Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 29 KR 286/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 352/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 118/07 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 26. Oktober 2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der 1960 geborene Kläger, der als Rentner bei der Beklagten versichert ist, leidet unter einer fortgeschrittenen HIV-Infektion im Vollbild AIDS. Er ist Schwerbehinderter mit dem GdB 100, den Merkzeichen "G", "aG", "RF" und "B".
Am 16.12.2003 beantragte er die Kostenübernahme für eine Immunglobulintherapie mit dem Medikament "Flebogamma".
Den Widerspruch vom 15.01.2004 gegen den ablehnenden Bescheid vom 16.12.2003 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.02.2004 zurück. Sie berief sich dabei auf eine Stellungnahme des MDK vom 16.02.2004, wonach keines der marktfähigen Immunglobuline für die Behandlung von AIDS oder HIV-Infizierten im Erwachsenenalter zugelassen sei. Entsprechend dem MDK-Grundsatzgutachten von September 2003 liege kein adäquater Wirksamkeitsnachweis vor, da nur sechs Studien zu identifizieren seien, Studienergebnisse nicht vergleichbar seien, zwei Studien ohne erkennbare Wirkung, eine Studie Auswirkung auf Fiebersenkung und allgemeine Schwäche zeige und drei Studien zu dem Ergebnis kämen, eine Wirkung auf die Zahl der schweren Infektionen oder auf das Überleben sei erkennbar. Da keine Erkenntnisse über die behandelten HIV-Stadien, die Dosierung und Dauer der Behandlung sowie die Art der Immunglobuline vorlägen, sei keine ausreichende Evidenz gegeben. In diesem MDK-Gutachten vom September 2003 heißt es weiter, der Evidenzgrad der genannten Studien liege bei IIa. Dieser Wirksamkeitsnachweis hätte weitere randomisierte placebokontrollierte Doppelblindstudien gerechtfertigt. In dem im Widerspruchsverfahren eingeholten Gutachten des MDK vom 16.02.2004 wird ergänzt, obwohl mit der zunehmenden Verschlechterung der Immunkompetenz infolge Resistenzentwicklung das Risiko opportunistischer Infektionen steige, sei die intravenöse Immunglobulingabe in keiner einschlägigen Leitlinie als wirksame therapeutische Strategie aufgeführt.
Gegen den Widerspruchsbescheid hat der Kläger Klage auf Versorgung mit dem Medikament Flebogamma erhoben. Laut Roter Liste sei das Medikament bei sekundären Immunmangelkrankheiten zugelassen.
Die Beklagte hat das Schreiben des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 16.08.2004 an das Sozialgericht München vorgelegt, wonach die Arzneimittelrichtlinien nicht als Rechtsgrundlage zur Überwindung des fehlenden Zulassungsstatus ausgelegt werden könnten und hat auf den Wortlaut der Roten Liste sowie auf die Auskünfte des P.-Instituts vom 30.10.2002 und 20.03.2003 im Verfahren S 18 KR 338/04 ER verwiesen, wonach für keines der in Deutschland zugelassenen Immunglobuline die Indikation der Anwendung bei erwachsenen AIDS-Patienten genannt werde.
Das Sozialgericht hat die Klage am 26.10.2005 abgewiesen. Die Zulassung von Flebogamma erstrecke sich laut Herstellerfachinformation nicht auf erwachsene HIV-Patienten, was durch das P.-Institut bestätigt werde. Auch aus den Arzneimittelrichtlinien ergebe sich keine Rechtsgrundlage für die Verordnung von Immunglobulinen bei erwachsenen HIV-Patienten zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung. Weder Rote Liste noch die Richtlinien des Bundesausschusses könnten weiterreichen als die vom P.-Institut als zuständige Bundesoberbehörde für die streitgegenständlichen Präparate erteilten Zulassungen. Dies habe das Bayerische Landessozialgericht mit Urteil vom 02.03.2005, L 12 KA 107/03, festgestellt. Darin werde auch ausgeführt, dass die Voraussetzungen für einen Off-Label-Use nicht vorlägen, da keine ausreichend kontrollierten klinischen Prüfungen außerhalb eines Zulassungsverfahrens vorlägen, die über Qualität und Wirksamkeit von Immunglobulinen für erwachsene AIDS-Kranke ausreichend zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zuließen.
In dem eben genannten Verfahren des 12. Senats war Streitgegenstand ein Regress gegen den Beschwerdeausschuss Ärzte wegen unwirtschaftlicher Verordnung von Immunglobulinen bei HIV-Patienten. Die Berufung wurde unter anderem mit der Begründung zurückgewiesen, die Immunglobuline Oktagam, Intraglobin F und Intrimum seien nicht zugelassen für die Indikation und es gebe keine ausreichend validen Wirksamkeitsnachweise. Beweismittel waren dabei unter anderem die Stellungnahme des MDK Bayern vom 16.02.2004 und das Gutachten des Prof.Dr.H. bzw. dessen Assistenten Dr.B. vom 12.06.2004 der TU M ... Die Nichtzulassungsbeschwerde dagegen wurde vom Bundessozialgericht am 31.05.2006 unter anderem mit der Begründung zurückgewiesen, auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 sei die Einschätzung des behandelnden Arztes angesichts des Vorliegens von wissenschaftlichen Studien nicht maßgeblich.
Gegen das Urteil des Sozialgerichts hat der Kläger Berufung eingelegt. Wegen des zunehmenden Therapieversagens der antiretroviralen Kombinationstherapie sei die intravenöse Gabe von Immunglobulinen in Umsetzung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 geboten.
Ein Mindestgrad der Wirksamkeit sei nachgewiesen. Im Übrigen habe der Gemeinsame Bundesausschuss am 21.02.2006 einen Auftrag zur Prüfung intravenöser Immunglobulinbehandlung zur Behandlung von HIV-Patienten auch als Adjuvans erteilt. Daraus sei zu schließen, dass ernsthafte Hinweise auf einen nicht ganz entfernt liegenden Behandlungserfolg vorlägen.
Auf Anfrage hat der Gemeinsame Bundessausschuss am 10.11.2006 mitgeteilt, der Beschluss vom 21.02.2006 sei unter anderem nach Befragung einer ambulanten Schwerpunktpraxis in der HIV/AIDS-Versorgung und der Relevanz erhaltener Vorschläge in Kenntnis des MDK-Gutachtens vom 2003 ergangen.
Nachdem der praktische Arzt Dr.G. am 16.10.2006 über eine dramatische Verschlechterung des Gesundheitszustands des Klägers berichtet und ein zunehmendes Therapieversagen der antiretroviralen Kombinationstherapie angegeben hatte, hat der Senat die Beklagte im Rahmen einer einstweiligen Anordnung vom 13.11.2006 verpflichtet, dem Kläger nach ärztlicher Verordnung intravenöse Immunglobulintherapie mit sofortiger Wirkung bis zur Entscheidung in der Hauptsache, längstens bis 28.02.2007, als Sachleistung zu gewähren (L 5 KR 324/06 ER).
