L 7 SO 2737/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 4 SO 4287/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 2737/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 7. April 2006 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte als Sozialhilfeträger die Klägerin auf Auskunft über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse in Anspruch nehmen darf.

Die am 1962 geborene Klägerin war mit dem am 30. August 1962 geborenen J.G. (J.G.) verheiratet. Die am 1995 geschlossene Ehe wurde durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts-Familiengerichts- P. vom 30. Januar 2001 (5 F 212/00) geschieden, ohne dass ein Unterhaltsverzicht protokolliert wurde. J.G. ist seit 1990 alkoholabhängig. Im Jahr 1992, als ihn die Klägerin kennen lernte, war er für ungefähr ein halbes Jahr abstinent. Im Jahr 1993 brach er eine Entwöhnungsbehandlung nach fünf Monaten ab. Von Oktober 1998 bis Februar 1999 erfolgte eine weitere Entwöhnungsbehandlung, anschließend blieb J.G. vier Wochen abstinent. Von Februar bis Juli 2001 fand erneut eine Entwöhnungsbehandlung statt. Zwischen Januar und April 2002 wurde J.G. vier Mal stationär zur Entgiftung aufgenommen. Bis Juli 2002 erfolgte nochmals eine achtwöchige Entwöhnungsbehandlung. In einem Sozialbericht über J.G. vom 14. November 2002 wurde eine längerfristig angelegte, sozio-therapeutische Maßnahme für erforderlich gehalten. Vom 22. April 2003 bis 1. August 2005 war J.G. im Therapiezentrum G. untergebracht; er erhielt Hilfe in besonderen Lebenslagen nach § 55 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) in Verbindung mit § 40 Abs. 1 Nr. 8 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) bzw. Leistungen nach §§ 53 ff. Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII). Die Leistungen beliefen sich in der Zeit vom 22. April bis 31. Dezember 2003 auf 23.090,41 EUR und im Jahr 2004 auf insgesamt 34.851,97 EUR (Bl. 8 und 9 Widerspruchsakte).

Mit Bescheid vom 25. November 2004 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie J.G. Leistungen nach dem BSHG gewähre und verwies darauf, dass die Klägerin über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse Auskunft geben müsse (unter Hinweis auf § 116 Abs. 1 BSHG), da sie aufgrund der Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) J.G. möglicherweise unterhaltspflichtig sei. Die Klägerin wurde gebeten, einen beigefügten Ermittlungsbogen auszufüllen und zurückzureichen.

Mit Schreiben vom 11. Dezember 2004 erhob die Klägerin Widerspruch und vertrat die Auffassung, die Auskunftspflicht und der Übergang von Unterhaltsansprüchen könne nur verlangt bzw. angezeigt werden, wenn Unterhaltsansprüche tatsächlich bestünden. Dies sei nicht der Fall. Weder sei J.G. hilfebedürftig, noch sei die Klägerin leistungsfähig. Der von der Beklagten mit 3.000,00 EUR monatlich bezifferte Bedarf sei bei einem Trinker nicht nachvollziehbar. Darüber hinaus scheitere die Unterhaltspflicht der Klägerin schon daran, dass J.G. den Unterhaltsanspruch verwirkt habe, da er seine Bedürftigkeit durch den Konsum von Alkohol mutwillig herbeigeführt habe. In derartigen Fällen schließe § 1579 Nr. 3 BGB den Unterhaltsanspruch aus.

Mit Schreiben vom 7. März 2005 stützte die Beklagte ihr Auskunftsbegehren auf § 117 SGB XII und bat erneut um Ausfüllung des Ermittlungsbogens. Die Klägerin legte Verdienstbescheinigungen für den Monat Mai und Juni 2005 vor, wonach sie monatliche Nettoeinkünfte in Höhe von 956,72 EUR bzw. 958,72 EUR hatte. Das Land Rheinland-Pfalz machte als überörtlicher Träger der Sozialhilfe die für J.G. erbrachten Aufwendungen bei der Beklagten geltend.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10. August 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Auskunftsanspruch gegenüber der Klägerin beruhe auf § 116 BSHG bzw. seit 1. Januar 2005 auf § 117 SGB XII. Die Auskunftspflicht bestehe unabhängig von einem konkreten Unterhaltsanspruch. Einwände, die den Unterhaltsanspruch selbst beträfen, seien nur zu berücksichtigen, wenn sie offensichtlich seien. Hieran fehle es. Entsprechendes gelte für Einwendungen gegen die beabsichtigte Überleitung nach § 91 Abs. 2 Satz 1 BSHG. Der Anspruchsübergang sei nicht offensichtlich ausgeschlossen. Entsprechende Einwendungen seien von den Zivilgerichten genauer zu prüfen.

