Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 8 An 388/97
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 14 RA 39/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold vom 06. Mai 1998 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Anspruch des Klägers auf Witwerrente gemäß § 105 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) ausgeschlossen ist, weil der Kläger den Tod seiner Ehefrau vorsätzlich herbeigeführt hat.
Der am 00.00.1936 geborene Kläger wurde mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 30.01.1989 (000 StA C) wegen Totschlags an seiner Ehefrau und eines weiteren Opfers jeweils in einem minderschweren Fall zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt, die er inzwischen verbüßt hat. Nach den Ausführungen in dem Strafurteil (Seite 21 ff.) beruhen die Feststellungen des Landgerichts zur Schuldfähigkeit des Klägers auf den Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Oberarztes Dr. med. S ... sowie des Psychologen und Psychologie-Oberrates K ..., beide vom Niedersächsischen Landeskrankenhaus in G. Die Untersuchungen des Klägers durch diese Sachverständigen hätten ergeben, daß er überdurchschnittlich intelligent und körperlich und geistig völlig gesund sei. So leide der Kläger insbesondere nicht an einer Psychose oder sonstigen krankhaften seelischen Störung. Die Sachverständigen seien jedoch zu dem Ergebnis gekommen, daß der Kläger mittelgradig neurotisch gestört sei, was im forensischen Sinn jedoch nicht als schwere seelische Abartigkeit anzusehen sei. Die Neurose äußere sich in Minderwertigkeitsgefühlen, Selbstzweifeln, Leistungshemmung, einer infantilen Abhängigkeit von der Ehefrau, einer sozialen Inkompetenz, einer deutlichen Introvertiertheit sowie in einer Tendenz zur Konfliktvermeidung und zum Ausweichverhalten. Mit der von den Sachverständigen angenommenen zunehmenden Labilisierung sei der Aufbau eines solchen Affektsplateaus einhergegangen, daß bei Begehung der Taten, die als eruptiver Durchbruch destruktiver Impulse, von Wut und Agressivität zu verstehen seien, mit hoher Wahrscheinlichkeit, so der Sachverständige K ..., bzw. mit Sicherheit, so der Sachverständige Dr. S ..., eine tiefgreifende Bewußtseinsstörung vorgelegen habe. Aufgrund dieser sei die Fähigkeit des Klägers, sich der vorhandenen Einsicht gemäß adäquat zu steuern, erheblich vermindert gewesen. Demgegenüber seien Anhaltspunkte für einen Ausschluß der situativen Orientierung und entsprechender Steuerungsfähigkeit nicht gegeben. Demgemäß ist das Landgericht bei seiner Entscheidung davon ausgegangen, daß der Kläger jedenfalls sehr wahrscheinlich aufgrund einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert gewesen ist. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Strafurteil (Bl. 25 ff. der Verwaltungsakten der Beklagten) verwiesen.
Nach Verbüßung der Haft beantragte der Kläger am 05.12.1996 die Gewährung von Witwerrente. Mit Bescheid vom 10.01.1997 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Witwerrente ab und führte zur Begründung aus, daß gemäß § 105 SGB VI kein Anspruch auf Rente wegen Todes bestehe, da der Kläger den Tod seiner Ehefrau vorsätzlich herbeigeführt bzw. nach Maßgabe strafrechtlicher Grundsätze zumindest billigend in Kauf genommen habe.
Zur Begründung des dagegen am 10.02.1997 erhobenen Widerspruchs trug der Kläger vor, die Beklagte habe außer Acht gelassen, daß er im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit gehandelt habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.09.1997 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch mit der Begründung zurück, die Vorschrift des § 105 SGB VI über den Ausschluß der Witwerrente finde nur dann keine Anwendung, wenn eine Schuldunfähigkeit im Sinne des § 20 Strafgesetzbuch (StGB) vorliege. Die vom Kläger angeführten Urteile des Sozialgerichts Frankfurt vom 18.10.1994 (Az.: S-4/An-106/93) sowie das dasselbe Verfahren betreffende Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 28.11.1995 (Az.: L-2/An-80/95) führten zu keinem anderen Ergebnis, da in dem dortigen Fall von den beiden Gerichten festgestellt worden sei, daß die betreffende Hinterbliebene schuldunfähig nach § 20 StGB gewesen sei und damit den Tod nicht gemäß § 105 SGB VI vorsätzlich herbeigeführt habe.