Nach Beiziehung ärztlicher Unterlagen von Dr.G. hat der Senat zwei Gutachten eingeholt. In diesem Zusammenhang ist der Kläger am 19.01.2007 im Klinikum S. untersucht worden. Das internistische Gutachten des Chefarztes der Klinik für Hämatologie, Onkologie, Immunologie, Infektiologie und Tropenmedizin Prof.Dr.N. vom 28.02.2007 ist zu dem Ergebnis gekommen, beim Kläger liege eine sehr weit fortgeschrittene HIV-Infektion mit dem AIDS-Vollbild seit 2004 vor auf Grund einer Sooroesophagitis sowie einer Cytomegalievirus - Retinitis des linken Auges. Daneben seien ein chronisches Erschöpfungssyndrom und reaktive Depression sowie multiple Erkrankungen im Zusammenhang mit der Immunschwäche vorhanden wie rezidivierende Herpes, Pneumonien und ausgeprägtes Schmerzsyndrom beider Beine. Auffällig sei eine äußerst ungünstige Resistenzlage der HIV-Medikamente. Derzeit sei die Virusvermehrung unterdrückt, seit August 2006 nehme der Kläger an einer Medikamentenstudie teil. Derzeit sei der Zustand nicht akut lebensbedrohlich, aber jederzeit könnten auf Grund der massiv ausgeprägten Immunschwäche (stark reduzierte Anzahl von CD4 positiven Lymphozyten) lebensbedrohliche Komplikationen auftreten. Das vollständige Versagen der antiretroviralen Kombinationstherapie sei nicht zwingend, da die Virusreplikation signifikant reduziert werden konnte und neuere Medikamente eine Therapieoption darstellten.
Daneben ist Prof.Dr.G. , ehemaliger Leiter der Infektionsambulanz und Tagesklinik der Universitätsklinik M. mit einem internistisch-infektiologischen Gutachten beauftragt worden. Dieser hat in seinem Gutachten vom 14.03.2007 unter Berücksichtigung einschlägiger Datenbanken, Therapieleitlinien, Lehrbücher und Zeitschriften das Fazit gezogen, das MDK-Gutachten vom September 2003 fasse alle relevanten klinischen Studien zusammen, seither seien keine mehr publiziert worden, die die Gabe von Immunglobulinen bei AIDS stützen würden. Der Nachweis der Wirksamkeit bei Kindern mit angeborener HIV-Infektion sei durch eine Studie der NIH der USA 1991 geführt worden (randomisiert, placebokontrolliert, 372 Patienten). Eine relevante klinische Forschung zum Einsatz von Immunglobulinen bei HIV im Erwachsenenalter sei hauptsächlich wegen der überragenden Bedeutung der antiretroviralen Kombinationstherapie (HAART) nicht mehr existent. Eine Vielzahl von Einzelfallberichten beschreibe sehr unterschiedliche positive Effekte, ohne einen Kausalzusammenhang zu sichern. Nebenwirkungen seien bei HIV-Patienten deutlich seltener als bei 5 % und wenig ausgeprägt.
Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dem Kläger stehe die Therapieoption mit einem bislang nicht eingesetzten neu zugelassenen Arzneimittel Prezista (Darunavir) und die Teilnahme an einem erweiterten Zulassungsprogramm betreffend der sich in Phase-III-Studien befindlichen Substanz Etravirine offen. Für eine Behandlung mit Immunglobulinen biete sich laut Gutachten Dr.G. keine Basis.
Die Klägerbevollmächtigte hat am 21.03.2007 geltend gemacht, aus dem Gutachten ergebe sich, dass der Kläger gegen sämtliche zugelassenen antiretroviralen Kombinationspräparate resistent sei. Es sei daher von einem vollständigen Versagen der HAART auszugehen. Der Verweis auf nicht zugelassene Medikamente sei unzulässig. Ob die Besserung des Immunstatus auf das neue Medikament oder die ab Dezember 2006 eingesetzte Immunglobulintherapie beruhe, sei nicht zu belegen. Der Zustand des Klägers erfordere die Ausschöpfung jedweder Option. Der Verweis auf ein neu entwickeltes Präparat sei unzulässig, da auch hiergegen eine Resistenzentwicklung möglich sei. Der adjuvante Einsatz von Immunglobulinen sei notwendig, da diese den drohenden Sekundärinfektionen entgegenwirkten. Der Kläger stelle einen Ausnahmefall dar, weil HAART nicht mehr wirke, so dass ihm ein Minimum an Behandlungsoption entsprechend der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung zustehe.
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 16.05.2007 hat Prof.Dr.G. ausgeführt, aus den vorgelegten Aufzeichnungen der Praxis G. gehe die Gabe von Flebogamma zwischen dem 15.09.2003 und dem 11.01.2005 hervor. Trotzdem sei der Allgemeinzustand des Klägers 2004 "ganz schlecht" gewesen, im Oktober 2004 habe das Rezidiv einer CMV-Retinitis behandelt werden müssen. Eine positive Wirkung der Immunglobuline auf den Kläger sei daher nicht zu objektivieren. Eine Verbesserung des Allgemeinzustands sei auch nicht zu erwarten, weil bei einem Defekt des zellulären Abwehrsystems wie AIDS die Unterstützung des humoralen Abwehrsystems nur einen marginalen Effekt habe. Ob Immunglobuline bakterielle Infektionen verhinderten, müsse erforscht werden. Auch vor dem Siegeszug von HAART habe es keine ernsthaften Hinweise auf den Erfolg von Immunglobulinen gegeben. Die aktuelle Viruslastmessung beim Kläger spreche für die Wirksamkeit des Integraseinhibitors, den der Kläger seit August 2006 erhalte. Im Übrigen habe sich die Therapieoption durch Darunavir und EAP (erweitertes Zulassungsprogramm im Zusammenhang mit einer Phase-3-Studie) gebessert.
Dagegen hat die Klägerbevollmächtigte eingewandt, der Sachverständige negiere die im Gutachten des MDK Niedersachsen genannten positiven Studien. Nach wie vor bestehe eine Unsicherheit über die Zulassungsreichweite der Immunglobuline. Auch die Frage nach dem Grund für die Einberufung des Expertenteams des Gemeinsamen Bundesausschusses sei offen.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 26.10.2005 und den Bescheid der Beklagten vom 16.12.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger die beantragte Therapie mit Immunglobulinen als Sachleistung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakte, der Klageakte S 29 KR 286/04, der erledigten ER-Akten des Sozialgerichts München S 44 KR 815/03, S 18 338/04, S 18 1017/04, S 18 KR 1051/04, der erledigten ER-Akten des Bayerischen Landessozialgerichts L 4 B 418/03 KR, L 4 B 275/04 KR, L 4 B 454/04 KR, L 4 B 499/05 KR, L 5 KR 324/06, L 5 KR 60/07, der erledigten Prozessakte L 12 KA 107/03 sowie der Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 26.10.2005 ist ebensowenig zu beanstanden wie der Bescheid der Beklagten vom 16.12.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2004. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Versorgung mit dem Medikament Flebogamma. Die Behandlung der fortgeschrittenen HIV-Infektion im Vollbild AIDS mit dem für dieses Anwendungsgebiet nicht zugelassenen Fertigarzneimittel ist keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Beklagte ist deshalb nicht verpflichtet, dem Kläger die Therapie mit Immunglobulinen zu gewähren.
