Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 1067/06
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 83/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine KV übt in nicht zu beanstandender Weise ihr Ermessen bzgl. der Aufhebung bestandskräftiger Honorarbescheide auf, wenn sie hat auf vergleichbare Fälle und die damit einhergehenden finanziellen Belastungen hinweist, auch wenn dies in allgemeiner Weise geschieht; nach dem Grund für die Rechtswidrigkeit ist nicht zu unterscheiden (vgl. BSG, Urt. v. 22.06.2005 - B 6 KA 21/04 R – juris Rdnr. 17, 19 und 21 ff. = SozR 4-1300 § 44 Nr. 6 = GesR 2005, 541 = MedR 2006, 223).
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Verfahrenskosten zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 3.281,01 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Rückabwicklung bestandskräftiger Honorarbescheide für die Quartale III und IV/03.
Die Klägerin ist Fachärztin für Frauenheilkunde. Sie ist seit April 1999 als solche zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen.
Gegen die streitbefangenen Honorarbescheide, die Quartale III und IV/03, legte die Klägerin zunächst mit Schreiben vom 06.03.2005 Widerspruch ein und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Gegen den hierauf ergangenen Widerspruchsbescheid vom 08.03.2006 erhob die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Marburg zum Aktenzeichen S 12 KA 601/06. Am 31.10.2006 nahm sie die Klage zurück.
Am 07.06.2006 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Rücknahme der streitbefangenen Honorarbescheide und die Neubescheidung über ihr Honorar. Sie trug vor, die Honorarbescheide seien rechtswidrig. Sie verstießen gegen das Urteil des Bundessozialgerichts vom 10.12.2003, in dem eine Honorarbegrenzung unterhalb der entsprechenden Fachgruppe als unzulässig angesehen werde. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X sei daher anzuwenden. Die Verwaltungsakte seien mit Wirkung für die Vergangenheit zurück zu nehmen. Die Beklagte habe es versäumt, sie auf die Möglichkeit der Rücknahme eines rechtswidrigen, nicht begünstigenden Verwaltungsaktes hinzuweisen.
Die Beklagte wies mit Bescheid vom 20.07.2006 den Antrag zurück. Darin führte sie aus, die Rückabwicklung der bestandskräftig gewordenen Honorarbescheide sei leider aus rechtlichen Gründen nicht möglich. § 44 Abs. 1 SGB X sei nicht anzuwenden, da es sich bei Honoraren nicht um Sozialleistungen handele. Eine Rückabwicklung bestandskräftig gewordener Honorarbescheide müsse dann in Betracht gezogen werden, wenn eine Rücknahme für die Vergangenheit aus Billigkeitsgesichtspunkten zwingend notwendig erscheine. Eine Rücknahme für die Vergangenheit scheide jedoch schon immer dann aus, wenn der Verwaltungsaufwand im Verhältnis zum Erfolg unverhältnismäßig hoch wäre. Sie wäre nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz bei einer Rückabwicklung gehalten, auch alle anderen bestandskräftig gewordenen Honorarbescheide rückabzuwickeln. Dies würde neben einem immensen Verwaltungsaufwand zu derartigen finanziellen Belastungen führen, die mit einem hohen Punktwertverfall in den aktuellen Quartalen verbunden wäre. Nach buchhalterischen Grundsätzen sei sie lediglich verpflichtet, für anhängige Verfahren Rückstellungen zu bilden, die auch ausreichend seien, in diesen Verfahren Nachvergütungen vorzunehmen. Die Rückabwicklung bestandskräftiger Verfahren ginge hingegen zu Lasten der Honorarverteilung und würde somit zu dem bereits dargestellten Punktwertverfall führen. Dieses Ergebnis könne unter Billigkeitsgesichtspunkten nicht akzeptiert werden. Das Bundessozialgericht habe bereits mit Urteil vom 18.03.1998, Az.: B 6 KA 69/97 R entschieden, dass kein Anspruch auf Rückabwicklung bestandskräftiger Honorarbescheide bestehe. Mit einem weiteren Urteil vom 22.06.2005, Az.: B 6 KA 21/04 R habe das Bundessozialgericht seine bisherige Rechtsauffassung erneut bestätigt.