Gegen den am 17.09.1997 abgesandten Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 16.10.1997 Klage erhoben und zur Begründung insbesondere auf das o.g. Urteil des Sozialgerichts Frankfurt sowie ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf verwiesen. Die Beklagte hat an ihren angefochtenen Verwaltungsentscheidungen festgehalten.
Im Einverständnis mit den Beteiligten hat das Sozialgericht durch Gerichtsbescheid vom 06.05.1998 entschieden und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es i. w. ausgeführt, im vorliegenden Fall seien die Voraussetzungen des § 105 SGB VI gegeben, wonach ein Anspruch auf Rente wegen Todes nicht für Personen bestehe, die den Tod vorsätzlich herbeigeführt hätten. Der Kläger habe den Tod seiner verstorbenen Ehefrau vorsätzlich herbeigeführt. Aus dem Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 30.01.1989 ergebe sich, daß er wegen Totschlags verurteilt worden sei. Hierbei handele es sich um die Verurteilung wegen einer Vorsatz tat. Auch wenn dem Kläger verminderte Schuldfähigkeit zugebilligt worden sei, ändere dies nichts an der Grundtatbestandsvoraussetzung einer Vorsatztat. Allein das Vorliegen dieser Voraussetzung schließe bereits den Witwerrentenanspruch aus. Auf den Grad des Verschuldens komme es nach dem Wortlaut des § 105 SGB VI nämlich nicht an. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheides Bezug genommen. Der Gerichtsbescheid enthält die Rechtsmittelbelehrung, die Berufungsfrist betrage für den Kläger drei Monate, weil die Zustellung außerhalb des Geltungsbereichs des Sozialgerichtsgesetzes erfolge.
Gegen den am 22.05.1998 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger mit am 24.08.1998 (Montag) beim Landessozialgericht eingegangenem Schreiben Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, das Sozialgericht sei mit keinem Wort auf die von ihm angeführten Urteile des Sozialgerichts Frankfurt und des Landesarbeitsgerichtes Düsseldorf eingegangen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold vom 06. Mai 1998 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10.01.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.09.1997 zu verurteilen, ihm Witwerrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Der Senat hat die o.g. Urteile des Sozialgerichts Frankfurt und des Hessischen Landessozialgerichts in Kopie beigezogen und den Beteiligten zugeleitet. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und den der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist trotz der Fristversäumung zulässig. Die Rechtsmittelbelehrung des Gerichtsbescheides war nämlich unzutreffend, da trotz des Wohnsitzes des Klägers im Inland die Frist von drei Monaten für Auslandszustellungen genannt wurde. Diese unzutreffende Rechtsmittelbelehrung führt gemäß § 66 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) dazu, daß die Einlegung der Berufung innerhalb eines Jahres nach Zustellung möglich ist. Diese Jahresfrist ist im vorliegenden Fall gewahrt.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, daß der Kläger gemäß § 105 SGB VI keinen Anspruch auf Witwerrente nach § 46 SGB VI hat, weil er den Tod seiner Ehefrau vorsätzlich herbeigeführt hat. Aus dem Strafurteil des Landgerichts Bielefeld vom 30.01.1989 sowie den im Strafverfahren durchgeführten neurologisch-psychiatrischen und psychologischen Untersuchungen ergibt sich, daß der Kläger bei der Tötung seiner Ehefrau zwar in seiner Schuldfähigkeit erheblich gemindert war. Ein völliger Ausschluß der Schuldfähigkeit lag jedoch entgegen der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Auffassung nicht vor. Der Vorsatz war bei der Tat somit nicht ausgeschlossen; demgemäß ist der Kläger auch vom Landgericht wegen vorsätzlichen Totschlags verurteilt worden. Dies führt gemäß § 105 SGB VI dazu, daß ein Anspruch des Klägers auf Witwerrente ausgeschlossen ist.
