S 12 KA 939/06

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 939/06
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine Bestimmung in einem Honorarverteilungsmaßstab, nach der der Vertragsarzt Korrekturen im Regelfall nur innerhalb von sechs Wochen nach Ende eines Abrechnungsvierteljahres einreichen kann, ist zulässig.
Ein Vertragsarzt muss sich einen Programmfehler in einem Abrechnungsprogramm zurechnen lassen. Insofern trägt er ein unternehmerisches Risiko und ist für seine Sphäre verantwortlich. Besondere Gründe für eine nachträgliche Abrechnungskorrektur liegen damit nicht vor.
Der Einzug der Praxisgebühr unterliegt den allgemeinen Abrechnungsvorschriften.
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Verfahrenskosten zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 1.260,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Höhe der Anrechnung der sog. Praxisgebühr auf die Honorarfestsetzung für das Quartal IV/04.

Der Kläger ist als Internist mit Praxissitz in A-Stadt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.

Mit Honorarbescheid vom 18.04.2005 setzte die Beklagte das Nettohonorar für das Quartal IV/04 auf 71.203,78 Euro und die Einnahmen aus der sog. Praxisgebühr auf 8.500 Euro fest.

Hiergegen legte der Kläger am 27.05.2005 Widerspruch ein. Er trug vor, es seien Praxisgebühren von genau 724 Patienten erhoben worden. Bei Einnahmen von 7.240 Euro ergebe dies zur Festsetzung der Beklagten eine Differenz von 1.260 Euro. Unter Datum vom 03.06.2005 korrigierte er seine Angaben auf Einnahmen von 7.250 Euro, was einen Differenzbetrag von 1.250 Euro ergab. Er trug weiter vor, im Quartal IV/04 habe er die EDV in seiner Praxis umgestellt. Offensichtlich sei es auf Grund der Software-Umstellung zu einer fehlerhaften Identifikation von den Patienten gekommen, die von der Gebühr befreit worden seien. Wegen des neuen Programms sei nicht aufgefallen, dass in 125 Fällen Patienten, die hier als von der Praxisgebühr befreit dokumentiert gewesen, nicht als solche identifiziert worden oder softwarebedingt fehlerhaft verschlüsselt worden seien. Er habe jetzt eine Liste mit den Patienten erstellt, die von der Praxisgebühr nachgewiesenermaßen befreit gewesen seien. Unter Datum vom 10.01.2006 trug er ergänzend vor, nach der EDV-Umstellung sei es zu einem computerbedingten, letztlich aber von der Praxis zu vertretenden Fehler gekommen. Die Mindereinnahmen bezifferte er erneut mit 1.260 Euro.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20.09.2006, dem Kläger am 22.09.2006 zugestellt, wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Sie führte zur Begründung aus, nach den gesetzlichen Vorgaben habe sie die Praxisgebühr im Rahmen der Quartalsabrechnung vom Honoraranspruch in Abzug zu bringen, sofern kein Tatbestand vorliege, der den Versicherten von der Zuzahlung befreie. Bei einer Befreiung von der Zuzahlungspflicht sei eine "Pseudoziffer" anzugeben. In der Dezemberausgabe von info.doc habe sie über die Zuzahlungspflicht und die Art der Kennzeichnung informiert. Im Februar 2004 sei hierzu ein Sonderheft erschienen. Die vom Kläger angesprochene Praxisgebühr Pseudoziffer 8032 – keine Erhebung der Praxisgebühr, da die Befreiung von allen Zuzahlungen nachgewiesen ist – sei Bestandteil der Bekanntgabe gewesen. Bei fehlender Angabe erfolge automatisch die Zusetzung der Pseudoziffer 8030 und komme die Praxisgebühr zum Abzug. Die Pseudoziffer 8033 - keine Erhebung der Praxisgebühr, da eine Quittung über die bereits bezahlte Praxisgebühr vorgelegt und entwertet wurde – sei bereits im Dezember 2003 veröffentlicht worden. Fehle die Angabe, so erfolge ebf. automatisch die Zusetzung der Pseudoziffer 8030 und komme die Praxisgebühr zum Abzug. Ein Fehler aufgrund der Umstellung der EDV gehe zu Lasten des Klägers. Der Kläger hätte einen Abgleich nehmen können, ob die tatsächlichen Einnahmen mit den Daten übereinstimmten. Insbesondere die Umstellung der Praxis-EDV hätte ihn zu Kontrollen veranlassen müssen. Ein Software-Fehler müsse ggf. gegenüber der Software-Firma geltend gemacht werden. Eine nachträgliche Berücksichtigung der Pseudoziffern sei nicht möglich. Eine Korrektur sei nur innerhalb von sechs Wochen nach Abgabe möglich. Eine Ausnahme hiervon sei nach dem Vortrag des Klägers nicht gerechtfertigt.