Der in § 27 Abs.1 Satz 2 Nr.3 und § 31 Abs.1 SGB V normierte Anspruch des Versicherten auf Bereitstellung der für die Krankenbehandlung benötigten Arzneimittel unterliegt den Einschränkungen aus § 2 Abs.1 Satz 3 und § 12 Abs.1 SGB V. Er besteht nur für solche Pharmakotherapien, die sich bei dem vorhandenen Krankheitsbild als zweckmäßig und wirtschaftlich erwiesen haben und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Dabei knüpft das Krankenversicherungsrecht an das Arzneimittelrecht an, das für Fertigarzneimittel eine staatliche Zulassung vorschreibt und deren Anwendungsgebiet festlegt (§ 21 Abs.2 Arzneimittelgesetz). Das strittige Medikament Flebogamma ist nach der Fachinformation des Herstellers Grifols als Substitutionstherapie bei primären Immunmangelkrankheiten, bei Myelom oder chronisch-lymphatischer Leukämie mit schwerer sekundärer Hypogammaglobulinämie und rezidivierenden Infektionen sowie bei Kindern mit angeborenem AIDS und rezidivierenden Infektionen zugelassen. Der 1960 geborene Kläger leidet unter einer fortgeschrittenen HIV-Infektion im Vollbild AIDS. Zur Behandlung dieser Krankheit ist Flebogamma nicht zugelassen.
Entgegen der wiederholt vorgetragenen Ansicht der Klägerbevollmächtigten fehlt Flebogamma die generelle Zulassung zur Substitutionstherapie bei sekundärem Immunmangelsyndrom. In gleichem Sinn hat der 12. Senat unter Verweis auf die Auskünfte des P.-Instituts vom 30.10.2002 und 20.03.2003 entschieden, dass für keines der in Deutschland zugelassenen Immunglobuline die Indikation der Anwendung bei erwachsenen AIDS-Patienten gegeben ist. Hieran hat sich seit 2003 offensichtlich nichts geändert, nachdem der Gemeinsame Bundesausschuss am 21.02.2006 beschlossen hat, die Expertengruppe Off-Label mit der Bewertung der Anwendung von intravenösen Immunglobulinen zur Behandlung von HIV/AIDS im Erwachsenenalter (auch als Adjuvans) zu betrauen.
Der Mangel der fehlenden Zulassung des Arzneimittels für das im Streit befindliche Anwendungsgebiet kann mit dem Instrumentarium des Krankenversicherungsrechts nur in eng begrenzten Ausnahmefällen behoben werden. Die Zulassungsvorschriften verlören nämlich im erheblichen Teil ihre Bedeutung, wenn in der Gesetzlichen Krankenversicherung eine Erweiterung der Anwendungsgebiete eines Arzneimittels ohne Zulassung im Verfahren nach § 135 Abs.1 SGB V erreicht werden könnte. Der Hersteller könnte sich den Aufwand und die Kosten eines neuen Zulassungsverfahrens ersparen und stattdessen abwarten, bis sich der zulassungsüberschreitende Einsatz in der Praxis etabliert hat und von dritter Seite eine Anerkennung durch den Bundesausschuss beantragt wird. Zugleich wäre er von der Haftung für etwaige gesundheitliche Schäden nach § 84 Arzneimittelgesetz frei (BSG, Urteil vom 19.03.2002 in SozR 3-2500 § 31 Nr.8).
Grundsätzlich muss ein Off-Label-Use zu Lasten der Krankenversicherung auf Fälle beschränkt bleiben, in denen einerseits ein unabweisbarer und anders nicht zu befriedigender Bedarf an der Arzneitherapie besteht und andererseits die therapeutische Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Behandlung hinreichend belegt sind. Die Verordnung eines Medikaments in einem von der Zulassung nicht umfassten Anwendungsgebiet kommt deshalb nur in Betracht, wenn es um die Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung geht, wenn keine andere Therapie verfügbar ist und wenn auf Grund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg erzielt werden kann. Letzteres kann angenommen werden, wenn entweder die Erweiterung der Zulassung bereits beantragt ist und die Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III veröffentlicht sind und eine klinisch relevante Wirksamkeit respektive einen klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken belegen oder außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse veröffentlicht sind, die über Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels in dem neuen Anwendungsgebiet zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zulassen und auf Grund derer in den einschlägigen Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen in dem vorgenannten Sinne besteht (BSG, Urteil vom 19.03.2002 a.a.O.).
Im Fall des Klägers sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Zwar gehört die HIV-Infektion zu den schweren Krankheiten, bei denen die Behandlung mit einem für die Indikation nicht zugelassenen Arzneimittel ausnahmsweise in Betracht kommt. Es fehlen aber hinreichend gesicherte Erkenntnisse über die Wirksamkeit einer Behandlung mit Immunglobulinen.
Mit dieser Beurteilung stützt sich der Senat auf das Gutachten des Prof.Dr.G. , der in seinem Gutachten vom 14.03.2007 unter Berücksichtigung einschlägiger Datenbanken, Therapieleitlinien, Lehrbücher und Zeitschriften zu dem Ergebnis gekommen ist, seit der Erstellung des MDK-Gutachtens vom September 2003 seien keine klinischen Studien publiziert worden, die eine Gabe von Immunglobulinen bei Patienten mit HIV-Infektion im fortgeschrittenen Stadium des Vollbildes AIDS stützen würden. Insbesondere lägen keine ausreichend großen randomisierten, kontrollierten oder gar placebokontrollierten Studien im Sinne der Evidenzstufe III vor.
Auch vor der Entwicklung der antiretroviralen Therapie sind keine Ergebnisse veröffentlicht worden, die über Qualität und Wirksamkeit der intravenösen Immunglobulingabe bei Erwachsenen mit fortgeschrittener AIDS-Erkrankung ausreichend zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zulassen. Mit dieser Beurteilung stützt sich der Senat auf das Gutachten der Doktoren H. und B. vom 12.06.2004, das im Auftrag des Sozialgerichts München erstellt worden ist. In Übereinstimmung mit dem MDK, der sich ausführlich im September 2003 und erneut am 16.02.2004 mit der grundsätzlichen Problematik auseinandergesetzt hat, sind die Fachärzte zu dem Ergebnis gekommen, dass prospektive, randomisierte Doppelblindstudien, insbesondere im Vergleich mit/ohne der etablierten HIV-Therapie oder der optimierten Primär-/Sekundärprophylaxe fehlen. Die von der Klägerbevollmächtigten genannten Studien in der Zeit von 1990 bis 1996 ergaben zwar teilweise den Nachweis, dass bei Patienten mit gehäuften bakteriellen Infektionen der Schweregrad dieser Infektionen durch die Gabe von intravenösen Immunglobulinen gesenkt und weniger häufig stationäre Behandlung in Anspruch genommen werden mussten. Diese Studien waren auch der Anlass für die Vereinigung der niedergelassenen Ärzte, die HIV-Patienten therapieren (DAGNÄ e.V.), im Oktober 1996 die Empfehlung abzugeben, Patienten in sehr fortgeschrittenen Krankheitsphasen mit Immunglobulinen zu behandeln. Der Evidenzgrad der Studien lag hingegen lediglich bei IIa, der weitere randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudien gerechtfertigt hätte. Diese Studien wurden jedoch bis heute nicht durchgeführt. Auch nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 (SozR 4-2500 § 27 Nr.5) setzt ein Off-Label-Use aber voraus, dass auf Grund einer Phase-III-Arzneimittelzulassungsstudie oder gleichwertiger Erkenntnisse die begründete Aussicht auf einen Behandlungserfolg besteht (zuletzt BSG am 27.03.2007 - B 1 KR 17/06 R; Beschluss des Bundessozialgerichts vom 31.05.2006 - B 6 KA 53/05 B).
