S 7 AL 223/06

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Kassel (HES)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 7 AL 223/06
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AL 165/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Sind für einen selbständig tätigen Unternehmer in der irrtümlichen Annahme seiner Versicherungspflicht Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entrichtet worden, so ist der Erstattungsanspruch des vermeintlichen Arbeitnehmers für diese zu Unrecht entrichteten Beiträge von dem Antrag auf Gewährung der Sozialleistung bis zu der rechtskräftigen Entscheidung über ihre Ablehnung gehemmt. Denn der Anspruch auf Erstattung der Beiträge steht in selektiver Konkurrenz zu dem Anspruch auf die beantrage Sozialleistung, §§ 213, 209 BGB, § 27 Abs. 3 Satz 1 SGB IV.

2. Für die Erstattung der Arbeitgeberanteile zur Arbeitslosenversicherung ist das Ermessen der Beklagten zur Erhebung der Einrede der Verjährung im Familienbetrieb eines solchen vermeintlich versicherungspflichtig Beschäftigten nach Treu und Glauben ab Antragstellung für die Gewährung der Sozialleistung auf Null reduziert.
1) Die Bescheide der Beklagten vom 24.03.2006 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 07.06.2006 werden geändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger zu 1) und der Klägerin zu

2) die jeweils zu Unrecht entrichteten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung ab dem 01.12.1998 zu erstatten. 2) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3) Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte ¾ zu tragen. Der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) haben jeweils 1/8 der Kosten des Rechtsstreites zu tragen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung seit dem 01.01.1998.

Der Kläger zu 1) meldete sich bei der Beklagten am 15.08.2003 persönlich arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Er gab an, bei der Klägerin zu 2) von 1985 bis September 2003 als Elektroinstallateur-Meister beschäftigt gewesen zu sein. Inhaberin der Klägerin zu 2) ist die Ehefrau des Klägers, Frau A ... Bei der Firma C. handelt es sich um einen Elektroinstallateur-Betrieb mit angeschlossenem Elektrogeschäft. Mit Bescheid vom 16.10.2003 lehnte die Beklagte den Arbeitslosengeld-Antrag des Klägers zu 1) mit der Begründung ab, der Kläger zu 1) habe die Anwartschaftszeit nicht erfüllt, da er nicht in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis als Arbeitnehmer gestanden und eine versicherungspflichtige Beschäftigung nicht vorgelegen habe. Der Widerspruch des Klägers vom 20.10.2003 blieb erfolglos. Mit Widerspruchsbescheid vom 25.11.2003 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zu 1) als unbegründet zurück. Die hiergegen erhobene Klage vor dem Sozialgericht Kassel (Az. S 17/11 AL 2663/03) wurde vom Gericht nach durchgeführter mündlicher Verhandlung mit Urteil vom 10.01.2006 abgewiesen; das Urteil wurde rechtskräftig.

Mit Schreiben vom 02.02.2006 beantragten der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) bei der Barmer Ersatzkasse (BEK) die Erstattung von Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung für die Zeit von Januar 1985 bis September 2003 in Höhe von jeweils 18.858,86 Euro, insgesamt 37.717,72 Euro, da die Beiträge mangels Versicherungspflicht zu Unrecht abgeführt worden seien. Dieser Antrag wurde von der BEK zuständigkeitshalber mit Schreiben vom 09.02.2006 an die Beklagte weitergeleitet. Auf die Anfrage der Beklagten vom 22.02.2006 über eine möglicherweise fehlerhafte Beitragserhebung antwortete die BEK mit Schreiben vom 24.02.2006, ein fehlerhaftes Verwaltungshandeln bei der Beitragserhebung sei nicht zu ermitteln, da Unterlagen aus dem Jahre 1985 bereits wegen Ablauf der Aufbewahrungszeit vernichtet worden seien. Die BEK fügte eine Aufstellung sämtlicher Entgelte vom Januar 1985 bis September 2003 hinzu. Nachdem der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) der Beklagten eine eigene Aufstellung der Lohnkonten zugesandt hatten, aus der sich ein Erstattungsbetrag in Höhe der Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-Anteile von jeweils 18.858,74 Euro ergab, stellte die Beklagte mit ihren jeweils an den Kläger zu 1) und an die Klägerin zu 2) gerichteten Bescheiden vom 24.03.2006 fest, dass die entrichteten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung in voller Höhe zu Unrecht erhoben worden seien. Die Beklagte erstattete dem Kläger zu 1) und der Klägerin zu 2) jeweils 2.695,27 Euro an Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung ab dem 1.12.2001. Im Übrigen erhob sie die Einrede der Verjährung für den Zeitraum vom 01.01.1985 bis zum 30.11.2001. Denn für diesem Zeitraum seien die Ansprüche des Klägers zu 1) und der Klägerin zu 2) auf Erstattung der zu Unrecht erhobenen Beiträge zur Arbeitslosenversicherung verjährt. Die Erstattung der Beiträge komme lediglich für den Zeitraum vom Dezember 2001 bis September 2003 (jeweils 2.695,27 Euro) in Betracht; hingegen seien die Beiträge für den Zeitraum Januar 1985 bis November 2001 in Höhe von jeweils 16,163,47 Euro verjährt. Der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) wandten sich gegen diesen Bescheid mit ihren Widersprüchen vom 12.04.2006. Sie legten unter anderem ein Schreiben der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) vom 06.03.2006 vor, wonach die AOK die Umlagebeiträge U1 und U2 bereits für den Zeitraum ab Dezember 1998 erstattete, da der Kläger zu 1) – wie die AOK ausführte – seinen Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld bei der Beklagten bereits im Jahre 2003 gestellt habe, so dass die Einrede der Verjährung von der AOK nur für Zeiträume vor Dezember 1998 erhoben werde. Die Beklagte hingegen hielt an ihrer Rechtsauffassung fest und wies die Widersprüche des Klägers zu 1) und der Klägerin zu 2) mit ihren Widerspruchsbescheiden vom 07.06.2006 als unbegründet zurück. Die Erhebung der Einrede der Verjährung sei nicht rechtsmissbräuchlich erfolgt. Eine fehlerhafte Beitragserhebung habe sich nicht feststellen lassen. Die Unkenntnis des Klägers zu 1) und der Klägerin zu 2) von der Verjährung gehe zu ihren Lasten. Beide hätten bereits bei Stellung des Arbeitslosengeld-Antrages durch den Kläger zu 1) im Jahre 2003 vorsorglich Ansprüche auf Erstattung der zu Unrecht erhobenen Beiträge geltend machen müssen.