Hiergegen hat der Kläger am 27.09.2006 Klage erhoben. Er trägt ergänzend zu seinem Widerspruchsvorbringen vor, die Helferinnen hätten übersehen, dass sie bei bestimmten Befreiungstatbeständen die Ziffer 8032 hätten eingeben müssen. Die Beklagte billige ihm keine Korrekturmöglichkeit zu, was sie aber für sich selbst in Anspruch nehme. Für das Quartal I/06 sei der Abzug der Praxisgebühr zunächst gänzlich unterblieben, was die Beklagte nachträglich korrigiert habe. Er sehe dies ein, fordere aber das gleiche Recht für sich. Nach Erhalt der Abrechnung habe er den Fehler erkannt und sich sogleich mit der Beklagten in Verbindung gesetzt. Man habe ihm mitgeteilt, eine Überprüfung der Differenz sei lediglich mittels eines Vergleichs der Patientennamen möglich, weshalb man ihm eine Patientenliste übersende. Die Beklagte habe ihm damit eine Nachfrist eingeräumt. Mit der Ablehnung einer Korrektur setzte sie sich jetzt in Widerspruch zu ihrem früheren Schreiben vom 04.05.2005. Die Beklagte habe ihm gegenüber auch eine Fürsorgepflicht, bei neuen Bestimmungen zumindest in den ersten 1 – 2 Quartalen eine entsprechende Adaptionsphase zu gewähren. Er habe die Abrechnung überprüft, sie sei durch das CompuMed-Abrechnungsmodul als fehlerfrei freigegeben worden.

Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Honorarbescheids vom 18.04.2005 für das Quartal IV/04 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.09.2006 die Beklagte zu verurteilen, ihm einen Minderbetrag von
1.260,00 an Einnahmen für die sog. Praxisgebühr festzusetzen und diesen Betrag auszuzahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid und trägt darüber hinaus vor, ein Abweichen von der Korrekturfrist sei nur in begründeten Ausnahmefällen möglich. Dies sei nur gegeben, wenn höhere Gewalt die Einhaltung der Frist unmöglich mache. Patientenlisten würden übersandt werden, um auszuschließen, dass ein Abrechnungsfehler auf fehlerhafte Datenübertragung bei der Beklagten zurückzuführen sei. Eine konkludente Verlängerung der Korrekturfrist werde damit nicht eingeräumt. Ein Fehler ihrerseits sei hier auszuschließen. Die Abrechnung sei so umgesetzt worden, wie der Kläger sie ihr zur Verfügung gestellt habe. Der Arzt habe mit der Abrechnung deren Richtigkeit zu bestätigen. Fehler seines Praxispersonals müsse sich der Kläger zurechnen lassen. Die sechswöchige Korrekturfrist sei nicht zu beanstanden. Der Hinweis auf die Widerspruchsmöglichkeit habe dem Kläger seine Rechtsschutzmöglichkeiten erhalten sollen. Andernfalls wäre der Honorarbescheid bestandskräftig geworden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der Beratungen gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und Psychotherapeuten entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Psychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -). Sie konnte dies ohne mündliche Verhandlung tun, weil sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 SGG). Der Kläger hat dies mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 18.12. 2006 und 15.10.2007, die Beklagte mit Schriftsatz vom 11.01.2007 getan.

