L 28 B 1630/07 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
28
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 95 AS 17121/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 28 B 1630/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
isolierte Beschwerde gegen Kostenentscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 31. Juli 2007 wird als unzulässig verworfen, soweit sie sich gegen die Ablehnung des Antrages auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes und gegen den Kostentenor richtet. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 31. Juli 2007, mit dem das Gericht den Antrag der Antragstellerin vom 27. Juli 2007 abgelehnt hat, festzustellen, dass ihr Widerspruch vom 21. Juni 2007 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 15. Juni 2007 aufschiebende Wirkung hat, war zu verwerfen, weil sie nicht zulässig ist. Die Antragstellerin hat in ihrem Beschwerdeschriftsatz vom 5. September 2007 "die Hauptsache für erledigt erklärt" und beantragt, über die Kosten zu entscheiden. Mit diesem Vorbringen hat sie zu erkennen gegeben, dass sie in der Sache keine Entscheidung des Gerichts mehr begehrt, sie also kein Rechtsschutzinteresse mehr an der weiteren Rechtsverfolgung hat. Dieses Rechtsschutzbedürfnis ist aber Voraussetzung einer Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz (SGG), 8. Auflage 2005, Vor § 51 RdNr. 16 ff.).

Das bloße Interesse der unterlegenen Partei an einer Änderung der für sie ungünstigen Kostenentscheidung kann in einem solchen Fall die weitere Inanspruchnahme der Gerichte regelmäßig nicht rechtfertigen (Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 21. Juni 1995 SozR 3-1500 § 131 Nr. 5 m. w. N.; a. A. Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O., Vor § 172 Rdnr. 6 und Vor § 143 Rdnr. 10a m. w. Nachw.). Der Senat folgt dieser Rechtsprechung (so bereits Beschluss des Senats vom 2. August 2007 - L 28 B 552/07 AS ER -, abrufbar unter www.sozialgerichtsbarkeit.de), so dass nicht entschieden werden musste, ob der Verfahrensweise der Antragstellerin, Rechtsmittel mit dem Ziel einzulegen, eine (übereinstimmende) Erledigungserklärung in nächster Instanz abzugeben und so eine Kostenentscheidung des Landessozialgerichts herbeizuführen (vgl. Meyer-Ladewig a.a. O.), die Rechtsprechung des 7 a. Senats des BSG entgegensteht, wonach die (einseitige) Erledigungserklärung dann, wenn - wie hier - entweder die Antragstellerin oder der Antragsgegner zum Kreis des § 183 SGG gehören, stets wie eine Klagerücknahme (bzw. eine Antragsrücknahme) anzusehen ist (vgl. Beschluss des BSG vom 29. Dezember 2005 - B 7 a AL 192/05 B -, zitiert nach juris, dort RdNr. 7).

Soweit die Beschwerde als isolierte Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des Sozialgerichts zu verstehen ist, ist sie in entsprechender Anwendung des § 144 Abs. 4 SGG ebenfalls unstatthaft. Die Vorschrift gehört zwar nicht zu den Vorschriften, die in § 142 Abs. 1 SGG genannt sind und danach direkt auf Beschlüsse angewendet werden können. § 142 Abs. 1 SGG gibt indessen ebenso wie die entsprechenden Vorschriften in den anderen Verfahrensordnungen keine vollständige Aufzählung der auf Beschlüsse anwendbaren Vorschriften (vgl. Meyer-Ladewig, a. a. O., § 142 Rdnr. 3). Je nach Art der Beschlüsse kommen unterschiedliche Vorschriften in Betracht. Für Beschlüsse, die in ihrer Bedeutung den Urteilen nahe kommen, wie Beschlüsse über Anträge in einstweiligen Rechtsschutzverfahren, hält es der Senat für sachgerecht, auch § 144 Abs. 4 SGG entsprechend anzuwenden. Es handelt sich um ein dem Urteilsverfahren ähnliches Erkenntnisverfahren, in dem "zu einer Hauptsache" (die in der Regelung des vorläufigen Zustandes besteht) endgültig durch eine (eingeschränkt) der Rechtskraft fähigen Entscheidung entschieden wird. Diese Nähe zum Urteilsverfahren rechtfertigt die Übertragung des Rechtsmittelausschlusses nach § 144 Abs. 4 SGG, denn wie dort soll verhindert werden, dass das Rechtsmittelgericht die rechtskräftig und damit bindend gewordene Hauptsacheentscheidung in Rahmen der Kostenentscheidung inzident nachprüfen muss (so auch, Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen vom 15. November 2004 - L 4 B 23/04 KR -, Nds. Rpfl 2005 S 263 ff.; Beschluss des Sächsisches LSG vom 21. November 2005 - L 3 B 144/05 AS ER -, zitiert nach juris; Beschlüsse des LSG Berlin-Brandenburg, vom 27. Oktober 2006 - L 10 B 902/06 AS ER - und vom 20. August 2007 - L 26 B 1207/07 - sowie Beschluss des Senats, a. a. O., abrufbar unter www.sozialgerichtsbarkeit.de; Lüdtke in HK-SGG, 2. Aufl. 2006, § 172 Rdnr. 8). Wie in Klageverfahren bleibt damit die isolierte Beschwerde gegen Kostenentscheidungen solchen Verfahren vorbehalten, in denen eine unanfechtbar gewordene Entscheidung über den Anspruch in der Hauptsache nicht vorliegt.

