S 98 U 408/03

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
98
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 98 U 408/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 4. März 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 2003 betreffend die Rückforderung von Behandlungskosten wird aufgehoben.

Der Bescheid vom 4. März 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 2003 betreffend die Rückforderung von vorläufig gezahlten Ver-letztengeld wird aufgehoben, soweit ein Betrag von mehr 3.885,82 EUR zurückge-fordert wird.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt vier Fünftel der außergerichtlichen Kosten des Klägers, im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt eine Verletztenrente nach einem Arbeitsunfall. Außerdem wendet er sich gegen zwei weitere Bescheide der beklagten Berufsgenossenschaft, durch welche sie zum ei-nen als "Vorschuss" auf das Verletztengeld geleistete Zahlungen und zum anderen an ver-schiedene Ärzte geleistete Behandlungskosten von ihm zurückfordert.

Der Kläger, welcher bis zu dem Unfall selbständig ein Transportunternehmen am Flughafen T. betrieb und bei der Beklagten freiwillig versichert ist, rutschte am 30. April 1998 beim Aus-steigen aus dem Auto vor seiner Haustür aus und stürzte auf die rechte Schulter. Am 1. Mai 1998 suchte der Kläger den Durchgangsarzt K. im H.-Krankenhaus auf, dieser diagnostizierte eine Schultereckgelenkssprengung Typ Tossy II. Nach dem Röntgenbefund ergab sich keine Fraktur, aber ein Hochstand der rechten Clavicula gegen das Acromion (vgl. D-Arzt-Bericht v. 4. Mai 1998, Verwaltungsvorgang der Beklagten (im Folgenden: VV) Bl. 2). Der Kläger wurde am 5. Mai 1998 in der Privatklinik H. operiert. Dabei stellte sich heraus, dass es sich um eine Sprengung des Schultereckgelenkes Typ Tossy III handelte (OP Bericht VV Bl. 33).

Ausweislich der Mitteilung der Dres. E. und L. war der Kläger ab dem 27. Juli 1998 wieder arbeitsfähig (VV Bl. 49). Nach einer Mitteilung derselben Ärzte stellte der Kläger sich am 20. Oktober 1998 (VV Bl. 53) bei ihnen vor und klagte über Beschwerden im Bereich der Rotato-renmanschette; eine Krankschreibung des Klägers erfolgte auf dessen Wunsch nicht. Nach dem Röntgenergebnis bestand ein regelgerechter Abstand zwischen Schlüsselbein und Rabenschna-belfortsatz, der Gelenkspalt klaffe etwas; keine posttraumatischen Verschleiß- oder Verkal-kungserscheinungen im Bereich der Supraspinatussehne seien zu erkennen. Eine weitere Vor-stellung bei den Ärzten erfolgte – soweit aus der Akte ersichtlich - nicht.

Der Arzt für Unfallchirurgie D. wandte sich durch Schreiben vom 26. März 2001 an die Be-klagte und teilte mit, dass sich der Kläger dort vorgestellt habe und über Schmerzen über dem Schultereck-Gelenk klage. Der Röntgenbefund zeige einen geringfügigen Hochstand der rech-ten Clavicula um etwa zwei Drittel Schaftbreite und einen verbreiterten Gelenkspalt. Es beste-he keine Arbeitsunfähigkeit (VV Bl. 62). Derselbe Arzt schrieb den Kläger dann vom 21. Mai bis 13. Juli 2001 arbeitsunfähig (VV Bl. 104). Durch Schreiben vom 21. Mai 2001 teilte J. D. mit, dass sich bei der Magnetresonanztomographie eine Reizung beim Ansatz der Supraspina-tussehne herausgestellt habe. Er halte dies für unfallbedingt (VV Bl. 76 f.). D. schrieb den Klä-ger fortlaufend bis 13. Juli 2001 krank (vgl. VV Bl. 85, 87, 88, 108 – 110).

Auf eine interne Anfrage teilte der Beratungsarzt Dr. E. folgendes mit: "Die Wiedererkrankung ist am ehesten auf den alten Unfall zurückzuführen. Behandlung bg-lich weiterführen." (vgl. VV Bl. 78) Die Beklagte bewilligte dem Kläger erstmals durch Schreiben vom 6. Juni 2001 (VV Bl. 84) einen Vorschuss von 1.300,- DM (= 664,68 EUR) "auf die voraussichtlich zu gewährende Un-fallentschädigung" bzw. das voraussichtlich zustehende Verletztengeld. Das Schreiben enthielt folgenden Zusatz: " Diese und weitere Vorschusszahlungen erfolgen unter dem Vorbehalt späte-rer Rückforderung, falls sich herausstellen sollte, dass unsere Leistungspflicht nicht oder nur in geringerer Höhe gegeben ist (§ 42 Abs. 2 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – SGB I). " Durch weitere Schreiben – jeweils mit gleichlautenden Hinweis auf den Vorbehalt späterer Rückforderung - wurden noch folgende Beträge bewilligt: - durch Schreiben vom 21. Juni 2001: 500,- DM (= 255,64 EUR, VV Bl. 92), - durch Schreiben vom 23.Juli 2001: 1.300,- DM (= 664,68 EUR, VV Bl. 121), - durch Schreiben vom 17.September 2001: 2.500,- DM (1.278,23 EUR, VV Bl. 147), - durch Schreiben vom 12. Oktober 2001: 2.000,- DM (= 1.022,58 EUR, VV Bl. 162). Mit Schreiben vom 2. August 2001 teilte der D-Arzt und Chirurg Dr. med. R. mit, dass der Kläger nunmehr dort vorstellig geworden sei und diagnostizierte eine schmerzhafte Schulter-steife rechts als Folge der Operation im Jahr 1998 (VV Bl. 125). Der Kläger sei weiterhin ar-beitsunfähig. Auf Nachfrage der Beklagten teilte Dr. med. R. durch Zwischenbericht vom 10. September 2001 (VV Bl. 145) mit, dass seiner Auffassung nach kein Zweifel an der Ursäch-lichkeit des Unfalls für die Verletzungen bestehe.