Die Klage ist zulässig. Sie ist aber unbegründet. Der Honorarbescheid vom 18.04.2005 für das Quartal IV/04 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.09.2006 ist, soweit er angefochten wird, rechtmäßig und war daher nicht aufzuheben. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Anrechnung der Praxisgebühr mit dem von ihm geltend gemachten Minderbetrag von 1.260,00 Euro neu festgesetzt wird und ihm dieser Betrag ausgezahlt wird.

Der für das streitbefangene Quartal geltende Honorarverteilungsmaßstab der Beklagten (Grundsätze der Honorarverteilung, Beschluss der Abgeordnetenversammlung vom 11.06.2003, veröffentlicht als Anlage zum Rundschreiben 5/6, Bekanntmachung Teil 1 v. 25.06.2003) bestimmt Folgendes:

§ 6 Einreichung der Abrechnung, Sonderbestimmungen

(601) Abrechnungsunterlagen, Termine und Quartalserklärung
Die Abrechnungsunterlagen sind für jedes Kalendervierteljahr bis zu dem von der Bezirksstelle festgesetzten Termin bei der zuständigen Bezirksstelle einzureichen.

Soweit maschinell verwertbare Datenträger verwendet werden, bedarf dies der vorherigen Genehmigung durch die KV Hessen. Die diesbezüglichen Bestimmungen der Bundesmantelverträge und deren Anlagen finden Anwendung.

Mit der Abgabe der Behandlungsausweise und ggf. eines maschinell verwertbaren Datenträgers bestätigen der Arzt bzw. Psychotherapeuten oder bei einer Gemeinschaftspraxis die Ärzte bzw. Psychotherapeuten in einer Sammelerklärung/Quartalserklärung, dass die zur Abrechnung eingereichten Leistungen nach den gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen sowie nach den Vorgaben dieser Honorarverteilung erbracht worden sind, notwendig waren und die eingereichte Abrechnung sachlich richtig und vollständig ist.

Wird die Abrechnung eines ermächtigten Krankenhausarztes vom Krankenhausträger gemäß § 120 Abs. 1 SGB V erstellt, so haben Krankenhausträger und ermächtigter Krankenhausarzt die vorgenannte Erklärung abzugeben. Für die Abrechnung ärztlich geleiteter Einrichtungen bzw. Psychologischer Ausbildungsinstitute haben der Träger und der (ärztliche) Leiter dieser Einrichtung die im Satz 1 genannte Erklärung abzugeben.

Die Bezirksstelle kann gestatten, dass ein Arzt bzw. Psychotherapeut innerhalb der ersten 6 Wochen nach Ende eines Abrechnungsvierteljahres seine bereits eingereichten Abrechnungsunterlagen in den Geschäftsräumen der Bezirksstelle in Anwesenheit eines Bevollmächtigten der Bezirksstelle berichtigt. In begründeten Ausnahmefällen kann diese Frist verlängert werden.

(602) Verspätete Abrechnungsabgabe
Geht die Abrechnung einer Praxis ohne eine hinreichende Begründung nicht fristgemäß oder unvollständig ein, können die laufenden Vorauszahlungen gesperrt und die Abrechnung bis zum nächsten Abrechnungstermin zurückgestellt werden.

In diesen Fällen hat der Arzt, der Psychotherapeut, der Krankenhausträger bzw. das Psychologische Ausbildungsinstitut höchstens Anspruch auf die Auszahlungsquote, die für das Abrechnungsvierteljahr gezahlt wurde, in dem die verspätet abgerechneten Leistungen ausgeführt wurden. Diese Bestimmung gilt nicht für einzelne Nachzüglerfälle.

(603) Abgeltung des Verwaltungsaufwandes bei Fristversäumnis
Für jeden Tag, um den der Termin für die Einreichung der vollständigen Abrechnung überschritten wird, kann der Geschäftsausschuss zur Deckung des hierdurch entstehenden Mehraufwandes an Verwaltungskosten einen Honorarabzug von 51,13 EUR pro Arzt, Psychotherapeut, Krankenhausträger bzw. Psychologischem Ausbildungsinstitut, höchstens 10 % des gesamten Nettohonorars, jedoch insgesamt maximal 2.556,46 EUR, beschließen.