Hiergegen legte die Klägerin am 23.08.2006 Widerspruch ein. Sie führte aus, eine Rücknahme für die Vergangenheit sei möglich, wenn diese aus Billigkeitsgesichtspunkten zwingend notwendig erscheine. Ein solcher Fall liege vor. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts beziehe sich auf einen Fall, in dem die Ermächtigungsgrundlage der Honorarbescheide sich im Nachhinein geändert habe. Die Beklagte habe jedoch die Honorarbescheide nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 10.12.2003 erlassen. Sie habe damit trotz Kenntnis der sich inzwischen geänderten Rechtslage und damit gegen die Rechtsprechung erlassen. Es seien damit offenbar vorsätzlich rechtswidrige Bescheide in die Welt gesetzt worden. Die Beklagte habe bisher nicht zu erkennen gegeben, dass ihr die Entscheidung nicht bekannt gewesen sei. Auf die Rückstellung komme es nicht an, da die Beklagte aufgrund der geänderten Rechtssituation die Bescheide gar nicht hätte erlassen dürfen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 07.12.2006, der Klägerin am 12.12.2006 zugestellt, wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet mit weitgehend gleichlautender Begründung wie im Ausgangsbescheid zurück. Ergänzend führte sie aus, die Entscheidung des BSG vom 18.03.1998 betreffe einen Fall der möglichen Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsakts nach § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X. Für die Anwendbarkeit dieser Rechtsgrundlage sei es dabei ohne Belang, ob bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt worden sei oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden sei, der sich als unrichtig erwiesen habe.
Hiergegen hat die Klägerin am 19.12.2006 die Klage unter Wiederholung ihres Vorbringens im Verwaltungsverfahren erhoben. Weiter führt sie aus, die Beklagte gehe auf ihre Argumentation im angefochtenen Widerspruchsbescheid nur oberflächlich ein. Entscheidend sei, dass die Behörde trotz Kenntnis einer anderen Rechtslage vorsätzlich einen rechtswidrigen Verwaltungsakt erlassen habe. Dies sei in jedem Fall über § 44 SGB X sanktionierbar. Ihre Honorareinkünfte lägen unter dem Durchschnitt mit 25.950,51 EUR bzw. 29.018,37 EUR. Die Fachgruppe habe durchschnittlich Honorare von 40.809,39 EUR bzw. 44.193,45 EUR erwirtschaftet. Die Beklagte habe ihr Honorar jedoch dennoch um 3.281,01 EUR reduziert.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 20.07.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.12.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Honorarbescheide für die Quartale III und IV/03 aufzuheben und sie über ihren Honoraranspruch für diese beiden Quartale erneut zu bescheiden,
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf ihre Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid und trägt ergänzend vor, die Entscheidung über die Rücknahme erfolge nach pflichtgemäßem Ermessen. Sie habe ihre Ermessensentscheidung mit dem Hinweis auf die hohe finanzielle Belastung der Gesamtvergütung für das laufende Quartal, die mit der Nachvergütung der betreffenden Vertragsärzte eintreten würde und auf den damit zwangsläufig verbundenen Verwaltungsaufwand hinreichend begründet. Es sei nicht entscheidend, ob der rechtswidrige Verwaltungsakt aufgrund eines Behördenfehlers ergangen sei oder ob sich im Nachhinein die Rechtslage verändert habe. Zur Feststellung der Rechtswidrigkeit des früheren Bescheides sei auf die damalige Sach- und Rechtslage unter Berücksichtigung der heutigen Sicht ("geläuterte Rechtsauffassung") abzustellen. Auf ein Verschulden der Behörde komme es nicht an. Es sei daher ohne Bedeutung, ob die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig und damit unverschuldet falsch angewandt habe oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden sei, der sich im Nachhinein als unrichtig erwiesen habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte sowie der Verfahrensakte mit Az.: S 12 KA 601/06, der Gegenstand der Beratungen gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer in der Besetzung mit zwei Vertretern der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -). Sie konnte dies ohne mündliche Verhandlung tun, weil sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 20.07.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.12.2006 war rechtmäßig und daher nicht aufzuheben. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Aufhebung der bestandskräftigen Honorarbescheide für die Quartale III und IV/03.