Hiergegen richtet sich die am 21.06.2006 zum Sozialgericht Kassel erhobene Klage.

Die Klage richtete sich zunächst auf Erstattung der zu Unrecht erhobenen Beiträge zur Arbeitslosenversicherung für die Zeit vom 01.01.1985 – 30.09.2003. Mit Schriftsatz vom 27.07.2006 haben der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) ihre ursprünglich erhobenen Klagen teilweise zurückgenommen und nunmehr lediglich die Erstattung der Beiträge für den Zeitraum vom 01.01.1998 bis 30.09.2003 verlangt. Der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) legten den Versicherungsnachweis gemäß § 11/2 DÜVO der Landesversicherungsanstalt Hessen (LVA Hessen, nunmehr: Deutsche Rentenversicherung Hessen), eine Summenabstimmung der BEK vom August 1999 und ein Schreiben der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA, nunmehr: Deutsche Rentenversicherung Bund) vom 10.08.2004 vor, wonach Betriebsprüfungen nach § 28 p Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) IV ohne Beanstandungen durchgeführt worden seien. Das Gericht hat mit Beschluss vom 08.03.2001 gemäß § 75 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die F. die Deutsche Rentenversicherung Hessen und die Barmer Ersatzkasse zum Rechtsstreit beigeladen. Auf Anfrage des Gerichtes antwortete die Beigeladene zu 1) (DRV Bund) mit Schriftsatz vom 08.03.2007, Betriebsprüfungen seien bei der Klägerin zu 2) am 03.11.1997, 23.04.2001 und am 10.08.2004 durchgeführt worden, ohne dass beitragsrechtliche Nachforderungen erfolgt seien. Verwaltungsakten seien hierfür nicht vorhanden. Der Inhalt und der Umfang der Prüfungen seien unbekannt. Die Beigeladene zu 2) (DRV Hessen) teilte mit Schriftsatz vom 03.04.2007 mit, am 03.11.1997 habe bei der Klägerin zu 2) eine Betriebsprüfung stattgefunden, worüber Aufzeichnungen jedoch nicht mehr vorhanden seien. Betriebsprüfungen würden jedoch nur stichprobenhaft durchgeführt. Selbst wenn sie ohne Beanstandung geblieben seien, könne aus diesem Umstand nicht auf eine Prüfung der Versicherungspflicht des Klägers zu 1) geschlossen werden. Die Beigeladene zu 3) (BEK) teilte dem Gericht mit Schriftsatz vom 26.04.2007 mit, die Versicherungspflicht des Klägers zu 1) sei nur aufgrund der abgegebenen DEÜV-Meldungen durch schlichtes Verwaltungshandeln angenommen worden, seine Sozialversicherungspflicht sei nicht geprüft worden, Verwaltungsakten bzw. Verwaltungsakte seien hierüber nicht vorhanden.

