L 5 AL 2/06

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 14 AL 235/03
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 5 AL 2/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 13. Juli 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Der Klägerin werden Kosten nach § 192 SGG in Höhe von 300 Euro auferlegt. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit steht die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosenhilfe.

Die 1969 geborene Klägerin stand – mit Unterbrechungen – seit 1997 im Leistungsbezug der Beklagten. In einem am 8. Juli 1997 durchgeführten Beratungsgespräch, in dem sie die Förderung eines Praktikums bei einer Rundfunkanstalt begehrte, wurde sie ausweislich des Beratungsvermerks nach Hinweis darauf, dass eine Förderung nicht möglich sei, eingehend über den Inhalt des – die Verfügbarkeit von Arbeitslosen regelnden – § 103 Arbeitsförderungsgesetz a.F. sowie darüber informiert, dass die Verfügbarkeit während eines Praktikums nicht unterstellt werden könne.

Nach kurzzeitiger, durch die Gewährung von Übergangsgeld geförderter Selbständigkeit als Redakteurin meldete sich die Klägerin am 16. November 2000 erneut bei der Beklagten arbeitslos. Mit Bescheid vom 21. November 2000 (in der Fassung des Änderungsbescheides vom 3. Januar 2001 sowie der Änderungsbescheide vom 27. März 2001 bzw. 29. März 2001) gewährte ihr diese antragsgemäß Arbeitslosengeld ab 16. November 2000, das bis zum 14. April 2001 gezahlt wurde.

Am 14. März 2001 beantragte die Klägerin Arbeitslosenhilfe. Die unter Ziffer 2e des Antragsformulars gestellte Frage ´Ich bin/werde Schüler(in)/Student(in) einer Schule, Hochschule oder sonstigen Ausbildungsstätte` verneinte sie durch Ankreuzen des vorgesehenen Feldes ´Nein`. Mit Bescheid vom 3. April 2001 bewilligte ihr die Beklagte Arbeitslosenhilfe, die vom 15. April bis 30. November 2001 gezahlt wurde.

Bereits am 22. Januar 2001 hatte die Klägerin mit der W. Training AG in Hamburg einen Ausbildungsvertrag über die Teilnahme an einer Ausbildung zur Fachzeitschriftenredakteurin geschlossen. Der Vertrag sah eine Lehrgangsdauer vom 22. Januar bis zum 26. November 2001 mit 170 Arbeitstagen Theorie und 30 Arbeitstagen Praktikum vor (Nr. 3 des Vertrages). Die Kosten der Ausbildung betrugen insgesamt DM 13.572,80 (Nr. 4). Die täglichen Seminarzeiten waren vom Maßnahmeträger bei Beginn der Ausbildung festzulegen (Nr. 8); während der Seminarzeiten bestand Anwesenheitspflicht, deren Einhaltung durch die Führung von Anwesenheitslisten überprüft wurde (Nr. 9). Ein Rücktritt vom Vertrag war innerhalb von 14 Tagen nach Vertragsschluss, längstens jedoch bis zum Maßnahmebeginn möglich (Nr. 6). Zur Kündigung waren Teilnehmer mit einer Frist von sechs Wochen zum Ende des dritten Kalendermonats nach Beginn der Ausbildung sowie zum Ende der jeweils weiteren drei Kalendermonate berechtigt; lehrgangsbezogene Kosten waren dann gemäß der bis zum Kündigungstermin erbrachten bzw. zu erbringenden Leistungen des Maßnahmeträgers tagesgenau zu berechnen (Nr. 7).