Zutreffend geht die Beklagte davon aus, dass eine Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes nicht nach § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch, Verwaltungsverfahren – SGB X – aufgehoben werden kann. § 44 Abs. 1 SGB X setzt voraus, dass Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Bei Honoraransprüchen handelt es sich aber nicht um Sozialleistungsansprüche.
Nach § 44 Abs. 2 SGB X kann aber ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen werden. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, von der abzuweichen die Kammer hier keine Veranlassung sah, ist die Entscheidung einer KV, ob sie bestandskräftig gewordene Honorarbescheide zurücknimmt und ggf. Nachvergütungen gewährt, von den Gerichten nur auf Ermessensnichtgebrauch, -fehlgebrauch und Ermessensüberschreitung zu prüfen ist. Dabei hat es das Bundessozialgericht gebilligt, dass eine KV jeweils die finanziellen Auswirkungen im Falle einer gegenüber den betroffenen Ärzten positiven Entscheidung für die Gesamtheit ihrer Mitglieder berücksichtigt und als ausschlaggebend ansieht. Bei einer auf generelle Erwägungen abstellenden Ermessensausübung ist eine KV nicht verpflichtet, als maßgeblichen Gesichtspunkt eine mögliche besondere individuelle Betroffenheit des Arztes zu berücksichtigen. Das Ermessen der KV, ob sie inzwischen als rechtswidrig erkannte Honorarbescheide zurücknimmt und Nachvergütungen leistet, ist nur im atypischen Fall von vornherein im Sinne der Bescheidkorrektur und Nachvergütung vorgeprägt, soweit sie nämlich auf die Entscheidung ihrer Mitglieder, Rechtsmittel einzulegen, direkten oder indirekten Einfluss genommen und für ihre entsprechenden Auskünfte ggf. einzustehen hat (vgl. BSG, Urt. v. 22.06.2005 - B 6 KA 21/04 R – juris Rdnr. 17, 19 und 21 ff. = SozR 4-1300 § 44 Nr. 6 = GesR 2005, 541 = MedR 2006, 223 = Breith 2006, 359 = NZS 2006, 332 = USK 2005-105).
Die Beklagte hat in nicht zu beanstandender Weise ihr Ermessen ausgeübt. Sie hat auf vergleichbare Fälle und die damit einhergehenden finanziellen Belastungen hingewiesen. Wenn sie dies auch in allgemeiner Weise getan hat, so steht dies noch im Einklang mit der genannten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, das diesbezüglich keine allzu hohen Anforderungen aufgestellt hat.
Nach der genannten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist auch nicht nach dem Grund für die Rechtswidrigkeit zu unterscheiden, weshalb die Kammer dem Einwand, die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts beziehe sich auf einen Fall, in dem die Ermächtigungsgrundlage der Honorarbescheide sich im Nachhinein geändert habe, und dem weiteren Einwand, die Beklagte habe die Honorarbescheide nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 10.12.2003 erlassen, nicht zu folgen vermochte. Es ist jedenfalls nicht erkennbar, dass die Beklagte von einer Widerspruchseinlegung abgehalten hätte. Soweit klägerseits von der Richtigkeit des Bescheids der Beklagten hinsichtlich der Vergütung ausgegangen wurde, so ist hierfür auch klägerseitig das Risiko zu tragen.
Nach allem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Der unterlegene Teil hat die Verfahrenskosten zu tragen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den gesetzlichen Vorgaben.
