L 10 AS 5/05

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Schleswig (SHS)
Aktenzeichen
S 9 AS 339/05
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AS 5/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 18. Oktober 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Freibetrag auf Nebeneinkommen aus dem Monat Dezember 2004, das bereits auf den Anspruch des Klägers auf Arbeitslosenhilfe (Alhi) angerechnet wurde, auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Monat Januar 2005 anzurechnen ist.

Der 1959 geborene ledige Kläger bezog im Dezember 2004 Alhi von der Bundesagentur für Arbeit (BA). Für denselben Monat erzielte er Nebeneinkommen in Höhe von 386,02 EUR, das im Januar 2005 ausgezahlt wurde. Hiervon rechnete die BA nach Abzug eines Freibetrages in Höhe von 165,00 EUR sowie eines Betrages von 18,90 EUR für Steuern, Sozialversicherung und Werbungskosten nachträglich 202,12 EUR auf die Alhi an (Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der BA vom 15. März 2005).

Mit Bescheid vom 12. November 2004 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 30. Juni 2005 in Höhe von 475,57 EUR. Der Betrag setzte sich zusammen aus dem Regelsatz (345,00 EUR) sowie Unterkunftskosten von 359,03 EUR, Gesamtbedarfssumme somit 704,04 EUR, abzüglich Erwerbseinkommens in Höhe von monatlich 228,46 EUR. Die Unterkunftskosten wurden später auf 383,87 EUR erhöht, so dass sich eine Gesamtbedarfssumme von 728,47 EUR errechnete. Mit Bescheid vom 8. März 2005 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass von dem im Januar 2005 zugeflossenen Nebeneinkommen für Dezember 2004 beim Arbeitslosengeld (Alg) II nur der Pauschalbetrag von 165,00 EUR, der bei der Alhi als Freibetrag gegolten habe, anzurechnen sei, weil das Erwerbseinkommen aus Dezember 2004 bereits bei der Alhi angerechnet worden sei. Für Januar 2005 ergebe sich insoweit eine Nachzahlung von 113,71 EUR. Hiergegen legte der Kläger am 14. März 2005 Widerspruch ein und machte geltend, dass von den 165,00 EUR – wenn die Anrechnung dieses Betrages zu Recht erfolgt sei - zumindest Werbungskosten in Höhe von 15,33 EUR abgesetzt werden müssten. Im Übrigen sei die von dem Beklagten vorgenommene Berechnung nicht nachvollziehbar. Mit Änderungsbescheid vom 20. April 2005, der Gegen¬stand des Widerspruchsverfahrens wurde, setzte der Beklagte soweit hier von Interesse – die Leistungen für Januar 2005 auf 635,47 EUR fest und führte aus, dass von dem im Januar 2005 zugeflossenen Erwerbseinkommen (165,00 EUR) die Werbungskostenpauschale (15,33 EUR), eine Fahrkostenpauschale (10,26 EUR), eine Versicherungspauschale (30,00 EUR) sowie der Freibetrag nach § 30 SGB II in Höhe von 16,41 EUR abgesetzt worden sei. Das anzurechnende monatliche Gesamteinkommen für Januar 2005 betrage 93,00 EUR. Hieraus errechnete der Beklagte – ausgehend von dem Gesamtbedarf von 728,47 EUR – den Auszahlungsbetrag von 635,47 EUR. Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 2005 wies der Beklagte den auch nach Erlass des Änderungsbescheides aufrecht erhaltenen Widerspruch unter Wiederholung und Vertiefung der Gründe der vorausgegangenen Bescheide als unbegründet zurück.