Die Klägerin nahm bis zum 26. November 2001 auf eigene Kosten an dieser Maßnahme teil. Nachdem sie der Beklagten bei einem am 3. Dezember 2001 geführten Beratungsgespräch mitgeteilt hatte, dass sie seit dem 26. Januar 2001 privat eine Fortbildung in Vollzeit besucht habe, hob diese mit Bescheid vom selben Tage die Bewilligung von Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosenhilfe für die Zeit ab dem 26. Januar 2001 auf, weil die Klägerin wegen der Teilnahme an der Ausbildungsmaßnahme nicht mehr arbeitslos gewesen sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Januar 2003 wies die Beklagte den gegen den Bescheid vom 3. Dezember 2001 erhobenen Widerspruch der Klägerin, in dem diese vorgetragen hatte, sie wäre beim Nachweis einer Beschäftigungsmöglichkeit sofort in der Lage gewesen, die Beschäftigung anzutreten, zurück. Die Aufhebung der Bewilligungsentscheidung über Arbeitslosengeld sei zu Recht nach § 48 Sozialgesetzbuch – Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – SGB X, derjenigen über Arbeitslosenhilfe zu Recht nach § 45 SGB X erfolgt. Die Klägerin sei wegen der Teilnahme an der Vollzeitmaßnahme der beruflichen Weiterbildung gehindert gewesen, ohne Verzug eine zumutbare Beschäftigung aufzunehmen; es sei davon auszugehen, dass sie neben der Teilnahme an der Bildungsmaßnahme keiner versicherungspflichtigen marktüblichen Beschäftigung habe nachgehen können. Sie habe daher den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes ab dem 26. Januar 2001 nicht mehr zur Verfügung gestanden und sei mithin nicht mehr arbeitslos gewesen. Die Klägerin habe ihr die Teilnahme an der Fortbildungsmaßnahme nicht rechtzeitig mitgeteilt. Sie habe aus dem Merkblatt für Arbeitslose, dessen Erhalt und Kenntnisnahme sie mit ihrer Unterschrift auf dem Antragsformular ausdrücklich bestätigt habe, wissen müssen, dass sie Veränderungen in den tatsächlichen Verhältnissen dem Arbeitsamt unverzüglich mitzuteilen gehabt habe. Darüber hinaus habe sie aus dem Merkblatt wissen müssen, dass sie für Vermittlungsbemühungen nicht zur Verfügung stehe, wenn sie keine versicherungspflichtige Beschäftigung ausüben könne. Sie könne sich somit nicht auf Vertrauensschutz berufen.

Mit weiterem Bescheid vom 12. Februar 2003 (in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. März 2003) begehrte die Beklagte die Erstattung erbrachter Leistungen in Höhe von 8.181,06 Euro sowie von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 2.299,02 Euro (dieser Bescheid ist Gegenstand des Berufungsverfahrens zum Aktenzeichen L 5 AL 43/06).

Das Sozialgericht (SG) hat die gegen den Aufhebungsbescheid vom 3. Dezember 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. Januar 2003 erhobene und nachfolgend um die Anfechtung des Erstattungsbescheides erweiterte Klage durch Urteil vom 13. Juli 2005 abgewiesen. Zur Begründung hat es auf die Begründung der angefochtenen Widerspruchsbescheide Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, die bloße Bereitschaft, die Ausbildung abzubrechen, reiche nicht aus, sondern es müsse jederzeit und aktuell Verfügbarkeit gegeben sein; das sei nicht der Fall, wenn diese erst hergestellt werden müsse. Abgesehen davon könne auch nicht von der Erreichbarkeit für die Arbeitsverwaltung ausgegangen werden. Die Klägerin könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen, da ihr bekannt gewesen sei, wie eine Fortbildungsmaßnahme bei der Beklagten zu beantragen sei und sie die Fortbildung stattdessen heimlich besucht habe. Es sei für jedermann klar, dass der weitere Leistungsbezug rechtswidrig sei.