Die Beschwerde hinsichtlich der Ablehnung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren - bei vernünftiger und sachdienlicher Auslegung der Erledigungserklärung der Antragstellerin bezieht sich diese Erklärung nicht auf diese Entscheidung des Sozialgerichts - war mangels hinreichender Erfolgsaussicht des erstinstanzlichen Rechtsschutzgesuches abzulehnen (§ 73 a SGG in Verbindung mit § 114 Satz 1 der Zivilprozessordnung). Diesem Gesuch fehlte es ebenfalls bereits an einem für die Inanspruchnahme des Gerichts notwendigen Rechtsschutzbedürfnis. Dieses Bedürfnis ist, wie ausgeführt, Voraussetzung für jede Rechtsverfolgung. Es ist nur dann gegeben, wenn die begehrte Entscheidung die rechtliche oder wirtschaftliche Stellung des Rechtschutzsuchenden verbessern würde (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O., Vor § 51 RdNr 16a m. w. Nachw.). Ein solcher Fall war hier zu keinem Zeitpunkt gegeben. Denn der Antragsgegner hat nach eigenen Angaben, an denen der Senat keinen Grund zu zweifeln hat, bereits kurz nach Erhebung des Widerspruchs gegen seinen Bescheid vom 15. Juni 2007 die aufschiebende Wirkung des vorgenannten Widerspruchs in seiner EDV vermerkt. Er hat auch in der Folgezeit keine Tätigkeiten vorgenommen, die darauf schließen lassen, dass er beabsichtigt, entgegen der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs aus dem angefochtenen Bescheid zu vollstrecken. Die Antragstellerin hatte mithin schon bei Antragstellung am 27. Juli 2007 kein Rechtsschutzinteresse an der beabsichtigten Rechtsverfolgung. Soweit sie im Beschwerdeverfahren vorträgt, dass ihr Feststellungsbegehren "gerechtfertigt gewesen sei, weil die Erfahrung mit verschiedenen JobCentern sowie die zahlreiche Rechtsprechung zu der Frage, ob ein Widerspruch gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid im Bereich des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch aufschiebende Wirkung habe oder nicht, zeige, dass eine einheitliche Praxis noch nicht gegeben sei und insoweit durchaus ein Unklarheit über die Rechtslage vorliege", kann sie mit diesem Vorbringen keinen Erfolg haben. Die Antragstellerin verkennt, dass das einstweilige Rechtsschutzsystem des SGG dem Schutz der subjektiven Rechte des Einzelnen dient. Rechte der Antragstellerin waren aber im vorliegenden Fall zu keinem Zeitpunkt gefährdet. Der Antragsgegner hat die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs von Anfang an beachtet und damit keinen Anlass für die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes gegeben. Ob andere Leistungsträger oder gar andere Gerichte die Frage, ob ein Widerspruch gegen einen Erstattungsbescheid im Rahmen des SGB II aufschiebende Wirkung hat, anders beurteilen, kann der Senat dahingestellt sein lassen. Das einstweilige Rechtsschutzverfahren dient nicht der Klärung abstrakter Rechtsfragen.

Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren hat die Antragstellerin nicht beantragt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG analog und § 73 a SGG in Verbindung mit §§ 118 Abs. 1 Satz 4, 127 Abs. 4 der Zivilprozessordnung.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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