Der Kläger zu 1 ) und die Klägerin zu 2) vertreten gemeinsam die Auffassung, eine mögliche Verjährung der Beitragserstattungsansprüche sei durch den Widerspruch vom 19.10.2003 wegen der Ablehnung des Arbeitslosengeld-Antrages des Klägers zu 1) und die nachfolgende Klage gehemmt gewesen. Darüber hinaus sei die Erhebung der Einrede der Verjährung durch die Beklagte rechtsmissbräuchlich. Denn die sowohl von der BEK als auch der LVA Hessen und der BfA durchgeführten Betriebsprüfungen hätten zu fehlerhaften Ergebnissen geführt, die den Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) im Glauben gelassen hätten, die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung würden zu Recht erhoben. Zudem sei bereits bei Abgabe des Arbeitslosengeld-Antrages durch den Kläger zu 1) im Jahre 2003 ein Stillhalteabkommen zwischen ihm und der Beklagten geschlossen worden, da dem Kläger zu 1) von der Beklagten bei der Antragsbearbeitung mitgeteilt worden sei, die Beiträge würden im Falle der Ablehnung des Arbeitslosengeld-Antrages erstattet werden. Dies sei vom Sachbearbeiter der Beklagten deutlich gemacht worden. Die Verjährung sei daher wegen eines Stillhalteabkommens gemäß § 205 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gehemmt gewesen. Dass der Kläger zu 1) nicht bereits im Jahre 2003 (dem Jahr der Stellung des Arbeitslosengeld-Antrages) die Erstattung der zu Unrecht erhobenen Beträge von der Beklagten verlangt habe, liege daran, dass der Kläger zu 1) sich sonst in Widerspruch zu seinem eigentlichen Verlangen auf Gewährung von Arbeitslosengeld durch die Beklagte gesetzt hätte. Denn der Kläger zu 1) habe zum damaligen Zeitpunkt die Auffassung vertreten, bei der Klägerin zu 2) während des gesamten Zeitraumes seit 1985 in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden zu haben. So habe der Kläger zu 1) während des gesamten Streitzeitraumes über die Gewährung von Arbeitslosengeld bis zur Entscheidung des Sozialgerichts Kassel (Az. S 17/11 AL 2663/03) im Urteil vom 10.01.2006 sich in dem Glauben gefunden, dass nach dem möglicherweise für ihn erfolglosen Ausgang des Streitverfahrens von der Beklagten sämtliche Beiträge zur Arbeitslosenversicherung erstattet würden. Daher sei die Beklagte nach Treu und Glauben gehindert, sich nach Beendigung des Streitverfahrens wegen Arbeitslosengeldes im Jahre 2006 auf die Einrede der Verjährung zu berufen. Zudem hätten die Betriebsprüfungen sämtlicher Beigeladenen zu keinen Beanstandungen im Betrieb der Klägerin zu 2) hinsichtlich der Abführung von Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung geführt. Diese Betriebsprüfungen seien daher fehlerhaft gewesen, da sie weiterhin den Anschein der Versicherungspflicht bei dem Kläger zu 1) und der Klägerin zu 2) aufrechterhalten hätten, obwohl tatsächlich eine Versicherungspflicht nicht beanstanden habe. So sei eine reine Stichprobenprüfung bei der Klägerin zu 2) nicht zulässig gewesen, da es sich hierbei um einen Kleinstbetrieb gehandelt habe, bei dem sich die Unternehmerstellung des Klägers den Beigeladenen anlässlich der Betriebsprüfungen hätte aufdrängen müssen. Eine umfassende Prüfung, insbesondere der Versicherungspflicht des Klägers zu 1), wäre den Beigeladenen seit dem Jahre 1985 geboten gewesen. Dann hätte bereits zu einem früheren Zeitpunkt verbindlich die Frage der Versicherungspflicht geklärt werden können. Schließlich ergebe sich die Richtigkeit der Rechtsauffassung des Klägers zu 1) und der Klägerin zu 2) auch aus dem Schreiben der Allgemeinen Ortskrankenkasse vom 06.03.2006, das der Beklagten im Widerspruchsverfahren vorgelegt worden ist. Hiernach habe die AOK die Umlagebeiträge U1 und U2 für die Zeit seit Dezember 1998 erstattet, weil der Kläger bereits im Jahre 2003 seinen Antrag auf Arbeitslosengeld bei der Beklagten gestellt habe. Die AOK sei davon ausgegangen, dass die Verjährung der Erstattungsansprüche lediglich für Zeiträume vor Dezember 1998 eingetreten sein könne. Dies müsse gleichermaßen für die Beklagte gelten.

Der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) beantragen,
die Bescheide der Beklagten vom 24.03.2006 abzuändern, die Widerspruchsbescheide vom 07.06.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger zu 1) und der Klägerin zu 2) die jeweils zu Unrecht entrichteten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung für die Zeit ab dem 01.01.1998 zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie hält an ihrer Auffassung in den angefochtenen Bescheiden sowie in den Widerspruchsbescheiden fest, wonach sie zur Erhebung der Einrede der Verjährung für Beitragszeiträume vor Dezember 2001 berechtigt sei. Ein fehlerhaftes Verwaltungshandeln bei der Erhebung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung sei nicht festzustellen. Die von den Beigeladenen durchgeführten Betriebsprüfungen seien lediglich als Stichproben durchgeführt worden, so dass durch diese Prüfungen kein Rückschluss auf die Versicherungspflicht des Klägers zu 1) möglich sei. Die Erhebung der Einrede der Verjährung für die Zeiträume vor Dezember 2001 sei zudem nicht rechtsmissbräuchlich. Die Unkenntnis von der mangelnden Versicherungspflicht bzw. vom Eintritt der Verjährung des Erstattungsanspruches für die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung gehe zu Lasten des Klägers zu 1) und der Klägerin zu 2), die erst im Jahre 2006 die Erstattung der Beiträge von der Beklagten verlangt hätten.

Die Beigeladenen haben keine eigenen Anträge gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten und Unterlagen und wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die in Streitgenossenschaft des Klägers zu 1) und der Klägerin zu 2) gemäß § 74 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. §§ 59, 60 Zivilprozessordnung (ZPO) erhobene Klage ist gemäß § 54 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 SGG als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage des von dem Kläger zu 1) und der Klägerin zu 2) geltend gemachten Beitragserstattungsanspruches gemäß § 26 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) IV statthaft. Die Klage ist auch im Übrigen zulässig. Durch die mit Schriftsatz vom 27.07.2006 teilweise erfolgte Klagerücknahme ist der Streitgegenstand für die Erstattung von Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung (Arbeitnehmeranteil an den Kläger zu 1) bzw. Arbeitgeberanteil an die Klägerin zu 2)) gemäß § 102 Satz 2 SGG auf den Zeitraum vom Januar 1998 bis November 2001 beschränkt worden. Die zu Unrecht erhobenen Beiträge zur Arbeitslosenversicherung für den Zeitraum von Dezember 2001 bis September 2003 sind aufgrund der angefochtenen Bescheide der Beklagten bereits an den Kläger zu 1) bzw. an die Klägerin zu 2) erstattet worden.

Die Klage ist auch teilweise begründet, soweit sie den Zeitraum der Entrichtung von Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung vom 01.12.1998 bis zum 30.11.2001 betrifft. Für den Zeitraum vom 01.01.1998 bis zum 30.11.1998 ist die Klage hingegen unbegründet. Der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) haben gemäß § 26 Abs. 2 SGB IV Anspruch gegenüber der Beklagten auf Erstattung der für den Zeitraum vom 01.12.1998 bis 30.11.2001 zu Unrecht entrichteten Beiträge.

