweils 650,79 EUR.

Am 20.07.2006 meldete die Beigeladene einen Erstattungsanspruch in Höhe von 855,03 EUR aus überzahlten Leistungen nach dem BSHG (Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 25.01.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2005) an und bat um Aufrechnung dieser Forderung mit laufenden Ansprüchen der Antragstellerin nach dem SGB II.

Gegen die darauf hin vorgenommene Aufrechnung ab dem 01.09.2006 wandte sich die Antragstellerin erfolgreich in dem Verfahren S 31 AS 77/06 SG Gelsenkirchen.

Am 15.01.2007 wandte sich die Beigeladene erneut an die Antragsgegnerin mit der Bitte um Vornahme einer Aufrechnung zur Begleichung ihrer Forderung gegen die Antragstellerin aus dem Bescheid vom 25.01.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2005.

Mit Schreiben vom 17.01.2007 hörte die Antragsgegnerin die Antragstellerin zu einer bevorstehenden Aufrechnung in Höhe von maximal monatlich 103,50 EUR an.

Hiergegen wandte sich die anwaltlich vertretene Antragstellerin und teilte mit, da sie bereits seit mehr als 2 Jahren Leistungen nach dem SGB II erhalte, sei eine Aufrechnung nunmehr nach § 65e Satz 2 SGB II ausgeschlossen.

Mit Schreiben vom 28.02.2007 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass sie ab dem 01.04.2007 die Forderung der Beigeladenen in Höhe von monatlich 50,00 EUR gegen den laufenden Leistungsanspruch der Antragstellerin aufrechnen werde.

Hiergegen legte die Antragstellerin am 21.03.2007 - vorsorglich - Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 26.03.2007 als unzulässig abgewiesen wurde, weil die Aufrechnung keinen durch Widerspruch anfechtbaren Verwaltungsakt darstelle.

Am 21.03.2007 hat die Antragstellerin Klage erhoben (S 11 AS 74/07 SG Gelsenkirchen) sowie im vorliegenden Verfahren die vorläufige Untersagung der Aufrechnung begehrt. Weil die Beigeladene erklärt habe, sie sehe mangels finanzieller Leistungsfähigkeit der Antragstellerin von der sofortigen Beitreibung der Forderung ab, liege angesichts unveränderter finanzieller Verhältnisse der Antragstellerin eine Selbstbindung der Beigeladenen und ein Aufrechnungshindernis für die Antragsgegnerin vor. Dies habe die Antragsgegnerin bei der Ermessensausübung hinsichtlich der Vornahme einer Aufrechnung zu beachten.

Mit Beschluss vom 02.05.2007 hat das Sozialgericht die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig ab dem 01.04.2007, längstens bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache, die ihr bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes auszuzahlen, ohne einen Betrag von monatlich 50,00 EUR im Wege der Aufrechnung einzubehalten.

Dies hat das Sozialgericht damit begründet, die nunmehr vorgenommene Aufrechnung sei wegen Ablaufes der zweijährigen Frist dies § 65e Satz 2 SGB II ausgeschlossen. Diese Frist beginne mit dem erstmaligen Bezug von Leistungen nach dem SGB II, im Falle der Antragstellerin also am 01.01.2005. Eine Aufrechnung sei daher nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut von § 65e SGB II nur bis zum 31.12.2006, nicht mehr dagegen im nun streitigen Aufrechnungszeitraum ab dem 01.04.2007 möglich gewesen. Auf die weitere Begründung des Beschlusses wird Bezug genommen.

Gegen den ihr am 08.05.2007 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 22.05.2007 und hat die Beigeladene nach Zustellung am 09.05.2007 am 29.05.2007 Beschwerde eingelegt.

Die Antragsgegnerin sieht die in § 65e Satz 2 SGB II bestimmte Frist als nicht abgelaufen an, da sie erst mit dem Inkrafttreten von § 65e SGB II am 01.08.2006 beginne. Nach der vom Sozialgericht vertretenen Auslegung werde § 65e SGB II nahezu wirkungslos. Auch die Beigeladene nimmt an, die Frist nach § 65e Satz 2 SGB II beginne frühestens mit dem Inkrafttreten der Vorschrift am 01.08.2006. Auch sie sieht die Aufrechnungsmöglichkeit nach § 65e SGB II in der vom Sozialgericht vorgenommenen Auslegung als entwertet an. Es sei nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber eine Aufrechnungsmöglichkeit für Altfälle für einen Zeitraum vom 24 Monate schaffen und dabei das neu geschaffene Recht zur Aufrechnung für 18 Monate, also bis zum 01.08.2006, sogleich habe blockieren wollen. Die strenge Auslegung des Sozialgerichts werde nur dann sinnvoll, wenn man auf den Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung abstelle und fordere, dass der bisherige Träger der Sozialhilfe innerhalb der ersten 2 Jahre der Leistungserbringung ab dem 01.01.2005 seine Erstattungsansprüche abschließend prüfe, feststelle und der zuständige Träger die Aufrechnung nach § 43 SGB II erkläre. Die monatliche Ausführung der Aufrechnung könnte dann auch noch über den vom Sozialgericht angenommenen Stichtag des 31.12.2006 hinaus erfolgen.

