Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 7 KR 13/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 48/08 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Übernahme der Kosten für die weitere Versorgung mit dem Medikament "Fiblaferon" zu Lasten der Beklagten.
Die am 23.07.1978 geborene Klägerin ist verheiratet und Mutter eines im Jahre 2003 geborenen Kindes. Ihr Ehemann arbeitet als angestellter Kraftfahrer. Sie selbst ist nicht erwerbstätig.
Bei ihr liegt das Krankheitsbild einer entzündlichen Darmerkrankung (Colitis ulcerosa) in einer schweren Verlaufsform (derzeit in Remission) vor. Nach der Erstmanifestation im März 2000 kam es im Juli des selben Jahres zu einer schweren Schubsymptomatik. Neben der Darmerkrankung leidet sie unter einer Eisenmangel- und Blutungsanämie, Asthma bronchiale und Neurodermitis. Nach einer Darmspiegelung im Oktober 2000, bei der eine aktive Entzündung nachgewiesen wurde, erhielt sie eine medikamentöse Therapie mit Steroiden und Mesalazin. Eine völlige Beschwerdefreiheit wurde dadurch nicht erzielt. In der Folgezeit ergaben weitere Darmspiegelungen kontinuierlich leichtgradige Entzündungen. Seit dem Jahre 2001 erfolgte dann weiter eine weitere medikamentöse Therapie. Im Rahmen der Schwangerschaft kam es dann trotz der medikamentösen Behandlung etwa im Februar 2003 wieder zu einer schweren Schubsymptomatik. Unter einer medikamentösen Schubtherapie mittels systemischer Steroidgabe und Olsalazin kam es zu einer Besserung, wobei eine Rezidivprophylaxe mit Azathioprin durchgeführt wurde. Es folgte ein chronisch aktiver Verlauf, steroidabhängig unter Azathioprin.
Im Dezember 2003 begann die Klägerin dann mit einer Therapie mit dem Medikament "Fiblaferon" (Wirkstoff: Interferon-Beta). Dabei handelt es sich um ein in der Bundesrepublik verkehrsfähiges und zugelassenes Arzneimittel für das Anwendungsgebiet "schwere unbeherrschbare virusbedingte Erkrankung: Virusencephalitis, Herpes zoster generalisatus und Varicellen bei immunsupprimierten Patienten, virale Innenohrinfekte mit Gehörverlust, undifferenziertes Naso-Pharynxcarzinom". Eine Zulassung für die Behandlung von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen bzw. Colitis ulcerosa besteht bisher nicht und wurde von dem Hersteller bisher auch nicht beantragt. Unter der Medikation mit "Fiblaferon" kam es zu einer Besserung bis hin zu einer Komplettremission im Mai 2004. Nach einer versuchsweisen Einstellung der Therapie mit "Fiblaferon" trat im August 2004 ein erneuter Schub auf, der sich nach Wiederaufnahme der Therapie wiederum besserte.
Mit Unterstützung des die Klägerin behandelnden Chefarztes des Marienhospitals Bottrop, Prof. Dr. M., beantragte die Klägerin am 02.01.2004 bei der Beklagten die weitere Versorgung mit "Fiblaferon" auf deren Kosten. Zur Begründung führte sie unter Beifügung von Beiträgen aus medizinischen Fachzeitschriften aus, von den in der Literatur publizierten therapeutischen Optionen sei die Interferon-Therapie, was die Wirksamkeit insbesondere unter dem wesentlichen Aspekt der Langzeitremission wie aber auch Anwendung, Sicherheit und Verträglichkeit der Therapie angehe, mit Abstand überlegen und aus der jahrelangen Erfahrung des Prof. Dr. M. mit dieser Behandlung als sehr sicher wirksame, gut verträgliche Therapie zu bezeichnen und daher zu bevorzugen. Nach der zunächst zusätzlich zur Basistherapie durchgeführten Interferon-Beta-Gabe sei es schon nach wenigen Tagen zu einer merklichen Besserung der Symptomatik gekommen, so dass hinsichtlich des Erreichens einer klinischen und endoskopisch-histologischen Komplettremission bei Fortführen der Interferon-Beta-Behandlung eine gute Prognose gestellt werden könne. Wenn die Therapie augenblicklich auch höhere Kosten verursache, so werde sie aufgrund ihrer hohen Wirksamkeit langfristig Kosteneinsparungen bringen, da eine dauerhafte Remission mit Ausheilung der Erkrankung in Aussicht stehe. Zumindest auf lange Sicht könne eine gute Stabilität unter einer niedrigen Erhaltungsdosis prognostiziert werden und damit der Klägerin eine ansonsten unvermeidliche Kolektomie erspart werden. Die Beklagte holte daraufhin eine Stellungnahme des medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) ein. Dieser kam in einem Gutachten vom 02.02.2004 unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für einen Einsatz von "Fiblaferon" bei der Klägerin im Rahmen des "Off-Label-Use" nicht vorlägen. Nach Auswertung der von Prof. Dr. M. beigefügten Unterlagen und einer Datenbankrecherche lägen keine Forschungsergebnisse vor, die erwarten ließen, dass das Arzneimittel für die Neuindikation (Behandlung einer hoch aktiven bzw. chronisch aktiven Colitis ucerosa mit Therapieresistenz gegenüber Corticoiden und Azathioprin) zugelassen werden könne. Unter Bezugnahme auf die Beurteilung des MDK lehnte die Beklagte den Antrag auf Kostenübernahme durch Bescheid vom 01.03.2004 ab. Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein, in dem sie zur Begründung die Auffassung vertrat, dass sie alle Kriterien der Rechtsprechung des BSG zur Versorgung mit dem Medikament "Fiblaferon" erfülle. Es habe außerdem keine andere medikamentöse Therapie zu dem erwünschten Erfolg geführt. Ergänzend legte Prof. Dr. M. im Verwaltungsverfahren weitere Artikel aus medizinischen Fachzeitschriften, die die Sinnhaftigkeit der Anwendung von Interferon-Beta bei dem Krankheitsbild der Klägerin belegen, vor. Außerdem legte er dar, dass die Behandlung mit dem Wirkstoff eine rationale Basis habe. Es lägen eine Vielzahl von in-vitro-Daten aus der experimentellen Forschung zur Multiplen Sklerose vor, die nahe legten, dass auch eine Wirksamkeit bei der Colitis ulcerosa gegeben sei. In einer von ihm 2003 veröffentlichten Publikation von 25 individuellen Therapieversuchen bei Patienten mit schwerer corticoidrefraktärer Colitis habe ein hoher Wirkungsgrad der Therapie in 80 bis 90 % der Fälle über längere Zeit objektiviert werden können. Diese Erfahrung sei Anlass für eine europaweit durchgeführte multizentrische Phase II-Studie gewesen, die zwar noch nicht zur Zulassung des Medikaments geführt habe, aber zur Publikation in einer renommierten Fachzeitschrift eingereicht sei. Vor diesem Hintergrund könne der Verwendung von "Fiblaferon" die evidenzbasierte medizinische Grundlage nicht abgesprochen werden. Der daraufhin von der Beklagte erneut insgesamt noch zweimal hinzugezogene MDK kam nach Auswertung der weiteren Stellungnahme des Prof. Dr. M. und der beigefügten Auszüge aus der Literatur jeweils wieder zu dem Ergebnis, dass jedenfalls aktuell der Einsatz von Interferon-Beta zur Behandlung einer therapieresistenten Colitis ulcerosa nicht hinreichend untersucht bzw. erprobt sei. Der Therapieansatz sei vielmehr als "individueller Heilversuch" zu charakterisieren. Empfohlen wurde, die Klägerin in laufende klinische Studien einzuschleusen, die durchgeführt würden, um eine Zulassung des Medikamentes für die hier fragliche Indikation zu erreichen. Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 30.12.2004 zurück. Zuvor hatte Prof. Dr. M. mitgeteilt, dass ihm nicht bekannt sei, ob zur Zeit eine Studie zur Anwendung von Interferon-Beta bei Colitis ulcerosa laufe, in die Klägerin eingeschleust werden könne.