(604) Verlust des Abrechnungsanspruches
Werden die Abrechnungsunterlagen nicht innerhalb von 12 Monaten nach dem vorgeschriebenen Einreichungstermin bei der Bezirksstelle vorgelegt, so sind die Honorarforderungen verwirkt. In begründeten Ausnahmefällen kann der Geschäftsausschuss eine verspätete Abrechnung zulassen.

Ein Honoraranspruch besteht auch dann nicht, wenn die Abrechnung nicht den allgemeinen Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Rechnungslegung (z. B. Lesbarkeit der Leistungseintragungen) entspricht oder die gemäß LZ 601 zu bestätigende Einhaltung gesetzlicher und vertraglicher Bestimmungen sowie der Vorgaben dieser Honorarverteilung offensichtlich und erkennbar verletzt wurden.

Nach diesen Bestimmungen kommt eine nachträgliche Berichtigung der von dem Kläger geltend gemachten Angaben zur Praxisgebühr nicht in Betracht.

LZ 601 Satz 7 HVM ist rechtmäßig und war von der Kammer nicht zu beanstanden.

Es ist eine der grundlegenden Pflichten jedes Vertragsarztes, die erbrachten Leistungen peinlich genau abzurechnen, weil die korrekte Abrechnung von der KV angesichts der Vielzahl der von ihr in jedem Quartal zu bewältigenden Datenmengen nur in eingeschränktem Umfang überprüft werden kann (vgl. BSG, Urt. v. 24.11.1993 - 6 RKa 70/91 - BSGE 73, 234 = SozR 3-2500 § 95 Nr. 4 (juris Rdnr. 22); BSG, Urt. v. 25.10.1989 - 6 RKa 28/88 - BSGE 66, 6, 8 = SozR SozR 2200 § 368a Nr 24 )juris Rdnr. 15); BSG, Urt. v. 08.07.1981 – 6 RKa 17/80 - USK 81172 (juris Rdnr. 31)). Der Grundsatz der peinlich genauen Abrechnung gilt unabhängig davon, ob die Abrechnung auf manuellem Wege oder mittels elektronischer Datenträger erfolgt. Auch wenn sich der Vertragsarzt im zweiten Fall entsprechender Abrechnungsprogramme bedient, entlastet ihn dies nicht davon, sich vor Weiterleitung der Diskette an die Kassenärztliche Vereinigung wenigstens anhand von Stichproben zu vergewissern, dass die dort enthaltenen Angaben frei von Fehlern sind, unabhängig davon, ob diese auf eigenen Falscheingaben oder auf Mängeln der benutzten Software beruhen (vgl. LSG Niedersachsen, Beschl. v. 17.02.2005 - L 3 KA 218/04 ER -; LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 15.01.1997 - L 11 Ka 74/96 - NZS 1997, 384, 386).

Der Arzt hat daher mit Abgabe der Abrechnung in einer Sammelerklärung/Quartalserklärung zu bestätigen, dass die zur Abrechnung eingereichten Leistungen nach den gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen sowie nach den Vorgaben des Honorarverteilungsmaßstabs erbracht worden sind, notwendig waren und die eingereichte Abrechnung sachlich richtig und vollständig ist (LZ 601 Satz 4 HVM).