1. Zu Unrecht entrichtete Beiträge sind zu erstatten, es sei denn, dass der Versicherungsträger bis zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs aufgrund dieser Beiträge oder für den Zeitraum, für den die Beiträge zu Unrecht entrichtet worden sind, Leistungen erbracht oder zu erbringen hat; Beiträge, die für Zeiten entrichtet worden sind, die während des Bezugs von Leistungen beitragsfrei sind, sind jedoch zu erstatten (§ 26 Abs. 2 SGB IV). Der Erstattungsanspruch verjährt in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beiträge entrichtet worden sind, § 27 Abs. 2 Satz 1 SGB IV. § 27 Abs. 2 Satz 2 SGB IV, nach dem die Verjährung erst mit Ablauf des Kalenderjahres einer Beitragsbeanstandung beginnt, findet in der Arbeitslosenversicherung keine Anwendung (§ 351 Abs. 1 Satz 2 SGB III).

Leistungen der Beklagten sind nicht erfolgt. Die Beiträge des Klägers zu 1) und der Klägerin zu 2) zur Arbeitslosenversicherung sind zu Unrecht erhoben worden, da der Kläger in den Jahren seit 1985 nicht in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stand. Der Kläger zu 1) war vielmehr gemeinsam mit seiner Ehefrau als Mitunternehmer tätig. Die sich aus § 26 Abs. 2 SGB IV ergebenden Erstattungsansprüche des Klägers zu 1) und der Klägerin zu 2) sind nicht erst nach rechtskräftiger Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Ablehnung der Beklagten für die Gewährung von Arbeitslosengeld an den Kläger zu 1) mit Bescheid vom 16.10.2003 durch das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 10.01.2006 (Az. S 17/11 AL 2663/03) entstanden. Vielmehr hatten sowohl der Kläger zu 1) als auch die Klägerin zu 2) während des gesamten Zeitraums der Beitragsentrichtung seit dem Januar 1985 jeweils Anspruch auf Erstattung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung, da Versicherungspflicht des Klägers zu 1) nicht bestand. Denn zu keinem Zeitpunkt seit dem Jahre 1985 ist von der Beklagten bzw. einer der Beigeladenen durch Verwaltungsakt verbindlich (§ 77 SGG) die Versicherungspflicht des Klägers zu 1) festgestellt worden; es bestand zu keinem Zeitpunkt ein Rechtsgrund für die jeweilige Tragung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung durch den Kläger zu 1) bzw. die Klägerin zu 2) (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 13.09.2006, Az. B 12 AL 1/05 R, zitiert nach juris, RdNr. 13). Damit richtet sich die Verjährung des vom Kläger zu 1) und der Klägerin zu 2) erhobenen Anspruches auf Erstattung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung grundsätzlich nach dem Zeitpunkt, in dem der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) ihre Ansprüche gegenüber der Beklagten geltend gemacht haben. Dies ist grundsätzlich mit Stellung des Erstattungsantrages bei der BEK am 02.02.2006 der Fall; dieser Antrag ist von der BEK zuständigkeitshalber mit Schreiben vom 09.02.2006 an die Beklagte weitergeleitet worden.

2. Entgegen der Auffassung der Beklagten waren im Zeitpunkt des Antrags auf Beitragserstattung im Februar 2006 die Erstattungsansprüche des Klägers zu 1) bzgl. der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung nicht bereits für Zeiten vor dem 01.12.2001, sondern erst für die Zeiten vor dem 01.12.1998 verjährt. Zugunsten des Klägers zu 1) (und der Klägerin zu 2)) ist – gemeinsam mit der Beklagten – davon auszugehen, dass die für den Monat Dezember fälligen Beiträge jeweils erst im Folgejahr im Sinne von § 27 Abs. 2 Satz 1 SGB IV entrichtet wurden.

a) Für die Zeit ab dem 1.12.2001 war die Verjährungsfrist des § 27 Abs. 2 Satz 1 SGB IV gem. § 213 BGB gehemmt. Die Hemmung, die Ablaufhemmung und der erneute Beginn der Verjährung gelten gemäß § 213 BGB auch für Ansprüche, die aus demselben Grunde wahlweise neben dem Anspruch oder an seiner Stelle gegeben sind. Zur Wirkung der Verjährung im Sozialrecht zählt, dass die Beklagte als Schuldnerin nach Eintritt der Verjährung berechtigt ist, die Leistung zu verweigern (§ 27 Abs. 3 Satz 1 SGB IV i.V.m. § 214 Abs. 1 BGB). Dies bedeutet, dass der Kläger zu 1) gemäß § 26 Abs. 2 Satz 1 SGB IV noch Anspruch gegenüber der Beklagten auf Erstattung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung seit dem 01.12.1998 hat.

