S 15 AS 587/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Würzburg (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
15
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 15 AS 587/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klagen werden abgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte seiner außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger ein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von monatlich 61,35 Euro für den Zeitraum von Dezember 2006 bis einschließlich Juni 2007 zusteht.

I.

Der 1964 geborene Kläger bezieht von der Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Am 08.12.2006 beantragte der Kläger daneben bei ihm einen Ernährungsmehrbedarf nach § 21 Abs. 5 SGB II anzuerkennen. Diesbezüglich wurde eine ärztliche Bescheinigung vom 14.12.2006 des Dr. med. H. M., A., vorgelegt. Danach ist der Kläger an Hyperlipidämie und Hypertonie/kardiale oder rhenale Ödeme erkrankt und bedarf der Krankenkost in Form von lipidsenkender natriumdefinierter Kost.

Nach einem Aktenvermerk der Beklagten vom 10.01.2007 über eine Rücksprache mit der Praxis Dr. M. wurde von dort mitgeteilt, dass der Kläger aufgrund von Adipositas die lipdsenkende und natriumdefinierte Kost benötige. Nach einem weiteren ärztlichen Attest des Dr. med. H. M. vom 06.06.2007 leidet der Kläger an Hyperlipidämie und Hypertonie, wiegt 120 kg, ist 1,85 Meter groß und bedarf lipidsenkender bzw. natriumdefinierter Kost.

II.

Mit Bescheiden vom 16.01.2007 und 19.02.2007 wurden dem Kläger von der Beklagten Leistungen nach dem SGB II für den Dezember 2006 bewilligt. Dem Antrag auf Gewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändigere Ernährung wurde dabei nicht entsprochen, da nach Auskunft der Praxis Dr. M. Adipositas (Übergewicht) Ursache für die Erkrankungen sei. Hiergegen legte der Kläger unter dem 30.01.2007 Widerspruch ein und begründete diesen mit Schreiben vom 12.02.2007. Im Hinblick auf seine Erkrankungen an Hyperlipidämie und Hypertonie sei für die lipidsenkende Kost ein Mehrbedarf von 35,79 Euro und für die natriumdefinierte Kost ein Mehrbedarf in Höhe von 25,56 Euro zu gewähren.

Mit Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 19.03.2007 (W 60/07) wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Im Hinblick auf die beim Kläger gegebene Adipositas sei kein Mehrbedarf gegeben. Dies gelte auch dann, wenn gleichzeitig eine Erkrankung an Hyperlipidämie und Hypertonie vorliege.

Hiergegen erhob der Kläger mit Schriftsatz vom 17.04.2007 Klage (Az: S 15 AS 314/07) und beantragte unter dem 18.05.2007:

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger in Abänderung des Änderungsbescheides vom 16.01.2007, in Form des Änderungsbescheides vom 19.02.2007, dieser wiederum in Form des Widerspruchsbescheids vom 19.03.2007, für den Monat Dezember 2006 Krankenkostzulage in Höhe von mo- natlich 61,35 Euro zu bewilligen.

Der Kläger leide an Hyperlipidämie und Hypertonie, wobei keine zwingende Kausalität mit dem vorhandenen Übergewicht bestehe. Der Kläger wolle keine Reduktionskost, sondern eine Umstellung seiner Ernährung erreichen. Andernfalls würde die Verschlechterung seines Gesundheitszustandes drohen. Der anzunehmende erhöhte Aufwand betrage 61,35 Euro monatlich. Darüber hinaus wurde mit weiteren Schriftsätzen auf verschiedene Rechtsprechung verwiesen. Insbesondere sei danach klar gestellt, weshalb dem Begutachtungsleitfaden des Landschaftsverbandes Westfalen/Lippe nicht gefolgt werden könne. Höchst vorsorglich werde auch durch Sachverständigengutachten unter Beweis gestellt, das speziell der Gesundheitszustand des Klägers eine Krankenkost erfordere, die Mehrkosten verursacht.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 10.05.2007 beantragt:

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wurde insbesondere auf den Widerspruchsbescheid verwiesen.