Hiergegen hat die Klägerin fristgerecht Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, ein Abbruch der Ausbildung für den Fall eines Arbeitsangebots sei vertraglich jederzeit möglich gewesen. Ein solches sei jedoch während der Ausbildungsdauer nicht gemacht worden. Ein Gespräch mit dem Ausbildungsträger habe ergeben, dass die Ausbildung auch von der Beklagten finanziert werde, die dafür vorgesehenen fünf Plätze indes bereits besetzt gewesen seien, so dass eine geförderte Teilnahme erst in einem Jahr möglich gewesen wäre. Leider habe sie dieser nicht darauf hingewiesen, dass sie als Selbstzahlerin nicht nur den Kurs bezahlen müsse, sondern auch den Anspruch auf Leistungen der Beklagten verliere. Entgegen der Aufassung des SG sei sie jederzeit und aktuell verfügbar gewesen. Sie habe täglich innerhalb der normalen Geschäftszeiten die Post gelesen und sei auch telefonisch erreichbar gewesen, da sie ihren Festnetzanschluss auf ihr Handy habe umleiten können. Die Situation während der Ausbildung sei nicht anders gewesen, als wenn sie täglich in ein Museum oder in den Zoo gegangen wäre. Sie habe den Kurs keineswegs heimlich besucht, wie das SG unterstelle, da sie die Beklagte sofort nach erfolgreichem Abschluss des Kurses hiervon in Kenntnis gesetzt habe. Sie habe bei dieser lediglich deswegen keine Förderung beantragt, weil sie bereits gewusst habe, dass deren Budget für diesen konkreten Kurs erschöpft gewesen sei. Die Beklagte habe sie nicht von sich aus auf diesen Kurs hingewiesen; wäre dies geschehen, wäre sie mit Sicherheit darüber aufgeklärt worden, dass Geldleistungen der Beklagten nur weitergezahlt worden wären, wenn diese die Fortbildung gefördert hätte. Sie sei überhaupt nicht auf den Gedanken gekommen, dass Selbstzahler, die ja nicht unerhebliche finanzielle Mittel in ihre Fortbildung steckten, durch Entziehung der Arbeitslosenunterstützung bestraft würden, während die Beklagte bei anderen Kursteilnehmern, die sich in derselben Situation wie sie befunden hätten, sowohl die Fortbildungskosten übernommen als auch weiter Geldleistungen erbracht hätte. Sie könne sich deshalb auf Vertrauensschutz berufen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 13. Juli 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 3. Dezember 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. Januar 2003 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 13. Juli 2005 zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Am Verhalten der Klägerin sei nicht die Aneignung zusätzlicher Kenntnisse zu bemängeln, sondern dass sie nicht das Gespräch mit der Beklagten gesucht und die Fördermöglichkeiten mit ihr erörtert habe, statt sich eigenmächtig für die Teilnahme zu entscheiden und sich den Lebensunterhalt über die Gemeinschaft der Beitragszahler sowie durch den Steuerzahler finanzieren zu lassen. Der Gesetzgeber habe jedoch mit Arbeitslosengeld und –hilfe Teilnehmer an Bildungsmaßnahmen (bis Ende 2004) ebensowenig fördern wollen wie beispielsweise Studenten, Auszubildende und Praktikanten. Dies sei der Klägerin bekannt gewesen, da ihr nicht allein mehrfach das Merkblatt für Arbeitslose ausgehändigt worden sei, das sie auf ihre Meldepflichten hingewiesen habe, sondern sie auch 1997 eingehend über die Verfügbarkeit belehrt und ihr verdeutlicht worden sei, dass beispielsweise während eines Praktikums die Verfügbarkeit nicht unterstellt werden könne. Die Klägerin habe während der Bildungsmaßnahme nicht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden, da der abgeschlossene Vertrag nur mit einer Frist von sechs Wochen zum Ende der jeweils weiteren drei Kalendermonate kündbar gewesen sei. Durch diese vertragliche Bindung sei sie nicht mehr imstande gewesen, Vorschlägen zur beruflichen Eingliederung zeitnah Folge zu leisten. Der Gesetzgeber habe inzwischen zur Klarstellung mit § 16 Abs. 2 Sozialgesetzbuch – Drittes Buch – Arbeitsförderung – SGB III explizit zum Ausdruck gebracht, dass Teilnehmer an Maßnahmen der aktiven Arbeitsförderung nicht als arbeitslos gelten. Auch das Bundessozialgericht (BSG) habe wiederholt entschieden, dass in vergleichbaren Fällen keine Verfügbarkeit bestanden habe. Die Verfügbarkeit könne nicht nach § 120 SGB III oder in entsprechender Anwendung dieser Vorschrift angenommen werden, da dies lediglich für die dort abschließend aufgeführten Betätigungen möglich sei. Wenn die Klägerin angebe, für die Teilnahme an der Bildungsmaßnahme gelte dasselbe wie für den Besuch eines Museums oder eines Zoos, so übersehe sie dabei, dass sie die freie Zeit zur eigenaktiven Beschäftigungssuche zu nutzen habe. Sie könne nicht schlüssig angeben, warum sie die Maßnahme nicht zu deren Beginn oder aber im Antrag auf Arbeitslosenhilfe, in dem sie nach Beschäftigungen wie auch Ausbildungsmaßnahmen befragt worden sei, angezeigt habe.