Die Kassenärztlichen Vereinigungen sind auf der Rechtsgrundlage des § 85 Abs. 4 Satz 1 und 2 SGB V befugt, in ihrem HVM Regelungen über die Modalitäten der Abrechnung durch die Vertragsärzte zu treffen. Sie dürfen in diesem Zusammenhang auch Abrechnungsfristen vorgeben und diese als Ausschlussfristen ausgestalten. Im HVM können insbesondere nicht nur die Fristen geregelt werden, die die Vertragsärzte bei der Abrechnung einhalten müssen, sondern auch die Folgen, die sich aus einem Fristversäumnis für die Abrechnungen ergeben. § 85 Abs. 4 Satz 2 SGB V lässt daher auch eine Regelung im HVM zu, nach der Abrechnungsscheine von der Vergütung ausgeschlossen sind, die nicht innerhalb des festgesetzten Einsendetermins zur Abrechnung eingereicht werden. Die Ausgestaltung einer Abrechnungsfrist als Ausschlussfrist stellt für sich genommen keinen derart schwerwiegenden Eingriff in die Berufsausübung dar, dass für ihn eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung erforderlich wäre. Zweck der Honorarverteilung ist, dass nach jedem Quartal möglichst schnell und möglichst umfassend die für die Honorarverteilung zur Verfügung stehenden Beträge ausgekehrt werden. Dies entspricht vor allem dem Interesse der Vertragsärzte. Denn diese sind - insbesondere wegen der zu bestreitenden Praxiskosten - auf eine möglichst kurze Zeitspanne zwischen Leistungserbringung und Leistungshonorierung angewiesen. Auch widerspräche die Zahlung lediglich von Abschlägen auf das voraussichtliche Honorar über einen längeren Zeitraum hinweg dem berechtigten Interesse der Ärzte an der Kalkulierbarkeit ihrer Einnahmen. Der Zeitpunkt, zu dem die KÄV nach Abschluss des jeweiligen Quartals die Abrechnung vorzunehmen und den Vertragsärzten ein Honorarbescheid zu erteilen hat, ist bundesrechtlich zwar nicht vorgegeben. Die KÄVen sind jedoch gehalten, die ihnen von den Krankenkassen gezahlte Gesamtvergütung (§ 85 Abs. 1 SGB V) umgehend an die Vertragsärzte zu verteilen (§ 85 Abs. 4 SGB V). Demgemäß sind die KÄVen verpflichtet, den Vertragsärzten alsbald nach Quartalsabschluss Honorarbescheide zu erteilen. Zahlreiche Bestimmungen sowohl der Bundesmantelverträge als auch des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen legen fest bzw. setzen voraus, dass die vertragsärztlichen Leistungen in einem Kalendervierteljahr zusammengefasst vom Vertragsarzt abgerechnet und von der Kassenärztlichen Vereinigung vergütet werden. Der Eigengesetzlichkeit eines auf das einzelne Quartal ausgerichteten Gesamtvergütungssystems entspricht es, Zahlungen möglichst aus der für das jeweilige Quartal zur Verfügung stehenden Gesamtvergütung vorzunehmen und Rückstellungen oder Nachvergütungen weitestgehend zu vermeiden. Die Bildung von Rückstellungen, d. h. der Einbehalt von Teilen der für ein Quartal entrichteten Gesamtvergütung, kann unerwünschte Auswirkungen auf die Finanzierbarkeit vertragsärztlicher Praxen und damit letztlich auf die Versorgung der Versicherten haben. Auch die berechtigten Belange der Krankenkassen können tangiert sein, wenn diese die Gesamtvergütung in gesetzeskonformer Höhe an die Kassenärztliche Vereinigung entrichten, die Vertragsärzte davon aber nur Teile erhalten, die eine angemessene Vergütung der von ihnen erbrachten Leistungen möglicherweise nicht gewährleisten. Schließlich sind zahlreiche mengenbegrenzende Regelungen in Honorarverteilungsmaßstäben, wie etwa Fallzahlzuwachsbeschränkungen oder Individualbudgets, auf das einzelne Quartal bezogen. Die Kassenärztliche Vereinigung muss deshalb gewährleisten können, dass prinzipiell alle Leistungen eines Quartals rechtzeitig abgerechnet und von derartigen Steuerungsinstrumenten erfasst werden. Hierfür müssen Anreize zur Verlagerung von Abrechnungen in Folgequartale, etwa wenn die elektronische Erfassung der Abrechnungswerte einer Praxis einen starken und partiell unerwünschten Fallzahlzuwachs anzeigt, vermieden werden. Vor diesem Hintergrund ist es nicht nur gestattet, sondern sachlich geboten, Vorkehrungen dafür zu treffen, dass alle vertragsärztlichen Leistungen eines Quartals weitestgehend aus den für dieses Quartal von den Krankenkassen entrichteten Gesamtvergütungen honoriert werden. Die Ausgestaltung von Abrechnungsfristen als materielle Ausschlussfristen ist zur Erreichung einer möglichst zügigen, zeitgerechten und vollständigen Verteilung der Gesamtvergütung grundsätzlich geeignet. Fristen für die Abrechnung vertragsärztlicher Leistungen dienen umso mehr einer schnellen und umfassenden Honorarverteilung, je weniger Ausnahmen sie zulassen. Auf der anderen Seite können von Ausschlussfristen erhebliche Wirkungen für den Vergütungsanspruch des Vertragsarztes ausgehen. Vertragsärzte, die auf Grund eines Versehens oder einer möglicherweise nicht sofort erkennbaren Störung im elektronischen Übermittlungssystem oder in der praxiseigenen Software einen größeren Teil ihrer Abrechnungen nicht zu dem von der Kassenärztlichen Vereinigung gesetzten Termin vorlegen, laufen Gefahr, keinerlei Vergütung ihrer vertragsärztlichen Leistungen zu erhalten. Solche Auswirkungen einer nicht weiter differenzierten und abgestuften Ausschlussfrist sind durch die Ermächtigungsgrundlage des § 85 Abs. 4 SGB V nicht gedeckt und stellen zugleich eine unverhältnismäßige Einschränkung des durch Art 12 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Rechts der Vertragsärzte auf eine Honorierung ihrer Leistungen dar. Das billigenswerte Ziel möglichst frühzeitiger, zu einem einheitlichen Zeitpunkt abgeschlossener Abrechnungen der vertragsärztlichen Leistungen rechtfertigt und fordert eine rigide und vor allem kurze Ausschlussfrist nicht (vgl. BSG, Urt. v. 22.06.2005 - B 6 KA 19/04 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 19 = SGb 2006, 370, juris Rdnr. 21 - 25). Sachgerechterweise kann die nachträgliche Korrektur von bereits vorgelegten Abrechnungsscheinen ausgeschlossen sein (vgl. BSG, Urt. v. 22.06.2005 - B 6 KA 19/04 R – aaO., Rdnr. 26).