In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach dem sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenen Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitwert für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 5.000,00 EUR anzunehmen (§ 52 Abs. 1 und 2 Gerichtskostengesetz).
Der wirtschaftliche Wert folgt aus den klägerischen Angaben zum noch ausstehenden Honorar. Dies ergab den festgesetzten Wert.
2. Die Klägerin hat die Verfahrenskosten zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 3.281,01 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Rückabwicklung bestandskräftiger Honorarbescheide für die Quartale III und IV/03.
Die Klägerin ist Fachärztin für Frauenheilkunde. Sie ist seit April 1999 als solche zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen.
Gegen die streitbefangenen Honorarbescheide, die Quartale III und IV/03, legte die Klägerin zunächst mit Schreiben vom 06.03.2005 Widerspruch ein und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Gegen den hierauf ergangenen Widerspruchsbescheid vom 08.03.2006 erhob die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Marburg zum Aktenzeichen S 12 KA 601/06. Am 31.10.2006 nahm sie die Klage zurück.
Am 07.06.2006 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Rücknahme der streitbefangenen Honorarbescheide und die Neubescheidung über ihr Honorar. Sie trug vor, die Honorarbescheide seien rechtswidrig. Sie verstießen gegen das Urteil des Bundessozialgerichts vom 10.12.2003, in dem eine Honorarbegrenzung unterhalb der entsprechenden Fachgruppe als unzulässig angesehen werde. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X sei daher anzuwenden. Die Verwaltungsakte seien mit Wirkung für die Vergangenheit zurück zu nehmen. Die Beklagte habe es versäumt, sie auf die Möglichkeit der Rücknahme eines rechtswidrigen, nicht begünstigenden Verwaltungsaktes hinzuweisen.
Die Beklagte wies mit Bescheid vom 20.07.2006 den Antrag zurück. Darin führte sie aus, die Rückabwicklung der bestandskräftig gewordenen Honorarbescheide sei leider aus rechtlichen Gründen nicht möglich. § 44 Abs. 1 SGB X sei nicht anzuwenden, da es sich bei Honoraren nicht um Sozialleistungen handele. Eine Rückabwicklung bestandskräftig gewordener Honorarbescheide müsse dann in Betracht gezogen werden, wenn eine Rücknahme für die Vergangenheit aus Billigkeitsgesichtspunkten zwingend notwendig erscheine. Eine Rücknahme für die Vergangenheit scheide jedoch schon immer dann aus, wenn der Verwaltungsaufwand im Verhältnis zum Erfolg unverhältnismäßig hoch wäre. Sie wäre nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz bei einer Rückabwicklung gehalten, auch alle anderen bestandskräftig gewordenen Honorarbescheide rückabzuwickeln. Dies würde neben einem immensen Verwaltungsaufwand zu derartigen finanziellen Belastungen führen, die mit einem hohen Punktwertverfall in den aktuellen Quartalen verbunden wäre. Nach buchhalterischen Grundsätzen sei sie lediglich verpflichtet, für anhängige Verfahren Rückstellungen zu bilden, die auch ausreichend seien, in diesen Verfahren Nachvergütungen vorzunehmen. Die Rückabwicklung bestandskräftiger Verfahren ginge hingegen zu Lasten der Honorarverteilung und würde somit zu dem bereits dargestellten Punktwertverfall führen. Dieses Ergebnis könne unter Billigkeitsgesichtspunkten nicht akzeptiert werden. Das Bundessozialgericht habe bereits mit Urteil vom 18.03.1998, Az.: B 6 KA 69/97 R entschieden, dass kein Anspruch auf Rückabwicklung bestandskräftiger Honorarbescheide bestehe. Mit einem weiteren Urteil vom 22.06.2005, Az.: B 6 KA 21/04 R habe das Bundessozialgericht seine bisherige Rechtsauffassung erneut bestätigt.