Zwar lagen seit dem Antrag des Klägers zu 1) vom Oktober 2003 an die Beklagte auf Gewährung von Arbeitslosengeld nicht im Sinne von § 213 BGB wahlweise Ansprüche des Klägers zu 1) entweder auf Gewährung von Arbeitslosengeld oder auf Erstattung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung vor, da der Kläger zu 1) zwischen diesen beiden Ansprüchen nicht aus eigenem Recht wählen konnte. Vielmehr wäre ihm der Anspruch auf Erstattung von Beiträgen verwehrt gewesen, wenn ein Anspruch auf Arbeitslosengeld bestanden hätte. Der Anspruch auf Erstattung der zu Unrecht geleisteten Arbeitslosenversicherungsbeiträge nach § 26 Abs. 2 Satz 1 SGB IV tritt jedoch an die Stelle des vom Kläger geltend gemachten und von der Beklagten abgelehnten Anspruches auf Gewährung von Arbeitslosengeld gemäß § 117 SGB III. § 213 BGB umfasst das Nebeneinander mehrerer inhaltlich verschiedener, sich gegenseitig ausschließender Rechte; die Norm erfasst alle Ansprüche, die im Verhältnis selektiver Konkurrenz stehen (Palandt–Heinrichs, Kommentar zum BGB, § 213, RdNr. 3; juris-Praxiskommentar zum BGB, Lakkis, § 213, RdNr. 2). § 213 BGB betrifft somit insbesondere jene Fälle, in denen der ursprünglich geltend gemachte Anspruch gemäß § 204 BGB – beispielsweise durch Klageerhebung – gehemmt ist; § 213 BGB schützt diejenigen Ansprüche, die während der Hemmung des ursprünglich geltend gemachten Anspruches grundsätzlich weiterhin der Verjährung unterliegen würden, jedoch mit dem geltend gemachten Anspruch in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Im vorliegenden Falle war der Anspruch des Klägers zu 1) auf Erstattung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung hinsichtlich seiner Verjährung solange gehemmt, solange nicht bestands- bzw. rechtskräftig über seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld entschieden worden war. Eine rechtskräftige Entscheidung über den Anspruch des Klägers zu 1) auf Gewährung von Arbeitslosengeld ist durch das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 10.01.2006 (Az. S 17/11 AL 2663/03) erfolgt. Im unmittelbaren Anschluss hat der Kläger zu 1) im Februar 2006 die Erstattung der von ihnen geleisteten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung bei der Beklagten beantragt. Für den Zeitraum des Rechtsstreites von der Stellung des Antrages auf Gewährung von Arbeitslosengeld am 15.08.2003 bis zum rechtskräftigen Urteil durch das Sozialgericht Kassel war die Verjährung des Erstattungsanspruches des Klägers zu 1) gemäß § 213 BGB gehemmt. Gemäß § 209 BGB wird im Falle des Klägers zu 1) der Zeitraum von der Beantragung des Arbeitslosengeldes am 15.8.2003 bis zur Rechtskraft des über den Arbeitslosengeld-Anspruch des Klägers befindenden Urteils des Sozialgerichts Kassel vom 10.01.2006 (Az. S 17/11 AL 2663/03) nicht in die Verjährungsfrist des § 27 Abs. 2 Satz 1 SGB IV eingerechnet.

b) Eines Rückgriffs auf die Vorschrift des § 205 BGB (Hemmung der Verjährung wegen Stillhalteabkommens) bedarf es daher nicht mehr. Denn es liegen keine Anhaltspunkte für ein Stillhalteabkommen zwischen der Beklagten und dem Kläger zu 1) vor, das darauf gerichtet gewesen wäre, zunächst die Klärung des Arbeitslosengeld-Anspruches des Klägers zu 1) herbeizuführen und erst dann über einen möglichen Erstattungsanspruch des Klägers hinsichtlich der Arbeitslosenversicherungsbeiträge zu entscheiden. Zwar hat der Kläger zu 1) vorgetragen, bei Stellung seines Arbeitslosengeld-Antrages sei ihm von einem Sachbearbeiter der Beklagten mitgeteilt worden, er könne jedenfalls dann die Erstattung der zu Unrecht geleisteten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung verlangen, wenn sein Antrag auf Arbeitslosengeld abgelehnt würde. Hieraus lässt sich jedoch nicht schließen, dass die Beklagte alleine aufgrund des Umstandes der Klärung des Arbeitslosengeld-Anspruches des Klägers bereit gewesen wäre, die Hemmung der Erstattungsforderung zu vereinbaren. Es existieren keine Nachweise für eine solche Vereinbarung. Gleichermaßen lagen während der Dauer des Verwaltungs-, Vor- und Gerichtsverfahrens keine laufenden Verhandlungen im Sinne von § 204 BGB vor, die die Verjährung des Erstattungsanspruches gehemmt hätten. Auch ist durch den Widerspruch des Klägers zu 1) gegen den Arbeitslosengeld-Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 16.10.2003 nicht gemäß § 27 Abs. 3 Satz 2 SGB IV die Verjährung des Erstattungsanspruches gehemmt worden. Nach dieser Vorschrift wird die Verjährung auch durch einen schriftlichen Antrag auf die Erstattung oder durch Erhebung eines Widerspruches gehemmt. Die Hemmung durch Erhebung eines Widerspruches bezieht sich jedoch lediglich auf den Erstattungsanspruch des § 27 Abs. 2 Satz 1 SGB IV selbst und nicht auf einen Verwaltungsakt, der mit dem Erstattungsanspruch inhaltlich nicht im Zusammenhang steht, wie dem Ablehnungsbescheid der Beklagten über Arbeitslosengeld vom 16.10.2003. § 27 Abs. 3 Satz 2 SGB IV betrifft den Fall, dass ein Widerspruch gegen eine Entscheidung, die die Ablehnung eines Beitragserstattungsanspruches selbst betrifft, im Raum steht. Der Widerspruch des Klägers gegen den Arbeitslosengeld-Ablehnungsbescheid der Beklagten steht jedoch in keinem Zusammenhang mit seiner späteren Forderung auf Erstattung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung. Schließlich ist aufgrund der die Grundsätze von Treu und Glauben bereits im positiven Recht regelnden Vorschrift des § 213 BGB hinsichtlich der Verjährungshemmung verwandter Ansprüche ein weiterer Rückgriff auf die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) zugunsten des Klägers zu 1) nicht erforderlich.

3. Gleichermaßen wie der Kläger zu 1) hat die Klägerin zu 2) Anspruch auf Erstattung der Arbeitgeberanteile zur Arbeitslosenversicherung des Klägers zu 1) ab Dezember 1998, da die Beklagte gegenüber der Klägerin zu 2) die Verjährung der Erstattungsansprüche ab dem 1.12.1998 nicht einwenden kann. Zur Erhebung der Einrede der Verjährung ist sie für die Zeit ab dem 1.12.1998 nach Treu und Glauben aufgrund § 242 BGB gehindert; ihr Ermessen zur Erhebung der Einrede ist für diese Zeit auf Null reduziert.