Ausgehend hiervon ist § 6 LZ 601 Satz 7 HVM nicht zu beanstanden (vgl. bereits Urteil der Kammer vom 09.11.2005 – S 12 KA 28/05 –; vom 29.11.2006 – S 12 KA 290/06 -; vom 29.11.2006 – S 12 KA 888/06 -).

§ 6 HVM sieht ein abgestuftes System für die Fälle verspäteter Abrechnung vor. Zunächst wird von der Beklagten ein Termin zur Abrechnung festgelegt (LZ 601 Satz 1 HVM), der in der Regel etwa 10 Tage beträgt. Korrekturen können noch innerhalb von sechs Wochen nach Ende eines Abrechnungsvierteljahres eingereicht werden (LZ 601 Satz 7 HVM), also etwa innerhalb eines Monats nach Ende der Einreichungsfrist. In begründeten Ausnahmefällen kann diese Frist verlängert werden (LZ 601 Satz 8 HVM).

Wird innerhalb der Abrechnungsfrist überhaupt keine Abrechnung eingereicht, so kann dennoch die Abrechnung nach Ablauf der Frist eingereicht werden. Für diesen Fall sieht der HVM eine Verwaltungskostenpauschale wegen des Mehraufwands vor. Die Verwaltungskostenpauschale ist so bemessen, das ihr Höchstbetrag bei einer Verspätung von über 50 Tagen erreicht wird (vgl. LZ 603 HVM). Eine Verwirkung tritt erst innerhalb von 12 Monaten nach dem vorgeschriebenen Einreichungstermin ein (LZ 604 Satz 1 HVM). In begründeten Ausnahmefällen kann aber der Geschäftsausschuss eine darüber hinaus verspätete Abrechnung zulassen (LZ 601 Satz 2 HVM).