Am 31.01.2005 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Duisburg erhoben, mit der sie ihr Begehren auf Versorgung mit dem Medikament "Fiblaferon" weiter verfolgt.
Das Medikament wurde ihr zwischenzeitlich durch Prof. Dr. M. in der für erforderlich gehaltenen Dosis in dem Zeitraum nach der Leistungsablehnung durch die Beklagte und zunächst laufend auch weiter auf Kassenrezept verordnet, so dass Kosten für die Inanspruchnahme des Medikaments für sie nicht anfielen. Die Kosten für das Medikament in dieser Dosierung belaufen sich auf etwa 250,00 EUR wöchentlich. Am 27.07.2006 wurde für die hier fragliche Indikation ein anderes bei der Klägerin bisher nicht zur Anwendung gebrachtes Medikament mit dem Handelsnamen "Infliximab" europaweit zugelassen. Nachdem die Beklagte eine im Juni 2006 durchgeführte stationäre Behandlung der Klägerin mit "Fiblaferon" durch Prof. Dr. M. beanstandet und die hierfür gezahlten Krankenhauskosten von dem Marienhospital B. zurück gefordert hatte, teilte Prof. Dr. M. der Klägerin in einem Schreiben vom 28.03.2007 mit, dass es ihm nicht mehr möglich sei, ihr weiterhin das Medikament "Fiblaferon" (auf Kassenrezept) zu verordnen. Da ein Absetzen des Medikaments aber erhebliche gesundheitliche Folgen hätte, die zum jetzigen Zeitpunkt auch lebensbedrohlich sein könnten und die Option einer notfallmäßigen Kolektomie stelle, empfahl Prof. Dr. M. der Klägerin, eine "einstweilige Verfügung" zu erwirken. Vor diesem Hintergrund wandte sich die Klägerin am 31.03.2007 mit dem Begehren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung an das Gericht (Az. S 7 KR 1/07 ER), das die Beklagte durch Beschluss 20.04.2007 verpflichtete, die Kosten für Medikation vorläufig weiter bis zum 03.06.2007 zu übernehmen, um der Klägerin die Möglichkeit zu geben, die Therapie auf das inzwischen für die hier fragliche Indikation zugelassene Medikament "Infliximab" umzustellen. Im Übrigen wurde der Antrag abgelehnt. Auf die Beschwerde der Klägerin verpflichtete des Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (Az. L 16 B 22/07 KR ER) die Beklagte, die Kosten für die Medikation der Klägerin mit "Fiblaferon" vorläufig weiter bis zum 04.09.2007 zu übernehmen. Im Übrigen wurde die Beschwerde zurück gewiesen.
Im Laufe des Klageverfahrens (und des Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Anordnung) macht die Klägerin zur Begründung geltend, dass andere Kassen die Kosten für die Versorgung mit dem Medikament übernähmen. Ferner bezieht sie sich zur Begründung im Wesentlichen auf den bisherigen Behandlungs- und Therapieverlauf sowie die bereits aktenkundigen Ausführungen des Prof. Dr. M ... Sie macht geltend, ihr stünden für den Fall, dass sie nicht mehr auf das Medikament Fiblaferon zurückgreifen könne, weitere schwer verlaufende Colitis-Schübe bevor, die mit 100%iger Sicherheit verhindert werden könnten, wenn die Medikation in der bisherigen Form und Dosierung fortgeführt würde. Ferner verweist sie auf den Leitsatz des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 06.12.2005 (AZ.: 1 BvR 347/98). Im Hinblick auf diese Entscheidung stünde ihr ein Leistungsanspruch gegenüber der Beklagte zu, da sie an einer lebensbedrohlichen Erkrankung leide, die durch eine Behandlungsdauer von 1 bis 2 Jahren zu ca. 80 bis 90 % ohne Organverluste und Kosten für Dauerpflegemittel ausgeheilt werden könne. Im Übrigen habe das Sozialgericht Gelsenkirchen in einer Entscheidung vom 13.07.2006 (AZ.: S 28 KR 86/06 ER) in einem vergleichbaren Fall bereits eine positive Entscheidung in einem Eilverfahren getroffen. Die Umstellung der Therapie auf das Medikament "Infliximab" sei ihr aufgrund der der fraglichen Wirksamkeit und der damit verbundenen Nebenwirkungsrisiken nicht zumutbar.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 01.03.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.12.2004 zu verurteilen, die Kosten für die Versorgung mit dem Medikament Fiblaferon für die Zeit ab dem 23.04.2007 zu übernehmen und für die Zukunft diese Kosten auf der Grundlage vertragsärztlicher Verordnungen zu tragen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach ihrer Auffassung besteht ein Anspruch der Klägerin auf Versorgung mit dem Medikament "Infliximab" (weiterhin) nicht. Zur Begründung bezieht sie sich im Wesentlichen auf die Ausführungen in dem Widerspruchsbescheid. Ergänzend führt sie aus, es liege schon keine entsprechende aktuelle vertragsärztliche Verordnung des Prof. Dr. M. vor. Auch aktuelle Befunde seien ihr nicht eingereicht worden. Ferner macht sie geltend, dass nach der aktuellen Rechtsprechung des BSG zum Off-Label-Use auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des BVerfG aufgrund der verfassungsrechtlichen Schutzpflichten selbst bei tötlich verlaufenden Krankheiten der Einsatz eines Arzneimittels außerhalb der Zulassung nur als äußerste Maßnahme zulässig sei. Unter Berücksichtigung des gebotenen Wahrscheinlichkeitsmaßstabes müsse bei der vor der Behandlung erforderlichen sowohl abstrakten als auch speziell auf den Versicherten bezogenen konkreten Analyse und Abwägung von Chancen und Risiken der voraussichtlichen Nutzen überwiegen. Die in erster Linie fachärztliche Behandlung müsse auch im Übrigen der ärztlichen Kunst entsprechend ausreichend dokumentiert werden.
Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhaltes zunächst einen ausführlichen Befundbericht bei Prof. Dr. M. eingeholt. Des Weiteren hat das Gericht bei dem Chefarzt der Medizinischen Klinik I der Berliner Charité - Campus Benjamin Franklin -, Prof. Dr. Z., ein fachinternistisches Sachverständigengutachten nach Aktenlage eingeholt. Der Sachverständige Prof. Dr. Z. hat sein Gutachten vom 14.03.2006 im Termin zur mündlichen Verhandlung erläutert. Der behanelnde Arzt der Klägerin Prof. Dr. M. ist im Termin zur mündlichen Verhandlung als sachverständiger Zeuge gehört worden.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagte. Ferner wird verwiesen auf den Inhalt der beigezogenen Gerichtsakte des Eilverfahrens mit dem Aktenzeichen S 7 KR 1/07 ER. Der Inhalt sämtlicher Akten ist Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Gegenstand des Verfahrens ist entsprechend des im Termin zur mündlichen Verhandlung formulierten Antrages der Klägerin die Frage, ob ihr für die Zeit ab dem 23.04.2007 ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Versorgung mit dem Medikament Fiblaferon zusteht.
Die insoweit zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid vom 01.03.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.12.2004 ist nicht rechtswidrig und die Klägerin deswegen nicht beschwert im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Ihr steht ein Anspruch auf die Versorgung mit dem Medikament Fiblaferon für den Zeitraum ab dem 23.04.2007 gegenüber der Beklagten nicht zu.
Grundlage für den Leistungsanspruch der Klägerin auf die Versorgung mit dem Medikament Fiblaferon kann nur § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3 nach § 31 Abs. 1 Satz 1 des 5. Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) sein. Dabei kommt es, was den Zeitraum für die Vergangenheit vom 23.04.2007 bis zum Tag der mündlichen Verhandlung angeht, nicht darauf an, ob ergänzend die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V vorliegen, da die Beklagte auf der Grundlage des Beschlusses des Gerichts vom 23.04.2007 in der Sache S 7 KR 1/07 ER bzw. des Beschlusses des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 04.06.2007 in dem Beschwerdeverfahren mit dem Aktenzeichen L 16 P 22/07 KR-ER die laufenden Kosten für die fragliche Behandlung bereits übernommen hat. Nach den vorstehend zitierten Vorschriften des 5. Abschnittes des 3. Kapitels des SGB V können grundsätzlich nur solche Arzneimittel von Versicherten von ihrer Krankenkasse beansprucht werden, die für die fragliche Indikation eine arzneimittel-rechtliche Zulassung besitzen. Dies ist hier für das Medikament Fiblaferon in Bezug auf das bei der Klägerin bestehende Krankheitsbild einer Colitis ulcerosa nicht der Fall, was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist. Zu Recht unstreitig ist zwischen den Beteiligten auch, dass es sich hier nicht um einen sogenannten Seltenheitsfall handelt, der sich einer systematischen Erforschung entzieht (vgl. dazu BSG SozR 4 2500 § 27 Nr. 1). Denn sowohl die im Laufe des Verfahrens beigezogenen fachwissenschaftlichen Unterlagen als auch die Ausführungen des die Klägerin behandelnden Prof. Dr. M. als auch des Sachverständigen Prof. Dr. Z. belegen einhellig, dass das Krankheitsbild einer Colitis ulcerosa - auch in der Ausprägung wie sie bei der Klägerin vorliegt - wegen der geringen Häufigkeit seines Auftretens oder aus sonstigen Gründen sich nicht der wissenschaftlichen Erforschbarkeit entzieht.
Für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreites kommt es damit darauf an, ob die Voraussetzungen vorliegen, die das BSG für die Verordnung eines Medikaments in einem von der Zulassung nicht erfassten Anwendungsbereich (Off-Label-Use) aufgestellt hat (vgl. BSG SozR 3 2500 § 31 Nr. 8). Danach muss es a) um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung gehen, wenn b) keine andere Therapie verfügbar ist und wenn c) aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder paliativ) erzielt werden kann.
Auf der Grundlage der vorstehend zitierten Rechtsprechung des BSG zum Off-Label-Use kann die Klägerin ihren Leistungsanspruch jedenfalls deswegen nicht stützen, weil die unter c) genannten Voraussetzungen nicht vorliegen. Das BSG stellt im Hinblick auf die unter c) genannte Voraussetzung darauf ab, ob wissenschaftliche Erkenntnisse veröffentlicht wurden, die über die Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels in dem neuen Anwendungsgebiet zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zulassen und aufgrund derer in den einschlägigen Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen in dem vorgenannten Sinne besteht (vgl. Urteil des BSG vom 26.09.2006, Az.: B 1 KR 14/06 R Randziffer 12). Dabei hat das BSG inzwischen klargestellt, dass die Wertigkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse die ausserhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnen wurden, genauso hoch sein muss, wie in den Fallgestaltungen, in denen Zulassungsverfahren bereits angestrengt sind. Das heißt, es müssen wissenschaftliche Erkenntnisse über die Wirksamkeit des Arzneimittels vom Grad einer Phase 3-Studie vorliegen (vgl. BSG a.a.O. Randziffer 16). Nach den Erkenntnissen, die in dem Gutachten des Prof. Dr. Zeitz vom 14.03.2006 gewonnen wurden, und die dieser im Termin zur mündlichen Verhandlung noch einmal bestätigt hat, liegen solche Erkenntnisse bisher nicht vor. Dies hat auch der die Klägerin behandelnde Arzt Prof. Dr. M. als sachverständiger Zeuge im Termin zur mündlichen Verhandlung und auch schriftlich (vgl. hierzu seine Stellungnahme in dem Schreiben vom 03.06.2006, Bl. 141 der Gerichtsakte) bestätigt. Nach dem im Termin zur mündlichen Verhandlung aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis lagen also keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels für den Anwendungsbereich bei Colitis ulcerosa zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zulassen und aufgrund derer in den einschlägigen Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen in dem vorgenannten Sinne besteht.
Erfolg könnte der von der Klägerin hier geltend gemachte Leistungsanspruch daher nur haben, wenn die Vorschriften der §§ 27 und 31 des SGB V bzw. die Rechtsprechung des BSG im Lichte der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 06.12.2005 (Az.: 1 BVR 347/98) unter grundrechtlichen Aspekten differenziert auszulegen wären. Denn nach der genannten Entscheidung des BVerfG bedürfen die Regelungen des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zur Arzneimittelversorgung einer verfassungskonformen Auslegung, wenn Versicherte an einer lebensbedrohlichen Erkrankung leiden, bei der die Anwendung der üblichen Standardbehandlung aus medizinischen Gründen ausscheidet und andere Behandlungsmöglichkeiten nicht zur Verfügung stehen (vgl. BSG a.a.O.; Hauck "Gestaltung des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung durch das Grundgesetz?", NJW 2007 Seite 1320 ff.; Padé, "Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung bei Lebensgefahr und tötlich verlaufenden Krankheiten", NZS 2007 Seite 352 ff.).