Hiergegen legte die Klägerin am 23.08.2006 Widerspruch ein. Sie führte aus, eine Rücknahme für die Vergangenheit sei möglich, wenn diese aus Billigkeitsgesichtspunkten zwingend notwendig erscheine. Ein solcher Fall liege vor. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts beziehe sich auf einen Fall, in dem die Ermächtigungsgrundlage der Honorarbescheide sich im Nachhinein geändert habe. Die Beklagte habe jedoch die Honorarbescheide nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 10.12.2003 erlassen. Sie habe damit trotz Kenntnis der sich inzwischen geänderten Rechtslage und damit gegen die Rechtsprechung erlassen. Es seien damit offenbar vorsätzlich rechtswidrige Bescheide in die Welt gesetzt worden. Die Beklagte habe bisher nicht zu erkennen gegeben, dass ihr die Entscheidung nicht bekannt gewesen sei. Auf die Rückstellung komme es nicht an, da die Beklagte aufgrund der geänderten Rechtssituation die Bescheide gar nicht hätte erlassen dürfen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 07.12.2006, der Klägerin am 12.12.2006 zugestellt, wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet mit weitgehend gleichlautender Begründung wie im Ausgangsbescheid zurück. Ergänzend führte sie aus, die Entscheidung des BSG vom 18.03.1998 betreffe einen Fall der möglichen Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsakts nach § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X. Für die Anwendbarkeit dieser Rechtsgrundlage sei es dabei ohne Belang, ob bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt worden sei oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden sei, der sich als unrichtig erwiesen habe.
Hiergegen hat die Klägerin am 19.12.2006 die Klage unter Wiederholung ihres Vorbringens im Verwaltungsverfahren erhoben. Weiter führt sie aus, die Beklagte gehe auf ihre Argumentation im angefochtenen Widerspruchsbescheid nur oberflächlich ein. Entscheidend sei, dass die Behörde trotz Kenntnis einer anderen Rechtslage vorsätzlich einen rechtswidrigen Verwaltungsakt erlassen habe. Dies sei in jedem Fall über § 44 SGB X sanktionierbar. Ihre Honorareinkünfte lägen unter dem Durchschnitt mit 25.950,51 EUR bzw. 29.018,37 EUR. Die Fachgruppe habe durchschnittlich Honorare von 40.809,39 EUR bzw. 44.193,45 EUR erwirtschaftet. Die Beklagte habe ihr Honorar jedoch dennoch um 3.281,01 EUR reduziert.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 20.07.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.12.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Honorarbescheide für die Quartale III und IV/03 aufzuheben und sie über ihren Honoraranspruch für diese beiden Quartale erneut zu bescheiden,
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf ihre Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid und trägt ergänzend vor, die Entscheidung über die Rücknahme erfolge nach pflichtgemäßem Ermessen. Sie habe ihre Ermessensentscheidung mit dem Hinweis auf die hohe finanzielle Belastung der Gesamtvergütung für das laufende Quartal, die mit der Nachvergütung der betreffenden Vertragsärzte eintreten würde und auf den damit zwangsläufig verbundenen Verwaltungsaufwand hinreichend begründet. Es sei nicht entscheidend, ob der rechtswidrige Verwaltungsakt aufgrund eines Behördenfehlers ergangen sei oder ob sich im Nachhinein die Rechtslage verändert habe. Zur Feststellung der Rechtswidrigkeit des früheren Bescheides sei auf die damalige Sach- und Rechtslage unter Berücksichtigung der heutigen Sicht ("geläuterte Rechtsauffassung") abzustellen. Auf ein Verschulden der Behörde komme es nicht an. Es sei daher ohne Bedeutung, ob die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig und damit unverschuldet falsch angewandt habe oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden sei, der sich im Nachhinein als unrichtig erwiesen habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte sowie der Verfahrensakte mit Az.: S 12 KA 601/06, der Gegenstand der Beratungen gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer in der Besetzung mit zwei Vertretern der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -). Sie konnte dies ohne mündliche Verhandlung tun, weil sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 20.07.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.12.2006 war rechtmäßig und daher nicht aufzuheben. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Aufhebung der bestandskräftigen Honorarbescheide für die Quartale III und IV/03.