Auf Veranlassung der Beklagten gab Dr. med. H. (B ) unter dem 1. November 2001 eine 10-seitige fachchirurgische Stellungnahme zur Zusammenhangsklärung ab (bei der Beklagten am 27. November 2001 eingegangen, VV Bl. 172- 181). Hierin wurde festgestellt, dass sich der Kläger nach dem Ende der Behandlung wegen des Unfalls im Oktober 1998 und der erneuten Vorstellung bei D. im März 2001 wegen verschiedener Beschwerden am Rücken und der Wir-belsäule, unter anderem einer Myogelose (Muskelsteife), nicht jedoch wegen Beschwerden an der Schulter bei verschiedenen Ärzten in Behandlung befunden hatte. Dr. H. stellt bei der Un-tersuchung erhebliche Bewegungseinschränkungen an der rechten Schulter fest, es bestehe keine Weichteilschwellung. Auf den MRT sei eine Tendinitis der Supraspinatussehne zu er-kennen.

Das jetzt vorliegende Krankheitsbild sei jedoch nicht im Zusammenhang mit dem damaligen Unfall zu sehen, da es an einem kontinuierlichen Übergang fehle. Hinsichtlich des Zusammen-hangs stellte Dr. H. fest, dass sich eine sekundäre Schultersteife nach Wochen und nicht erst – wie beim Kläger - nach Jahren herausbilde. Auffällig sei insbesondere die immer wieder auf-tauchende Myogelose im Bereich des Rückens, welche letztlich auch die Schulter in Mitleiden-schaft ziehe. Angesichts der fehlenden Brückensymptome für einen Zeitraum von fast zwei Jahren sei die Schultersteife als eigenständiges Krankheitsbild zu sehen. Die Ausführungen von D. und Dr. med. R. könnten nicht nachvollzogen werden. Die weitere ärztliche Behandlung sei auf Kosten der Krankenkasse durchzuführen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf das Gutachten sowie die vom Kläger bei Dr. med. H. eingereichten Rechnungen (VV Bl. 182–190) verwiesen.

Mit Zwischenbericht vom 4. Dezember 2001 (VV Bl. 191) teilte Dr. med. R. mit, dass der Klä-ger weiterhin arbeitsunfähig sei. Durch Schreiben vom 11. Dezember 2001 bewilligte die Be-rufsgenossenschaft weitere 7.500,- DM (=3.834,69 EUR, VV Bl. 196). Das Schreiben war mit folgendem Zusatz versehen: "Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass Sie mit einer Rückzahlung der vor-läufigen Leistungen rechnen müssen, wenn sich herausstellen sollte, dass ein Arbeitsunfall nicht vorgelegen hat oder ein Leistungsanspruch nur in geringerer Höhe besteht." Mit Schreiben vom 19. Dezember 2001 (VV Bl. 199) beauftragte die Beklagte Dr. med. El. vom Unfallkrankenhaus B mit der Erstellung eines Zusammenhangsgutachtens.

Auf Antrag des Klägers bewilligte die Beklagte ihm weitere 25.000,- EUR Vorschuss. In dem Schreiben vom 17. Januar 2002 (VV Bl. 216) heißt es: "Sehr geehrter Herr N., wir konnten unser Feststellungsverfahren noch nicht abschließen. Um die bis dahin noch vergehende Zeit zu überbrücken und Ihnen finanziell zu helfen, zah-len wir Ihnen zunächst vorläufige Leistungen in Höhe von 25.000,- EUR. Sie haben Barleistungen ausdrücklich beantragt, obwohl wir Sie darauf hinge-wiesen haben, dass ein Leistungsanspruch möglicherweise nicht besteht. Diese Leistungen sind bemessen nach einem eventuellen Anspruch auf Verletz-tengeld. Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass Sie mit einer Rückzahlung der vorläu-figen Leistungen rechnen müssen, wenn sich herausstellen sollte, dass ein Leis-tungsanspruch nicht oder in geringerer Höhe besteht. Diesbezüglich teilen wir Ihnen nochmals mit, dass nach der hier vorliegenden Stellungnahme des Herrn Dr. H., FA für Unfallchirurgie, B , der Zusammen-hang zwischen dem Unfall vom 30.4.1998 und den seit dem 21.5.2001 beste-henden Schulterleiden nicht gegeben ist und das Ergebnis der von uns am 19.12.2001 in Auftrag gegebenen Untersuchung bei Herrn Dr. E., Unfallkran-kenhaus B noch nicht vorliegt." Nach einem Zwischenbericht des Unfallkrankenhauses B vom 22. Januar 2002 (VV Bl. 223) befand sich der Kläger dort zur stationären Behandlung zwecks Abklärung des weiteren Heil-verlaufes. Die aktive Beweglichkeit der rechten Schulter sei im Gegensatz zur passiven Be-weglichkeit weitgehend eingeschränkt. Auf zwei Aufnahmen des rechten Schultergelenkes fänden sich keine Hinweise auf entzündliche oder nennenswerte degenerative Veränderungen am rechten Schultergelenk, insbesondere kein Hinweis auf einen Folgezustand nach Tossy-III-Verletzung im Sinne von Verkalkungen oder ähnlichen Weichteilbefunden. Die vom Kläger demonstrativ vorgetragenen Beschwerden hätten nicht objektiviert werden können. Die seiten-gleich gut ausgebildete Muskelbemantelung spreche ebenfalls gegen eine schmerzbedingte Gebrauchsunfähigkeit der rechten Schulter für sechs Monate. Die Ursache für die nun vorge-tragenen Beschwerden bleibe offen, das Schmerzsyndrom der rechten Schulter sei jedoch un-abhängig von dem Unfall am 30. April 1998 zu sehen. Der Kläger werde ab 23. Januar 2002 arbeitsfähig entlassen.