Anders als beim Kläger zu 1) war der Erstattungsanspruch der Klägerin zu 2) seit dem Jahre 2003 nicht gehemmt. Eine entsprechende Vorschrift wie § 213 BGB existiert für die Klägerin zu 2) nicht; auf § 213 BGB selbst kann sie sich nicht berufen, da von ihr kein anderer Anspruch – wie bei dem Kläger zu 1) der Arbeitslosengeldanspruch – geltend gemacht werden kann.

Das in § 242 BGB niedergelegte allgemeine Rechtsinstitut des Treu und Glaubens gilt auch für die Beklagte. Der Grundsatz von Treu und Glauben als Ausdruck der Redlichkeit und allgemeiner Schranke der Rechtsausübung beschränkt die Ausübung subjektiver Rechte. Zu demjenigen Zeitpunkt im Jahre 2003, als die Beklagte den Antrag des Klägers zu 1) auf Gewährung von Arbeitslosengeld mangels Erfüllung der Anwartschaftszeit wegen nicht versicherungspflichtiger Beschäftigung ablehnte, stand für die Beklagte nach ihrer eigenen Willensbildung fest, dass die von dem Kläger zu 1) und der Klägerin zu 2) anteilig entrichteten Beiträge zur gesetzlichen Arbeitslosenversicherung zu Unrecht entrichtet worden waren. Denn der Kläger zu 1) war nach der zutreffenden Auffassung der Beklagten nicht versicherungspflichtig beschäftigt; waren dennoch – wie hier – Beiträge entrichtet, so war die Entrichtung zu Unrecht erfolgt. Zwar vertritt die Kammer die Auffassung, dass der Beklagten keine ausdrücklichen Hinweispflichten gegenüber der Klägerin zu 2) hinsichtlich eines möglichen Antrages auf Erstattung des Arbeitgeberanteils der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung oblagen, weil es sich bei der Beitragserstattung nicht um eine Sozialleistung handelt. Jedoch war der an Recht und Gesetz gebundenen Beklagten bekannt, dass aus ihrer Ablehnung des Arbeitslosengeld-Antrages des Klägers zu 1) Ansprüche der Klägerin zu 2) auf Erstattung der Beiträge erwuchsen. Wenn sich die Beklagte erst nach rechtskräftigem Abschluß des Verfahrens über die Gewährung von Arbeitslosengeld im Jahre 2006 auf den Standpunkt stellt, die Erstattungsansprüche der Klägerin zu 2) seien mangels eigenen Antrages bereits vor Dezember 2001 verjährt, so ist dies zwar grundsätzlich zutreffend. Ein Leistungsverweigerungsrecht wegen Verjährung kommt der Beklagten jedoch nur nach Erhebung der Einrede der Verjährung zu. Die Erhebung der Einrede erfolgt nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 39 Abs. 1 SGB I). Dabei muß sich die Beklagte darauf verweisen lassen, dass ihr die mangelnde Versicherungspflicht des Klägers zu 1) und damit der Erstattungsanspruch der Klägerin zu 2) bereits im Jahre 2003 bekannt waren; sie hat die Grundsätze von Treu und Glauben bei der Ausübung ihrer Gestaltungsrechte, hier der Erhebung der Einrede der Verjährung, in ihr Ermessen einzubeziehen. Soweit die Verwaltungsanweisungen der Beklagten diesen Grundsatz tatsächlich in nicht ausreichendem Maße berücksichtigen sollten, sind sie unbeachtlich.

Da es sich bei dem Betrieb des Klägers zu 1) und der Klägerin zu 2) um einen gemeinsam geführten Familienbetrieb handelte, war die Beklagte gehalten, in ihr pflichtgemäßes Ermessen über die Erhebung der Einrede der Verjährung auch den Umstand einzubeziehen, dass die Klägerin zu 2) ebenso wie der Kläger zu 1) ersichtlich von der Rechtmäßigkeit der Beitragserhebung ausgegangen sind, und beide den Kläger zu 1) für einen versicherungspflichtig beschäftigten Arbeitnehmer gehalten haben. Die Ansprüche des Klägers zu 1) auf Erstattung von Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung seit Dezember 1998 stehen in einem nicht trennbaren Zusammenhang mit den Ansprüchen der Klägerin zu 2). Beim Betrieb der Klägerin zu 2) handelt es sich um einen Kleinbetrieb, der entscheidend von den handwerklichen Kenntnissen und von der Arbeitskraft des dort als Elektroinstallateur-Meister tätigen Klägers zu 1) abhing. Die Klägerin zu 2) und der Kläger zu 1) haben den Betrieb als Mitunternehmer gemeinsam geführt. Die Prüfung und Feststellung der Mitunternehmerstellung des Klägers zu 1) im Jahre 2003 durch die Beklagte führt zwingend zum Bekanntwerden des Erstattungsanspruches. Die Beklagte legt somit ein widersprüchliches Verhalten an den Tag, wenn sie in Kenntnis des - von ihr aufgedeckten - Erstattungsanspruches seit dem Jahre 2003 ist und diese Kenntnis gleichwohl bei der Geltendmachung des Anspruches durch die Klägerin zu 2) im Jahre 2006 hinsichtlich von Zeiten, die seit dem Jahre 2003 der weiteren Verjährung unterlagen, als unbeachtlich ansieht. Schließlich musste es dem Kläger zu 1) unbenommen bleiben, die Rechtsauffassung der Beklagten zum Anspruch auf Arbeitslosengeld gerichtlich klären zu lassen; der Zeitraum dieser Klärung bis zur rechtskräftigen Entscheidung durch das Sozialgericht hindert die Beklagte, die Einrede der Verjährung auch für diejenigen Zeiträume zu erheben, die im Jahre 2003 bei dem Antrag des Klägers zu 1) auf Arbeitslosengeld noch nicht verjährt waren. Diese Erwägungen zu der vorliegenden Fallgestaltung reduzieren das der Beklagten gemäß § 39 SGB I eingeräumte Ermessen hinsichtlich der Erhebung der Einrede der Verjährung gegenüber den Beitragserstattungsansprüchen der Klägerin zu 2) zur Überzeugung der Kammer auf Null, seitdem sie von den Erstattungsansprüchen im Jahre 2003 Kenntnis erlangte. Der Leistungsantrag der Klägerin zu 2) hat insoweit Erfolg. Gleichermaßen wie dem Kläger zu 1) hat die Beklagte somit auch der Klägerin zu 2) diejenigen Beiträge zur Arbeitslosenversicherung (Arbeitgeberanteil) zu erstatten, die nach dem 01.01.1999 entrichtet worden sind.