Der Kläger hat am 8. Juni 2005 bei dem Sozialgericht (SG) Schleswig Klage erhoben und zur Begründung ausgeführt: Dadurch, dass die BA für Dezember 2004 sein Nebeneinkommen mit Ausnahme des Freibetrages von 165,00 EUR auf die Alhi angerechnet habe und nunmehr beim Alg II auch der Freibetrag angerechnet werde, erfolge faktisch eine doppelte Verwertung dieses Nebeneinkommens. Dies sei rechtswidrig, weil ihm ein angemessener Teil des Nebeneinkommens als "Reinerlös" verbleiben müsse. Der Freibetrag habe den Sinn, einen finanziellen Anreiz zur Beibehaltung bzw. Aufnahme auch einer nicht bedarfsdeckenden Erwerbstätigkeit zu schaffen. Derjenige, der arbeite, solle auch am Monatsende mehr haben als der, der trotz Erwerbsfähigkeit untätig bleibe (BT-Drucks. 15/1516 S. 59). In Bezug auf Leistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) habe die Gesetzesstruktur eine Doppelanrechnung von Erwerbseinkommen verhindert (§§ 141 und 194 SGB III a.F.). Insoweit müsse er Bestands- und Vertrauensschutz geltend machen. Dass der Gesetzgeber bei der Einführung des Alg II eine entsprechende Übergangsregelung versäumt habe, könne ihm nicht angelastet werden.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, unter Änderung des Bescheides vom 8. März 2005 sowie des Änderungsbescheides vom 20. Ap¬ril 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Monat Januar 2005 ohne Anrechnung des Freibetrages aus Dezember 2004 in Höhe von 165,00 EUR als Einkommen zu gewähren.

Der Beklagte hat unter Bezugnahme auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach mündlicher Verhandlung am 18. Oktober 2005 hat das SG die Klage mit Urteil vom selben Tage unter Zulassung der Berufung abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei zulässig, aber nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide in Gestalt des Widerspruchsbescheides seien rechtmäßig. Der Beklagte habe zu Recht den Freibetrag des Klägers aus dem Nebeneinkommen im Dezember 2004 in Höhe von 165,00 EUR (93,00 EUR nach Abzug der abzusetzenden Beträge) als Einkommen bei der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts angerechnet. Dies entspreche §§ 9, 11 und 13 SGB II i.V.m. den Bestimmungen der nach § 13 SGB II erlassenen Verordnung. Die Kammer halte die genannten Vorschriften für verfassungskonform. Eine Doppelanrechnung liege nicht vor, weil der Freibetrag von 165,00 EUR auf die Alhi gerade nicht angerechnet worden sei. Dass dieser Freibetrag nunmehr im Rahmen der Leistungsberechnung nach dem SGB II Berücksichtigung finde, sei nicht zu beanstanden. Dem Gesetzgeber stehe es frei, neue Gesetze mit neuen Regelungssystemen zu schaffen. Vor dem Hintergrund, dass es sich beim Alg II um eine steuerfinanzierte, subsidiäre Sozialleistung handele, könne er auch die hilferechtlichen Leistungsvoraussetzungen festlegen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber zur Abwendung besonderer Härten bei der Zusammenlegung von Sozial- und Arbeitslosenhilfe durchaus Übergangsregelungen getroffen habe. Auch sei im Gesetzgebungsverfahren intensiv diskutiert worden, ob allgemein die Ende Dezember 2004 gezahlte Alhi im Januar 2005 als Einkommen auf das Alg II angerechnet werden solle. Ein entsprechender Regelungsentwurf sei letztlich fallen gelassen worden. Vor diesem Hintergrund bestünden an der Verfassungsmäßigkeit der hier maßgeblichen Regelungen keine Bedenken. In den nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts garantierten Mindesterhalt des wirtschaftlichen Erfolges werde nicht eingegriffen.

Gegen diese seinem Prozessbevollmächtigten am 27. Oktober 2005 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 7. November 2005 bei dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht (LSG) eingelegte Berufung des Klägers.

Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein erstinstanzliches Vorbringen und nimmt Bezug auf eine Entscheidung des SG Magdeburg vom 7. Juni 2005, S 27 AS 36/05, veröffentlicht in juris, und führt aus, dass das SG Magdeburg einen ähnlich gelagerten Fall zugunsten des Leistungsempfängers entschieden habe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 18. Oktober 2005 aufzuheben, den Bescheid vom 8. März 2005 sowie den Änderungsbescheid vom 20. April 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2005 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Monat Januar 2005 ohne Anrechnung des Freibetrages aus Dezember 2004 in Höhe von 165,00 EUR als Einkommen zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er stützt das angefochtene Urteil.