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der beigezogenen Urteile des Hessischen Landessozialgerichts und des Sozialgerichts Frankfurt, auf die sich der Kläger beruft. In dem vom Sozialgericht Frankfurt und vom Hessischen Landessozialgericht entschiedenen Fall sind diese Gerichte davon ausgegangen, daß die Klägerin im dortigen Verfahren ihren Ehemann im Zustand der Schuldunfähigkeit und nicht nur - wie der Kläger in diesem Verfahren - im Zustand erheblich geminderter Schuldfähigkeit getötet hat. In dem den genannten Urteilen zugrunde liegenden Verfahren ist die dortige Klägerin im Strafverfahren auch nicht bestraft worden, sondern ihre Unterbringung in einem Psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden. Bei einer Tat im Zustand völliger Schuldunfähigkeit ist grundsätzlich der Vorsatz ausgeschlossen, so daß § 105 SGB VI dem Hinterbliebenenrentenanspruch nicht entgegensteht.
Für den hier vorliegenden Fall der erheblich geminderten Schuldfähigkeit bei der Tat ist jedoch nach gefestigter Rechtsprechung der Hinterbliebenenrentenanspruch - auch bei Annahme eines minderschweren Falles - gemäß § 105 SGB VI ausgeschlossen (vgl. Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 105 SGB VI, Rdn. 4). Insoweit wird auch auf die von der Beklagten im Widerspruchsbescheid zutreffend zitierte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts verwiesen. Soweit der Kläger sich auf ein von ihm angeführtes Urteil des Landesarbeitssgerichts Düsseldorf beruft, ist festzustellen, daß für die arbeitsrechtliche und die sozialrechtliche Beurteilung eines solchen Falles unterschiedliche gesetzliche Regelungen bestehen und daher ein Vergleich nicht möglich ist.
Die Berufung konnte daher keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die dafür erforderlichen Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 bzw. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Anspruch des Klägers auf Witwerrente gemäß § 105 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) ausgeschlossen ist, weil der Kläger den Tod seiner Ehefrau vorsätzlich herbeigeführt hat.
Der am 00.00.1936 geborene Kläger wurde mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 30.01.1989 (000 StA C) wegen Totschlags an seiner Ehefrau und eines weiteren Opfers jeweils in einem minderschweren Fall zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt, die er inzwischen verbüßt hat. Nach den Ausführungen in dem Strafurteil (Seite 21 ff.) beruhen die Feststellungen des Landgerichts zur Schuldfähigkeit des Klägers auf den Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Oberarztes Dr. med. S ... sowie des Psychologen und Psychologie-Oberrates K ..., beide vom Niedersächsischen Landeskrankenhaus in G. Die Untersuchungen des Klägers durch diese Sachverständigen hätten ergeben, daß er überdurchschnittlich intelligent und körperlich und geistig völlig gesund sei. So leide der Kläger insbesondere nicht an einer Psychose oder sonstigen krankhaften seelischen Störung. Die Sachverständigen seien jedoch zu dem Ergebnis gekommen, daß der Kläger mittelgradig neurotisch gestört sei, was im forensischen Sinn jedoch nicht als schwere seelische Abartigkeit anzusehen sei. Die Neurose äußere sich in Minderwertigkeitsgefühlen, Selbstzweifeln, Leistungshemmung, einer infantilen Abhängigkeit von der Ehefrau, einer sozialen Inkompetenz, einer deutlichen Introvertiertheit sowie in einer Tendenz zur Konfliktvermeidung und zum Ausweichverhalten. Mit der von den Sachverständigen angenommenen zunehmenden Labilisierung sei der Aufbau eines solchen Affektsplateaus einhergegangen, daß bei Begehung der Taten, die als eruptiver Durchbruch destruktiver Impulse, von Wut und Agressivität zu verstehen seien, mit hoher Wahrscheinlichkeit, so der Sachverständige K ..., bzw. mit Sicherheit, so der Sachverständige Dr. S ..., eine tiefgreifende Bewußtseinsstörung vorgelegen habe. Aufgrund dieser sei die Fähigkeit des Klägers, sich der vorhandenen Einsicht gemäß adäquat zu steuern, erheblich vermindert gewesen. Demgegenüber seien Anhaltspunkte für einen Ausschluß der situativen Orientierung und entsprechender Steuerungsfähigkeit nicht gegeben. Demgemäß ist das Landgericht bei seiner Entscheidung davon ausgegangen, daß der Kläger jedenfalls sehr wahrscheinlich aufgrund einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert gewesen ist. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Strafurteil (Bl. 25 ff. der Verwaltungsakten der Beklagten) verwiesen.