Mit Beschluss vom 27. April 2006 hat der Senat das den Erstattungsbescheid betreffende Verfahren von dem Verfahren L 5 AL 2/06 abgetrennt.

In der mündlichen Verhandlung am 4. Januar 2007 hat der Senat nach Zwischenberatung darauf hingewiesen, dass die Klägerin vom Materiellrechtlichen her keine reelle Chance habe. Auf Antrag der Beklagten ist das Verfahren zum Zwecke der Nachholung der unterbliebenen vorherigen Anhörung durch die Beklagte ausgesetzt worden. Mit Schreiben der Beklagten vom 29. März 2007 ist die Klägerin angehört worden. Diese hat sich mit Schreiben vom 10. Mai 2007 geäußert. Sie hält die Nachholung der Anhörung für unzulässig. Sie sei im Übrigen davon ausgegangen, dass ein Kursus, in den die Arbeitsverwaltung selber Arbeitslose zur Qualifizierung schicke, nicht unter die Weiterbildungsmaßnahmen fiele, die der Mitteilungspflicht unterlägen. Dies würde gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen. In der mündlichen Verhandlung am 28. Juni 2007 hat die Beklagte erklärt, dass sie an ihrer Entscheidung festhalte.

Der Senat hat in der Verhandlung am 28. Juni 2007 dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin noch einmal vor Augen gehalten, dass der Rechtsstreit für diese völlig aussichtslos sei. Auf seine Erklärung hin, dass er von seiner Mandantin den Auftrag erhalten habe, das Verfahren fortzusetzen, ist er darauf hingewiesen worden, dass eine solche prozessuale Verhaltensweise als missbräuchlich im Sinne des § 192 Sozialgerichtsgesetz (SGG) anzusehen sei. Er ist zudem ausdrücklich auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Prozessakten zu den Verfahren L 5 AL 2/06 und L 5 AL 43/06 und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch sonst zulässige Berufung (§§ 143, 151 SGG) ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig. Die Beklagte hat zu Recht die Bewilligungsentscheidungen über die Gewährung von Arbeitslosengeld ab dem 26. Januar 2001 sowie von Arbeitslosenhilfe ab dem 15. April 2001 aufgehoben.

Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Bewilligungsbescheide über Arbeitslosengeld vom 21. November 2000 und 3. Januar 2001 ist § 48 SGB X. Nach dessen Absatz 1 Satz 1 ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt; der Verwaltungsakt ist mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit einer der dort geregelten Tatbestände vorliegt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III).

Gegenüber den Verhältnissen, die bei Erlass des Bewilligungsbescheides über Arbeitslosengeld vorlagen, ist spätestens zum 26. Januar 2001 dadurch eine wesentliche Änderung eingetreten, dass die Klägerin ab diesem Zeitpunkt an einer Fortbildungsmaßnahme in Vollzeit teilnahm und somit nicht mehr arbeitslos war.

Eine der wesentlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Arbeitslosengeld ist gemäß § 117 Abs. 1 Nr. 1 SGB III a.F., dass ein Arbeitnehmer arbeitslos ist. Nach den – für die Gewährung von Arbeitslosenhilfe entsprechend geltenden (§ 198 Satz 2 Nr. 1 SGB III a.F.) – gesetzlichen Vorschriften ist ein Arbeitnehmer arbeitslos, der vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung sucht (§ 118 Abs. 1 SGB III a.F.). Eine Beschäftigung sucht nach § 119 Abs. 1 Nr. 2 SGB III a.F. derjenige, der den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung steht (Verfügbarkeit).