Nach einem Vermerk vom 21. Februar 2002 (VV Bl. 226) telefonierte ein Mitarbeiter der Be-klagten mit Dr. med. El., welcher die umgehende Zusendung des Zusammenhangsgutachtens zusicherte und gleichzeitig mitteilte, dass seiner Auffassung nach eindeutig kein Zusammen-hang der Beschwerden mit dem Unfall im Jahr 1998 bestehe. Die Beklagte benachrichtigte daraufhin die behandelnden Ärzte über den Abbruch der Heilbehandlung zu Lasten der Berufs-genossenschaft.

Mit Schreiben vom 19. März 2002 beantragte der Kläger erneut einen Vorschuss auf das Ver-letztengeld. Ihm wurde telefonisch mitgeteilt, dass keine weiteren Leistungen seitens der Be-rufsgenossenschaft erbracht würden (siehe Vermerk v. 25. März 2002, VV Bl. 236).

Am 25. März 2002 ging bei der Beklagten das fachchirurgische Gutachten zur Zusammen-hangsfrage vom 13. März 2002 des Dr. med. El. ein (VV Bl. 237-249). Dieser verneint einen Zusammenhang zwischen dem Unfall im Jahr 1998 und den Beschwerden im Jahr 2001. Im Bereich der rechten Schulter ergebe die Kernspinntomographie keine wesentlichen Verände-rungen. Angesichts des beschwerdefreien Intervalls zwischen Oktober 1998 und Juli 2001 sei ein Zusammenhang ausgeschlossen, es handele sich um ein eigenständiges Beschwerdebild. Es verbleibe eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von weniger als 10 %, hinsichtlich der weite-ren Einzelheiten wird auf das Gutachten verwiesen.

Die beklagte Berufsgenossenschaft hatte seit der erneuten Behandlung im Jahr 2001 bis zum Behandlungsabbruch insgesamt 2.837,22 EUR Kosten für die ambulante Behandlung bei ver-schiedenen Ärzten und weitere 10.318,90 EUR für die stationäre Behandlung des Klägers im Unfallkrankenhaus B aufgewendet. Es wird insoweit auf die Belege im Verwaltungsvorgang der Beklagten (Bl. 63, 73, 90, 93, 113, 117, 129, 139, 152, 161 (Rückseite), 164, 197, 205, 219, 222, 234, 273, 284, 285, 304) und die Zusammenstellung (VV Bl. 320 ff.) verwiesen.

Durch Bescheid vom 16. April 2002 (VV Bl. 263 f.) lehnte die Beklagte Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung über den 20. Oktober 1998 ab. Die Behandlung der unfallbe-dingten Leiden sei mit dem letzten Termin in der Praxis Dres. E. / L. an diesem Tag abge-schlossen gewesen. Im Übrigen wird zur Begründung auf das Gutachten von Dr. med. El. ver-wiesen und festgestellt, dass keine unfallbedingten Leiden verblieben sind.

Mit Schreiben vom 22. April 2002 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie beabsichtige von ihm die vorschussweise geleisteten Zahlungen in Höhe von insgesamt 32.716,51 EUR zu-rückzufordern. Gleichzeitig wurde der Kläger um sein Einverständnis gebeten, die zu Unrecht geleisteten Behandlungskosten von seiner privaten Krankenversicherung zurückzufordern. Sollte er diese verweigern, müssten die Beträge von ihm zurückgefordert werden (VV Bl. 269 f.).

Gegen den Bescheid vom 16. April 2002 erhob die jetzige Verfahrensbevollmächtigte des Klä-gers durch Schreiben vom 30. April 2002 Widerspruch. Später begründete sie diesen damit, dass der Facharzt für Orthopädie Dr. med. Sch. nach Durchführung einer Kernspintomographie der Auffassung sei, dass die jetzigen Beschwerden ursächlich auf den Unfall im Jahr 1998 zu-rückzuführen seien, hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben der Verfah-rensbevollmächtigten vom 13. September 2002 (VV Bl. 308 f.) und die ärztliche Bescheini-gung von Dr. med. Sch. vom 9. September 2002 (VV Bl. 310) verwiesen.

Nach einer Stellungnahme des Beratungsarztes Priv.-Doz. Dr. med. R. forderte die beklagte Berufsgenossenschaft durch Bescheid vom 4. März 2003 (VV Bl. 322) vom Kläger Behand-lungskosten in Höhe von 13.416,57 EUR. Die Rückforderung stützte die Beklagte auf § 50 Abs. 2 SGB X. Der Kläger habe trotz Aufforderung nicht das Einverständnis zur Abrechnung mit seiner privaten Krankenversicherung erteilt. Soweit Leistungen ohne Verwaltungsakt zu Unrecht würden, seien diese zurückfordern. Die §§ 45-48 SGB X gälten entsprechend. Bei Sachleistungen habe die Berufsgenossenschaft den Vermögensvorteil zurückzufordern, wel-cher dem Versicherten durch die Leistungen verblieben sei. Der Kläger sei bei einer privaten Krankenversicherung versichert. Hätte die Berufsgenossenschaft nicht geleistet, hätte er selbst die Behandlungskosten aufbringen müssen. Dem stehe nicht § 45 Abs. 2 SGB X entgegen. Im Falle der individuellen Absicherung des Risikos "Krankheit" bei einer privaten Krankenversi-cherung könne sich der zu Unrecht Begünstigte stets nicht auf Vertrauensschutz berufen, da er seinen Anspruch gegenüber der privaten Krankenversicherung geltend machen könne. Dass kein Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung bestehe, ergebe sich aus dem Bescheid vom 16. April 2002.