Nach Verbüßung der Haft beantragte der Kläger am 05.12.1996 die Gewährung von Witwerrente. Mit Bescheid vom 10.01.1997 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Witwerrente ab und führte zur Begründung aus, daß gemäß § 105 SGB VI kein Anspruch auf Rente wegen Todes bestehe, da der Kläger den Tod seiner Ehefrau vorsätzlich herbeigeführt bzw. nach Maßgabe strafrechtlicher Grundsätze zumindest billigend in Kauf genommen habe.
Zur Begründung des dagegen am 10.02.1997 erhobenen Widerspruchs trug der Kläger vor, die Beklagte habe außer Acht gelassen, daß er im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit gehandelt habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.09.1997 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch mit der Begründung zurück, die Vorschrift des § 105 SGB VI über den Ausschluß der Witwerrente finde nur dann keine Anwendung, wenn eine Schuldunfähigkeit im Sinne des § 20 Strafgesetzbuch (StGB) vorliege. Die vom Kläger angeführten Urteile des Sozialgerichts Frankfurt vom 18.10.1994 (Az.: S-4/An-106/93) sowie das dasselbe Verfahren betreffende Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 28.11.1995 (Az.: L-2/An-80/95) führten zu keinem anderen Ergebnis, da in dem dortigen Fall von den beiden Gerichten festgestellt worden sei, daß die betreffende Hinterbliebene schuldunfähig nach § 20 StGB gewesen sei und damit den Tod nicht gemäß § 105 SGB VI vorsätzlich herbeigeführt habe.
Gegen den am 17.09.1997 abgesandten Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 16.10.1997 Klage erhoben und zur Begründung insbesondere auf das o.g. Urteil des Sozialgerichts Frankfurt sowie ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf verwiesen. Die Beklagte hat an ihren angefochtenen Verwaltungsentscheidungen festgehalten.
Im Einverständnis mit den Beteiligten hat das Sozialgericht durch Gerichtsbescheid vom 06.05.1998 entschieden und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es i. w. ausgeführt, im vorliegenden Fall seien die Voraussetzungen des § 105 SGB VI gegeben, wonach ein Anspruch auf Rente wegen Todes nicht für Personen bestehe, die den Tod vorsätzlich herbeigeführt hätten. Der Kläger habe den Tod seiner verstorbenen Ehefrau vorsätzlich herbeigeführt. Aus dem Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 30.01.1989 ergebe sich, daß er wegen Totschlags verurteilt worden sei. Hierbei handele es sich um die Verurteilung wegen einer Vorsatz tat. Auch wenn dem Kläger verminderte Schuldfähigkeit zugebilligt worden sei, ändere dies nichts an der Grundtatbestandsvoraussetzung einer Vorsatztat. Allein das Vorliegen dieser Voraussetzung schließe bereits den Witwerrentenanspruch aus. Auf den Grad des Verschuldens komme es nach dem Wortlaut des § 105 SGB VI nämlich nicht an. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheides Bezug genommen. Der Gerichtsbescheid enthält die Rechtsmittelbelehrung, die Berufungsfrist betrage für den Kläger drei Monate, weil die Zustellung außerhalb des Geltungsbereichs des Sozialgerichtsgesetzes erfolge.