Zwar sind die Regelungen des Leistungsrechts dann anspruchserweiternd verfassungskonform auszulegen, wenn eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende bzw. eine zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung vorliegt (Urteil des Bundessozialgerichts vom 14.12.2006 B 1 KR 12/06 R). Von einem derartigen Zustand ist im Fall des Klägers auszugehen. Nach dem internistischen Gutachten des Prof.Dr.N. vom 28.02.2007 liegt eine weit fortgeschrittene HIV-Infektion vor, die seit 2004 das Vollbild AIDS ergibt und mit multiplen Komplikationen und Folgeerkrankungen verbunden ist. Die stark reduzierte Anzahl von CD4-positiven Lymphozyten zeigt eine sehr starke Beeinträchtigung der Funktionsweise des zellulären Immunsystems an, so dass jederzeit lebensbedrohliche Komplikationen auftreten können. In dieser Situation ist es mit dem Grundgesetz nicht vereinbar, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, generell von der Gewährung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 in SozR 4-2500 § 27 Nr.5). Mit der Ablehnung der Versorgung mit Immunglobulinen verstößt die Beklagte jedoch nicht gegen die von Art.2 Abs.2 Satz 1 Grundgesetz geforderte Mindestversorgung.
Angesichts der genannten Studien aus den Jahren 1990 bis 1996 können keine Zweifel bestehen, dass ernsthafte Hinweise auf eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bei HIV-Patienten im Endstadium bestehen. Dabei kann dahinstehen, ob Flebogamma beim Kläger zur Stabilisierung seines jetzigen Zustands beigetragen hat, wie dies von der Klägerbevollmächtigten behauptet und von Prof.Dr.G. bestritten wird. Auch ist nicht zu entscheiden, ob Anwendungsbeobachtungen seriöse Erkenntnisse vermitteln oder wegen ihrer Auftragsbestimmtheit als untauglich abzulehnen sind. Für das Vorliegen ernsthafter Hinweise im Sinn der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum grundrechtlich garantierten Versorgungsschutz durch die Gesetzliche Krankenversicherung genügen aussagekräftige Erkenntnisse, z.B. im Sinn der Evidenzstufe IV nach § 9 Abs.3 BUB-Richtlinie (BSG, Terminsbericht Nr.20/06 vom 27.03.2006), wozu etwa die Empfehlung der DAGNÄ e.V. aus dem Jahr 1996 gehört. Dort sind 80 % der HIV-Schwerpunktbehandler organisiert, bei deren Empfehlung handelt es sich also um eine Expertenmeinung. Hierauf ist offensichtlich auch der Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 21. Februar 2006 zurückzuführen, der nach Rückfrage bei HIV-Schwerpunktpraxen an die Expertengruppe Off-Label nach § 1 Abs.3 des Erlasses über die Einrichtung von Expertengruppen Off-Label nach § 35b Abs.3 SGB V den Auftrag erteilt hat, die Gabe intravenöser Immunglobuline zur Behandlung von HIV/AIDS im Erwachsenenalter (auch als Adjuvans) zu bewerten.
Dennoch kann der Kläger hieraus keinen Versorgungsanspruch ableiten. Er kann nach wie vor schulmedizinische Behandlungsmethoden in Anspruch nehmen, die die Vermehrung des HIV-Virus derzeit weitgehend unterdrücken. Entgegen der Behauptung der Klägerbevollmächtigten hat die antiretrovirale Kombinationstherapie nicht versagt. Wie Prof.Dr.G. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 16.05.2007 dargelegt hat, spricht das jüngste Ergebnis der Viruslastmessung beim Kläger dafür, dass die antiretroviralen Medikamente wirksam sind. Anfang 2006 betrug die Viruslast 281.000 cp/ml; das war der Zustand unmittelbar vor Beginn einer Studienteilnahme mit einem neuen Integraseinhibitor. Diese Studie ist für Patient wie den Kläger mit massiver Vorbehandlung und zahlreichen Virusmutationen konzipiert, die zu einer Abnahme der Empfindlichkeit des Virus führen. Bei der letzten Viruslastmessung fanden sich 640 cp/ml, also eine dramatische Abnahme der Virusreplikation. Zudem hat sich inzwischen das Bild im Hinblick auf die Therapieoptionen erheblich gebessert. Neu zugelassen ist nun der Proteaseinhibitor Darunavir, im sog. "expended access program" sind weitere Substanzen verfügbar wie Maraviroc und TMC 125. Neue Substanzen kommen nur dann in ein expended access program, wenn Phase-III-Studien mit einem eindeutig positiven Ergebnis abgeschlossen sind. Nachdem beim Kläger durch die mitbetreuende HIV-Schwerpunktpraxis bereits das Studienmedikament Integrase eingesetzt wird, stehen ihm mit dem Arzneimittel Prezista bzw. weiteren sich in Phase-III-Studien befindlichen Antiretroviralsubstanzen Therapieoptionen offen. Die Beklagte hat sich zur Übernahme derartiger Kosten auch bereiterklärt. Der Kläger ist daher nicht auf eine Finanzierung der Behandlung außerhalb der Gesetzlichen Krankenversicherung angewiesen.
Wenn die Klägerbevollmächtigte demgegenüber wegen des lebensbedrohlichen Zustands des Klägers adjuvante Behandlungen fordert, die wirksam sein können, so geht sie über die Forderungen durch das Grundgesetz hinaus. Selbst im Fall regelmäßig tödlich verlaufender Krankheiten setzen die verfassungsrechtlichen Schutzpflichten den Leistungsansprüchen Grenzen. Insbesondere darf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht dazu führen, dass unter Berufung auf sie im Einzelfall Rechte begründet werden, die bei konsequenter Ausnutzung durch die Leistungsberechtigten institutionelle Sicherungen aushebeln, die der Gesetzgeber im Interesse des Gesundheitsschutzes der Versicherten und der Gesamtbevölkerung errichtet hat (BSG, Urteil vom 04.04.2006, Az.: B 1 KR 7/05 R). Gerade im Bereich der lebensbedrohlichen Erkrankungen im Endstadium wird eine Fülle von nicht ausreichend validierten Behandlungsmethoden und Arzneimitteln angeboten, deren Anwendung nicht nur wegen der damit verbundenen Risiken hoch problematisch erscheint. Hier dennoch eine Leistungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung zu bejahen, käme allenfalls in Betracht, wenn die strittige Therapie bzw. das strittige Arzneimittel keinerlei Nebenwirkungen hätte. Die Nebenwirkungen einer intravenösen Immunglobulintherapie sind zwar relativ selten, außerordentlich selten ernsthafter Natur, durchaus aber existent. Solange die Gesetzliche Krankenversicherung eine Therapie der schweren lebensbedrohlichen Krankheit zur Verfügung stellt, die lebensverlängernd wirkt, kann sie auch aus Wirtschaftlichkeitsgründen nicht gezwungen werden, sämtliche weiteren Therapieoptionen ungesicherter Art zu finanzieren.