Im Hinblick auf die vorstehend dargestellten Kriterien, die das BVerfG in seiner Entscheidung vom 06.12.2005 aufgestellt hat, hat die Kammer bereits Bedenken dagegen, hier die Erkrankung als "lebensbedrohlich" anzusehen. Denn eine Lebensbedrohlichkeit der Erkrankung im Wortsinne liegt nach den für die Kammer insoweit schlüssigen und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Z. nicht vor. Insbesondere zeigt auch der Krankheitsverlauf bei der Klägerin selbst, dass bisher eine unmittelbare Lebensgefahr auch während der als mittelschwer oder auch schwer einzustufenden Schübe in der Vergangenheit zu keinem Zeitpunkt vorgelegen hat. Ein Leistungsanspruch der Klägerin käme daher nur dann in Betracht, wenn man es als ausreichend ansehen würde, dass auch Erkrankungen zu den vom BVerfG in der genannten Entscheidung dargestellten Auslegung des Leistungsrechts des SGB V führen könnten, die nicht im eigentlichen Sinne lebensbedrohlich sind, sondern "nur" vergleichbar schwerwiegend sind. Einer solchen Übertragbarkeit des Begriffs der Lebensbedrohlichkeit auf andere nicht im eigentliche Sinne lebensbedrohliche Erkrankungen neigt die Kammer in Übereinstimmung mit den vorstehend zitierten Literaturstellen zu. Allerdings ist im Rahmen dieser Erweiterung aus Sicht der Kammer ein strenger Maßstab anzulegen. Insbesondere muss der Schweregrad einer solchen nicht im eigentlichen Sinne lebensbedrohlichen Erkrankung deutlich höher sein, als dies für eine "schwerwiegende", das heißt lebensbedrohlich oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung im Sinne der vorstehend zitierten Rechtsprechung des BSG zum Off-Label-Use, da die vom BSG verwandte Begrifflichkeit dem BVerfG im Rahmen seiner Entscheidung vom 06.12.2005 bereits bekannt gewesen ist, hieran aber nicht angeknüpft wurde. Sach- und interessengerecht erscheint es der Kammer, die Grundsätze des BVerfG nur auf solche Erkrankungen zu übertragen, bei deren Behandlung es um eine "Notstands ähnliche Extremsituation" geht, also ein Fall akut drohender oder regelmäßig eintretender schwerster und dauerhafter körperlicher Beeinträchtigung vorliegen (Padé a.a.O., Seite 355). Hierzu wären beispielsweise der dauerhafte Verlust wichtiger Sinnesorgane zu zählen. Bei der hier fraglichen Fallkonstellation handelt es sich aus Sicht der Kammer insoweit um einen Grenzfall. Die Problematik liegt darin begründet, dass nach den insoweit übereinstimmenden Ausführungen sowohl des behandelnden Arztes Prof. Dr. M. als auch des Sachverständigen Prof. Dr. Z. nicht mit wissenschaftlicher Sicherheit vorausgesagt werden kann, wie sich das Krankheitsbild der Klägerin nach Abbruch der hier im Streit stehenden ??? die Möglichkeiten variieren dabei von im günstigsten Fall keiner Änderung bishin schlechtestenfalls zu der Notwendigkeit einer Kolektomie mit anschließender Anlage eines Pautsch, wobei die Wahrscheinlichkeit des Eintritts dieser als schwersten Folge zu berücksichtigenden Entwicklung von Prof. Dr. M. bzw. Prof. Dr. Z. unterschiedlich eingeschätzt werden. Da aber bis zum Eintritt dieser schwersten Folge zunächst überhaupt ein erneuter Schub der Colitis ulcerosa-Erkrankung bei der Klägerin auftreten müsste und dieser Schub auch durch zumindest zwei bereits anerkannte Behandlungsmaßnahmen nicht mit Acathioprin bzw. Infliximab nicht zu durchbrechen sein dürfte, stellt sich die Frage, ob die noch von verschiedenen Bedingungen abhängige Notwendigkeit einer Kolektomie es rechtfertigt, zum derzeitigen Zeitpunkt von einer "Lebensbedrohlichkeit" im übertragenen Sinne auszugehen.
Selbst wenn man im Hinblick auf die Nachhaltigkeit der körperlichen Beeinträchtigung, die eine Kolektomie lebenslang mit sich bringt, von einer Lebensbedrohlichkeit der Erkrankung im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG ausgehen würde, muss man aus Sicht der Kammer aber jedenfalls dann bei der zweiten Voraussetzung unter Zugrundelegung ähnlicher Erwägungen die zweite Voraussetzung der Rechtsprechung des BVerfG als nicht gegeben ansehen, da für die Behandlung der Klägerin zumindest inzwischen weitere medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten gegeben sind, die dieser zuvor ausschöpfen muss, bevor sie die Behandlung mit dem nicht zugelassenen Medikament Fiblaferon fortsetzen bzw. wieder aufnehmen kann. Es stehen andere zugelassene Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung, da der Klägerin für den Fall des erneuten Auftritts eines Schubes der Colitis ulcerosa-Erkrankung jedenfalls zunächst auch die übliche Standardbehandlung mit Acathioprin oder bei gegebener Erfolglosigkeit dieser Möglichkeit auf das zugelassene Medikament Infliximab zurückzugreifen. Dies steht zur Überzeugung der Kammer fest aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Z. im Termin zur mündlichen Verhandlung. Danach kann im Hinblick auf die in etwa vergleichbare Erkenntnis- bzw. Studienlage zur Wirksamkeit von Infliximab und Fiblaferon zwar nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei der Therapie mit Infliximab um eine bereits vollständig etablierte und in jedem Fall wirksame Therapiemethode handelt. Sie ist aber anders als das Medikament Fiblaferon für die fragliche Indikation zugelassen und damit im Rahmen der Systematik der Krankenbehandlung nach dem SGB V zunächst als vorrangig heranzuziehen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. M. gibt es auch keine Gründe im Hinblick auf das Nebenwirkungsprofil des Medikaments Infliximab unter Berücksichtigung der chronischen Asthmaerkrankung der Klägerin von der Anwendung des Medikaments abzusehen. Denn trotz des wohl nach den bisherigen Erkenntnissen geringere Nebenwirkungsrisiko von Fiblaferon liegen verlässliche Erkenntnisse betreffend die Ergebnisse von Langzeitbehandlungen von Patienten - um eine derartige handelt es sich hier - bisher ebenso wenig vor. Auch unter dem Gesichtspunkt der bisherigen Wirksamkeit von Fiblaferon sieht die Kammer zu Ungunsten der Klägerin keine Rechtfertigung, die Beklagte weiterhin zur Kostenübernahme zu verpflichten. Denn der Sachverständige Prof. Dr. Z. hat im Termin zur mündlichen Verhandlung weiter ausgeführt, dass auch derzeit nicht gesagt werden könne, ob die derzeitige Remission der Erkrankung (noch) mit der Weiterführung der Medikation mit Fiblaferon zurückzuführen ist.
Nach alledem kommt es auf die Beantwortung der Frage, ob durch die Behandlung mit Fiblaferon eine nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf der Klägerin gegeben ist, was allerdings wohl zu bejahen sein dürfte, nicht mehr an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Übernahme der Kosten für die weitere Versorgung mit dem Medikament "Fiblaferon" zu Lasten der Beklagten.