Gegen den am 22.05.1998 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger mit am 24.08.1998 (Montag) beim Landessozialgericht eingegangenem Schreiben Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, das Sozialgericht sei mit keinem Wort auf die von ihm angeführten Urteile des Sozialgerichts Frankfurt und des Landesarbeitsgerichtes Düsseldorf eingegangen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold vom 06. Mai 1998 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10.01.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.09.1997 zu verurteilen, ihm Witwerrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Der Senat hat die o.g. Urteile des Sozialgerichts Frankfurt und des Hessischen Landessozialgerichts in Kopie beigezogen und den Beteiligten zugeleitet. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und den der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist trotz der Fristversäumung zulässig. Die Rechtsmittelbelehrung des Gerichtsbescheides war nämlich unzutreffend, da trotz des Wohnsitzes des Klägers im Inland die Frist von drei Monaten für Auslandszustellungen genannt wurde. Diese unzutreffende Rechtsmittelbelehrung führt gemäß § 66 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) dazu, daß die Einlegung der Berufung innerhalb eines Jahres nach Zustellung möglich ist. Diese Jahresfrist ist im vorliegenden Fall gewahrt.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, daß der Kläger gemäß § 105 SGB VI keinen Anspruch auf Witwerrente nach § 46 SGB VI hat, weil er den Tod seiner Ehefrau vorsätzlich herbeigeführt hat. Aus dem Strafurteil des Landgerichts Bielefeld vom 30.01.1989 sowie den im Strafverfahren durchgeführten neurologisch-psychiatrischen und psychologischen Untersuchungen ergibt sich, daß der Kläger bei der Tötung seiner Ehefrau zwar in seiner Schuldfähigkeit erheblich gemindert war. Ein völliger Ausschluß der Schuldfähigkeit lag jedoch entgegen der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Auffassung nicht vor. Der Vorsatz war bei der Tat somit nicht ausgeschlossen; demgemäß ist der Kläger auch vom Landgericht wegen vorsätzlichen Totschlags verurteilt worden. Dies führt gemäß § 105 SGB VI dazu, daß ein Anspruch des Klägers auf Witwerrente ausgeschlossen ist.
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der beigezogenen Urteile des Hessischen Landessozialgerichts und des Sozialgerichts Frankfurt, auf die sich der Kläger beruft. In dem vom Sozialgericht Frankfurt und vom Hessischen Landessozialgericht entschiedenen Fall sind diese Gerichte davon ausgegangen, daß die Klägerin im dortigen Verfahren ihren Ehemann im Zustand der Schuldunfähigkeit und nicht nur - wie der Kläger in diesem Verfahren - im Zustand erheblich geminderter Schuldfähigkeit getötet hat. In dem den genannten Urteilen zugrunde liegenden Verfahren ist die dortige Klägerin im Strafverfahren auch nicht bestraft worden, sondern ihre Unterbringung in einem Psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden. Bei einer Tat im Zustand völliger Schuldunfähigkeit ist grundsätzlich der Vorsatz ausgeschlossen, so daß § 105 SGB VI dem Hinterbliebenenrentenanspruch nicht entgegensteht.
Für den hier vorliegenden Fall der erheblich geminderten Schuldfähigkeit bei der Tat ist jedoch nach gefestigter Rechtsprechung der Hinterbliebenenrentenanspruch - auch bei Annahme eines minderschweren Falles - gemäß § 105 SGB VI ausgeschlossen (vgl. Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 105 SGB VI, Rdn. 4). Insoweit wird auch auf die von der Beklagten im Widerspruchsbescheid zutreffend zitierte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts verwiesen. Soweit der Kläger sich auf ein von ihm angeführtes Urteil des Landesarbeitssgerichts Düsseldorf beruft, ist festzustellen, daß für die arbeitsrechtliche und die sozialrechtliche Beurteilung eines solchen Falles unterschiedliche gesetzliche Regelungen bestehen und daher ein Vergleich nicht möglich ist.
Die Berufung konnte daher keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die dafür erforderlichen Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 bzw. 2 SGG nicht erfüllt sind.
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