Zu Einzelheiten wird auf den Inhalt der Prozessakten Bezug genommen.

II. Die zulässigen Beschwerden, denen das Sozialgericht jeweils nicht abgeholfen hat (Beschlüsse vom 15.05.2007 und 28.08.2007), sind auch begründet.

Die Antragsgegnerin ist nicht zur einstweiligen Auszahlung der von ihr bewilligten Leistungen nach dem SGB II ohne Minderung durch die Aufrechnung zu Gunsten der Beigeladenen zu verpflichten.

Zutreffend hat das Sozialgericht angenommen, dass sich das einstweilige Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG (Regelungsanordnung) richtet.

Dabei geht der Senat in Übereinstimmung mit der - wohl mittlerweile - überwiegenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur davon aus, dass die Aufrechnung gegen sozialrechtliche Leistungsansprüche zumindest auch durch verwaltungsrechtliche Willenserklärung ohne den Charakter eines Verwaltungsaktes i.S. von § 31 SGB X erfolgen kann (Urteil des BSG vom 24.07.2003 - B 4 RA 60/02 R - SozR 4200 § 52 Nr. 1.; Eicher in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 43 Rdnr. 7 m.w.N.und in Eicher/Schlegel, SGB III, § 333 Rdnrn. 14ff m.w.N.; Klose in Jahn/Klose, SGB I, Stand März 2007, § 51 Rdnr. 22ff.; Pflüger in Juris PK-SGB I, Stand Mai 2006, § 51 Rdnrn. 48ff.; Pilz in Gagel, SGB III, Stand März 2007, § 333 Rdnr. 8ff; Seewald in Kassler Kommentar, Stand März 2007, § 51 Rdnr. 21; offen gelassen in dem der vorzitierten Entscheidung des 4. Senates nachfolgenden Urteil des BSG vom 10.12.2003 - B 5 RJ 18/03 R - SozR 4-1200 § 52 Nr. 2; Radüge in Juris PK SGB II, 2. Auflage 2007 zu § 65e SGB II; anderer Ansicht noch Urteil des BSG vom 27.03.1996 - 14 REg 10/95 - SozR 3-1200 § 51 Nr. 5 - ;Conradis in LPK-BSHG, § 25a Rdnrn. 14ff; derselbe in LPK-SGB II § 43 Rdnrn. 19ff; Hauck/Noftz, SGB I, Stand März 2007, § 51 Rdnr. 5; Schaefer in Fichtner/Wenzel, Kommentar zur Grundsicherung, 3. Auflage, § 26 Rdnr. 17.; Streichsbier in Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 26 SGB XII Rdnr. 11 sowie derselbe a.a.0. § 43 SGB II Rdnr. 2 alle jeweils mit weiteren Nachweisen).

Zu einer Festlegung in der weiterhin streitigen Frage, ob eine Aufrechnung gegen sozialrechtliche Leistungsansprüche überhaupt zulässigerweise durch Verwaltungsakt vorgenommen werden kann (anhängig beim BSG unter B 11a AL 42/07 R), bietet der vorliegende Fall keine Veranlassung, denn die Aufrechnungserklärung der Antragsgegnerin vom 28.02.2007 bietet nach Form, Inhalt und fehlender Rechtsbehelfsbelehrung keinerlei Anhalt für die Annahme eines (Formal-) Verwaltungaktes. Ebensowenig liegt der Sonderfall vor, dass die Aufrechnung zusammen mit einer als Verwaltungsakt anfechtbaren Bewilligung in verminderter Höhe erklärt wurde. Denn die Beklagte hat die Leistungshöhe aus den Bescheiden vom 31.10.2006 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 06.11.2006 für den Zeitraum bis 30.04.2007 und aus dem Bescheid vom 27.03.2007 für den Folgezeitraum ab dem 01.05.2007 unverändert gelassen.