Die am 23.07.1978 geborene Klägerin ist verheiratet und Mutter eines im Jahre 2003 geborenen Kindes. Ihr Ehemann arbeitet als angestellter Kraftfahrer. Sie selbst ist nicht erwerbstätig.
Bei ihr liegt das Krankheitsbild einer entzündlichen Darmerkrankung (Colitis ulcerosa) in einer schweren Verlaufsform (derzeit in Remission) vor. Nach der Erstmanifestation im März 2000 kam es im Juli des selben Jahres zu einer schweren Schubsymptomatik. Neben der Darmerkrankung leidet sie unter einer Eisenmangel- und Blutungsanämie, Asthma bronchiale und Neurodermitis. Nach einer Darmspiegelung im Oktober 2000, bei der eine aktive Entzündung nachgewiesen wurde, erhielt sie eine medikamentöse Therapie mit Steroiden und Mesalazin. Eine völlige Beschwerdefreiheit wurde dadurch nicht erzielt. In der Folgezeit ergaben weitere Darmspiegelungen kontinuierlich leichtgradige Entzündungen. Seit dem Jahre 2001 erfolgte dann weiter eine weitere medikamentöse Therapie. Im Rahmen der Schwangerschaft kam es dann trotz der medikamentösen Behandlung etwa im Februar 2003 wieder zu einer schweren Schubsymptomatik. Unter einer medikamentösen Schubtherapie mittels systemischer Steroidgabe und Olsalazin kam es zu einer Besserung, wobei eine Rezidivprophylaxe mit Azathioprin durchgeführt wurde. Es folgte ein chronisch aktiver Verlauf, steroidabhängig unter Azathioprin.
Im Dezember 2003 begann die Klägerin dann mit einer Therapie mit dem Medikament "Fiblaferon" (Wirkstoff: Interferon-Beta). Dabei handelt es sich um ein in der Bundesrepublik verkehrsfähiges und zugelassenes Arzneimittel für das Anwendungsgebiet "schwere unbeherrschbare virusbedingte Erkrankung: Virusencephalitis, Herpes zoster generalisatus und Varicellen bei immunsupprimierten Patienten, virale Innenohrinfekte mit Gehörverlust, undifferenziertes Naso-Pharynxcarzinom". Eine Zulassung für die Behandlung von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen bzw. Colitis ulcerosa besteht bisher nicht und wurde von dem Hersteller bisher auch nicht beantragt. Unter der Medikation mit "Fiblaferon" kam es zu einer Besserung bis hin zu einer Komplettremission im Mai 2004. Nach einer versuchsweisen Einstellung der Therapie mit "Fiblaferon" trat im August 2004 ein erneuter Schub auf, der sich nach Wiederaufnahme der Therapie wiederum besserte.
Mit Unterstützung des die Klägerin behandelnden Chefarztes des Marienhospitals Bottrop, Prof. Dr. M., beantragte die Klägerin am 02.01.2004 bei der Beklagten die weitere Versorgung mit "Fiblaferon" auf deren Kosten. Zur Begründung führte sie unter Beifügung von Beiträgen aus medizinischen Fachzeitschriften aus, von den in der Literatur publizierten therapeutischen Optionen sei die Interferon-Therapie, was die Wirksamkeit insbesondere unter dem wesentlichen Aspekt der Langzeitremission wie aber auch Anwendung, Sicherheit und Verträglichkeit der Therapie angehe, mit Abstand überlegen und aus der jahrelangen Erfahrung des Prof. Dr. M. mit dieser Behandlung als sehr sicher wirksame, gut verträgliche Therapie zu bezeichnen und daher zu bevorzugen. Nach der zunächst zusätzlich zur Basistherapie durchgeführten Interferon-Beta-Gabe sei es schon nach wenigen Tagen zu einer merklichen Besserung der Symptomatik gekommen, so dass hinsichtlich des Erreichens einer klinischen und endoskopisch-histologischen Komplettremission bei Fortführen der Interferon-Beta-Behandlung eine gute Prognose gestellt werden könne. Wenn die Therapie augenblicklich auch höhere Kosten verursache, so werde sie aufgrund ihrer hohen Wirksamkeit langfristig Kosteneinsparungen bringen, da eine dauerhafte Remission mit Ausheilung der Erkrankung in Aussicht stehe. Zumindest auf lange Sicht könne eine gute Stabilität unter einer niedrigen Erhaltungsdosis prognostiziert werden und damit der Klägerin eine ansonsten unvermeidliche Kolektomie erspart werden. Die Beklagte holte daraufhin eine Stellungnahme des medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) ein. Dieser kam in einem Gutachten vom 02.02.2004 unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für einen Einsatz von "Fiblaferon" bei der Klägerin im Rahmen des "Off-Label-Use" nicht vorlägen. Nach Auswertung der von Prof. Dr. M. beigefügten Unterlagen und einer Datenbankrecherche lägen keine Forschungsergebnisse vor, die erwarten ließen, dass das Arzneimittel für die Neuindikation (Behandlung einer hoch aktiven bzw. chronisch aktiven Colitis ucerosa mit Therapieresistenz gegenüber Corticoiden und Azathioprin) zugelassen werden könne. Unter Bezugnahme auf die Beurteilung des MDK lehnte die Beklagte den Antrag auf Kostenübernahme durch Bescheid vom 01.03.2004 ab. Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein, in dem sie zur Begründung die Auffassung vertrat, dass sie alle Kriterien der Rechtsprechung des BSG zur Versorgung mit dem Medikament "Fiblaferon" erfülle. Es habe außerdem keine andere medikamentöse Therapie zu dem erwünschten Erfolg geführt. Ergänzend legte Prof. Dr. M. im Verwaltungsverfahren weitere Artikel aus medizinischen Fachzeitschriften, die die Sinnhaftigkeit der Anwendung von Interferon-Beta bei dem Krankheitsbild der Klägerin belegen, vor. Außerdem legte er dar, dass die Behandlung mit dem Wirkstoff eine rationale Basis habe. Es lägen eine Vielzahl von in-vitro-Daten aus der experimentellen Forschung zur Multiplen Sklerose vor, die nahe legten, dass auch eine Wirksamkeit bei der Colitis ulcerosa gegeben sei. In einer von ihm 2003 veröffentlichten Publikation von 25 individuellen Therapieversuchen bei Patienten mit schwerer corticoidrefraktärer Colitis habe ein hoher Wirkungsgrad der Therapie in 80 bis 90 % der Fälle über längere Zeit objektiviert werden können. Diese Erfahrung sei Anlass für eine europaweit durchgeführte multizentrische Phase II-Studie gewesen, die zwar noch nicht zur Zulassung des Medikaments geführt habe, aber zur Publikation in einer renommierten Fachzeitschrift eingereicht sei. Vor diesem Hintergrund könne der Verwendung von "Fiblaferon" die evidenzbasierte medizinische Grundlage nicht abgesprochen werden. Der daraufhin von der Beklagte erneut insgesamt noch zweimal hinzugezogene MDK kam nach Auswertung der weiteren Stellungnahme des Prof. Dr. M. und der beigefügten Auszüge aus der Literatur jeweils wieder zu dem Ergebnis, dass jedenfalls aktuell der Einsatz von Interferon-Beta zur Behandlung einer therapieresistenten Colitis ulcerosa nicht hinreichend untersucht bzw. erprobt sei. Der Therapieansatz sei vielmehr als "individueller Heilversuch" zu charakterisieren. Empfohlen wurde, die Klägerin in laufende klinische Studien einzuschleusen, die durchgeführt würden, um eine Zulassung des Medikamentes für die hier fragliche Indikation zu erreichen. Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 30.12.2004 zurück. Zuvor hatte Prof. Dr. M. mitgeteilt, dass ihm nicht bekannt sei, ob zur Zeit eine Studie zur Anwendung von Interferon-Beta bei Colitis ulcerosa laufe, in die Klägerin eingeschleust werden könne.