III.

Mit Bescheiden vom 16.01.2007, 19.02.2007, 19.02.2007, 12.03.2007, 14.06.2007 und 23.07.2007 wurden dem Kläger von der Beklagten Leistungen für den Zeitraum von Januar bis einschließlich Juni 2007 bewilligt. Ein Mehrbedarf für kostenaufwändigere Ernährung wurde dabei nicht berücksichtigt.

Der hiergegen gerichtete Widerspruch des Klägers vom 30.01.2007 mit dessen Begründung vom 13.02.2007 wurde mit Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 19.03.2007 (W 62/07) zurückgewiesen.

Der Kläger erhob dagegen mit Schriftsatz vom 17.04.2007 Klage (Az: S 15 AS 315/07) und beantragte unter dem 18.05.2007:

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger in Abänderung des Bescheides vom 16.01.2007, in Form des Änderungsbe- scheides vom 19.02.2007, dieser wiederum in Form des Widerspruchsbescheides vom 19.03.2007, für die Zeit von Januar bis Juni 2007 Krankenkostzulage in Höhe von monatlich 61,35 Euro zu bewilligen.

Die Beklagte beantragte unter dem 10.05.2007:

die Klage abzuweisen.

IV.

Mit Änderungsbescheid vom 07.03.2007 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen nach dem SGB II für den Monat Februar 2007. Ein Mehrbedarf für kostenaufwändigere Ernährung war dort nicht berücksichtigt worden. Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass gegen diesen innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch erhoben werden kann.

Der Kläger erhob dagegen mit Schreiben vom 11.03.2007 Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.04.2007 (W 145/07) als unzulässig zurückwies, da der Bescheid bereits Gegenstand eines anhängigen Widerspruchsverfahrens sei.

Der Kläger erhob dagegen mit Schriftsatz vom 21.05.2007 Klage (Az: S 15 AS 410/07) und beantragte mit Schriftsatz vom 14.06.2007:

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger in Abänderung des Änderungsbescheids vom 07.03.2007, in Form des Widerspruchsbescheids vom 25.04.2007, für den Monat Februar 2007 Krankenkostenzulagen in Höhe von 61,35 Euro zu bewilligen.

Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 25.06.2007:

Die Klage abzuweisen.

V.

Mit Änderungsbescheid vom 21.03.2007 wurden dem Kläger Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum von April bis einschließlich Juni 2007 bewilligt. Dabei fand ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändigerer Ernährung keine Berücksichtigung. Hiergegen wurde mit Widerspruchsbescheid vom 11.07.2007 (B 212/07) zurückgewiesen. Die Rechtsbehelfsbelehrung des Widerspruchsbescheides enthielt den Hinweis, dass gegen die Entscheidung beim Sozialgericht Würzburg Klage erhoben werden kann.

Der Kläger erhob dagegen mit Schriftsatz vom 23.07.2007 Klage (Az: S 15 AS 585/07).

Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 30.08.2007:

Die Klage abzuweisen.

VI.

Mit Änderungsbescheid vom 02.04.2007 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum von Mai bis einschließlich Juni 2007. Dabei fand ein Mehrbedarf für kostenaufwändigere Ernährung keine Berücksichtigung. Hiergegen legte der Kläger unter dem 13.04.2007 Widerspruch ein. Dieser wurde mit Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 11.07.2007 (W 213/07) zurückgewiesen. Die Rechtsbehelfsbelehrung enthielt dabei den Hinweis, dass gegen die Entscheidung Klage zum Sozialgericht Würzburg möglich sei.

Hiergegen legte der Kläger mit Schriftsatz vom 23.07.2007 Klage ein (Az: S 15 AS 586/07).

Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 30.08.2007:

Die Klage abzuweisen.

VII.