Ein Anspruch auf Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG besteht jedoch mangels eines Anordnungsanspruchs nicht, denn die Antragstellerin hat infolge einer von der Antragsgegnerin ab dem 01.04.2007 wirksam vorgenommenen Aufrechnung nach §§ 43, 65e SGB II keinen Anspruch auf Auszahlung ihrer bewilligten Leistungen nach dem SGB II ohne Minderung durch die Aufrechnung (mehr).

Mit der Erklärung vom 28.02.2007 hat die Antragsgegnerin eine wirksame Aufrechnung nach § 43 SGB II vorgenommen. Insbesondere besteht im Hinblick auf den Rückforderungsanspruch der Beigeladenen aus dem bestandskräftigen Bescheid vom 25.01.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2005 und dem Leistungsanspruch der Antragstellerin aus den genannten Bewilligungsbescheiden eine Aufrechnungslage. Denn es stehen sich der fällige Rückforderungsanspruch der Beigeladenen gegen die Antragstellerin und deren erfüllbaren Leistungsanspruch gegen die Antragsgegnerin im Gegenseitigkeitsverhältnis (vgl. § 65e S. 1 SGB II) gegenüber. Nach dem Wortlaut der Aufrechnungserklärung vom 28.02.2007 hat die Antragsgegnerin das von ihr nach § 43 SGB II auszuübende Ermessen auch betätigt. Entgegen der Meinung der Antragstellerin ist diese hierbei nicht durch Erklärungen der Beigeladenen gebunden, wonach bei fortbestehender Bedürftigkeit die Forderung aus dem Bescheid vom 21.05.2005 nicht geltend gemacht werde. Der diesbezüglichen Formulierungen im Widerspruchsbescheid vom 29.06.2005 ist klar zu entnehmen, dass die Forderung "zunächst bis zum 31.12.2005 gestundet" würde. Auch einem späteren Schreiben der Beigeladenen vom 21.12.2005 ist nach der Wiedergabe in der Antragsschrift keine Selbstbindung zu entnehmen, da dort lediglich von einer "sofortigen Beitreibung der Forderung" abgesehen wurde. Demnach war weder die Beigeladene bei Anmeldung ihres Erstattungsanspruches gegenüber der Antragsgegnerin noch diese bei der Durchführung der Aufrechnung ab dem 01.04.2007 infolge einer eingetretenen Selbstbindung gehalten, bei fortbestehendem Bezug von Leistungen nach dem SGB II keine Aufrechnung vorzunehmen. Die vorgenommene Höhe der Aufrechnung von 50,00 EUR monatlich wahrt das durch § 43 Satz 1 SGB II vorgegebene Maß von 30 v.H. der für den Hilfebedürftigen maßgeblichen Regelleistungen, das im Falle der Antragstellerin eine Aufrechnung i.H. von maximal 103,50 EUR monatlich zuließe.

Insbesondere ist die vorgenommene Aufrechnung auch nicht wegen Ablaufes der Frist nach § 63e Satz 2 SGB II ausgeschlossen. Diese Frist beginnt zur Überzeugung des Senats frühestens mit dem Inkrafttreten der Norm am 01.08.2006 und lässt bei durchgehendem Bezug von Leistungen nach dem SGB II ab diesem Zeitpunkt eine Aufrechnung dementsprechend bis zum 31.07.2008 zu. § 65e SGB II n.F. wurde eingeführt durch das auch im Übrigen im Wesentlichen zum 01.08.2006 in Kraft getretenen Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende vom 20.07.2006 (BGBl I 1706, Art. I Nr. 52, Art. 16).

Mit Einführung von § 65e SGB II n.F.sollte eine Lücke geschlossen werden, die deswegen bestand, weil § 43 SGB II nur Aufrechnungen "mit Ansprüchen der Träger von Leistungen nach diesem Buch" erlaubt hat und eine Aufrechnung von Altforderungen der BSHG-Träger aus dem Zeitraum bis zum 31.12.2004 gegenüber Leistungen nach dem SGB II damit ausgeschlossen war (vgl. zur Rechtslage vor Einführung von § 65e SGB II n.F. Conradis in LPK-SGB II, 1. Aufl., § 43 Rdnr. 6; Eicher in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 43 Rdnr. 8, 17).