Aus diesen Gründen war die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der 1960 geborene Kläger, der als Rentner bei der Beklagten versichert ist, leidet unter einer fortgeschrittenen HIV-Infektion im Vollbild AIDS. Er ist Schwerbehinderter mit dem GdB 100, den Merkzeichen "G", "aG", "RF" und "B".
Am 16.12.2003 beantragte er die Kostenübernahme für eine Immunglobulintherapie mit dem Medikament "Flebogamma".
Den Widerspruch vom 15.01.2004 gegen den ablehnenden Bescheid vom 16.12.2003 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.02.2004 zurück. Sie berief sich dabei auf eine Stellungnahme des MDK vom 16.02.2004, wonach keines der marktfähigen Immunglobuline für die Behandlung von AIDS oder HIV-Infizierten im Erwachsenenalter zugelassen sei. Entsprechend dem MDK-Grundsatzgutachten von September 2003 liege kein adäquater Wirksamkeitsnachweis vor, da nur sechs Studien zu identifizieren seien, Studienergebnisse nicht vergleichbar seien, zwei Studien ohne erkennbare Wirkung, eine Studie Auswirkung auf Fiebersenkung und allgemeine Schwäche zeige und drei Studien zu dem Ergebnis kämen, eine Wirkung auf die Zahl der schweren Infektionen oder auf das Überleben sei erkennbar. Da keine Erkenntnisse über die behandelten HIV-Stadien, die Dosierung und Dauer der Behandlung sowie die Art der Immunglobuline vorlägen, sei keine ausreichende Evidenz gegeben. In diesem MDK-Gutachten vom September 2003 heißt es weiter, der Evidenzgrad der genannten Studien liege bei IIa. Dieser Wirksamkeitsnachweis hätte weitere randomisierte placebokontrollierte Doppelblindstudien gerechtfertigt. In dem im Widerspruchsverfahren eingeholten Gutachten des MDK vom 16.02.2004 wird ergänzt, obwohl mit der zunehmenden Verschlechterung der Immunkompetenz infolge Resistenzentwicklung das Risiko opportunistischer Infektionen steige, sei die intravenöse Immunglobulingabe in keiner einschlägigen Leitlinie als wirksame therapeutische Strategie aufgeführt.
Gegen den Widerspruchsbescheid hat der Kläger Klage auf Versorgung mit dem Medikament Flebogamma erhoben. Laut Roter Liste sei das Medikament bei sekundären Immunmangelkrankheiten zugelassen.
Die Beklagte hat das Schreiben des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 16.08.2004 an das Sozialgericht München vorgelegt, wonach die Arzneimittelrichtlinien nicht als Rechtsgrundlage zur Überwindung des fehlenden Zulassungsstatus ausgelegt werden könnten und hat auf den Wortlaut der Roten Liste sowie auf die Auskünfte des P.-Instituts vom 30.10.2002 und 20.03.2003 im Verfahren S 18 KR 338/04 ER verwiesen, wonach für keines der in Deutschland zugelassenen Immunglobuline die Indikation der Anwendung bei erwachsenen AIDS-Patienten genannt werde.
Das Sozialgericht hat die Klage am 26.10.2005 abgewiesen. Die Zulassung von Flebogamma erstrecke sich laut Herstellerfachinformation nicht auf erwachsene HIV-Patienten, was durch das P.-Institut bestätigt werde. Auch aus den Arzneimittelrichtlinien ergebe sich keine Rechtsgrundlage für die Verordnung von Immunglobulinen bei erwachsenen HIV-Patienten zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung. Weder Rote Liste noch die Richtlinien des Bundesausschusses könnten weiterreichen als die vom P.-Institut als zuständige Bundesoberbehörde für die streitgegenständlichen Präparate erteilten Zulassungen. Dies habe das Bayerische Landessozialgericht mit Urteil vom 02.03.2005, L 12 KA 107/03, festgestellt. Darin werde auch ausgeführt, dass die Voraussetzungen für einen Off-Label-Use nicht vorlägen, da keine ausreichend kontrollierten klinischen Prüfungen außerhalb eines Zulassungsverfahrens vorlägen, die über Qualität und Wirksamkeit von Immunglobulinen für erwachsene AIDS-Kranke ausreichend zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zuließen.
In dem eben genannten Verfahren des 12. Senats war Streitgegenstand ein Regress gegen den Beschwerdeausschuss Ärzte wegen unwirtschaftlicher Verordnung von Immunglobulinen bei HIV-Patienten. Die Berufung wurde unter anderem mit der Begründung zurückgewiesen, die Immunglobuline Oktagam, Intraglobin F und Intrimum seien nicht zugelassen für die Indikation und es gebe keine ausreichend validen Wirksamkeitsnachweise. Beweismittel waren dabei unter anderem die Stellungnahme des MDK Bayern vom 16.02.2004 und das Gutachten des Prof.Dr.H. bzw. dessen Assistenten Dr.B. vom 12.06.2004 der TU M ... Die Nichtzulassungsbeschwerde dagegen wurde vom Bundessozialgericht am 31.05.2006 unter anderem mit der Begründung zurückgewiesen, auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 sei die Einschätzung des behandelnden Arztes angesichts des Vorliegens von wissenschaftlichen Studien nicht maßgeblich.
Gegen das Urteil des Sozialgerichts hat der Kläger Berufung eingelegt. Wegen des zunehmenden Therapieversagens der antiretroviralen Kombinationstherapie sei die intravenöse Gabe von Immunglobulinen in Umsetzung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 geboten.
Ein Mindestgrad der Wirksamkeit sei nachgewiesen. Im Übrigen habe der Gemeinsame Bundesausschuss am 21.02.2006 einen Auftrag zur Prüfung intravenöser Immunglobulinbehandlung zur Behandlung von HIV-Patienten auch als Adjuvans erteilt. Daraus sei zu schließen, dass ernsthafte Hinweise auf einen nicht ganz entfernt liegenden Behandlungserfolg vorlägen.
Auf Anfrage hat der Gemeinsame Bundessausschuss am 10.11.2006 mitgeteilt, der Beschluss vom 21.02.2006 sei unter anderem nach Befragung einer ambulanten Schwerpunktpraxis in der HIV/AIDS-Versorgung und der Relevanz erhaltener Vorschläge in Kenntnis des MDK-Gutachtens vom 2003 ergangen.
Nachdem der praktische Arzt Dr.G. am 16.10.2006 über eine dramatische Verschlechterung des Gesundheitszustands des Klägers berichtet und ein zunehmendes Therapieversagen der antiretroviralen Kombinationstherapie angegeben hatte, hat der Senat die Beklagte im Rahmen einer einstweiligen Anordnung vom 13.11.2006 verpflichtet, dem Kläger nach ärztlicher Verordnung intravenöse Immunglobulintherapie mit sofortiger Wirkung bis zur Entscheidung in der Hauptsache, längstens bis 28.02.2007, als Sachleistung zu gewähren (L 5 KR 324/06 ER).