Gegen den dem Bevollmächtigten der Klägerin am 13. September 2005 zugestellten Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 16. September 2005 Klage zum Sozialgericht Speyer erhoben. Dieses hat mit Beschluss vom 21. Oktober 2005 den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Sozialgericht Karlsruhe (SG) verwiesen. Zur Begründung der Klage hat der Bevollmächtigte der Klägerin ausgeführt, diese sei J.G. nicht unterhaltspflichtig. Wenn ein Anspruch auf Unterhalt nicht bestehe, sei auch der Nebenanspruch in Form eines Auskunftsanspruchs nicht gegeben. Weder J.G. noch die Beklagte hätten zur Unterhaltsbedürftigkeit substantiiert vorgetragen. Die Klägerin sei auch nicht leistungsfähig, da sie nur geringe Einkünfte habe. Darüber hinaus sei die Beklagte - nach dem sich J.G. seit 1. August 2005 nicht mehr in der Einrichtung befinde - Auskunft schuldig geblieben, wo und unter welchen Umständen dieser nun lebe. Sie hat angeregt, ein medizinisches und ein arbeitspsychologisches Gutachten über J.G. einzuholen.

Mit Urteil vom 7. April 2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, der Auskunftsanspruch beruhe auf § 116 Abs. 1 Satz 1 BSHG bzw. ab 1. Januar 2005 auf § 117 SGB XII. Es sei schon in der Rechtssprechung zu § 116 BSHG geklärt, dass der Begriff "Unterhaltspflichtige" nicht denjenigen meine, der tatsächlich Unterhalt schulde, sondern dass jeder potentiell Unterhaltspflichtige auskunftspflichtig sei (unter Hinweis auf BVerwGE 92, 330, 333). Die Klägerin sei nach § 1569 ff. BGB zumindest potentiell ihrem früheren Ehemann unterhaltspflichtig. Die gegen die Bedürftigkeit von J.G. gerichteten und damit gegen den Unterhaltsanspruch selbst erhobenen Einwendungen gingen daher fehl. Auch die Einwendung, ein Unterhaltsanspruch sei ausgeschlossen, weil eine solche Unterhaltspflicht unbillig im Sinne des § 1579 BGB wäre, greife nicht durch. Der zivilrechtliche Unterhaltsanspruch sei im Auskunfts- und Überleitungsverfahren lediglich im Sinne einer Negativevidenz zu prüfen. Ein Unterhaltsanspruch des J.G. gegenüber der Klägerin sei nicht offensichtlich ausgeschlossen. Allein die Tatsache, dass der Hilfeempfänger alkoholkrank sei, löse eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs noch nicht aus.

Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 20. April 2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 22. Mai 2006, einem Montag, eingelegte Berufung der Klägerin. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr Vorbringen aus dem Klageverfahren. Ergänzend verweist sie darauf, dass eine Auskunftspflicht nur bestehe, soweit sie nach dem BSHG erforderlich sei. Es sei äußerst zweifelhaft, ob J.G. überhaupt unterhaltsbedürftig sei und ob damit öffentliche Leistungen von ihm in Anspruch genommen werden könnten. Es gehe nicht an, dass durch nachlässige Untersuchungen und entsprechende Passivität der Behörden ein noch relativ junger Mann sich in den Alkohol flüchten könne, wenn ihm die Mühen einer Arbeitsleistung drohten. § 117 SGB XII lege fest, dass die Unterhaltspflichtigen dem Träger der Sozialhilfe über ihre Erwerbs- und Einkommensverhältnisse Auskunft zu geben hätten. Zu diesem Personenkreis gehörten auch ehemalige Ehegatten. Mit dem Verweis auf das Zivilrecht werde aber auch zugleich auf die Grenzen des Anspruchs verwiesen. Dazu gehörten die von der Klägerin bereits vorgetragenen Ausschlussgründe wie Verwirkung und Verjährung eines etwaigen Unterhaltsanspruchs. Vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass die Klägerin zum 31. Dezember 2006 ihr Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen verloren habe, sie beziehe ab Januar 2007 Arbeitslosengeld in Höhe von täglich 25,40 EUR. Darüber hinaus seien die Eltern von J.G. vorrangige Unterhaltsverpflichtete. Es sei jeglicher Hinweis darauf zu vermissen, dass man versucht habe, diese zu Unterhaltsleistungen für ihren Sohn heranzuziehen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 7. April 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2005 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Selbst wenn die Klägerin nunmehr aufgrund von Arbeitslosigkeit nicht mehr leistungsfähig sei, sei sie zur Auskunft auf der Grundlage des § 117 SGB XII verpflichtet. Im übrigen erstrecke sich die Auskunftsverpflichtung auf die finanziellen Verhältnisse des Auskunftspflichtigen. Der Bezug von Arbeitslosengeld stelle nur einen Teilaspekt dar.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Klageakte des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG). Gründe für die Beschränkung der Berufung i.S.v. § 144 Abs. 1 SGG liegen nicht vor. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin ist verpflichtet zur Erteilung von Auskünften über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse.

Rechtsgrundlage für die Auskunftspflicht der Klägerin und den damit korrespondierenden Auskunftsanspruch der Beklagten ist § 116 Abs. 1 Satz 1 BSHG für die Zeit bis 31. Dezember 2004 und § 117 Abs. 1 SGB XII für die Zeit ab 1. Januar 2005 (vgl. Art. 1 und 70 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022). Nach § 116 Abs. 1 BSHG sind die Unterhaltspflichtigen, ihre nicht getrennt lebenden Ehegatten und die Kostenersatzpflichtigen verpflichtet, dem Träger der Sozialhilfe über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse Auskunft zu geben, soweit die Durchführung dieses Gesetzes es erfordert. Die Pflicht zur Auskunft umfasst die Verpflichtung, auf Verlangen des Trägers der Sozialhilfe Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen (§ 116 Abs. 1 Satz 2 BSHG). Entsprechendes gilt gemäß § 117 Abs. 1 SGB XII; nach dieser Vorschrift haben die Unterhaltspflichtigen dem Träger der Sozialhilfe über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse Auskunft zu geben, soweit die Durchführung dieses Buches es erfordert.

Die genannten Vorschriften enthalten die verfassungsrechtlich unbedenkliche Einschränkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, das Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz ist und nur im überwiegenden Allgemeininteresse aufgrund eines Gesetzes (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Urteil vom 15. Dezember 1983 - 1 BvR 209/83 u.a. - BVerfGE 65, 1) inhaltlich begrenzt werden darf (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (VGH), Beschluss vom 10. März 2003 -12 ZB 02.2679 - FEVS 54, 574). Sie begründen eine eigenständige öffentlich-rechtliche Pflicht zur Auskunftserteilung, welcher ein Auskunftsanspruch des Trägers der Sozialhilfe gegenüber steht (Schoch in LPK-BSHG, 6. Aufl., § 116 Rdnr. 2; ders. in LPK-SGB XII, 7. Aufl., § 117 Rdnr. 1). Sie ermächtigen den Träger der Sozialhilfe, die Auskunftspflicht durch Verwaltungsakt gegenüber dem Pflichtigen geltend zu machen und bei Auskunftsverweigerung im Wege der Verwaltungsvollstreckung durchzusetzen. Die Beklagte war daher berechtigt, ihren Auskunftsanspruch im Wege des Verwaltungsakts zu regeln (vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 21. Januar 1993 - 5 C 22/90 - BVerwGE 91, 375 und Urteil vom 17. Juni 1993 - 5 C 43/90 - BVerwGE 92, 330, 333).