An dieser Verfügbarkeit fehlt es vorliegend. Den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes steht nach § 119 Abs. 2 SGB III a.F. nämlich nur derjenige zur Verfügung, der arbeitsfähig – also objektiv verfügbar – und arbeitsbereit – also subjektiv verfügbar – ist. Arbeitsbereit ist ein Arbeitsloser gemäß § 119 Abs. 3 SGB III a.F. nur dann, wenn er eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes aufnehmen und ausüben, an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilnehmen und Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann und darf. Die Regelung soll sicherstellen, dass nur der Arbeitslose Leistungen erhält, der Arbeitsangebote sofort annehmen kann (LSG Berlin, Urteil vom 10.6.2004, L 8 AL 20/02, Rn. 21 – juris). Eine anderweitige, auf Dauer angelegte Betätigung von Arbeitslosen, die – wie hier aus der im Ausbildungsvertrag verwendeten Formulierung ´Arbeitstage` ersichtlich – während der üblichen Arbeitszeiten stattfindet, steht ungeachtet der Bereitschaft (und Möglichkeit), die Maßnahme jederzeit abzubrechen, der Verfügbarkeit entgegen, da der Arbeitsvermittlung durch das Arbeitsamt aktuell nicht zur Verfügung steht, wer erst eine Tätigkeit aufgeben und damit eine bis zu diesem Zeitpunkt nicht vorhandene objektive Vermittelbarkeit herbeiführen muss (LSG Berlin a.a.O., Rn. 22). Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. u.a. Urteile vom 29.9.1987, 7 RAr 15/86 = SozR 4100 § 103 Nr. 39 S. 91 ff.; vom 28.10.1987, 7 RAr 80/86 = AuB 1989, S. 338 ff.; vom 29.11.1989, 7 RAr 8/89 = SozR 4100 § 103 Nr. 46 S. 127 f.; vom 24.4.1997, 11 RAr 39/96, Rn. 11 – juris; vom 17.7.1997, 7 RAr 12/96, Rn. 15 – juris und 7 RAr 106/96, Rn. 14 – juris; vom 8.2.2001, B 11 AL 111/99 R, Rn. 12 f. – juris; vom 18.3.2004, B 11 AL 59/03 R = SozR 4-4300 § 53 Nr. 1 Rn. 7 f. und vom 31.1.2006, B 11a AL 15/05 R, Rn. 19 – juris sowie Beschluss vom 16.3.2005, B 11a/11 AL 231/04 B, Rn. 6 f. – juris) sowie der jüngeren Rechtsprechung der Landessozialgerichte (vgl. LSG Berlin, Urteil vom 10.6.2004, L 8 AL 20/02 – juris; Bayer. LSG, Urteil vom 26.8.2005, L 8 AL 497/04, Rn. 26 – juris und LSG Niedersachsen, Urteil vom 26.3.1996, L 7 Ar 333/94 – juris). Der Senat sieht davon ab, die dieser Rechtsprechung zugrunde liegenden Erwägungen erneut im Einzelnen darzulegen, sondern nimmt insoweit auf die Entscheidungsgründe des einen vergleichbaren Fall betreffenden Urteils des LSG Berlin vom 10. Juni 2004 (die hiergegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom BSG mit Beschluss vom 16.3.2005, B 11a/11 AL 231/04 B – juris – zurückgewiesen) Bezug.

Bei der Teilnahme an einer in Vollzeit durchgeführten Weiterbildungsmaßnahme – wie hier – ist ohne weiteres davon auszugehen, dass die Verfügbarkeit ausgeschlossen ist (BSG, Urteil vom 18.3.2004 a.a.O., Rn. 7).

Steht eine Weiterbildungsmaßnahme der Verfügbarkeit selbst dann entgegen, wenn die Bereitschaft und die Möglichkeit besteht, die Maßnahme jederzeit abzubrechen, gilt dies erst recht dann, wenn selbst dies zu verneinen oder jedenfalls in Zweifel zu ziehen ist. So konnte der von der Klägerin mit der W. Training AG geschlossene Vertrag nach der Nr. 7 der Vertragsbedingungen nur mit einer Frist von sechs Wochen zum Ende von jeweils drei Kalendermonaten gekündigt werden. Selbst wenn der Maßnahmeträger entgegen dem vertraglichen Regelwerk einer fristlosen Kündigung zugestimmt hätte, hätte dies für die Klägerin erhebliche finanzielle Nachteile nach sich gezogen, denn sie hätte zumindest die bis zu diesem Zeitpunkt angefallenen Lehrgangskosten zahlen müssen und deren Aufbringung hätte sich wegen des dann fehlenden Abschlusses als weitgehend sinnlos erwiesen. Bereits aus diesem Grund hält der Senat die angegebene Bereitschaft, die Ausbildung jederzeit abzubrechen, nicht für glaubhaft, insbesondere dann, wenn der Abbruch zugunsten eines zwar rechtlich zumutbaren, aber für die Klägerin wenig attraktiven Beschäftigungsverhältnisses hätte erfolgen müssen.

