S 4 KG 20/06

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Würzburg (FSB)
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 KG 20/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin unter Abänderung der Bescheide vom 11.07.2006 und der Widerspruchsbescheide vom 05.10.2006 für ihre Kinder P. und S. für die Monate Juni und Juli 2006 Kinderzuschlag in gesetzlicher Höhe unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu gewähren.
II. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin im Juni 2006 Kinderzuschlag zu gewähren ist und ihr im Juli 2006 höhere Zahlungen zustehen.

Die am 1953 geborene Klägerin hat am 27.01.2005 für ihre Kinder P. und S. Kinderzuschlag bei der Beklagten beantragt und in der Folgezeit auch Zahlungen seitens der Beklagten bewilligt erhalten. Mit dem Bewilligungsbescheid vom 19.05.2006 wurde eine Gehaltsabrechnung für den Monat Mai 2006 angefordert und von der Klägerin im Folgenden auch vorgelegt. Auf den weiteren Gehaltsabrechnungen für die Monate Juni 2006 und Juli 2006 hat die Klägerin der Beklagten mitgeteilt, dass sie ihre monatliche Arbeitszeit angehoben habe und ab Juli 2006 mit 120 Stunden tätig sein werde. Ihr Arbeitgeber habe die im Monat Juni 2006 vorliegende Arbeitszeit von 114 Stunden versehentlich mit nur 104 Stunden abgerechnet. Die Verdienstabrechnung für den Monat Juni 2006 weist ein Gesamtbrutto von 1.376,90 EUR aus. Die Verdienstabrechnung für den Monat Juli 2006 weist ein Gesamtbrutto von 1.588,73 EUR sowie eine zu- sätzliche Auszahlungskorrektur für den Juni 2006 in Höhe von 67,01 EUR aus. Gleichzeitig wurde eine korrigierte Verdienst- abrechnung für den Monat Juni 2006 erstellt, die nunmehr von einem Gesamtbrutto von 1.509,29 EUR ausging.

Die Beklagte ermittelte ausgehend von einem Bruttoeinkommen der Klägerin von 1.376,90 EUR im Monat Juni 2006, geltend gemachten Werbungskosten in Höhe von 30,53 EUR, Kfz-Versicherung in Höhe von 22,44 EUR, der Versicherungspauschale in Höhe von 30 EUR, einem Freibetrag für Erwerbstätigkeit in Höhe von 297,69 EUR, ein zu berücksichtigendes Einkommen von 716,28 EUR.

Gleichzeitig wurde eine Berechnung des Gesamtbedarfs vorgenommen und dieser unter Heranziehung von Regelbedarf für die Kinder in Höhe von 276 EUR und 207 EUR sowie die Klägerin in Höhe von 345 EUR, einem Mehrbedarf für Alleinerziehung in Höhe von 83 EUR und Unterkunftskosten in Höhe von 481,17 EUR bei Abzug von Kindergeld in Höhe von jeweils 154 EUR auf 1.084,17 EUR ermittelt.

Der Regelbedarf für die Klägerin, der Mehrbedarf für Alleinerziehung und die anteiligen Unterkunftskosten ergaben nach dem Berechnungsbogen ein Mindesteinkommen von 728,44 EUR bzw. nach den von der Beklagten in die Berechnung eingestellten Werten einen Betrag von 727,44 EUR. Die Beklagte kam zum Ergebnis, dass die Mindesteinkommensgrenze unterschritten werde und kein Anspruch auf Kinderzuschlag bestehe.

Mit Bescheid vom 11.07.2006 lehnte die Beklagte den Antrag auf Kinderzuschlag ab, da die Mindesteinkommensgrenze nicht erreicht worden sei. Es bestünde möglicherweise ein Anspruch auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Im Monat Juli 2006 wurde ein Bruttoeinkommen von 1.588,73 EUR zugrundegelegt. Zusätzlich zum Nettoeinkommen in Höhe 1.119,38 EUR wurde die Verrechnung bezüglich des Monats Juni 2006 mitberücksichtigt und insgesamt ein Betrag in Höhe von 1.186,39 EUR angenommen. Nach Abzug der Werbungskosten (30,53 EUR), der Kfz-Versicherung (22,44 EUR), der Versicherungspauschale (30 EUR) und des Freibetrages für Erwerbstätigkeit (310 EUR) ermittelte die Beklagte ein zu berücksichtigendes Einkommen von 876,39 EUR.