Nach Beiziehung ärztlicher Unterlagen von Dr.G. hat der Senat zwei Gutachten eingeholt. In diesem Zusammenhang ist der Kläger am 19.01.2007 im Klinikum S. untersucht worden. Das internistische Gutachten des Chefarztes der Klinik für Hämatologie, Onkologie, Immunologie, Infektiologie und Tropenmedizin Prof.Dr.N. vom 28.02.2007 ist zu dem Ergebnis gekommen, beim Kläger liege eine sehr weit fortgeschrittene HIV-Infektion mit dem AIDS-Vollbild seit 2004 vor auf Grund einer Sooroesophagitis sowie einer Cytomegalievirus - Retinitis des linken Auges. Daneben seien ein chronisches Erschöpfungssyndrom und reaktive Depression sowie multiple Erkrankungen im Zusammenhang mit der Immunschwäche vorhanden wie rezidivierende Herpes, Pneumonien und ausgeprägtes Schmerzsyndrom beider Beine. Auffällig sei eine äußerst ungünstige Resistenzlage der HIV-Medikamente. Derzeit sei die Virusvermehrung unterdrückt, seit August 2006 nehme der Kläger an einer Medikamentenstudie teil. Derzeit sei der Zustand nicht akut lebensbedrohlich, aber jederzeit könnten auf Grund der massiv ausgeprägten Immunschwäche (stark reduzierte Anzahl von CD4 positiven Lymphozyten) lebensbedrohliche Komplikationen auftreten. Das vollständige Versagen der antiretroviralen Kombinationstherapie sei nicht zwingend, da die Virusreplikation signifikant reduziert werden konnte und neuere Medikamente eine Therapieoption darstellten.
Daneben ist Prof.Dr.G. , ehemaliger Leiter der Infektionsambulanz und Tagesklinik der Universitätsklinik M. mit einem internistisch-infektiologischen Gutachten beauftragt worden. Dieser hat in seinem Gutachten vom 14.03.2007 unter Berücksichtigung einschlägiger Datenbanken, Therapieleitlinien, Lehrbücher und Zeitschriften das Fazit gezogen, das MDK-Gutachten vom September 2003 fasse alle relevanten klinischen Studien zusammen, seither seien keine mehr publiziert worden, die die Gabe von Immunglobulinen bei AIDS stützen würden. Der Nachweis der Wirksamkeit bei Kindern mit angeborener HIV-Infektion sei durch eine Studie der NIH der USA 1991 geführt worden (randomisiert, placebokontrolliert, 372 Patienten). Eine relevante klinische Forschung zum Einsatz von Immunglobulinen bei HIV im Erwachsenenalter sei hauptsächlich wegen der überragenden Bedeutung der antiretroviralen Kombinationstherapie (HAART) nicht mehr existent. Eine Vielzahl von Einzelfallberichten beschreibe sehr unterschiedliche positive Effekte, ohne einen Kausalzusammenhang zu sichern. Nebenwirkungen seien bei HIV-Patienten deutlich seltener als bei 5 % und wenig ausgeprägt.
Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dem Kläger stehe die Therapieoption mit einem bislang nicht eingesetzten neu zugelassenen Arzneimittel Prezista (Darunavir) und die Teilnahme an einem erweiterten Zulassungsprogramm betreffend der sich in Phase-III-Studien befindlichen Substanz Etravirine offen. Für eine Behandlung mit Immunglobulinen biete sich laut Gutachten Dr.G. keine Basis.
Die Klägerbevollmächtigte hat am 21.03.2007 geltend gemacht, aus dem Gutachten ergebe sich, dass der Kläger gegen sämtliche zugelassenen antiretroviralen Kombinationspräparate resistent sei. Es sei daher von einem vollständigen Versagen der HAART auszugehen. Der Verweis auf nicht zugelassene Medikamente sei unzulässig. Ob die Besserung des Immunstatus auf das neue Medikament oder die ab Dezember 2006 eingesetzte Immunglobulintherapie beruhe, sei nicht zu belegen. Der Zustand des Klägers erfordere die Ausschöpfung jedweder Option. Der Verweis auf ein neu entwickeltes Präparat sei unzulässig, da auch hiergegen eine Resistenzentwicklung möglich sei. Der adjuvante Einsatz von Immunglobulinen sei notwendig, da diese den drohenden Sekundärinfektionen entgegenwirkten. Der Kläger stelle einen Ausnahmefall dar, weil HAART nicht mehr wirke, so dass ihm ein Minimum an Behandlungsoption entsprechend der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung zustehe.
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 16.05.2007 hat Prof.Dr.G. ausgeführt, aus den vorgelegten Aufzeichnungen der Praxis G. gehe die Gabe von Flebogamma zwischen dem 15.09.2003 und dem 11.01.2005 hervor. Trotzdem sei der Allgemeinzustand des Klägers 2004 "ganz schlecht" gewesen, im Oktober 2004 habe das Rezidiv einer CMV-Retinitis behandelt werden müssen. Eine positive Wirkung der Immunglobuline auf den Kläger sei daher nicht zu objektivieren. Eine Verbesserung des Allgemeinzustands sei auch nicht zu erwarten, weil bei einem Defekt des zellulären Abwehrsystems wie AIDS die Unterstützung des humoralen Abwehrsystems nur einen marginalen Effekt habe. Ob Immunglobuline bakterielle Infektionen verhinderten, müsse erforscht werden. Auch vor dem Siegeszug von HAART habe es keine ernsthaften Hinweise auf den Erfolg von Immunglobulinen gegeben. Die aktuelle Viruslastmessung beim Kläger spreche für die Wirksamkeit des Integraseinhibitors, den der Kläger seit August 2006 erhalte. Im Übrigen habe sich die Therapieoption durch Darunavir und EAP (erweitertes Zulassungsprogramm im Zusammenhang mit einer Phase-3-Studie) gebessert.
Dagegen hat die Klägerbevollmächtigte eingewandt, der Sachverständige negiere die im Gutachten des MDK Niedersachsen genannten positiven Studien. Nach wie vor bestehe eine Unsicherheit über die Zulassungsreichweite der Immunglobuline. Auch die Frage nach dem Grund für die Einberufung des Expertenteams des Gemeinsamen Bundesausschusses sei offen.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 26.10.2005 und den Bescheid der Beklagten vom 16.12.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger die beantragte Therapie mit Immunglobulinen als Sachleistung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakte, der Klageakte S 29 KR 286/04, der erledigten ER-Akten des Sozialgerichts München S 44 KR 815/03, S 18 338/04, S 18 1017/04, S 18 KR 1051/04, der erledigten ER-Akten des Bayerischen Landessozialgerichts L 4 B 418/03 KR, L 4 B 275/04 KR, L 4 B 454/04 KR, L 4 B 499/05 KR, L 5 KR 324/06, L 5 KR 60/07, der erledigten Prozessakte L 12 KA 107/03 sowie der Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 26.10.2005 ist ebensowenig zu beanstanden wie der Bescheid der Beklagten vom 16.12.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2004. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Versorgung mit dem Medikament Flebogamma. Die Behandlung der fortgeschrittenen HIV-Infektion im Vollbild AIDS mit dem für dieses Anwendungsgebiet nicht zugelassenen Fertigarzneimittel ist keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Beklagte ist deshalb nicht verpflichtet, dem Kläger die Therapie mit Immunglobulinen zu gewähren.