Durch einen weiteren Bescheid vom selben Tage (VV Bl. 328f.). forderte die Beklagte vom Kläger die von ihr geleisteten Vorschüsse in Höhe von 32.720,51 EUR zurück. Durch den Be-scheid vom 16. April 2002 sei nunmehr festgestellt, dass die Behandlung der Unfallfolgen am 20. Oktober 1998 abgeschlossen gewesen sei. In den Anschreiben zu den Vorschusszahlungen sei der Kläger jeweils ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass es sich um vorläufige Leistungen handele. Dass sich im Nachhinein herausgestellt habe, dass schon dem Grunde nach kein Anspruch auf eine Leistung bestanden habe, ändere hieran nichts. Durch eine Vor-schussleistung entstehe keine Bindungswirkung im Hinblick auf die später festzulegende Leis-tung. Es genüge, wenn nach dem aktuellen Stand der Ermittlungen die Überzeugung bestanden habe, dass ein Leistungsanspruch vorbehaltlich der Höhe bestehe.

Durch Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 2003 wies die Beklagte den Widerspruch gegen die vorgenannten Bescheide zurück. Das Gutachten habe keinen ausreichend wahrscheinlichen Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den neuerlichen Beschwerden belegen kön-nen, ein Anspruch auf Leistungen habe so ab dem Abschluss der Behandlung am 20. Oktober 1998 nicht mehr bestanden. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem vom Kläger vorge-legten Schreiben von Dr. med. Sch. vom 9. September 2002. Eine interne ärztliche Prüfung habe ergeben, dass es sich um unfallunabhängig bestehende Gesundheitsstörungen handele, hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Widerspruchsbescheid VV Bl. 331 ff. ver-wiesen.

Gegen den Widerspruchsbescheid hat der Kläger fristgerecht Klage erhoben. Zur Begründung beruft er sich auf das Attest des Dr. med. Sch., welcher einen kausalen Zusammenhang zwi-schen dem Unfall und den nunmehr bestehenden Beschwerden bejaht habe.

Er beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 16. April 2002 sowie die beiden Bescheide vom 4. März 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 4. Juli 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm ab dem Zeitpunkt der Wie-dererkrankung am 2. April 2001 eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von wenigstens 20 % zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte beruft sich zur Begründung auf ihre Bescheide.

Das Gericht hat verschiedene Befundberichte eingeholt, hinsichtlich derer auf Bl. 36, 38, 40, 43, 46, 51, 54, 60, 61, 62, 74, 77, verwiesen wird. Das Gericht hat ferner Dr. med. M. W.-R. mit einem orthopädischen Zusammenhangsgutachten nach § 106 SGG beauftragt, hinsichtlich dessen auf Bl. 102 ff. der Gerichtsakte verwiesen wird.

Nach Übersendung des Gutachtens hat die Verfahrensbevollmächtigte des Klägers eine ärztli-che Stellungnahme des Facharztes für Chirurgie Dr. Ha. (Br ) eingeholt, welcher am 5. Mai 2005 eine Arthroskopie beim Kläger durchgeführt hatte. Ausweislich des OP-Berichtes hat er eine ältere Ruptur der Rotatorenmanschette und ein Impingementsyndrom festgestellt und ärzt-lich versorgt. In dem begleitenden Schreiben führt Dr. Ha. aus, dass angesichts des Fehlens andere Traumata bzw. Verletzungen von dem Sturz 1998 als Ursache ausgegangen werden müsse. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf Bl. 138 ff. verwiesen.

Dr. med. W.-R. ist um ergänzende Stellungnahme gebeten worden. Hinsichtlich der ergänzen-den Stellungnahme vom 19. Oktober 2005 wird auf Bl. 147 ff. der Gerichtsakte verwiesen.

Zwei Bände Verwaltungsvorgänge der Beklagten haben in der mündlichen Verhandlung vorge-legen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen. Auf diese sowie die zwischen den Beteiligten gewechselten Schreiben wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bzw. kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG zulässig und auch teilweise begründet.

I. Soweit der Kläger die Aufhebung des ablehnenden Bescheids vom 16. April 2002 in der Fas-sung des Widerspruchsbescheids vom 4. Juli 2003 und eine Verletztenrente begehrt, hat die Klage keinen Erfolg. Die beklagte Berufsgenossenschaft hat vielmehr die Zahlung einer Ver-letztenrente rechtmäßig abgelehnt, da der Kläger keinen Anspruch auf eine solche hat.

Nach § 56 Abs. 1 SGB VII haben Versicherte einen Anspruch auf eine Rente, wenn infolge eines Versicherungsfalles - das heißt eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit - über die 26. Woche hinaus ihre Erwerbsfähigkeit um wenigstens 20 vom Hundert gemindert ist. Nach der Definition in § 8 Abs. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge ei-ner versicherten Tätigkeit; ein Unfall ist hiernach ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, welches zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt. Dass es sich bei dem Sturz am 30. April 1998 um einen Arbeitsunfall handelte, steht zwischen den Beteiligten außer Streit, dies hat die Beklagte auch anerkannt. Umstritten ist jedoch, ob die seit März 2001 beim Kläger aufgetretenen Beschwerden – insbesondere die geklagte Schulter-steife - auf diesen Unfall zurückzuführen sind. Nach der in der Rechtsprechung anerkannten Lehre von der rechtlich wesentlichen Bedingung entscheidet sich dies - bei Vorliegen einer Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne - danach, ob das Unfallereignis selbst - und nicht eine andere, unfallunabhängige Ursache - die "wesentliche" Bedingung für den Eintritt des Gesundheitsschadens bildet. Nicht jeder Gesundheitsschaden, für den ein Un-fallereignis eine notwendige, das heißt nicht wegzudenkende Ursache darstellt, wird im Sozial-recht als Folge eines Arbeitsunfalls anerkannt, sondern nur derjenige, der "wesentlich" durch das Ereignis verursacht wurde. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besonderen Beziehungen der Ursache zum Eintritt des Gesundheitsschadens abgeleitet werden (ständige Rechtsprechung des Bundessozialge-richts, vgl. nur jüngst Urt. v. 7. September 2004 – B 2 U 34/03; juris mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

Zur Überzeugung der Kammer besteht jedoch keine Kausalität zwischen dem Unfall im Jahr 1998 und den neuerlichen Beschwerden des Klägers. dies hat der vom Gericht nach § 106 SGG beauftragte Gutachter Dr. med. W.-R. in seinem Gutachten vom 22. November 2004 überzeu-gend und nachvollziehbar dargestellt.