Am 31.01.2005 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Duisburg erhoben, mit der sie ihr Begehren auf Versorgung mit dem Medikament "Fiblaferon" weiter verfolgt.
Das Medikament wurde ihr zwischenzeitlich durch Prof. Dr. M. in der für erforderlich gehaltenen Dosis in dem Zeitraum nach der Leistungsablehnung durch die Beklagte und zunächst laufend auch weiter auf Kassenrezept verordnet, so dass Kosten für die Inanspruchnahme des Medikaments für sie nicht anfielen. Die Kosten für das Medikament in dieser Dosierung belaufen sich auf etwa 250,00 EUR wöchentlich. Am 27.07.2006 wurde für die hier fragliche Indikation ein anderes bei der Klägerin bisher nicht zur Anwendung gebrachtes Medikament mit dem Handelsnamen "Infliximab" europaweit zugelassen. Nachdem die Beklagte eine im Juni 2006 durchgeführte stationäre Behandlung der Klägerin mit "Fiblaferon" durch Prof. Dr. M. beanstandet und die hierfür gezahlten Krankenhauskosten von dem Marienhospital B. zurück gefordert hatte, teilte Prof. Dr. M. der Klägerin in einem Schreiben vom 28.03.2007 mit, dass es ihm nicht mehr möglich sei, ihr weiterhin das Medikament "Fiblaferon" (auf Kassenrezept) zu verordnen. Da ein Absetzen des Medikaments aber erhebliche gesundheitliche Folgen hätte, die zum jetzigen Zeitpunkt auch lebensbedrohlich sein könnten und die Option einer notfallmäßigen Kolektomie stelle, empfahl Prof. Dr. M. der Klägerin, eine "einstweilige Verfügung" zu erwirken. Vor diesem Hintergrund wandte sich die Klägerin am 31.03.2007 mit dem Begehren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung an das Gericht (Az. S 7 KR 1/07 ER), das die Beklagte durch Beschluss 20.04.2007 verpflichtete, die Kosten für Medikation vorläufig weiter bis zum 03.06.2007 zu übernehmen, um der Klägerin die Möglichkeit zu geben, die Therapie auf das inzwischen für die hier fragliche Indikation zugelassene Medikament "Infliximab" umzustellen. Im Übrigen wurde der Antrag abgelehnt. Auf die Beschwerde der Klägerin verpflichtete des Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (Az. L 16 B 22/07 KR ER) die Beklagte, die Kosten für die Medikation der Klägerin mit "Fiblaferon" vorläufig weiter bis zum 04.09.2007 zu übernehmen. Im Übrigen wurde die Beschwerde zurück gewiesen.
Im Laufe des Klageverfahrens (und des Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Anordnung) macht die Klägerin zur Begründung geltend, dass andere Kassen die Kosten für die Versorgung mit dem Medikament übernähmen. Ferner bezieht sie sich zur Begründung im Wesentlichen auf den bisherigen Behandlungs- und Therapieverlauf sowie die bereits aktenkundigen Ausführungen des Prof. Dr. M ... Sie macht geltend, ihr stünden für den Fall, dass sie nicht mehr auf das Medikament Fiblaferon zurückgreifen könne, weitere schwer verlaufende Colitis-Schübe bevor, die mit 100%iger Sicherheit verhindert werden könnten, wenn die Medikation in der bisherigen Form und Dosierung fortgeführt würde. Ferner verweist sie auf den Leitsatz des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 06.12.2005 (AZ.: 1 BvR 347/98). Im Hinblick auf diese Entscheidung stünde ihr ein Leistungsanspruch gegenüber der Beklagte zu, da sie an einer lebensbedrohlichen Erkrankung leide, die durch eine Behandlungsdauer von 1 bis 2 Jahren zu ca. 80 bis 90 % ohne Organverluste und Kosten für Dauerpflegemittel ausgeheilt werden könne. Im Übrigen habe das Sozialgericht Gelsenkirchen in einer Entscheidung vom 13.07.2006 (AZ.: S 28 KR 86/06 ER) in einem vergleichbaren Fall bereits eine positive Entscheidung in einem Eilverfahren getroffen. Die Umstellung der Therapie auf das Medikament "Infliximab" sei ihr aufgrund der der fraglichen Wirksamkeit und der damit verbundenen Nebenwirkungsrisiken nicht zumutbar.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 01.03.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.12.2004 zu verurteilen, die Kosten für die Versorgung mit dem Medikament Fiblaferon für die Zeit ab dem 23.04.2007 zu übernehmen und für die Zukunft diese Kosten auf der Grundlage vertragsärztlicher Verordnungen zu tragen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach ihrer Auffassung besteht ein Anspruch der Klägerin auf Versorgung mit dem Medikament "Infliximab" (weiterhin) nicht. Zur Begründung bezieht sie sich im Wesentlichen auf die Ausführungen in dem Widerspruchsbescheid. Ergänzend führt sie aus, es liege schon keine entsprechende aktuelle vertragsärztliche Verordnung des Prof. Dr. M. vor. Auch aktuelle Befunde seien ihr nicht eingereicht worden. Ferner macht sie geltend, dass nach der aktuellen Rechtsprechung des BSG zum Off-Label-Use auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des BVerfG aufgrund der verfassungsrechtlichen Schutzpflichten selbst bei tötlich verlaufenden Krankheiten der Einsatz eines Arzneimittels außerhalb der Zulassung nur als äußerste Maßnahme zulässig sei. Unter Berücksichtigung des gebotenen Wahrscheinlichkeitsmaßstabes müsse bei der vor der Behandlung erforderlichen sowohl abstrakten als auch speziell auf den Versicherten bezogenen konkreten Analyse und Abwägung von Chancen und Risiken der voraussichtlichen Nutzen überwiegen. Die in erster Linie fachärztliche Behandlung müsse auch im Übrigen der ärztlichen Kunst entsprechend ausreichend dokumentiert werden.
Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhaltes zunächst einen ausführlichen Befundbericht bei Prof. Dr. M. eingeholt. Des Weiteren hat das Gericht bei dem Chefarzt der Medizinischen Klinik I der Berliner Charité - Campus Benjamin Franklin -, Prof. Dr. Z., ein fachinternistisches Sachverständigengutachten nach Aktenlage eingeholt. Der Sachverständige Prof. Dr. Z. hat sein Gutachten vom 14.03.2006 im Termin zur mündlichen Verhandlung erläutert. Der behanelnde Arzt der Klägerin Prof. Dr. M. ist im Termin zur mündlichen Verhandlung als sachverständiger Zeuge gehört worden.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagte. Ferner wird verwiesen auf den Inhalt der beigezogenen Gerichtsakte des Eilverfahrens mit dem Aktenzeichen S 7 KR 1/07 ER. Der Inhalt sämtlicher Akten ist Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Gegenstand des Verfahrens ist entsprechend des im Termin zur mündlichen Verhandlung formulierten Antrages der Klägerin die Frage, ob ihr für die Zeit ab dem 23.04.2007 ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Versorgung mit dem Medikament Fiblaferon zusteht.
Die insoweit zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid vom 01.03.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.12.2004 ist nicht rechtswidrig und die Klägerin deswegen nicht beschwert im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Ihr steht ein Anspruch auf die Versorgung mit dem Medikament Fiblaferon für den Zeitraum ab dem 23.04.2007 gegenüber der Beklagten nicht zu.
Grundlage für den Leistungsanspruch der Klägerin auf die Versorgung mit dem Medikament Fiblaferon kann nur § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3 nach § 31 Abs. 1 Satz 1 des 5. Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) sein. Dabei kommt es, was den Zeitraum für die Vergangenheit vom 23.04.2007 bis zum Tag der mündlichen Verhandlung angeht, nicht darauf an, ob ergänzend die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V vorliegen, da die Beklagte auf der Grundlage des Beschlusses des Gerichts vom 23.04.2007 in der Sache S 7 KR 1/07 ER bzw. des Beschlusses des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 04.06.2007 in dem Beschwerdeverfahren mit dem Aktenzeichen L 16 P 22/07 KR-ER die laufenden Kosten für die fragliche Behandlung bereits übernommen hat. Nach den vorstehend zitierten Vorschriften des 5. Abschnittes des 3. Kapitels des SGB V können grundsätzlich nur solche Arzneimittel von Versicherten von ihrer Krankenkasse beansprucht werden, die für die fragliche Indikation eine arzneimittel-rechtliche Zulassung besitzen. Dies ist hier für das Medikament Fiblaferon in Bezug auf das bei der Klägerin bestehende Krankheitsbild einer Colitis ulcerosa nicht der Fall, was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist. Zu Recht unstreitig ist zwischen den Beteiligten auch, dass es sich hier nicht um einen sogenannten Seltenheitsfall handelt, der sich einer systematischen Erforschung entzieht (vgl. dazu BSG SozR 4 2500 § 27 Nr. 1). Denn sowohl die im Laufe des Verfahrens beigezogenen fachwissenschaftlichen Unterlagen als auch die Ausführungen des die Klägerin behandelnden Prof. Dr. M. als auch des Sachverständigen Prof. Dr. Z. belegen einhellig, dass das Krankheitsbild einer Colitis ulcerosa - auch in der Ausprägung wie sie bei der Klägerin vorliegt - wegen der geringen Häufigkeit seines Auftretens oder aus sonstigen Gründen sich nicht der wissenschaftlichen Erforschbarkeit entzieht.
Für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreites kommt es damit darauf an, ob die Voraussetzungen vorliegen, die das BSG für die Verordnung eines Medikaments in einem von der Zulassung nicht erfassten Anwendungsbereich (Off-Label-Use) aufgestellt hat (vgl. BSG SozR 3 2500 § 31 Nr. 8). Danach muss es a) um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung gehen, wenn b) keine andere Therapie verfügbar ist und wenn c) aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder paliativ) erzielt werden kann.
Auf der Grundlage der vorstehend zitierten Rechtsprechung des BSG zum Off-Label-Use kann die Klägerin ihren Leistungsanspruch jedenfalls deswegen nicht stützen, weil die unter c) genannten Voraussetzungen nicht vorliegen. Das BSG stellt im Hinblick auf die unter c) genannte Voraussetzung darauf ab, ob wissenschaftliche Erkenntnisse veröffentlicht wurden, die über die Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels in dem neuen Anwendungsgebiet zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zulassen und aufgrund derer in den einschlägigen Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen in dem vorgenannten Sinne besteht (vgl. Urteil des BSG vom 26.09.2006, Az.: B 1 KR 14/06 R Randziffer 12). Dabei hat das BSG inzwischen klargestellt, dass die Wertigkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse die ausserhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnen wurden, genauso hoch sein muss, wie in den Fallgestaltungen, in denen Zulassungsverfahren bereits angestrengt sind. Das heißt, es müssen wissenschaftliche Erkenntnisse über die Wirksamkeit des Arzneimittels vom Grad einer Phase 3-Studie vorliegen (vgl. BSG a.a.O. Randziffer 16). Nach den Erkenntnissen, die in dem Gutachten des Prof. Dr. Zeitz vom 14.03.2006 gewonnen wurden, und die dieser im Termin zur mündlichen Verhandlung noch einmal bestätigt hat, liegen solche Erkenntnisse bisher nicht vor. Dies hat auch der die Klägerin behandelnde Arzt Prof. Dr. M. als sachverständiger Zeuge im Termin zur mündlichen Verhandlung und auch schriftlich (vgl. hierzu seine Stellungnahme in dem Schreiben vom 03.06.2006, Bl. 141 der Gerichtsakte) bestätigt. Nach dem im Termin zur mündlichen Verhandlung aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis lagen also keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels für den Anwendungsbereich bei Colitis ulcerosa zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zulassen und aufgrund derer in den einschlägigen Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen in dem vorgenannten Sinne besteht.
Erfolg könnte der von der Klägerin hier geltend gemachte Leistungsanspruch daher nur haben, wenn die Vorschriften der §§ 27 und 31 des SGB V bzw. die Rechtsprechung des BSG im Lichte der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 06.12.2005 (Az.: 1 BVR 347/98) unter grundrechtlichen Aspekten differenziert auszulegen wären. Denn nach der genannten Entscheidung des BVerfG bedürfen die Regelungen des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zur Arzneimittelversorgung einer verfassungskonformen Auslegung, wenn Versicherte an einer lebensbedrohlichen Erkrankung leiden, bei der die Anwendung der üblichen Standardbehandlung aus medizinischen Gründen ausscheidet und andere Behandlungsmöglichkeiten nicht zur Verfügung stehen (vgl. BSG a.a.O.; Hauck "Gestaltung des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung durch das Grundgesetz?", NJW 2007 Seite 1320 ff.; Padé, "Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung bei Lebensgefahr und tötlich verlaufenden Krankheiten", NZS 2007 Seite 352 ff.).