Dem Senat haben die den Kläger betreffenden Verwaltungsvorgänge des Beklagten und die Gerichtsakten vorgelegen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird hierauf Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist trotz Nichterreichung des Beschwerdewertes (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) wegen der vom SG ausgesprochenen Zulassung statthaft und auch sonst zulässig.

In der Sache hat die Berufung allerdings keinen Erfolg. Das SG hat zu Recht und aus zutreffenden Gründen entschieden, dass die angefochtenen Bescheide rechtmäßig sind. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Monat Januar 2005 ohne Anrechnung des Freibetrages aus Dezember 2004 in Höhe von 165,00 EUR als Einkommen. Der Senat folgt nach eigenständiger Überprüfung im Berufungsverfahren vollinhaltlich der vom SG zur Begründung seiner Entscheidung vertretenen Rechtsauffassung, stellt dies hiermit ausdrücklich fest und weist die Berufung in Anwendung von § 153 Abs. 2 SGG aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück. Ergänzend macht der Senat sich zur Vermeidung von Wiederholungen die nicht zu beanstandenden Gründe des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2005 zu Eigen (vgl. § 136 Abs. 3 i.V.m. § 153 Abs. 1 SGG). Entscheidend ist zur Überzeugung des Senats, dass der Kläger im Dezember 2004 einerseits und im Januar 2005 andererseits zwei ihrer Art nach unterschiedliche Sozialleistungen bezogen hat, die im Hinblick auf die Anrechnung von (Neben-)Einkommen jeweils eigenen Regeln folgen. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Freibetrag von 165,00 EUR auf die Alhi gerade nicht angerechnet worden ist, so dass eine unzulässige Doppelanrechnung insoweit nicht vorliegt. Aufgrund des dem Gesetzgeber eingeräumten weiten Gestaltungsspielraums begegnet es auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten – keinen Bedenken, dass die für die Anrechnung von Nebeneinkommen auf die Alhi geltenden Bestimmungen nicht inhaltsgleich in die für das Alg II geltenden Vorschriften übernommen worden sind. Ebenso wenig ist es zu beanstanden, dass für die Alhi auf den Zeitpunkt der Erarbeitung des Nebenseinkommens abgestellt wurde (vgl. § 141 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 198 Satz 2 Nr. 6 SGB III a.F.), während für das Alg II der Zeitpunkt des Zuflusses entscheidend ist (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Alg II/Sozialgeld).

Soweit der Beklagte von den 165,00 EUR den im Tatbestand beschriebenen Abzug der Absetzbeträge nach § 11 Abs. 2 SGB II einschließlich des Betrages nach § 30 SGB II vorgenommen hat, ist dies nach Grund und Höhe rechtmäßig. Fehler sind insoweit nach Erlass des Änderungsbescheides vom 20. April 2005 und des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2005 auch von dem Kläger nicht mehr geltend gemacht worden. Dass die im Ausgangsbescheid vom 8. März 2005 beschriebene Nachzahlung rechnerisch nicht nachvollziehbar war, bedarf nach den Korrekturen im Widerspruchsverfahren keiner Vertiefung.

Die in der Berufungsbegründung erwähnte Entscheidung des SG Magdeburg veranlasst den Senat zu keiner anderen Beurteilung, zumal diese Entscheidung zu der maßgeblichen Frage, ob Nebenverdienst in Höhe des für Dezember 2004 bei der Alhi-Gewährung berücksichtigte Freibetrags als Einkommen auf die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II im Januar 2005 anzurechnen ist, nach Auffassung des Senats keine überzeugende Begründung enthält.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG.

Der Senat hat keinen Anlass gesehen, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
Saved