Mit Änderungsbescheid vom 10.05.2007 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen nach dem SGB II für den Monat April 2007. Ein Mehrbedarf für kostenaufwändigere Ernährung fand dabei keine Berücksichtigung. Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 21.05.2007 Widerspruch ein. Dieser wurde mit Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 11.07.2007 (W 260/07) zurückgewiesen. Die Rechtsbehelfsbelehrung enthielt dabei den Hinweis, dass gegen die Entscheidung Klage zum Sozialgericht Würzburg möglich sei.

Hiergegen erhob der Kläger mit Schriftsatz vom 23.07.2007 Klage (Az: S 15 AS 587/07).

Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 30.08.2007:

Die Klage zurückzuweisen.

VIII.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 22.10.2007 wurden die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und das Verfahren S 15 AS 587/07 als führend benannt.

Der Kläger beantragte zuletzt:

Die Beklagte wird verpflichtet, für den Zeitraum vom 01.12.2006 bis einschließlich 30.06.2007 einen Mehrbedarfszuschlag für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von 61,35 Euro zu gewähren. Die den streitgegenständlichen Zeitraum betreffenden Bescheide und Widerspruchs- bescheide der Beklagten werden aufgehoben, soweit sie der Entscheidung entgegen stehen. Die Beklagte beantragte:

Die Klage abzuweisen.

Abschließend wird auf den Inhalt der von der Beklagten vorgelegten Leistungsakten des Klägers und den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist ohne Erfolg, da sie teilweise unzulässig, im Übrigen jedenfalls unbegründet ist.

Soweit sich die ursprünglichen Klagen (Az: S 15 AS 410/07, S 15 AS 585/07, S 15 AS 586/07 und S 15 AS 587/07) isoliert gegen die Bescheide der Beklagten vom 07.03.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.04.2007 (W 145/07), den Bescheid vom 21.03.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.07.2007 (W 212/07), den Bescheid vom 02.04.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.07.2007 (W 213/07) und den Bescheid vom 10.05.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.07.2007 (W 260/07) richten, sind sie bereits unzulässig. Alle diesbezüglichen Änderungs- und Widerspruchsbescheide betreffen Zeiträume, die zwischen Januar und Juni 2007 liegen. Sie sind deshalb allesamt bereits gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des ursprünglichen Klageverfahrens gegen den Widerspruch vom 19.03.2007 (W 62/07) mit dem ursprünglichen Aktenzeichen S 15 AS 315/07 geworden, welches mit der Klage vom 17.04.2007 eingeleitet worden ist. Auch wenn die Widerspruchsbescheide vom 25.04.2007, sowie die vom 11.07.2007 allesamt in der Rechtsbehelfsbelehrung darauf hinweisen, dass gegen sie Klage zum Sozialgericht Würzburg möglich ist, führt dies nicht dazu, dass damit die gesetzliche Regelung des § 96 Abs. 1 SGG außer Kraft gesetzt wird. Es verbleibt dabei, dass diese angefochtenen Bescheide kraft Gesetzes Gegenstand des bereits anhängigen Verfahrens geworden sind. Sie waren damit bereits rechtshängig im Sinne von § 94 SGG. Maßgeblich für die Rechtshängigkeit ist bei Anwendung der Vorschrift des § 96 SGG der Zeitpunkt des Erlasses der Bescheide (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 94 Randnr. 3c). Die isolierten Klagen gegen diese Bescheide sind deshalb wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig (vgl. Leitherer a.a.O., m.w.N.).

Im Übrigen erweist sich die Klage als unbegründet, da die angefochtenen Bescheide der Beklagten rechtmäßig sind und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf den von ihm geltend gemachten Mehrbedarf wegen kostenaufwändigerer Ernährung nach § 21 Abs. 5 SGB II.

Streitgegenständlich ist vorliegend das Begehren des Klägers im Hinblick auf eine Bewilligung in Höhe von 61,35 Euro monatlich für seinen Mehrbedarf für die für ihn notwendige lipidsenkende bzw. natriumdefinierte Kost für den Zeitraum vom 01.12.2006 bis einschließlich 30.06.2007.