Im Hinblick auf die vorstehend dargestellten Kriterien, die das BVerfG in seiner Entscheidung vom 06.12.2005 aufgestellt hat, hat die Kammer bereits Bedenken dagegen, hier die Erkrankung als "lebensbedrohlich" anzusehen. Denn eine Lebensbedrohlichkeit der Erkrankung im Wortsinne liegt nach den für die Kammer insoweit schlüssigen und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Z. nicht vor. Insbesondere zeigt auch der Krankheitsverlauf bei der Klägerin selbst, dass bisher eine unmittelbare Lebensgefahr auch während der als mittelschwer oder auch schwer einzustufenden Schübe in der Vergangenheit zu keinem Zeitpunkt vorgelegen hat. Ein Leistungsanspruch der Klägerin käme daher nur dann in Betracht, wenn man es als ausreichend ansehen würde, dass auch Erkrankungen zu den vom BVerfG in der genannten Entscheidung dargestellten Auslegung des Leistungsrechts des SGB V führen könnten, die nicht im eigentlichen Sinne lebensbedrohlich sind, sondern "nur" vergleichbar schwerwiegend sind. Einer solchen Übertragbarkeit des Begriffs der Lebensbedrohlichkeit auf andere nicht im eigentliche Sinne lebensbedrohliche Erkrankungen neigt die Kammer in Übereinstimmung mit den vorstehend zitierten Literaturstellen zu. Allerdings ist im Rahmen dieser Erweiterung aus Sicht der Kammer ein strenger Maßstab anzulegen. Insbesondere muss der Schweregrad einer solchen nicht im eigentlichen Sinne lebensbedrohlichen Erkrankung deutlich höher sein, als dies für eine "schwerwiegende", das heißt lebensbedrohlich oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung im Sinne der vorstehend zitierten Rechtsprechung des BSG zum Off-Label-Use, da die vom BSG verwandte Begrifflichkeit dem BVerfG im Rahmen seiner Entscheidung vom 06.12.2005 bereits bekannt gewesen ist, hieran aber nicht angeknüpft wurde. Sach- und interessengerecht erscheint es der Kammer, die Grundsätze des BVerfG nur auf solche Erkrankungen zu übertragen, bei deren Behandlung es um eine "Notstands ähnliche Extremsituation" geht, also ein Fall akut drohender oder regelmäßig eintretender schwerster und dauerhafter körperlicher Beeinträchtigung vorliegen (Padé a.a.O., Seite 355). Hierzu wären beispielsweise der dauerhafte Verlust wichtiger Sinnesorgane zu zählen. Bei der hier fraglichen Fallkonstellation handelt es sich aus Sicht der Kammer insoweit um einen Grenzfall. Die Problematik liegt darin begründet, dass nach den insoweit übereinstimmenden Ausführungen sowohl des behandelnden Arztes Prof. Dr. M. als auch des Sachverständigen Prof. Dr. Z. nicht mit wissenschaftlicher Sicherheit vorausgesagt werden kann, wie sich das Krankheitsbild der Klägerin nach Abbruch der hier im Streit stehenden ??? die Möglichkeiten variieren dabei von im günstigsten Fall keiner Änderung bishin schlechtestenfalls zu der Notwendigkeit einer Kolektomie mit anschließender Anlage eines Pautsch, wobei die Wahrscheinlichkeit des Eintritts dieser als schwersten Folge zu berücksichtigenden Entwicklung von Prof. Dr. M. bzw. Prof. Dr. Z. unterschiedlich eingeschätzt werden. Da aber bis zum Eintritt dieser schwersten Folge zunächst überhaupt ein erneuter Schub der Colitis ulcerosa-Erkrankung bei der Klägerin auftreten müsste und dieser Schub auch durch zumindest zwei bereits anerkannte Behandlungsmaßnahmen nicht mit Acathioprin bzw. Infliximab nicht zu durchbrechen sein dürfte, stellt sich die Frage, ob die noch von verschiedenen Bedingungen abhängige Notwendigkeit einer Kolektomie es rechtfertigt, zum derzeitigen Zeitpunkt von einer "Lebensbedrohlichkeit" im übertragenen Sinne auszugehen.
Selbst wenn man im Hinblick auf die Nachhaltigkeit der körperlichen Beeinträchtigung, die eine Kolektomie lebenslang mit sich bringt, von einer Lebensbedrohlichkeit der Erkrankung im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG ausgehen würde, muss man aus Sicht der Kammer aber jedenfalls dann bei der zweiten Voraussetzung unter Zugrundelegung ähnlicher Erwägungen die zweite Voraussetzung der Rechtsprechung des BVerfG als nicht gegeben ansehen, da für die Behandlung der Klägerin zumindest inzwischen weitere medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten gegeben sind, die dieser zuvor ausschöpfen muss, bevor sie die Behandlung mit dem nicht zugelassenen Medikament Fiblaferon fortsetzen bzw. wieder aufnehmen kann. Es stehen andere zugelassene Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung, da der Klägerin für den Fall des erneuten Auftritts eines Schubes der Colitis ulcerosa-Erkrankung jedenfalls zunächst auch die übliche Standardbehandlung mit Acathioprin oder bei gegebener Erfolglosigkeit dieser Möglichkeit auf das zugelassene Medikament Infliximab zurückzugreifen. Dies steht zur Überzeugung der Kammer fest aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Z. im Termin zur mündlichen Verhandlung. Danach kann im Hinblick auf die in etwa vergleichbare Erkenntnis- bzw. Studienlage zur Wirksamkeit von Infliximab und Fiblaferon zwar nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei der Therapie mit Infliximab um eine bereits vollständig etablierte und in jedem Fall wirksame Therapiemethode handelt. Sie ist aber anders als das Medikament Fiblaferon für die fragliche Indikation zugelassen und damit im Rahmen der Systematik der Krankenbehandlung nach dem SGB V zunächst als vorrangig heranzuziehen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. M. gibt es auch keine Gründe im Hinblick auf das Nebenwirkungsprofil des Medikaments Infliximab unter Berücksichtigung der chronischen Asthmaerkrankung der Klägerin von der Anwendung des Medikaments abzusehen. Denn trotz des wohl nach den bisherigen Erkenntnissen geringere Nebenwirkungsrisiko von Fiblaferon liegen verlässliche Erkenntnisse betreffend die Ergebnisse von Langzeitbehandlungen von Patienten - um eine derartige handelt es sich hier - bisher ebenso wenig vor. Auch unter dem Gesichtspunkt der bisherigen Wirksamkeit von Fiblaferon sieht die Kammer zu Ungunsten der Klägerin keine Rechtfertigung, die Beklagte weiterhin zur Kostenübernahme zu verpflichten. Denn der Sachverständige Prof. Dr. Z. hat im Termin zur mündlichen Verhandlung weiter ausgeführt, dass auch derzeit nicht gesagt werden könne, ob die derzeitige Remission der Erkrankung (noch) mit der Weiterführung der Medikation mit Fiblaferon zurückzuführen ist.
Nach alledem kommt es auf die Beantwortung der Frage, ob durch die Behandlung mit Fiblaferon eine nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf der Klägerin gegeben ist, was allerdings wohl zu bejahen sein dürfte, nicht mehr an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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