Dem wollte der Gesetzgeber mit Einführung von § 65e SGB II n.F. erkennbar Rechnung tragen. In der Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende heißt es (BT-DrS 16/1410 vom 09.05.2006 zu Nr. 52, § 65e): "Nach der geltenden Rechtslage ist eine Aufrechnung mit Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nur mit Ansprüchen der SGB - II- Leistungsträger möglich. Nach Systematik und Sinn der Regelung kann § 43 nur so verstanden werden, dass ausschließlich mit Ansprüchen nach dem SGB II aufgerechnet werden kann, nicht so, dass die Träger der Leistungen nach diesem Buch - also Bundesagentur für Arbeit oder kommunaler Träger - aufrechnen können. Daraus folgt eine Regelungslücke für die Altfälle des BSHG in der bis 31. Dezember 2004 geltenden Fassung. Es ist sachgerecht, den früheren Trägern der Sozialhilfe in einer § 43 vergleichbaren Ausgangssituation eine Verrechnungsmöglichkeit zu geben. Auf diese Weise wird für die Altfälle Kontinuität geschaffen".

Weder der Wortlaut von § 65e noch die wiedergegebene Gesetzesbegründung geben Aufschluss über den Beginn der Zweijahresfrist aus § 65e Satz 2 SGB II n.F. Er ist demzufolge durch Auslegung zu bestimmen. Regelmäßig maßgebend für die Auslegung einer Gesetzesbestimmung ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den die Norm hineingestellt ist (u.a. Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 30.03.2004 - 2 BvR 1520/01, 2 BvR 1521/01 = BVerfGE 110, 226ff m.w.N.).

Die so vorzunehmende Auslegung ergibt zur Überzeugung des Senats, dass der durch § 65e Satz 2 SGB II n.F. beschriebene Aufrechnungszeitraum der ersten 2 Jahre der Leistungserbringung frühestens am 01.08.2006 beginnt (a.A. Beschluss des LSG Hamburg vom 30.07.2007 - L 5 B 263/07 ER AS- ; Berlit in LPK-SGB II, 2. Auflage, § 65e Rdnr. 7).

Bereits der Wortlaut der Norm legt diese Auslegung nahe. § 65e Satz 2 SGB II n.F. beschränkt "die Aufrechnung wegen eines Anspruchs nach Satz 1". Die durch § 65e Satz 1 SGB II n.F. zugelassene Aufrechnungsmöglichkeit selbst besteht jedoch erst ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens am 01.08.2006. Für eine rückwirkende "Legalisierung" von in der Vergangenheit - unter Verkennung der Grenzen nach § 43 SGB II - vorgenommenen Aufrechnung zu Gunsten von BSHG-Leistungsträgern bietet der Wortlaut keinen Anhalt. Eine dementsprechende Absicht kann dem Gesetzgeber schon wegen der hiermit verbundenen Rückwirkungsproblematik auch nicht unterstellt werden. Ebenso wenig ist anzunehmen, dass der Gesetzgeber in § 65e Satz 2 SGB II n.F. eine Aufrechnungsmöglichkeit für einen Übergangszeitraum von 2 Jahren und damit hinsichtlich der Länge in etwa orientiert an der Dauer der Aufrechnungsmöglichkeit von 3 Jahren nach § 43 Satz 3 SGB II habe schaffen und sogleich für eine abzusehende Vielzahl von Leistungsfällen mit lückenlosem Leistungsbezug nach dem 01.01.2005 zugleich zu 5/6 des zulässigen Aufrechnungszeitraumes wieder außer Kraft setzen wollen. Damit hätte der Gesetzgeber angesichts der geringen, durch § 43 Satz 1 SGB II zudem auf 30 v.H. der Regelleistung beschränkten Höhe der für die Aufrechnung zur Verfügung stehenden Leistungen, sehenden Auges in Kauf genommen, dass die tatsächliche Aufrechnungsmöglichkeit des BSGH-Trägers beim Inkrafttreten von § 65e SGB II n.F. von der Zufälligkeit abhing, in welcher Dauer Regelleistungen nach dem SGB II bis zum 01.08.2006 bereits bezogen worden waren. Dies ist nicht anzunehmen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG in entsprechender Anwendung.

Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren steht der Antragstellerin nach §§ 73a SGG, 114 ZPO zu, da sie als Bezieherin von Leistungen nach dem SGB II nicht in der Lage ist, die Kosten der Rechtsverfolgung selbst zu bestreiten. Die Erfolgsaussichten der Rechtsverteidigung sind nicht zu prüfen, weil die Gegenseite Beschwerde eingelegt hat (§ 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO).

Dieser Beschluss ist nach § 177 SGG endgültig.
Rechtskraft
Aus
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