Bezüglich ihrer fehlenden Verfügbarkeit kann sich die Klägerin nicht darauf berufen, unzureichend beraten worden zu sein. Soweit sie damit eine Korrektur im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches anstreben sollte, stünde dem bereits entgegen, dass ein Nachteilsausgleich auf ein rechtswidriges Verhalten der Beklagten hinauslaufen würde, denn die Klägerin war – wie dargelegt – während der Teilnahme an der Bildungsnahme nicht verfügbar und somit nicht arbeitslos. Eine Ersetzung von tatsächlichen Umständen, denen gestaltende Entscheidungen von Antragstellern zugrunde liegen, im Wege des Herstellungsanspruches ist ausgeschlossen (BSG, Urteil vom 31.1.2006, B 11a AL 15/05 R, Rn.). Unabhängig davon hat das BSG (a.a.O., Rn. 18) zu Recht in Zweifel gezogen, ob überhaupt eine Nebenpflicht der Beklagten zu einer allein auf die Sicherung von Leistungsansprüchen gerichteten Beratung besteht.

Die Beklagte war zur rückwirkenden Aufhebung der Bewilligungsentscheidung berechtigt und verpflichtet, da die Klägerin einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für sie nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III). Sie hat es unterlassen, die Beklagte darüber zu informieren, dass sie ab Januar 2001 an einer Weiterbildungsmaßnahme in Vollzeit teilnahm. Wenn sie vorträgt, sie habe die Maßnahme nicht ´heimlich` besucht, sondern die Beklagte ´sofort nach Abschluss des Kurses` hiervon in Kenntnis gesetzt, blendet sie dabei aus, dass diese Mitteilung zu Beginn der Maßnahme hätte erfolgen müssen, weil es sich bei der Teilnahme an der Bildungsmaßnahme – wie dargelegt – um eine wesentliche Änderung der Verhältnisse handelte.

Die Klägerin hat schuldhaft gehandelt. Die Klägerin musste aus dem Merkblatt für Arbeitslose, dessen Erhalt und Kenntnisnahme sie mit ihrer Unterschrift auf dem Antragsformular ausdrücklich bestätigt hat, wissen, dass sie Veränderungen ihrer persönlichen Verhältnisse mitzuteilen hat. Auf S. 20 des Merkblatts heißt es ausdrücklich, dass Schüler einer Ausbildungsstätte grundsätzlich kein Arbeitslosengeld erhalten. Außerdem war sie bereits in der Vergangenheit – im Jahre 1997 – in einer vergleichbaren Situation darüber belehrt worden war, dass Verfügbarkeit – und damit eine entscheidende Voraussetzung für den Leistungsbezug – während eines Praktikums nicht unterstellt werden könne. Wie sie bei dieser Informationslage auf den Gedanken kommen konnte, die Teilnahme an der Weiterbildungsmaßnahme nicht mitteilen zu müssen, bleibt unerfindlich.

Darüber hinaus hätte die Klägerin, wenn sie die erforderliche Sorgfalt nicht in einem besonders schweren Maße verletzt hätte, wissen müssen, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch ganz oder teilweise weggefallen ist (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X). Auch insoweit ist auf die aus dem Merkblatt wie aus früheren Beratungen durch die Beklagte resultierende Kenntnis der Klägerin zu verweisen.

Die Rücknahme der Bewilligungsbescheide über Arbeitslosengeld vom 27. März 2001 und über Arbeitslosenhilfe vom 3. April 2001 rechtfertigt sich demgegenüber aus § 45 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III. Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit er rechtswidrig ist und sofern die einschränkenden Voraussetzungen der Absätze 2 bis 4 erfüllt sind.