Der in § 27 Abs.1 Satz 2 Nr.3 und § 31 Abs.1 SGB V normierte Anspruch des Versicherten auf Bereitstellung der für die Krankenbehandlung benötigten Arzneimittel unterliegt den Einschränkungen aus § 2 Abs.1 Satz 3 und § 12 Abs.1 SGB V. Er besteht nur für solche Pharmakotherapien, die sich bei dem vorhandenen Krankheitsbild als zweckmäßig und wirtschaftlich erwiesen haben und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Dabei knüpft das Krankenversicherungsrecht an das Arzneimittelrecht an, das für Fertigarzneimittel eine staatliche Zulassung vorschreibt und deren Anwendungsgebiet festlegt (§ 21 Abs.2 Arzneimittelgesetz). Das strittige Medikament Flebogamma ist nach der Fachinformation des Herstellers Grifols als Substitutionstherapie bei primären Immunmangelkrankheiten, bei Myelom oder chronisch-lymphatischer Leukämie mit schwerer sekundärer Hypogammaglobulinämie und rezidivierenden Infektionen sowie bei Kindern mit angeborenem AIDS und rezidivierenden Infektionen zugelassen. Der 1960 geborene Kläger leidet unter einer fortgeschrittenen HIV-Infektion im Vollbild AIDS. Zur Behandlung dieser Krankheit ist Flebogamma nicht zugelassen.
Entgegen der wiederholt vorgetragenen Ansicht der Klägerbevollmächtigten fehlt Flebogamma die generelle Zulassung zur Substitutionstherapie bei sekundärem Immunmangelsyndrom. In gleichem Sinn hat der 12. Senat unter Verweis auf die Auskünfte des P.-Instituts vom 30.10.2002 und 20.03.2003 entschieden, dass für keines der in Deutschland zugelassenen Immunglobuline die Indikation der Anwendung bei erwachsenen AIDS-Patienten gegeben ist. Hieran hat sich seit 2003 offensichtlich nichts geändert, nachdem der Gemeinsame Bundesausschuss am 21.02.2006 beschlossen hat, die Expertengruppe Off-Label mit der Bewertung der Anwendung von intravenösen Immunglobulinen zur Behandlung von HIV/AIDS im Erwachsenenalter (auch als Adjuvans) zu betrauen.
Der Mangel der fehlenden Zulassung des Arzneimittels für das im Streit befindliche Anwendungsgebiet kann mit dem Instrumentarium des Krankenversicherungsrechts nur in eng begrenzten Ausnahmefällen behoben werden. Die Zulassungsvorschriften verlören nämlich im erheblichen Teil ihre Bedeutung, wenn in der Gesetzlichen Krankenversicherung eine Erweiterung der Anwendungsgebiete eines Arzneimittels ohne Zulassung im Verfahren nach § 135 Abs.1 SGB V erreicht werden könnte. Der Hersteller könnte sich den Aufwand und die Kosten eines neuen Zulassungsverfahrens ersparen und stattdessen abwarten, bis sich der zulassungsüberschreitende Einsatz in der Praxis etabliert hat und von dritter Seite eine Anerkennung durch den Bundesausschuss beantragt wird. Zugleich wäre er von der Haftung für etwaige gesundheitliche Schäden nach § 84 Arzneimittelgesetz frei (BSG, Urteil vom 19.03.2002 in SozR 3-2500 § 31 Nr.8).
Grundsätzlich muss ein Off-Label-Use zu Lasten der Krankenversicherung auf Fälle beschränkt bleiben, in denen einerseits ein unabweisbarer und anders nicht zu befriedigender Bedarf an der Arzneitherapie besteht und andererseits die therapeutische Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Behandlung hinreichend belegt sind. Die Verordnung eines Medikaments in einem von der Zulassung nicht umfassten Anwendungsgebiet kommt deshalb nur in Betracht, wenn es um die Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung geht, wenn keine andere Therapie verfügbar ist und wenn auf Grund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg erzielt werden kann. Letzteres kann angenommen werden, wenn entweder die Erweiterung der Zulassung bereits beantragt ist und die Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III veröffentlicht sind und eine klinisch relevante Wirksamkeit respektive einen klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken belegen oder außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse veröffentlicht sind, die über Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels in dem neuen Anwendungsgebiet zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zulassen und auf Grund derer in den einschlägigen Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen in dem vorgenannten Sinne besteht (BSG, Urteil vom 19.03.2002 a.a.O.).
Im Fall des Klägers sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Zwar gehört die HIV-Infektion zu den schweren Krankheiten, bei denen die Behandlung mit einem für die Indikation nicht zugelassenen Arzneimittel ausnahmsweise in Betracht kommt. Es fehlen aber hinreichend gesicherte Erkenntnisse über die Wirksamkeit einer Behandlung mit Immunglobulinen.
Mit dieser Beurteilung stützt sich der Senat auf das Gutachten des Prof.Dr.G. , der in seinem Gutachten vom 14.03.2007 unter Berücksichtigung einschlägiger Datenbanken, Therapieleitlinien, Lehrbücher und Zeitschriften zu dem Ergebnis gekommen ist, seit der Erstellung des MDK-Gutachtens vom September 2003 seien keine klinischen Studien publiziert worden, die eine Gabe von Immunglobulinen bei Patienten mit HIV-Infektion im fortgeschrittenen Stadium des Vollbildes AIDS stützen würden. Insbesondere lägen keine ausreichend großen randomisierten, kontrollierten oder gar placebokontrollierten Studien im Sinne der Evidenzstufe III vor.
Auch vor der Entwicklung der antiretroviralen Therapie sind keine Ergebnisse veröffentlicht worden, die über Qualität und Wirksamkeit der intravenösen Immunglobulingabe bei Erwachsenen mit fortgeschrittener AIDS-Erkrankung ausreichend zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zulassen. Mit dieser Beurteilung stützt sich der Senat auf das Gutachten der Doktoren H. und B. vom 12.06.2004, das im Auftrag des Sozialgerichts München erstellt worden ist. In Übereinstimmung mit dem MDK, der sich ausführlich im September 2003 und erneut am 16.02.2004 mit der grundsätzlichen Problematik auseinandergesetzt hat, sind die Fachärzte zu dem Ergebnis gekommen, dass prospektive, randomisierte Doppelblindstudien, insbesondere im Vergleich mit/ohne der etablierten HIV-Therapie oder der optimierten Primär-/Sekundärprophylaxe fehlen. Die von der Klägerbevollmächtigten genannten Studien in der Zeit von 1990 bis 1996 ergaben zwar teilweise den Nachweis, dass bei Patienten mit gehäuften bakteriellen Infektionen der Schweregrad dieser Infektionen durch die Gabe von intravenösen Immunglobulinen gesenkt und weniger häufig stationäre Behandlung in Anspruch genommen werden mussten. Diese Studien waren auch der Anlass für die Vereinigung der niedergelassenen Ärzte, die HIV-Patienten therapieren (DAGNÄ e.V.), im Oktober 1996 die Empfehlung abzugeben, Patienten in sehr fortgeschrittenen Krankheitsphasen mit Immunglobulinen zu behandeln. Der Evidenzgrad der Studien lag hingegen lediglich bei IIa, der weitere randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudien gerechtfertigt hätte. Diese Studien wurden jedoch bis heute nicht durchgeführt. Auch nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 (SozR 4-2500 § 27 Nr.5) setzt ein Off-Label-Use aber voraus, dass auf Grund einer Phase-III-Arzneimittelzulassungsstudie oder gleichwertiger Erkenntnisse die begründete Aussicht auf einen Behandlungserfolg besteht (zuletzt BSG am 27.03.2007 - B 1 KR 17/06 R; Beschluss des Bundessozialgerichts vom 31.05.2006 - B 6 KA 53/05 B).