Als Befund stellte er ein minimales Klaviertastensyndrom fest. Außerdem lägen erhebliche Diskrepanzen zwischen dem aktiven und passiven Bewegungsumfang vor. Sämtliche Bewe-gungen an der rechten Schulter seien extrem schmerzbehaftet gewesen und mit Ausweichbe-wegungen verbunden. Auf den Röntgenbilder sei ein Hochstand der lateralen Klavikula um etwa 50 % der Schaftbreite zuerkennen, der Gelenkspalt sei verbreitert. Darüber hinaus ließen sich keine Sekundärveränderungen darstellen, insbesondere eine Impingementsymptomatik durch einen AC-Gelenksporn sei ausgeschlossen. Auf dem MRT finde sich ein Hinweis auf eine chronische/akute Supraspinatussehnenansatztendinitis, aber kein Anhaltspunkt für eine Schulterengpasssymptomatik oder Reizungen im Schultereckgelenk.

Dr. med. W.-R. verneint einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Unfallgeschehen im Jahr 1998 und den neuerlich geklagten Beschwerden. Insbesondere die fehlenden Brücken-symptome für den Zeitraum von 1999 bis 2001 ließen die Annahme eines ursächlichen Zu-sammenhanges nicht zu. Zwar habe der Kläger nunmehr den Nachweis erbracht, dass er sich während dieser Zeit in ärztlicher Behandlung befunden habe. Aus den vorgelegten Unterlagen ergebe sich jedoch, dass er wegen anderer Beschwerden - insbesondere der Wirbelsäule - be-handelt worden sei. Den Klagen über Schmerzen und den Bewegungseinschränkungen stünden keine adäquaten objektiven Befunde gegenüber. Weder fänden sich auf dem MRT sekundäre Verschleißerscheinungen an den knöchernen Strukturen, noch seien sich einer bildgebenden Diagnostik häufig entziehende Befunde an den Weichteilstrukturen feststellbar. So sei der Arm etwa passiv gut beweglich, was gegen eine Kapselfibrose spreche. Die apparatetechnisch nachweisbare leichte Instabilität des Schultereckgelenkes ziehe im Allgemeinen nicht derart massive Schmerzen, wie sie vom Kläger geklagt wurden, nach sich.

Insbesondere durch den Verweis auf das beschwerdefreie Intervall und den Umstand, dass das MRT keine wesentlichen Veränderungen des Schultergelenkes gezeigt hat, hat Dr. med. W.-R. einen ursächlichen Zusammenhang nachvollziehbar ausgeschlossen. Dies deckt sich im Übri-gen auch mit der Auffassung der von der beklagten Berufsgenossenschaft hinzugezogenen Ärzte Dr. H. und Dr. El ... Auch Dr. R. hat in seinem Befundbericht vom 7. Mai 2004 (Gerichts-akte Bl. 76) entgegen seiner zunächst geäußerten Auffassung nunmehr die neuerlich aufgetre-tene Schultersteife als selbständiges, vom Unfall im Jahr 1998 unabhängiges Krankheitsbild gewertet. Auch Dr. med. Sch. führte in dem Befundbericht vom 2. Dezember 2003 aus, dass die Frage der Kausalität "bei zweimaliger Vorstellung nicht beurteilt werden" könne.

Auch das "Gutachten" von Dr. med. Ha. vom 7. Juni 2005 (GA Bl. 138) ist nicht geeignet, einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Unfall und den beschwerden ab 2001 zu belegen. Hierin stellt dieser lediglich fest: "Der intraoperative Befund spricht deutlich für eine ältere Verletzung. Bei Nichtvorhandensein anderer Trauma bzw. Verletzungen und aufgrund des Alters des Patienten muss von dem Sturz vor 7 Jahren als Ursache ausgegangen werden." Dabei ist bereits nicht einsichtig, woher Dr. Ha. mit solcher Sicherheit andere Verletzungen bzw. Ursachen ausschließen zu können vermeint. Denn immerhin war der Kläger wegen erheb-licher Beschwerden an der Wirbelsäule wiederholt in ärztlicher Behandlung. In seiner ergän-zenden Stellungnahme vom 19.Oktober 2005 ist Dr. med. W.-R. dem auch entgegengetreten. Er verweist insoweit darauf, dass sich eine Ruptur der Rotatorenmanschette bildgebend nach-weisen lasse und das MRT drei Jahre nach dem Unfall insoweit vollkommen unauffällig war. Dass sich anhand der Arthroskopie sieben Jahre nach dem Ereignis der ursächliche Zusam-menhang nicht mehr nachweisen lässt, räumt auch Dr. med. Ha. in seiner Stellungnahme vom 2. Dezember 2005 (Bl. 161 Gerichtsakte) ein. Seine dort gemachten Ausführungen vermögen auch sonst nicht zu überzeugen. Seine Ausführungen auf Seite Ziff. 1.-4. sind aktenkundig, besagen aber nichts über die Frage der Kausalität. Dass der Kläger in den vergangenen zehn Jahren vor dem Unfall keinerlei Behandlungen aufgrund Schulterbeschwerden hatte, ist so nicht nachvollziehbar. Dass eine Arthroskopie unterblieben ist, lässt auch keinen anderen Schluss zu. Erstmals wurde diese 2001 von Dr. med. B. vorgeschlagen. Zu diesem Zeitpunkt wäre aber ein Nachweis ohnehin nicht mehr möglich gewesen. Vorher bestand keine Notwen-digkeit, da die Behandlung des Klägers im Oktober 1998 abgeschlossen worden war.