4. Für diejenigen Beiträge, die vor dem 01.01.1999 entrichtet worden sind, somit im vorliegenden Fall die Beiträge vor dem 01.12.1998, kann sich die Beklagte hingegen zu Recht darauf berufen, das gemäß § 27 Abs. 2 Satz 1 SGB IV Verjährung eingetreten ist. Die Erhebung der Einrede der Verjährung gegenüber dem Kläger zu 1) und der Klägerin zu 2) aufgrund des der Beklagten eingeräumten pflichtgemäßen Ermessens (§ 39 Abs. 1 SGB I) ist für die vor dem 1.1.1999 entrichteten Beiträge rechtsfehlerfrei. In den Widerspruchsbescheiden der Beklagten vom 07.06.2006 hat die Beklagte ausgeführt, die Einrede der Verjährung werde vom Arbeitsamt nach pflichtgemäßem Ermessen nur dann nicht erhoben, wenn anzunehmen sei, das die Beitragserhebung deshalb zu Unrecht erfolgt sei, weil sie auf einen fehlerhaften Verwaltungshandeln beruhe. Bei der Beitragserhebung gegenüber dem Kläger zu 1) und der Klägerin zu 2) habe weder seitens der Beklagten noch der Einzugsstelle noch der Rentenversicherungsträger ein fehlerhaftes Verwaltungshandeln vorgelegen. Es erscheint - grundsätzlich (siehe dazu oben zu 3.) - nicht als ermessensfehlerhaft, dass die Bundesagentur für Arbeit die Verjährungseinrede in der Regel erhebt und nur in besonderes gelagerten Fallgestaltungen, wie bei einer besonderen Härte, darauf verzichtet, und dass sie nach ihren Verwaltungsrichtlinien dann auf die Einrede der Verjährung verzichtet, wenn die Beitragsentrichtung auf einem fehlerhaften Verwaltungshandeln beruht (Hess. Landessozialgericht, Urteil vom 26.06.2006, Az. L 9 AL 74/04, zitiert nach juris, RdNr. 25). Die Beklagte hat sich mit der Erhebung der Einrede der Verjährung für die Beitragserstattungsansprüche des Klägers zu 1) und der Klägerin zu 2), die vor dem Jahre 1999 im Sinne von § 27 Abs. 2 Satz 1 SGB IV entrichtet worden sind, nicht in Widerspruch zu ihrem früheren Verhalten bzw. dem zurechenbaren Verhalten der Beigeladenen als Prüfinstitutionen gesetzt. Denn ein Verstoß gegen den auch im Sozialrecht allgemein anwendbaren Rechtsgrundsatz einer Leistungsbewirkung nach Treu und Glauben (§ 242 BGB), insbesondere bei (Mit-)Verursachung der rechtmäßigen Entrichtung streitbefangener Beiträge durch fehlerhaftes Verwaltungshandeln der Rentenversicherungsträger als Prüfinstitution, liegt nicht vor. Die Betriebsprüfungen der Beigeladenen zu 1) und der Beigeladenen zu 2) (DRV Bund und DRV Hessen) am 03.11.1997, 23.04.2001 und 10.08.2004 auf der Grundlage des § 28 p Abs. 1 SGB IV führen nicht dazu, dass sich der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) nach den Grundsätzen von Treu und Glauben darauf berufen können, dass die Beklagte ihr pflichtgemäßes Ermessen zur Erhebung der Einrede der Verjährung für die vor dem 1.1.1999 entrichteten Beiträge unrechtmäßig ausgeübt hätte. Gemäß § 28 p Abs. 1 SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§ 28 a SGB IV) mindestens alle 4 Jahre. § 6 Abs. 1 der Beitragsüberwachungs-Verordnung erlaubt Stichproben bei der Überprüfung der Lohnunterlagen und Beitragsnachweise. Gegenstand dieser Prüfung sind die Meldepflichten des Arbeitgebers nach § 28 a SGB IV und die sonstigen Pflichten; zu letzteren zählen in erster Linie die Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages, die Führung von Lohnunterlagen sowie die Zahlung von Pflichtbeiträgen zur Pflegeversicherung bei freiwillig Krankenversicherten und von Umlagen nach den Lohnfortzahlungsgesetz (vgl. Hess. Landessozialgericht, Urteil vom 26.06.2006, Az. L 9 AL 74/04, zitiert nach juris, RdNr. 26). Die Betriebsprüfungen nach § 28 p SGB IV bezwecken nicht, den Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen oder ihm etwa eine Entlastung zu erteilen (BSG, Urteil vom 14.07.2004, Az. B 12 KR 10/02 R). Betriebsprüfungen können hiernach nicht umfassend oder erschöpfend sein und dürfen sich auf bestimmte Einzelfälle oder Stichproben beschränken. Die Prüfbehörden sind zu einer vollständigen Überprüfung der versicherungsrechtlichen Verhältnisse aller Versicherten - auch in kleineren Betrieben - nicht verpflichtet (BSG, Urteil vom 29.07.2003, Az. B 12 AL 1/02 R). Eine nach den äußeren Daten schlüssige Anmeldung eines Beschäftigten auf ihre innere Rechtmäßigkeit zu überprüfen, ist die Einzugsstelle anlässlich von Betriebsprüfungen deshalb nicht verpflichtet (HLSG a.a.O.).