Zunächst ist das Auskunftsverlangen nicht bereits deshalb formell rechtswidrig, weil der Beklagte vor Erlass des Ausgangsbescheides die nach § 24 SGB X erforderliche Anhörung der Klägerin unterlassen hat (vgl. hierzu Bayerischer VGH, Beschluss vom 10. März 2003, a.a.O.), denn die fehlende Anhörung ist im Widerspruchsverfahren nachgeholt und damit der Verfahrensfehler nach § 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) geheilt worden.

Die Beklagte ist aktiv legitimiert, den Auskunftsanspruch geltend zu machen. Zwar war für die Gewährung der Leistungen der Eingliederungshilfe an J.G. das Land Rheinland-Pfalz als überörtlicher Träger der Sozialhilfe nach § 100 Abs. 1 Nr. 1 BSHG, welcher wegen der erst zum 1. Januar 2007 in Kraft getretenen Bestimmung des § 97 Abs. 3 SGB XII über den 31. Dezember 2004 weiter galt (Art. 70 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022), zuständig. Allerdings ist nach den landesrechtlichen Regelungen in Rheinland-Pfalz der örtliche Träger der Sozialhilfe - damit vorliegend die Beklagte - verpflichtet, sich an den Aufwendungen des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe mit 50 v.H. der Aufwendungen zu beteiligen (§ 7 Abs. 1 Landesgesetz zur Ausführung des BSHG vom 8. März 1963, GVBl. 1963 S.79; § 6 Abs. 1 Landesgesetz zur Ausführung des SGB XII vom 22. Dezember 2004, GVBl. 2004 S. 571). Insoweit werden die Leistungen für J.G. auch zu Lasten der Beklagten erbracht, so dass diese den Auskunftsanspruch geltend machen kann (vgl. Schoch in LPK-BSHG, a.a.O., § 116 Rdnr. 10).

Die Klägerin ist auch unterhaltspflichtig i.S.v. § 116 BSHG bzw. § 117 SGB XII. In Betracht kommen Unterhaltsansprüche des J.G. als ehemaliger Ehegatte nach §§ 1569 ff. BGB. Etwaige Unterhaltsansprüche des J.G. gegen seine Eltern als vorrangige Unterhaltsansprüche stehen einer Auskunftspflicht der nachrangig verpflichteten Klägerin nicht entgegen. Grundsätzlich dürfen Auskünfte von den nachrangig unterhaltspflichtigen Angehörigen erst gefordert werden, wenn Auskünfte von den vorrangig Verpflichteten eingeholt wurden und sich daraus ergibt, dass bei diesen keine Leistungsverpflichtung oder nur in einer solchen Höhe besteht, dass damit der Gesamtbedarf des Unterhaltsberechtigten nicht voll gedeckt ist (Schoch in LPK-SGB XII, a.a.O., § 117 Rdnr. 24). Vorliegend ist jedoch kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung bestimmt, dass Unterhaltsansprüche volljähriger unterhaltsberechtigter Personen gegenüber ihren Eltern wegen Leistungen der Eingliederungshilfe nur in Höhe bis zu 26,00 EUR monatlich auf den Träger der Sozialhilfe übergehen (§ 91 Abs. 2 Satz 3 BSHG, § 94 Abs. 2 Satz 1 SGB XII). Damit steht fest, dass der Gesamtbedarf des J.G., welcher sich während der Unterbringung im Therapiezentrum Germersheim auf ca. 3.000,00 EUR monatlich belief, durch vorrangige Unterhaltsansprüche gegenüber seinen Eltern nicht gedeckt werden kann.