Dass die Ursache der neuerlichen Beschwerden nicht im Einzelnen geklärt werden kann, ändert hieran ebenfalls nichts. Denn zum einen stehen den erheblichen Klagen des Klägers keine ob-jektiven Beschwerden gegenüber. Auch war die passive Beweglichkeit der Schulter deutlich höher als die aktive Beweglichkeit. Eine Minderung der Oberarmmuskulatur war ebenfalls nicht festzustellen, obgleich eine erhebliche Minderung bei einem stark eingeschränkten Gebrauch des rechten Arms zu erwarten gewesen wäre. Zum anderen hat die Folgen dieser objektiven Beweislosigkeit der Kläger zu tragen. Denn die haftungsbegründende bzw. ausfül-lende Kausalität gehört zu den anspruchsbegründenden Tatsachen, für die der Kläger die ob-jektive Beweislast nach dem allgemeinen Grundsatz trägt, dass die Folgen der Nichtfeststell-barkeit einer Tatsache demjenigen Beteiligten zur Last fallen, der aus der Tatsache ein Recht herleiten will (Bundessozialgericht, Urteil vom 28. August 1990 – 2 RU 64/89, juris). Für ei-nen Anspruch auf eine Verletztenrente muss der ursächliche Zusammenhang zwischen Unfall und Verletzungsfolgen zumindest wahrscheinlich sein, was vorliegend nicht der Fall ist.

Aus den vorgenannten Gründen ist die Versagung einer Verletztenrente durch die beklagte Berufsgenossenschaft rechtmäßig.

II. Die Klage gegen den Bescheid vom 4. März 2003 in der Fassung des Widerspruchsbe-scheids vom 4. Juli 2003, durch welchen die Beklagte die als Vorschuss geleisteten Beträge zurückgefordert hatte, hat in der aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Die beklagte Berufsgenossenschaft stützt ihre Forderung insoweit auf § 42 Abs. 2 SGB I. Nach § 42 Abs. 1 SGB I kann der zuständige Leistungsträger Vorschüsse zahlen, wenn ein Anspruch dem Grund nach besteht und zur Feststellung voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist. Nach § 42 Abs. 2 Satz 2 SGB I sind diese zurückzuzahlen, wenn sie die zustehende Leistung übersteigen.

Ob die Vorschrift im vorliegenden Fall auf das als Vorschuss gezahlte Verletztengeld über-haupt anzuwenden ist, erscheint bereits zweifelhaft. Denn § 42 SGB I ist seinem Wortlaut nach nur auf Fälle anwendbar, in welchen die Höhe der Leistung streitig ist, nicht aber die Frage, ob überhaupt geleistet werden muss. Im vorliegenden Fall hat die Berufsgenossenschaft die Vor-schüsse unter dem Vorbehalt späterer Rückforderung geleistet, wenn sich herausstellen sollte, "daß unsere Leistungspflicht nicht oder nur in geringerem Umfang bestehen sollte". Ob Sozial-leistungsträger außerhalb des unmittelbaren Anwendungsbereiches des § 42 SGB I Leistungen vorschussweise zu erbringen berechtigt sind, wird in der Rechtsprechung nicht einheitlich be-urteilt.

Der 7. Senat des Bundessozialgerichts hält –zumindest für den Bereich des Schlechtwettergel-des - eine Anwendung des § 42 SGB I außerhalb seines unmittelbaren Anwendungsbereiches für unzulässig. Soweit die Leistungspflicht dem Grunde nicht feststehe, müsse der Leistungs-träger auf die nach § 32 SGB X zulässigen Nebenbestimmungen verwiesen werden (vgl. Urt. v. 11. Juni 1987 – 7 RAr 105/85, SozR 4100 § 71 Nr. 2)

Hingegen hat der 2. Senat des Bundessozialgerichts die Zahlung von Vorschüssen analog § 42 Abs. 1 SGB I bzw. Vorwegzahlungen durch einstweilige bzw. vorläufige Regelung auch dann anerkannt, wenn Zweifel über die Leistungspflicht dem Grunde nach besteht (vgl. BSG, Urt. v. 12. Mai 1992 – 2 RU 7/92, SozR 3-1200 § 42 Nr. 2; ausdrücklich für die Zahlung eines Vor-schusses auf das Verletztengeld: BSG, Urt. v. 8. Dezember 1994 – 2 RU 12/94, juris). Voraus-setzung für diese nicht spezialgesetzlich geregelten Fälle einer Vorwegzahlung soll sein, dass eine abschließende Entscheidung über die Leistungsbewilligung dem Grunde nach zum Zeit-punkt aufgrund des Standes der Ermittlungen noch nicht möglich ist. Ferner muss der gesetzli-che Zweck der Leistung nur erreicht werden können, wenn sie möglichst bald nach der Entste-hung des Bedarfs erbracht wird, jedoch zwingende verfahrenstechnische Gründe eine abschlie-ßende Entscheidung unmöglich machen und schließlich der Sozialleistungsträger unmissver-ständlich deutlich gemacht hat, dass es sich nicht um eine endgültige, das Verfahren abschlie-ßende, sondern nur um eine vorläufige Leistung handelt.

Jedenfalls im Bereich des Verletztengeldes ist der Auffassung des 2. Senats zu folgen. Denn das Verletztengeld soll als Lohnersatzleistung aktuelle finanzielle Engpässe vermeiden helfen. Der Versicherte wird regelmäßig auf eine schnelle Zahlung angewiesen sein. Auch lässt sich im Bereich des Verletztengeldes nicht ohne weiteres zwischen der Entscheidung dem Grunde und der Höhe nach differenzieren. So steht es etwa im vorliegenden Fall außer Streit, dass es sich bei dem Ereignis am 30. April 1998 um einen Arbeitsunfall im Sinne von § 8 SGB VII handelt und der Kläger bis zu seiner Arbeitsfähigkeit ab dem 27. Juli 1998 Anspruch auf Ver-letztengeld hatte. Letztlich handelt es sich um die Frage für welchen Zeitraum bzw. welche Dauer ein Anspruch auf Verletztengeld besteht. Dass hier nicht ohne weiteres zwischen Grund und Höhe der Leistung unterschieden werden kann wird deutlich, wenn man den Fall betrach-tet, dass ein Versicherter zunächst aufgrund von Unfallfolgen und später aufgrund überlagern-der unfallfremder Beschwerden arbeitsunfähig ist, ohne dass - wie hier – ein Intervall der Ar-beitsfähigkeit eintritt. In diesen Fällen muss es im Interesse der Berufsgenossenschaft und des Versicherten möglich sein, vorläufig weiter zu leisten und dabei – selbstredend mit der gebote-nen Zügigkeit – die erforderlichen Ermittlungen anzustellen.