Die Bewilligungsbescheide waren bereits zum Zeitpunkt ihres Erlasses rechtswidrig, weil der Klägerin kein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe zustand. Der Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosenhilfe setzte gemäß § 190 Abs. 1 Nr. 1 SGB III a.F. ebenfalls voraus, dass ein Arbeitnehmer arbeitslos ist. Dies war die Klägerin, wie bereits dargestellt wurde, jedoch nicht.

Auch insoweit kommt Vertrauensschutz nicht in Betracht. Nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X kann sich der Begünstigte auf Vertrauen nicht berufen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Die Klägerin hat unvollständige Angaben gemacht, indem sie zunächst verschwiegen hat, dass sie an einer Weiterbildungsmaßnahme in Vollzeit teilnahm, obwohl sie zu dieser Mitteilung verpflichtet gewesen wäre. Sie hat dann bei der Beantragung von Arbeitslosenhilfe am 12. März 2001 sogar unrichtige Angaben gemacht, indem sie die Frage, ob sie Schülerin/Studentin einer Schule, Hochschule oder sonstigen Ausbildungsstätte sei, ausdrücklich verneint hat. Hätte die Beklagte Kenntnis von der Teilnahme gehabt, hätte sie aufgrund der dann fehlenden Verfügbarkeit der Klägerin die Leistungen nicht bewilligt.

Zudem hat die Klägerin die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts gekannt oder jedenfalls infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schweren Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Hierzu kann auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden. Gerade der Umstand, dass sie bei Beantragung von Arbeitslosenhilfe ihre Teilnahme an der Weiterbildungsmaßnahme verneint hat, deutet stark darauf hin, dass sie sich sehr wohl des Umstandes bewusst gewesen ist, während dieser Zeit keinen Leistungsanspruch zu haben.

Auch im Übrigen ist die Entscheidung der Beklagten nicht zu beanstanden. Die nach § 24 Abs. 1 SGB X erforderliche Anhörung der Klägerin ist zwar im Verwaltungsverfahren unterlassen worden, doch ist dieser Fehler nach § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X dadurch geheilt worden, dass die Beklagte die Anhörung nachgeholt hat. Dass dies erst im Berufungsverfah-ren geschehen ist, ist unschädlich, da eine Anhörung nach § 41 Abs. 2 SGB X in der ab 1.1.2001 geltenden Fassung bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozialgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden kann. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass das Unterlassen einer rechtzeitigen vorherigen Anhörung Folge eines gewollten Rechtsbruchs war (vgl. dazu BSG, Urteil vom 31.10.2002 – B 4 RA 15/01 R = SozR 3-1300 § 24 Nr. 22 S. 74).

Nach alledem war daher die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.

Der Klägerin waren zudem Verschuldenskosten nach § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG aufzuerlegen, da sie den Rechtsstreit fortgeführt hat, obwohl ihr – in Person ihres Bevollmächtigten (Abs. 1 Satz 2 der Vorschrift) – vom Vorsitzenden in der mündlichen Verhandlung die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung dargelegt worden und sie auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden ist. Die Klägerin hatte nach den bereits im Termin am 4. Januar 2007 gemachten Erläuterungen des Senats ausreichend Gelegenheit, sich die Aussichtslosigkeit ihrer Rechtsverfolgung vor Augen zu führen. Wenn sie gleichwohl den Rechtsstreit fortführte und ihrem Bevollmächtigten sogar den ausdrücklichen Auftrag erteilte, das Verfahren fortzusetzen, so ist dies als rechtsmissbräuchlich zu bezeichnen.

Als verursachte Kosten war ein Betrag von 300.- Euro anzusetzen. Dieser Betrag liegt noch weit unter dem, der unter Berücksichtigung der allgemeinen Gerichtshaltungskosten und einer mit ca. 100.- Euro anzusetzenden Richterarbeitsstunde für die Abfassung des Urteils als Kosten des Gerichts angefallen ist.

Der Senat hat die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache) oder Nr. 2 SGG (Abweichung von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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