Entgegen der Ansicht der Klägerin setzt die Rechtmäßigkeit des Auskunftsverlangens nicht voraus, dass J.G. der behauptete nacheheliche Unterhaltsanspruch auch zusteht. Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerwG ist eine Überleitung nicht schon dann rechtswidrig, wenn der übergeleitete Anspruch nicht besteht, es sei denn, er bestünde offensichtlich nicht (mehr) - sog. Negativevidenz (vgl. BVerwGE 34, 219, 220 f.; 49, 311, 315 f.; 56, 300, 302; 87, 217, 225; 92, 281, 283). Für die Auskunftspflicht nach §§ 116 BSHG, 117 SGB XII bestehen keine strengeren Anforderungen, denn ihr Zweck ist es, dem Sozialhilfeträger erst die Prüfung zu ermöglichen, ob und in welchem Umfang der Nachrang der Sozialhilfe durch Inanspruchnahme Dritter hergestellt werden kann. Dieser Zweck gebietet es, als "Unterhaltspflichtige" im Sinne der §§ 116 BSHG, 117 SGB XII alle Personen anzusehen, die als Unterhaltsschuldner in Betracht kommen, also nicht offensichtlich ausscheiden (BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1993, a.a.O.).

Ein derartiger Fall der Negativevidenz liegt hier nicht vor. Die Klägerin schuldet, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, ihrem früheren Ehemann J.G. nach §§ 1569 ff. BGB potentiell Unterhalt, ein Unterhaltsverzicht wurde anlässlich der Ehescheidung nicht vereinbart. Ein Fall des § 1579 Nr. 1 BGB (Versagung des Unterhaltsanspruchs bei kurzer Ehedauer) liegt angesichts der Ehedauer von fast sechs Jahren nicht vor (vgl. Hollinger in juris-PK BGB Buch 4, 3. Aufl. 2006, § 1579 Rdnr. 8 ff. m.w.N.). Der Vortrag der Klägerin, ein Unterhaltsanspruch des J.G. sei nach § 1579 Nr. 3 BGB ausgeschlossen, da dieser seine Bedürftigkeit durch den Konsum von Alkohol mutwillig herbeigeführt habe, führt zu keiner anderen Beurteilung. Es ist keineswegs offensichtlich, dass nach dieser Bestimmung von einer Beschränkung oder einem Wegfall des Unterhaltsanspruchs des J.G. auszugehen ist. Ein mutwilliges Herbeiführen der Bedürftigkeit setzt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) kein vorsätzliches oder absichtliches, jedoch ein verantwortungsloses, mindestens leichtfertiges Verhalten voraus, welches über die bloße Ursächlichkeit hinaus unterhaltsbezogen sein muss. Leichtfertig in diesem Sinn handelt, wer seine Arbeitskraft oder sein Vermögen, also die Faktoren, die ihn in die Lage versetzen, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, auf sinnlose Art aufs Spiel setzt und sich dabei unter grober Nichtachtung dessen, was jedem einleuchten muss, oder in Verantwortungslosigkeit und Rücksichtslosigkeit gegen den Unterhaltspflichtigen über die erkannten möglichen nachteiligen Folgen für seine Bedürftigkeit hinwegsetzt (BGH, Urteil vom 14. Dezember 1983 - IVb ZR 38/82 - LM Nr. 21 zu § 1579 BGB; Urteil vom 21. Februar 2001 - XII ZR 34/99 - BGHZ 146, 391). Im Falle suchtbedingter Bedürftigkeit wie vorliegend aufgrund der Alkoholkrankheit des J.G. ist mutwilliges Verhalten nicht schon ohne weiteres im Konsum von Alkohol zu sehen, dessen gesundheitliche Folgen allgemein bekannt sind (vgl. Hollinger in juris-PK BGB Buch 4, a.a.O., § 1579 Rdnr. 45 ff. m.w.N.). Die Ursachen für eine Alkoholabhängigkeit können vielfältig und müssen nicht unbedingt vorwerfbar sein (vgl. hierzu Oberlandesgericht (OLG) Hamm, Urteil vom 5. Februar 1996 - 6 UF 459/93 - FamRZ 1996, 1080: keine Mutwilligkeit bei diagnostizierter Persönlichkeitsstörung; OLG Bamberg, Urteil vom 11. März 1997 - 7 UF 50/96 - FamRZ 1998, 370: keine Mutwilligkeit bei Labilität und Charakterschwäche; OLG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 29. Mai 2006 - 14 WF 16/06 - (juris): Mutwilligkeit bei Unterlassen erfolgversprechender Behandlung in Kenntnis der Alkoholkrankheit). Es handelt sich ersichtlich um eine schwierige Abgrenzung, ob im Einzelfall bei suchtbedingter Bedürftigkeit Mutwilligkeit vorliegt. Von einem offensichtlichen Ausschluss eines Anspruchs des J.G. gemäß § 1579 Nr. 3 BGB kann daher nicht die Rede sein. Die genaue Überprüfung muss den Gerichten der Zivilgerichtsbarkeit vorbehalten bleiben.