Auf der anderen Seite geschieht die Leistung von Vorschüssen bzw. Verletztengeld nicht allein im Interesse des Versicherten. Denn er erhält diese Leistungen vorläufig, wird sie aber in der Regel umgehend verbrauchen, da er auf sie als Lohnersatzleistung angewiesen ist. Der Schutz, den ihm die Regelungen der §§ 45, 48 SGB X bei einer endgültigen Entscheidung über die betreffende Leistung bieten, wird ihm so vorenthalten. Zwar lässt sich hiergegen einwenden, dass der Versicherte auf die Vorläufigkeit ja ausdrücklich hingewiesen wurde, der Hinweis ist zwingende Voraussetzung der Rechtmäßigkeit der Vorwegzahlung. Auch wird er den Vor-schuss häufig beantragt haben. Es geht hierbei um den gerechten Ausgleich der Interessen des Leistungsträgers, nicht mehr zu leisten als er zwingend muss, und den sich teilweise wider-sprechenden Interessen des Versicherten an einer baldigen Zahlung einerseits und Vertrauens-schutz andererseits.

Insofern ist der Versicherungsträger außerhalb des unmittelbaren Anwendungsbereiches des § 42 Abs. 1 SGB I nur dann zu Vorwegzahlungen bzw. Vorschüssen berechtigt, wenn entwe-der die Entscheidung über den Leistungsgrund noch vollkommen offen ist oder aber zumindest nach dem vorläufigen Ergebnis der Ermittlungen nicht überwiegende Gesichtspunkte gegen eine Leistungspflicht des Versicherungsträgers sprechen. Anderenfalls würde dem Versiche-rungsträger über die ausdrücklich in § 32 Abs. 2 Nr. 3 SGB X normierten Fälle hinaus eine Möglichkeit eröffnet, seine Leistungen unter einen umfassenden Vorbehalt zu Lasten des Ver-sicherten zu stellen.

Vorliegend war die Bewilligung der Vorschüsse an den Kläger stets mit einem hinreichend deutlichen Hinweis auf die Vorläufigkeit der Leistung versehen. Auch handelt es sich bei dem Verletztengeld nach dem zuvor Gesagten um eine Leistung, an deren baldigen Zahlung der Versicherte im Allgemeinen und auch im vorliegenden Fall ein starkes Interesse hat. Aufgrund der Stellungnahmen der behandelnden Ärzte (vgl. Schreiben von D. v. 21. Mai 2001, VV Bl. 76; Vermerk Dr. El. v. 31.5.2001, VV Bl. 78; Zwischenbericht Dr. R. v. 2. August 2001, VV Bl. 125) durfte die Beklagte auch zunächst annehmen, dass ihre Leistungspflicht besteht. Eine abschließende Entscheidung war ihr aufgrund der noch vorzunehmenden Ermittlungen, insbe-sondere der Einholung einer ausführlichen ärztlichen Stellungnahme mit einer Untersuchung des Klägers nicht möglich. Insofern war zunächst die Zahlung eines Vorschusses (bzw. einer Vorwegzahlung) rechtmäßig.

Dies änderte sich jedoch in dem Moment, als der Beklagten die fachchirurgische Stellungnah-me von Dr. med. H. vom 1. November 2001 vorlag. Dieser kam hierin zu dem Ergebnis, dass die neuerlichen Beschwerden nicht auf den Unfall im Jahr 1998 zurückzuführen seien. Ledig-lich soweit seine Ausführungen nicht ausreichen sollten, empfahl er eine weitere Begutach-tung. Diese Auffassung machte sich ersichtlich auch die Beklagte zu Eigen, wie der Vermerk vom 10. Dezember 2001 (VV Bl. 193) zeigt. Jedenfalls sprach ab diesem Zeitpunkt deutlich mehr gegen eine Leistungspflicht als dafür, worauf die Beklagte dann auch in ihrem Schreiben vom 17. Januar 2001 hinwies. Jedenfalls bei dieser Sachlage hätte die Beklagte weitere Vor-schüsse versagen und den Kläger auf das Ergebnis des weiteren Gutachtens verweisen müssen. Bei derart weit fortgeschrittener Sachaufklärung darf sich die Berufsgenossenschaft nicht dar-auf zurückziehen, weiterhin vorläufige Regelungen zu treffen und eine endgültige Regelung weiter hinauszuschieben. Denn dies geht einseitig zu Lasten des Versicherten, welcher den Schutz der Regelungen der §§ 45, 48 SGB X vorenthalten bekommt. Dies lässt sich auch nicht durch den Verweis auf das Interesse des Versicherten an Zahlungen rechtfertigen, da dieser sich in einer Zwangslage befindet.

Aufgrund der vorstehenden Ausführungen war die Zahlung der Vorschüsse bzw. die Vorweg-zahlungen vom 11. Dezember 2001 in Höhe von 7.500,- DM (= 3.834,69 EUR) und diejenige vom 17. Januar 2002 in Höhe von 25.000 EUR rechtswidrig.