Der HVM der Beklagten differenziert damit hinreichend zwischen der Bedeutung einer unrichtigen und dem gänzlichen Fehlen einer Abrechnung. Für das gänzliche Fehlen einer Abrechnung lässt er weitergehende Korrekturen zu beziehungsweise lässt es zu, dass die Abrechnung bis zu einem Jahr verspätet eingereicht wird, in Ausnahmefällen sogar noch später. Eine Nichtberücksichtigung der gesamten Abrechnung würde auch zwangsläufig zum Verlust des gesamten Honorars führen. Demgegenüber ist eine teilweise Unrichtigkeit nur von geringerem Gewicht. Die Richtigkeit und Vollständigkeit der Abrechnung, die ausschließlich im Verantwortungsbereich des die Abrechnung einreichenden Arztes liegt, ist auch von der Verspätung einer Einreichung der gesamten Abrechnung zu unterscheiden. Ob der HVM der Beklagten auch die Nachreichung fehlender Teile einer Abrechnung, also bisher nicht eingereichter Behandlungsfälle zulässt, und innerhalb welcher Fristen, kann hier dahinstehen, da es für den Kläger nur um die Korrektur bereits abgerechneter Behandlungsfälle geht.

Nach den Einlassungen des Klägers ist nicht schlichtes technisches Versagen im Sinne einer höheren Gewalt für die fehlerhafte Abrechnung Ursache. Der Kläger hat selbst dargelegt, dass Ursache nicht ein Programmfehler ist. Im Klageschriftsatz hat er eingeräumt, die Helferinnen hätten übersehen, dass sie bei bestimmten Befreiungstatbeständen die Ziffer 8032 hätten eingeben müssen. Damit handelt es sich um einen Abrechnungsfehler, der in den Verantwortungsbereich des Klägers fällt.

Die Abrechnungsbestimmungen sind auch auf den Einzug der Praxisgebühr anzuwenden.

Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten je Kalendervierteljahr für jede erste Inanspruchnahme eines an der ambulanten ärztlichen, zahnärztlichen oder psychotherapeutischen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringers, die nicht auf Überweisung aus demselben Kalendervierteljahr erfolgt, als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 2 ergebenden Betrag an den Leistungserbringer. Satz 1 gilt nicht für Inanspruchnahmen nach § 23 Abs. 9, § 25, zahnärztliche Untersuchungen nach § 55 Abs. 1 Satz 4 und 5 sowie Maßnahmen zur Schwangerenvorsorge nach § 196 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung und § 23 Abs. 1 des Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte (§ 28 Abs. 4 Satz 1 und 2 SGB V in der ab 01.01.2004 geltenden Fassung). § 18 BMV-Ä/§ 21 EKV-Ä sieht dementsprechend vor, dass Vertragsärzte eine Zuzahlung in Höhe von 10,- EUR einzubehalten haben. Der Vertragsarzt ist nicht berechtigt, auf die Zuzahlung zu verzichten oder einen anderen Betrag als 10 EURO zu erheben (§ 18 Abs. 1 S. 2 BMV-Ä/§ 21 Abs. 1 S. 2 EKV-Ä); soweit die Zuzahlung nicht vor der Behandlung entrichtet wurde, hat der Vertragsarzt diesen Betrag nachträglich einzuziehen, indem er den Versicherten schriftlich zur Zahlung auffordert (§ 18 Abs. 4 BMV-Ä/§ 21 Abs. 4 EKV-Ä).

Ein Verstoß dieser Verpflichtung gegen höherrangiges Recht ist der Kammer nicht ersichtlich und wird von der Rechtsprechung verneint (vgl. LSG Brandenburg, Urteil vom 25. Januar 2005, Az: L 24 KR 47/04; SG Köln, Urteil vom 10. März 2004, Az.: S 19 KA 5/04; SG Marburg, Urteil vom 15.03.2005 - S 12 KA 25/05 -; vgl. auch BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 27. Juli 2004, Az: 1 BvR 787/04).