Nach § 7 Abs. 1 SGB II erhält derjenige Leistungen aus der Grundsicherung für Arbeitsuchende, der das 15. Lebensjahr vollendet hat, erwerbsfähig und hilfebedürftig ist und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat. Hilfebedürftig ist dabei gemäß § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder Trägern anderer Sozialleistungen erhält, wobei das Einkommen des Partners in der Bedarfsgemeinschaft zu berücksichtigen ist (Vgl. § 9 Abs. 2 SGB II). Diese Voraussetzungen sind beim Kläger erfüllt. Insofern hat ihm die Beklagte auch Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Form der Regelleistung und der Leistungen für Unterkunft und Heizung bewilligt.

Allerdings sind die Voraussetzungen des § 21 Abs. 5 SGB II nicht erfüllt. Danach erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigeren Ernährung bedürfen, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Zwar leidet der Kläger wohl unbestritten an Hypertonie und Hyperlipidämie, so dass er ausweislich der ärztlichen Bestätigungen einer lipidsenkenden bzw. natriumdefinierten Kostform bedarf; hierdurch entsteht dem Kläger jedoch kein erhöhter finanzieller Aufwand.

Aus den Gesetzesmaterialien (vgl. BT-Drs. 15/1516/57) ergibt sich, dass hinsichtlich der Art der Erkrankung und der Höhe der Krankenkostzulage, die hierzu vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge entwickelten und an typisierenden Fallgestaltungen ausgerichteten "Empfehlungen für die Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe" herangezogen werden können. Die Einschätzung in diesen Empfehlungen des Deutschen Vereins stammen aus dem Jahre 1997. Diese wurden in der Folgezeit auch teilweise von den Gerichten beachtet (vgl. z.B. LSG Sachsen, Beschluss vom 26.01.2006 - L 3 B 299/05 AS ER; LSG Niedersachen-Bremen, Beschluss vom 27.10.2006 - L 8 SO 164/06 ER). In den Empfehlungen werden Krankenkostzulagen bei erforderlicher lipidsenkender bzw. natriumdefinierter Kost für grundsätzlich notwendig gehalten. Dieser Einschätzung ist auch die Kommentarliteratur teilweise gefolgt (vgl. z.B. Münder in LPK-SGB II, 2. Aufl., § 21 Randnr. 29). Die Bezugnahme des Gesetzgebers auf diese Empfehlungen haben diese zu einer Art antiziperten Sachverständigengutachten gemacht (vgl. dazu Bayer. LSG, Urteil vom 31.08.2006 - L 7 AS 86/06; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23.06.2006 - L 20 B 109/06 AS; Münder, a.a.0., § 21 Randnr. 28). Darunter ist ein Gutachten zu verstehen, das nicht im Rahmen der Beweisaufnahme eines konkreten Prozesses eingeholt wird, sondern im Vorhinein erstellt worden ist und in genereller Form Antwort auf eine bestimmte Tatsachenfrage gibt, also eine Art Beweisregel darstellt, nicht aber eine quasi-normative Bindung für die Gerichte erzeugt (vgl. Bayer. LSG, Beschluss vom 30.05.2007 - L 7 B 204/07 AS ER, m.w.N.).

Dem ist jedoch dann nicht mehr zu folgen, wenn das Gericht aufgrund inzwischen vorliegender, neuerer Erkenntnisse und Stellungnahmen davon ausgehen kann, dass die beschriebenen, notwendigen Kostformen keinen Mehrbedarf mehr begründen, da bei ihnen kein finanzieller Mehrbedarf notwendig ist. Davon geht das Gericht vorliegend aus.