Zutreffend geht die Beklagte davon aus, dass eine Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes nicht nach § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch, Verwaltungsverfahren – SGB X – aufgehoben werden kann. § 44 Abs. 1 SGB X setzt voraus, dass Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Bei Honoraransprüchen handelt es sich aber nicht um Sozialleistungsansprüche.
Nach § 44 Abs. 2 SGB X kann aber ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen werden. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, von der abzuweichen die Kammer hier keine Veranlassung sah, ist die Entscheidung einer KV, ob sie bestandskräftig gewordene Honorarbescheide zurücknimmt und ggf. Nachvergütungen gewährt, von den Gerichten nur auf Ermessensnichtgebrauch, -fehlgebrauch und Ermessensüberschreitung zu prüfen ist. Dabei hat es das Bundessozialgericht gebilligt, dass eine KV jeweils die finanziellen Auswirkungen im Falle einer gegenüber den betroffenen Ärzten positiven Entscheidung für die Gesamtheit ihrer Mitglieder berücksichtigt und als ausschlaggebend ansieht. Bei einer auf generelle Erwägungen abstellenden Ermessensausübung ist eine KV nicht verpflichtet, als maßgeblichen Gesichtspunkt eine mögliche besondere individuelle Betroffenheit des Arztes zu berücksichtigen. Das Ermessen der KV, ob sie inzwischen als rechtswidrig erkannte Honorarbescheide zurücknimmt und Nachvergütungen leistet, ist nur im atypischen Fall von vornherein im Sinne der Bescheidkorrektur und Nachvergütung vorgeprägt, soweit sie nämlich auf die Entscheidung ihrer Mitglieder, Rechtsmittel einzulegen, direkten oder indirekten Einfluss genommen und für ihre entsprechenden Auskünfte ggf. einzustehen hat (vgl. BSG, Urt. v. 22.06.2005 - B 6 KA 21/04 R – juris Rdnr. 17, 19 und 21 ff. = SozR 4-1300 § 44 Nr. 6 = GesR 2005, 541 = MedR 2006, 223 = Breith 2006, 359 = NZS 2006, 332 = USK 2005-105).
Die Beklagte hat in nicht zu beanstandender Weise ihr Ermessen ausgeübt. Sie hat auf vergleichbare Fälle und die damit einhergehenden finanziellen Belastungen hingewiesen. Wenn sie dies auch in allgemeiner Weise getan hat, so steht dies noch im Einklang mit der genannten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, das diesbezüglich keine allzu hohen Anforderungen aufgestellt hat.
Nach der genannten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist auch nicht nach dem Grund für die Rechtswidrigkeit zu unterscheiden, weshalb die Kammer dem Einwand, die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts beziehe sich auf einen Fall, in dem die Ermächtigungsgrundlage der Honorarbescheide sich im Nachhinein geändert habe, und dem weiteren Einwand, die Beklagte habe die Honorarbescheide nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 10.12.2003 erlassen, nicht zu folgen vermochte. Es ist jedenfalls nicht erkennbar, dass die Beklagte von einer Widerspruchseinlegung abgehalten hätte. Soweit klägerseits von der Richtigkeit des Bescheids der Beklagten hinsichtlich der Vergütung ausgegangen wurde, so ist hierfür auch klägerseitig das Risiko zu tragen.
Nach allem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Der unterlegene Teil hat die Verfahrenskosten zu tragen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den gesetzlichen Vorgaben.
In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach dem sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenen Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitwert für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 5.000,00 EUR anzunehmen (§ 52 Abs. 1 und 2 Gerichtskostengesetz).
Der wirtschaftliche Wert folgt aus den klägerischen Angaben zum noch ausstehenden Honorar. Dies ergab den festgesetzten Wert.
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