Die Beklagte hat in ihren Veröffentlichungen rechtzeitig ausführlich die Abrechnungsmodalitäten erläutert. Darin hat sie im Einzelnen dargelegt, welche Abrechnungsnummern bei Vorliegen eines Befreiungstatbestandes anzugeben sind. Die Richtigkeit der Eingaben gehört aber insbesondere zum Verantwortungsbereich eines Vertragsarztes. Ein Vertragsarzt hat sich mit neuen Abrechnungsbestimmungen zu befassen. Der Kläger ist seiner Verantwortung nicht in vollem Maße nachgekommen, was er sich nunmehr zurechnen lassen muss. Von daher hat die Beklagte auch zu Recht keine Ausführungen zu LZ 601 Satz 8 HVM gemacht, wonach in begründeten Ausnahmefällen die Korrekturfrist verlängert werden kann.

Es liegt auch keine Ungleichbehandlung im Verhältnis zur Beklagten vor, die grundsätzlich berechtigt ist, im Rahmen der sachlich-rechnerischen Berichtigung einen Honorarbescheid innerhalb von vier Jahren zu korrigieren. Hierfür liegen entsprechende Ermächtigungsgrundlagen in den Bundesmantelverträgen vor und ist die Beklagte gesetzlich verpflichtet, die Erfüllung der den Vertragsärzten obliegenden Pflichten zu überwachen (§ 75 Abs. 2 Satz 2 SGB V) (vgl. BSG, Urt. v. 30.06.2004 - B 6 KA 34/03 RBSGE 93, 69 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 11 = GesR 2004, 522 = MedR 2005, 52).

Soweit die Beklagte dem Kläger im Schreiben vom 04.05.2005 mitgeteilt hat, eine Überprüfung der Differenz sei lediglich mittels eines Vergleichs der Patientennamen möglich, weshalb man ihm eine Patientenliste übersende, so hat sie ihm damit keine Nachfrist eingeräumt. Die Beklagte hat am Ende des Schreibens vorsorglich darauf hingewiesen, dass eine Korrektur der Differenzen nur über das Widerspruchsverfahren zu erreichen sei. Damit hat sie ihn ausschließlich auf das Rechtsbehelfsverfahren verwiesen und keine Entscheidung über die Nachkorrekturmöglichkeit getroffen. Die Beklagte hat insofern auch zutreffend erläutert, dass die Überprüfung der Patientenliste auch dazu dient, Fehlerquellen in ihrem Verantwortungsbereich festzustellen. Die Beklagte hat sich mit der Ablehnung einer Korrektur im Widerspruchsbescheid damit nicht in Widerspruch zu ihrem früheren Schreiben vom 04.05.2005 gesetzt.

Soweit der Kläger darauf verweist, die Beklagte habe ihm gegenüber auch eine Fürsorgepflicht, bei neuen Bestimmungen zumindest in den ersten 1 – 2 Quartalen eine entsprechende Adaptionsphase zu gewähren, ist der Einwand unverständlich, da es sich immerhin um das vierte Abrechnungsquartal nach Einführung der Praxisgebühr handelt. Offensichtlich war der Kläger in den ersten drei Quartalen zudem in der Lage, die Abrechnung auch bezüglich der Praxisgebühr fehlerfrei zu erstellen. Soweit die Fehlerhaftigkeit nach Angaben des Klägers auf der Umstellung des EDV-Systems mit beruhte, liegt es in seinem Verantwortungsbereich, verstärkte Kontroll- und Überwachungsfunktionen wahrzunehmen und für eine ausreichende Schulung des Praxispersonals zu sorgen.

Nach allem war der angefochten Bescheid rechtmäßig und die Klage daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den gesetzlichen Vorgaben.

In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach dem sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenen Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitwert für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 5.000,00 EUR anzunehmen (§ 52 Abs. 1 und 2 Gerichtskostengesetz).

Der wirtschaftliche Wert folgt aus dem Antrag. Dies ergab den festgesetzten Wert.
Rechtskraft
Aus
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