Im Hinblick auf die Hyperlipidämie (Erhöhung der Blutfettwerte) ist nach Auffassung des Begutachtungsleitfadens für den Mehrbedarf bei krankheitsbedingter kostenaufwändiger Ernährung (Krankenkostzulagen) gemäß § 23 Abs. 4 BSHG (jetzt § 30 Abs. 5 SGB XII) des Arbeitsausschusses der Sozialdezernenten Westfalen-Lippe (im Folgenden Begutachtungsleitfaden) auf S. 12 eine lipidsenkende Kost erforderlich, d.h. eine deutliche Verminderung des Verzehrs von Fetten, vor allem von tierischen wie in Wurst und Fleisch, im Austausch mit pflanzlichen Fetten bei vergleichsweise hohem Ballaststoff- und Kohlehydratanteil; bei Übergewicht ist eine Gewichtsnormalisierung erforderlich mit einer nicht kostenaufwändigeren Reduktionskost. Diesbezüglich würden durch eine entsprechende Diät keine Mehrkosten entstehen. Bezüglich der Hypercholesterinämie verweist das Bayer. LSG (a.a.O.) auf Pschyrembel, Therapeutisches Wörterbuch, 1998, S. 313 und Pollack, Knaus Großes Gesundheitslexikon, 1999, S. 193, wonach zumeist durch eine fettarme Kost der Erkrankung entgegengewirkt werden könne. Diese Erkenntnisse macht sich das Gericht zu Eigen. Sie zeigen, dass die krankheitsangepasste Ernährung des Klägers kein Hinzuführen bestimmter Stoffe, sondern vielmehr ein Vermeiden von zum Teil vergleichsweise teuren Lebensmitteln (z.B. Alkohol, Fleisch), erfordert (s. auch Bayer. LSG, a.a.O.). Hinzu kommt, dass die die zur Gesunderhaltung allen Bevölkerungskreisen empfohlene Vollkost im Regelsatz enthalten ist, dessen Höhe auch verfassungsgemäß ist (vgl. BSG, Urteil vom 23.11.2006 - B 11 b AS 1/06 R; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 26.02.2007 - L 6 AS 71/07 ER). Dieses Ergebnis ist auch mit der allgemeinen Lebenserfahrung vereinbar, dass sich fettarme Kost nicht nur durch sog. Diätlebensmittel, sondern auch durch die Auswahl solcher Lebensmittel sicherstellen lässt, die nicht mehr kosten als vergleichbare Lebensmittel mit höherem Gehalt an Fett etc. (vgl. hierzu ausführlich SG Aachen, Urteil vom 07.11.2006 - S 11 AS 109/06). Bestes Beispiel hierfür wäre z.B. der Kauf von Magerquark anstelle fettreichem Quark oder fettarmer Milch statt Vollmilch.

Im Hinblick auf die beim Kläger bestehende Hypertonie wird eine Gewichtsreduktion, das Meiden von Nikotin und Alkohol, körperliche Aktivität sowie ausreichener Schlaf empfohlen (vgl. Bayer. LSG, a.a.O. mit Verweis auf Pschyrembel, a.a.O., S. 323; Forster in Münch/Reitz, Grundlagen der Krankheitslehre, 1996, S. 377; Pollack, a.a.O., S. 308 ff). Im Begutachtungsleitfaden, S. 13 f, wird ausgeführt, dass eine Ernährung mit mäßig reduzierter Kochsalzzufuhr, mit üblichen Lebensmitteln möglich sei und hieraus keine Mehrkosten entstünden. Weiter sei geboten, das Körpergewicht zu normalisieren und den Alkoholkonsum einzuschränken.

Bezüglich dieser Problematik des Mehrbedarfs für eine natriumdefinierte Kost bei Hypertonie hat das Hessische Landessozialgericht (Urteil vom 21.08.2007 - L 6 AS 97/07) eine Auskunft beim Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. eingeholt. Diesbezüglich wird dort ausgeführt:

"Weiter gebietet die von dem Senat eingeholte Auskunft des Deutschen Vereins vom 22.06.2007 keine andere Sicht der Dinge. Dieser hat ausgeführt, eine natriumdefinierte Kost sei eine Variante der Vollkost in überwiegend vegetarischer Form. Ob in der für 2008 zu ewartenden Überarbeitung der Empfehlungen bei Hypertonie künftig eine Vollkost empfohlen werde und ob diese kostenaufwändiger sei, bleibe den weiteren Prüfungen vorbehalten. Damit bleibt zwar eine Änderung der Empfehlungen im Falle von Hypertonie-Erkrankungen offen, jedoch ist der Auskunft zu entnehmen, dass eine "natriumdefinierte" Kost lediglich eine Variante der Vollkost in überwiegend vegetarischer Form darstellt. Eine Vollkost kann jedoch nicht als Diät angesehen werden. Vielmehr handelt es sich dabei um eine ausgewogene Mischkost, wie sie für jeden Menschen empfehlenswert ist. Ob hieraus ein Mehrbedarf erwachsen kann, ist zumindest zweifelhaft. Im Ergebnis sind die Ausführungen des Deutschen Vereins jedenfalls nicht geeignet, einen tatsächlichen krankheitsbedingten Mehrbedarf des Klägers zu bestätigen."

Nach alledem ist das Gericht aufgrund der ihm vorliegenden Erkenntnisquellen der Auffassung, dass auch für die natriumdefinierte Kost, wie sie beim Kläger notwendig ist, keine Mehrkosten anfallen.

Da damit weder im Hinblick auf die erforderliche natriumdefinierte Kost als auch bezüglich der lipidsenkenden Kost die Ernährung des Klägers kostenaufwändiger erscheint, kann auch ein Mehrbedarf nach § 21 Abs. 5 SGB II nicht bewilligt werden. Lediglich ergänzend ist auch darauf hinzuweisen, dass die im Falle des Klägers im Hinblick auf die bei ihm bestehende Adipositas gebotene Reduktionskost bei einer angenommenen Energiezufuhr von 1000 kcal täglich vielmehr sogar einen Differenzbetrag von 24,03 Euro ergibt, der erspart wird (vgl. SG Dresden, Beschluss vom 30.08.2006 - S 23 AS 1372/06 ER mit Verweis auf die Empfehlungen des Deutschen Vereins, S. 36).

Die Klagen sind insoweit unbegründet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG. Hierbei sind vorliegend auch die besonderen Umstände des Einzelfalls zu be- rücksichtigen, da teilweise die beim Kläger angefallenen Kosten von der Beklagten veranlasst worden sind (vgl. dazu auch Meyer-Ladewig/Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 193 Randnr. 12b). Insofern hat die Beklagte durch die hier teilweise falsch erteilten Rechtsbehelfsbelehrungen dazu Grund gegeben, dass der Kläger auch gegen die Widerspruchsbescheide explizit Klage erhoben hat, die bereits gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand eines laufenden Verfahrens geworden sind. Insofern muss sich der Kläger auf die Richtigkeit der ihm erteilten behördlichen Rechtsbehelfsbelehrungen verlassen können, was auch dann gilt, wenn er sich von einem Rechtsanwalt vertreten lässt (vgl. dazu Bay. VGH, BayVBl. 1974, 537). Sofern aufgrund dieser unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung ein unzutreffender Rechtsbehelf eingelegt wird, so können diese dadurch entstehenden Kosten nicht dem Kläger auferlegt werden. Da der Zeitraum der Widersprüche, gegen die eine weitere Klage nicht zulässig war, zusammengezählt sieben Monate umfasst und demgegenüber auch der bereits rechtshängige Zeitraum (Dezember 2006 bis Juni 2007) sieben Monate umfasst hat, ist eine Kostenverteilung zu je 1/2 angemessen.

Die Berufung war vorliegend gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Nach wie vor erscheint es aus Sicht des Gerichts obergerichtlich ungeklärt, ob im Hinblick auf die Bewilligung eines Mehrbedarfs für Ernährung gemäß § 21 Abs. 5 SGB II zwingend den Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V. zu folgen ist oder nicht vielmehr - wie es das Gericht hier getan hat - neuere Erkenntnisquellen zugrunde zu legen sind.
Rechtskraft
Aus
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