Der von der Beklagten potentiell geltend zu machende Unterhaltsanspruch ist auch nicht verjährt. Der Unterhaltsanspruch kann ab Zugang der mit dem Bescheid vom 25. November 2004 verbundenen Rechtswahrungsanzeige auch für die Vergangenheit geltend gemacht werden (§ 91 Abs. 3 Satz 1 BSHG, § 94 Abs. 4 Satz 1 SGB XII). Rückständige Unterhaltsansprüche für die Jahre 2004 und 2005 sind zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht verjährt (§§ 194 Abs. 1, 197 Abs. 2, 195, 199 BGB).

Schließlich ist die von der Beklagten verlangte Auskunft auch erforderlich zur Durchführung des BSHG bzw. SGB XII. Mit dem Auskunftsverlangen soll die Geltendmachung möglicher Unterhaltsansprüche vorbereitet werden für einen Zeitraum, für den J.G. Sozialhilfe bezog. Auskünfte nach §§ 116 BSHG, 117 SGB XII sind nur dann nicht erforderlich, wenn bereits feststeht, dass eine Unterhalts- oder Kostenersatzpflicht nicht besteht (vgl. Schoch in LPK-BSHG, a.a.O., § 116 Rdnr. 30). Die von der Klägerin vorgetragenen Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Sozialhilfegewährung an J.G. finden bei der Prüfung der Frage der Erforderlichkeit indes keine Berücksichtigung. Wenn der Träger der Sozialhilfe den Unterhaltsanspruch zivilrechtlich geltend macht, wozu er vorbereitend die Auskünfte über Einkommen und Vermögen des Unterhaltsverpflichteten benötigt, ist es Sache der Zivilgerichte, die Rechtmäßigkeit sowohl des Anspruchsübergangs als auch des Unterhaltsanspruchs selbst zu prüfen, wozu auch die Bedürftigkeit des J.G. gehört. Das hier allein zu prüfende Auskunftsverlangen kann nicht an einer lediglich denkbaren Rechtswidrigkeit der Sozialhilfegewährung scheitern (vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 13. Juni 2001 - 12 ZB 01.944).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG. Die Klägerin gehört nicht zu dem in § 183 Satz 1 SGG genannten Personenkreis, für den das Verfahren vor den Sozialgerichten kostenfrei ist. Dort sind enumerativ aufgezählt Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, Behinderte oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 Sozialgesetzbuch Erstes Buch, soweit sie in dieser Eigenschaft als Kläger oder Beklagter beteiligt sind. Die Klägerin ist insbesondere nicht als Leistungsempfängerin beteiligt, vielmehr sieht sie sich als Unterhaltspflichtige einem Auskunftsbegehren ausgesetzt. Eine Bereichsausnahme wie in § 188 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung für sämtliche Angelegenheiten der Sozialhilfe sieht § 183 SGG gerade nicht vor. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 197a Abs. 3 SGG. Diese Regelung soll nur klarstellen, dass die Träger der Sozialhilfe zwar grundsätzlich weiter gemäß § 64 Abs. 3 Satz 2 SGB X von Gerichtskosten freigestellt sind, dies aber ausnahmsweise nicht in Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern gilt (vgl. Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 197a Rdnr. 2a). Keineswegs ist der Umkehrschluss gerechtfertigt, dass Verfahren, in denen Sozialhilfeträger als Kläger oder Beklagter beteiligt sind, und die nicht Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Sozialhilfeträgern zum Gegenstand haben, gerichtskostenfreie Verfahren sind, für die die Kostenentscheidung nach § 193 SGG und nicht nach § 197a SGG zu erfolgen hat (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 9. Januar 2007 - L 20 B 137/06 SO - (juris) m.w.N.).

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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