Dies hat zur Folge, dass die Rückforderung dieser Beträge – im Gegensatz zu den vor Eingang des Gutachtens geleisteten Beträge - nicht auf § 42 Abs. 2 Satz 2 SGB I gestützt werden kann. Dagegen kann nicht eingewandt werden, dass die (vorläufigen) Bewilligungsbescheide zum Zeitpunkt der Rückforderung bestandskräftig geworden waren. Denn derartige vorläufige Re-gelungen sind ohnehin nur in begrenztem Umfang der Bestandskraft fähig, da sie keine Bin-dungswirkung hinsichtlich der endgültigen Leistungspflicht entfalten. Auch stünde es dem Leistungsträger anderenfalls frei, die Rechtsfolgen seines Handelns selbst zu bestimmen, wenn er unbegrenzt vorläufige Regelungen treffen könnte. Im Übrigen knüpft § 42 Abs. 2 Satz 2 SGB I auch unmittelbar an den Vorbehalt der Vorläufigkeit an, so dass die Überprüfung der Rechtmäßigkeit, eine vorläufige Regelung zu treffen, wesentliches Merkmal der Rechtmäßig-keit der Rückforderung selbst ist. Anderer Auffassung ist insoweit der 4. Senat des Bundesso-zialgerichts (Urt. v. 29.April 1997 – 4 RA 46/96, SozR3-1200 § 42 Nr. 9; in dem der Entschei-dung zugrunde liegenden Fall war nach Auffassung des Senats allerdings die Vorläufigkeit nicht genügend zum Ausdruck gebracht.), welcher es für ausreichend hält, wenn die Vorläufig-keit der Regelung hinreichend zum Ausdruck gebracht wird. Dies wird aber jedenfalls im vor-liegenden Fall der Interessenlage nicht gerecht, da anderenfalls der Leistungsträger beliebig seinen Spielraum zu Lasten des Versicherten, welcher auf die betreffende Leistung dringend angewiesen ist, ausweiten könnte (noch weitergehend nunmehr LSG Celle-Bremen Urt. v. 13. Dezember 2005 – L 9 U 565/02, juris). Insofern war der Bescheid, soweit ein Betrag von mehr als 3.885,82 EUR zurückgefordert wird, aufzuheben.

III. Die Klage hat auch hinsichtlich der Rückforderung der Behandlungskosten Erfolg. Ob die bloße Zahlung der Behandlungskosten an die behandelnden Ärzte einen Verwaltungsakt dar-stellt oder nicht, kann dahinstehen. Da der Kläger privat versichert war und bei den Ärzten eine privatärztliche Behandlung gewählt hatte, war er selbst diesen gegenüber zur Zahlung der Arzt-honorare verpflichtet. Die Zahlungen der Berufsgenossenschaft an die Ärzte sind so als Zah-lungen auf seine Schuld und damit als eine Leistung an ihn zu sehen. Da nach § 50 Abs. 2 Satz 2 SGB X auch bei der Rückforderung von Leistungen ohne Verwaltungsakt die §§ 45, 48 SGB X entsprechend gelten, ist vorliegend zu prüfen, ob die Leistungen nach diesen Vorschriften zurückgefordert werden können. Einschlägig ist hier § 45 SGB X. Der Kläger hatte nach dem unter I. Gesagten keinen Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung im Jahr 2001, da seine neuerlichen Beschwerden nicht auf den Unfall zurückzuführen waren, die Leistungen erfolgten so zu Unrecht. Nach § 45 Abs. 2 SGB X darf ein rechtswidriger begünsti-gender Verwaltungsakt für die Vergangenheit nicht zurückgenommen werden, soweit der Be-günstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hatte und sein Vertrauen unter Abwä-gung mit dem öffentlichen Interesse an der Rücknahme schutzwürdig ist. Dies ist nach Satz 2 in der Regel der Fall, wenn der Begünstigte die Leistungen verbraucht hat. Dies ist vorliegend der Fall, dem Kläger ist kein Vermögensvorteil verblieben. Es kann hier keinen Unterschied machen, ob er die Behandlungskosten selbst erhält und an die Ärzte weiterleitet oder diese un-mittelbar an diese gezahlt wird. In beiden Fällen wird er lediglich von einer Verbindlichkeit frei, ohne dass ihm ein entsprechender Vermögensvorteil verbleibt. Dass er unter Umständen Rückgriff bei seiner privaten Versicherung nehmen kann, ändert hieran nichts. Insofern muss die Berufsgenossenschaft darauf verwiesen werden, vor der Leistung von Arzthonoraren zu-gunsten von privat krankenversicherten Versicherten eine entsprechende Abtretungserklärung zu fordern. Selbst wenn man die ersparten notwendigen Aufwendungen als Vermögensvorteil begreift, durfte der Kläger auf die Rechtmäßigkeit der Zahlungen vertrauen. Denn der Kläger hat von dem Großteil der Zahlungen überhaupt nichts erfahren. Er wurde auch zu kein Zeit-punkt auf die Vorläufigkeit dieser Leistungen hingewiesen wie bei den Vorschusszahlungen. Allein der Umstand, dass der Großteil der Bevölkerung das Risiko "Krankheit" versichert hat, lässt nicht die Schutzwürdigkeit des Klägers im Ganzen entfallen, wie die beklagte Berufsge-nossenschaft meint.

Schließlich ist vorliegend auch keiner der unter § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X genannten Fälle gegeben. Eine arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung im Sinne von Nr. 1 liegt ebenso wenig wie falsche Angaben seitens des Klägers vor. Schließlich kannte er auch nicht die Rechtswidrigkeit der Zahlung, noch blieb sie ihm aufgrund grober Fahrlässigkeit verborgen. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger selbst nicht von seiner Behandlungsbedürftig-keit aufgrund des Arbeitsunfalls vom 30. April 1998 überzeugt war.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Da der Kläger hinsichtlich der Rückforde-rung der Behandlungskosten ganz und hinsichtlich der Rückforderung der Vorschüsse zu nahe-zu neun Zehnteln obsiegte, entsprach auch unter Berücksichtigung des Unterliegens hinsicht-lich der Verletztenrente der Billigkeit der beklagte Berufsgenossenschaft vier Fünftel seiner außergerichtliche Kosten aufzuerlegen.
Rechtskraft
Aus
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