Nach den Mitteilungen der Beigeladenen sind die von ihnen durchgeführten Betriebsprüfungen lediglich im Rahmen von Stichprobenprüfungen erfolgt. Verwaltungsakte sind nicht ergangen; die Prüfung der Versicherungspflicht des Klägers zu 1) erfolgte im Rahmen dieser Prüfungen nicht. Aus diesen Mitteilungen lässt sich nicht schließen, dass den Betriebsprüfern der Beigeladenen zu 1) und zu 2) Erkenntnisse zuzurechnen wären, die die Versicherungspflicht des Klägers zu 1) betreffen. Die Versicherungspflicht des Klägers zu 1) ist für keinen Zeitraum seiner Tätigkeit vor 1985 bis 2003 durch einen gesonderten Verwaltungsakt festgestellt worden. Gegenstand der Betriebsprüfungen der Beigeladenen zu 1) und zu 2) waren demnach lediglich die Richtigkeit der Beitragszahlungen und Meldungen gemäß § 28 p SGB IV. Die gemäß § 6 Abs. 1 der Beitragsüberwachungs-Verordnung (BÜVO) auf Stichproben begrenzten Prüfungen haben unmittelbar im Interesse der Versicherungsträger und der Versicherten den Zweck, die Beitragsentrichtungen zu den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung zu sichern. Sie sollen einerseits Beitragsausfälle verhindern helfen, andererseits die Versicherungsträger in der Rentenversicherung davor bewahren, dass aus der Annahme von Beiträgen für nicht versicherungspflichtige Personen Leistungsansprüche entstehen. Eine über diese Kontrollfunktion hinausgehende Bedeutung kommt den Betriebsprüfungen nicht zu, sie bezwecken insbesondere nicht, den Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen. Den Prüfberichten kommt keine andere Bedeutung zu. Ihr Adressat ist nicht der Arbeitgeber, sondern sie halten das Ergebnis der Prüfungen nur für den zuständigen, die Betriebsprüfung durchführenden Versicherungsträger fest und haben nicht die Funktion eines Entlastungsnachweises mit Außenwirkung (Bayrisches Landessozialgericht, Urteil vom 20.03.2007, Az. L 10 AL 328/06, zitiert nach juris, RdNr. 29 m.w.N.). Diese Grundsätze gelten auch, soweit es um Betriebsprüfungen in kleineren Betrieben geht (BSG, Urteil vom 29.07.2003, Az. B 12 AL 1/02 R, zitiert nach juris, RdNr. 28). Aus einer vorangegangenen Betriebsprüfungsgrundlage des § 28 p SGB IV, bei der eine möglicherweise unzutreffende Beurteilung der Versicherungs- und Beitragspflicht nicht aufgefallen ist, können keine weitergehende Rechte hergeleitet werden (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 09.08.2007, Az. L 7 AL 1337/07, zitiert nach juris, RdNr. 21). Der gegenteiligen Auffassung des Landessozialgerichtes Rheinland-Pfalz (Urteil vom 25.08.2005, Az. L 1 AL 5/05), wonach sich bei einem kleinen Betrieb dem Träger der Rentenversicherung als Prüfinstitution die Prüfung der Versicherungspflicht geradezu aufdrängen muss, folgt die Kammer daher nicht. Sie macht sich vielmehr die Rechtsprechung der erkennenden Senate des Bundessozialgerichtes (Urteil vom 29.07.2003, Az. B 12 AL 1/02 R), des Hessischen Landessozialgerichtes (Urteil vom 26.06.2006, Az. L 9 AL 74/04), des Bayrischen Landessozialgerichtes (Urteil vom 20.03.2007, Az. L 10 AL 328/06) und des Landessozialgerichtes Baden-Württemberg (Urteil vom 09.08.2007, Az. L 7 AL 1337/07) zu Eigen.

Demgemäß konnte die Beklagte gemäß § 27 Abs. 2 Satz 1 SGB IV, § 39 Abs. 1 SGB I die Einrede der Verjährung ermessensfehlerfrei für die vor dem Jahre 1999 entrichteten Beiträge, somit im vorliegenden Falle für die Beiträge vor dem 01.12.1998, erheben. Für diejenigen Beiträge, die ab dem 01.12.1998 vom Kläger zu 1) bzw. der Klägerin zu 2) entrichtet worden sind, liegt jedoch (Kläger zu 1) noch keine Verjährung vor (§ 213 BGB) bzw. ist der Beklagten die Erhebung der Einrede der Verjährung aus Gründen von Treu und Glauben (Klägerin zu 2) verwehrt.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG. Der vorliegende Klageanspruch umfasst - nach teilweiser Klagrücknahme - noch 4 Jahre und 11 Monate an Beitragszeiten, wobei der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) lediglich hinsichtlich der Beitragsentrichtung für 11 Monate (01.01.1998 – 30.11.1998) unterlegen sind.

Die Berufung bedurfte nicht der Zulassung, da die Voraussetzungen des § 144 Abs. 1 SGG nicht vorlagen.
Rechtskraft
Aus
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