Zwar sind die Regelungen des Leistungsrechts dann anspruchserweiternd verfassungskonform auszulegen, wenn eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende bzw. eine zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung vorliegt (Urteil des Bundessozialgerichts vom 14.12.2006 B 1 KR 12/06 R). Von einem derartigen Zustand ist im Fall des Klägers auszugehen. Nach dem internistischen Gutachten des Prof.Dr.N. vom 28.02.2007 liegt eine weit fortgeschrittene HIV-Infektion vor, die seit 2004 das Vollbild AIDS ergibt und mit multiplen Komplikationen und Folgeerkrankungen verbunden ist. Die stark reduzierte Anzahl von CD4-positiven Lymphozyten zeigt eine sehr starke Beeinträchtigung der Funktionsweise des zellulären Immunsystems an, so dass jederzeit lebensbedrohliche Komplikationen auftreten können. In dieser Situation ist es mit dem Grundgesetz nicht vereinbar, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, generell von der Gewährung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 in SozR 4-2500 § 27 Nr.5). Mit der Ablehnung der Versorgung mit Immunglobulinen verstößt die Beklagte jedoch nicht gegen die von Art.2 Abs.2 Satz 1 Grundgesetz geforderte Mindestversorgung.
Angesichts der genannten Studien aus den Jahren 1990 bis 1996 können keine Zweifel bestehen, dass ernsthafte Hinweise auf eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bei HIV-Patienten im Endstadium bestehen. Dabei kann dahinstehen, ob Flebogamma beim Kläger zur Stabilisierung seines jetzigen Zustands beigetragen hat, wie dies von der Klägerbevollmächtigten behauptet und von Prof.Dr.G. bestritten wird. Auch ist nicht zu entscheiden, ob Anwendungsbeobachtungen seriöse Erkenntnisse vermitteln oder wegen ihrer Auftragsbestimmtheit als untauglich abzulehnen sind. Für das Vorliegen ernsthafter Hinweise im Sinn der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum grundrechtlich garantierten Versorgungsschutz durch die Gesetzliche Krankenversicherung genügen aussagekräftige Erkenntnisse, z.B. im Sinn der Evidenzstufe IV nach § 9 Abs.3 BUB-Richtlinie (BSG, Terminsbericht Nr.20/06 vom 27.03.2006), wozu etwa die Empfehlung der DAGNÄ e.V. aus dem Jahr 1996 gehört. Dort sind 80 % der HIV-Schwerpunktbehandler organisiert, bei deren Empfehlung handelt es sich also um eine Expertenmeinung. Hierauf ist offensichtlich auch der Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 21. Februar 2006 zurückzuführen, der nach Rückfrage bei HIV-Schwerpunktpraxen an die Expertengruppe Off-Label nach § 1 Abs.3 des Erlasses über die Einrichtung von Expertengruppen Off-Label nach § 35b Abs.3 SGB V den Auftrag erteilt hat, die Gabe intravenöser Immunglobuline zur Behandlung von HIV/AIDS im Erwachsenenalter (auch als Adjuvans) zu bewerten.
Dennoch kann der Kläger hieraus keinen Versorgungsanspruch ableiten. Er kann nach wie vor schulmedizinische Behandlungsmethoden in Anspruch nehmen, die die Vermehrung des HIV-Virus derzeit weitgehend unterdrücken. Entgegen der Behauptung der Klägerbevollmächtigten hat die antiretrovirale Kombinationstherapie nicht versagt. Wie Prof.Dr.G. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 16.05.2007 dargelegt hat, spricht das jüngste Ergebnis der Viruslastmessung beim Kläger dafür, dass die antiretroviralen Medikamente wirksam sind. Anfang 2006 betrug die Viruslast 281.000 cp/ml; das war der Zustand unmittelbar vor Beginn einer Studienteilnahme mit einem neuen Integraseinhibitor. Diese Studie ist für Patient wie den Kläger mit massiver Vorbehandlung und zahlreichen Virusmutationen konzipiert, die zu einer Abnahme der Empfindlichkeit des Virus führen. Bei der letzten Viruslastmessung fanden sich 640 cp/ml, also eine dramatische Abnahme der Virusreplikation. Zudem hat sich inzwischen das Bild im Hinblick auf die Therapieoptionen erheblich gebessert. Neu zugelassen ist nun der Proteaseinhibitor Darunavir, im sog. "expended access program" sind weitere Substanzen verfügbar wie Maraviroc und TMC 125. Neue Substanzen kommen nur dann in ein expended access program, wenn Phase-III-Studien mit einem eindeutig positiven Ergebnis abgeschlossen sind. Nachdem beim Kläger durch die mitbetreuende HIV-Schwerpunktpraxis bereits das Studienmedikament Integrase eingesetzt wird, stehen ihm mit dem Arzneimittel Prezista bzw. weiteren sich in Phase-III-Studien befindlichen Antiretroviralsubstanzen Therapieoptionen offen. Die Beklagte hat sich zur Übernahme derartiger Kosten auch bereiterklärt. Der Kläger ist daher nicht auf eine Finanzierung der Behandlung außerhalb der Gesetzlichen Krankenversicherung angewiesen.
Wenn die Klägerbevollmächtigte demgegenüber wegen des lebensbedrohlichen Zustands des Klägers adjuvante Behandlungen fordert, die wirksam sein können, so geht sie über die Forderungen durch das Grundgesetz hinaus. Selbst im Fall regelmäßig tödlich verlaufender Krankheiten setzen die verfassungsrechtlichen Schutzpflichten den Leistungsansprüchen Grenzen. Insbesondere darf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht dazu führen, dass unter Berufung auf sie im Einzelfall Rechte begründet werden, die bei konsequenter Ausnutzung durch die Leistungsberechtigten institutionelle Sicherungen aushebeln, die der Gesetzgeber im Interesse des Gesundheitsschutzes der Versicherten und der Gesamtbevölkerung errichtet hat (BSG, Urteil vom 04.04.2006, Az.: B 1 KR 7/05 R). Gerade im Bereich der lebensbedrohlichen Erkrankungen im Endstadium wird eine Fülle von nicht ausreichend validierten Behandlungsmethoden und Arzneimitteln angeboten, deren Anwendung nicht nur wegen der damit verbundenen Risiken hoch problematisch erscheint. Hier dennoch eine Leistungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung zu bejahen, käme allenfalls in Betracht, wenn die strittige Therapie bzw. das strittige Arzneimittel keinerlei Nebenwirkungen hätte. Die Nebenwirkungen einer intravenösen Immunglobulintherapie sind zwar relativ selten, außerordentlich selten ernsthafter Natur, durchaus aber existent. Solange die Gesetzliche Krankenversicherung eine Therapie der schweren lebensbedrohlichen Krankheit zur Verfügung stellt, die lebensverlängernd wirkt, kann sie auch aus Wirtschaftlichkeitsgründen nicht gezwungen werden, sämtliche weiteren Therapieoptionen ungesicherter Art zu finanzieren.
Aus diesen Gründen war die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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