Die Mindesteinkommensgrenze werde um vierzehn Minderungsstufen überschritten. Vom Gesamtkinderzuschlag in Höhe von zweimal 140 EUR d.h. 280 EUR seien vierzehnmal 7 EUR d.h. 98 EUR in Abzug zu bringen und es verbleibe ein Anspruch auf Kinderzuschlag in Höhe von 182 EUR. Dieser würde zwar unter dem ermittelten Restbedarf in Höhe von 207,78 EUR liegen. Bei Berücksichtigung zusätzlichen Wohngeldes wäre jedoch von einer Bedarfsdeckung auszugehen, so dass die Beklagte mit Bescheid vom 11.07.2006 der Klägerin für den Monat Juni 2006 Kinderzuschlag in Höhe von 182 EUR bewilligte.

Mit zwei Schreiben vom 28.07.2006 legte die Klägerin Widerspruch gegen die Bescheide der Beklagten vom 11.07.2006 ein und machte geltend, dass in Abweichung vom Zuflussprinzip hier auf die Korrektur des Arbeitgebers abzustellen sei. Die Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheiden vom 05.10.2006 zurück, da für die Bestimmung der Höhe des Einkommens das im jeweiligen Kalendermonat zufließende Einkommen maßgebend sei, auch wenn es zu anderen Zeiten erarbeitet worden sei. Ausnahmen würden nur für einmalige Zahlungen gelten.

Gegen die laut Eingangsstempel am 11.10.2006 bei den Bevollmächtigten der Klägerin eingegangenen Widerspruchsbescheide erhob die Klägerin durch ihre Bevollmächtigten mit Telefax am 10.11.2006 Klage zum Sozialgericht Würzburg.

In einem Erörterungstermin vom 25.09.2007 hat die Klägerin dargelegt, dass sie bei der zuständigen ARGE bisher keinen Antrag auf Leistungen gestellt habe, da sie vorrangig einen Anspruch auf Kinderzuschlag als gegeben ansehe und für sich beanspruchen wolle.

In diesem Termin haben die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Gerichtes ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG erteilt. Die Klägerin beantragt:

1. Der Bescheid der Beklagten vom 11.07.2006 über den Kinderzuschlag für den Monat Juni 2006 und der Widerspruchsbe- scheid vom 05.10.2006 werden aufgehoben und die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin den Kinderzuschlag für den Monat Juni 2006 in Höhe von 252 EUR zu bezahlen.
2. Der Bescheid der Beklagten vom 11.07.2006 über den Kinder- zuschlag für den Monat Juli 2006 und der Widerspruchsbescheid vom 05.10.2006 werden aufgehoben und die Beklagte wird verurteilt, für den Monat Juli 2006 den Kinderzuschlag in Höhe von 252 EUR abzüglich bisher gezahlter 182 EUR zu bezahlen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig. Sie wurde form- und fristgerecht beim örtlich und sachlich zuständigen Sozialgericht erhoben (§§ 51, 54, 57, 87, 90 SGG).

Die von der Klägerseite vorgenommene Klagehäufung war zulässig, da sich die Klagen gegen denselben Beklagten richteten, dasselbe Gericht zuständig ist und die Klagen in inhaltlichem Zusammenhang stehen (§ 56 SGG).

Die Klage ist auch begründet. Dabei ist das Gericht der Auffassung, dass der Antrag der Klägerseite dahingehend auszulegen ist, dass die Klägerin eine Zahlung von Kinderzuschlag in gesetzlicher Höhe unter Berücksichtigung der von ihr dargelegten Gründe beantragen wollte und die Betragsbezifferung nur deklaratorischen Charakter im Hinblick auf früher erfolgte Zahlungen hatte.

Ein Anspruch auf Kinderzuschlag ergibt sich nach der Vorschrift des § 6a Bundeskindergeldgesetz (BKGG), wenn für die Kinder Anspruch auf Kindergeld besteht, mit Ausnahme des Wohngeldes über Einkommen oder Vermögen im Sinne der §§ 11 und 12 SGB II mindestens in Höhe des nach Abs. 4 Satz 1 für die Beteiligten maßgebenden Betrages und höchstens in Höhe der Summe aus diesem Betrag und dem Gesamtkinderzuschlag nach Abs. 2 verfügt wird und durch den Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II vermieden wird. Durch die Verweisung auf den § 11 SGB II kommt zur Ermittlung des anzusetzenden Einkommens auch die Arbeitslosengeld II/Sozialgeldverordnung (Alg II-V) zur Anwendung. Dort ist in § 2 Abs. 3 S. 3 bestimmt, dass einmalige Zahlungen auf einen angemessenen Zeitraum zu verteilen sind. Der Beklagten ist dahingehend zuzupflichten, dass es sich im Fall der Klägerin nicht um die Berücksichtigung von einmaligen Zahlungen gehandelt hat.

Allerdings ist in § 2 Abs. 2 S. 3 Alg II-V geregelt, dass bei Personen mit wechselndem monatlichen Einkommen die Vorschriften des Abs. 3 entsprechend anzuwenden sind. Bei der Klägerin handelte es sich offensichtlich um eine Bezieherin von Einkünften in monatlich wechselnder Höhe, weil die Beklagte monatliche Lohnabrechnungen angefordert hat und auf deren Basis entschieden hat. Dementsprechend ist eine Abweichung von dem in § 2 Abs. 2 Satz 1 Alg II-V vorgesehenen Zuflussprinzip möglich. Die bei der Klägerin im Juli 2006 eingetretene Berücksichtigung von de facto 130 Stunden für den Monat würde zu einer unangemessen hohen Berücksichtigung von Erwerbseinkommen in diesem Monat führen und hat deshalb einen Ausgleich der im Juli 2006 zugeflossenen Zahlungen auf einen angemessenen Zeitraum zur Folge.

Dabei ergibt sich für das Gericht, dass im vorliegenden Fall bei der gleichzeitigen Vorlage von Juni-Abrechnung, Juli-Abrechnung und korrigierter Juni-Abrechnung eine angemessene Verteilung nur in der Form erfolgen kann, dass die den tatsächlichen Abrechnungsgegebenheiten entsprechenden monatlichen Tätigkeiten in Höhe von 114 Stunden für Juni 2006 und 120 Stunden für Juli 2006 der Berechnung zugrundegelegt werden.

Die entgegenstehenden Bescheide der Beklagten waren dementsprechend aufzuheben und die Beklagte war dazu zu verurteilen, der Klägerin für die Monate Juni und Juli 2006 Kinderzuschlag in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Hierbei ist die bestehende Bedarfsberechnung zu übernehmen, auf der Einkommenseite ist jedoch von einem Gesamtbrutto von 1.509,29 EUR und einem zugehörigen Nettobetrag von 1.080,98 EUR für den Monat Juni 2006 und einem Gesamtbrutto von 1.588,73 EUR und einem zugehörigen Nettobetrag von 1.119,38 EUR für den Monat Juli 2006 auszugehen.

Im Übrigen wäre darauf hinzuweisen, dass im Hinblick auf die vom Sozialgericht Münster (Urteil v. 01.03.06, S 3 KG 37/05) und vom OLG Düsseldorf (Urteil v. 22.01.07, L 19 AL 38/06) vertretene Rechtsauffassung, die derzeit im Revisionsverfahren beim BSG überprüft wird (Az.: B 14/11b AS 9/07 R), nach Auffassung des Gerichts ein Unterschreiten der Mindesteinkommensgrenze im Monat Juni 2006 unbeachtlich zu bleiben hätte und die Klägerin auch aus diesem Grund einen Anspruch auf Kinderzuschlag haben müsste. Bei unterschiedlichen Berechnungen der Mietkosten wäre sonst zu befürchten, dass die Klägerin weder einen Anspruch auf Kinderzuschlag nach § 6a BKGG, noch auf Leistungen nach dem SGB II hätte, obwohl sie selbst der entsprechende Bedarf der Bedarfsgemeinschaft nicht gedeckt wäre. Entsprechend dieser Rechtsprechung wäre von einem Anspruch der Klägerin auf Kinderzuschlag im Monat Juni 2006 auszugehen gewesen.

Nachdem die Klägerin mit ihrer Klage Erfolg hatte, war die Beklagte auch zur Tragung der außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu verurteilen (§ 193 SGG).
Rechtskraft
Aus
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