Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Landshut (FSB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 4 KR 198/07 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung bis zu einer vollstreckbaren Entscheidung in der Hauptsache vorläufig untersagt, ihre Versicherten dahin zu beeinflussen, Arzneimittel und/oder sonstige Waren bei der "E. A. V. Versandapotheke (EAV)" zu beziehen und dafür in schriftlicher und/oder elektronischer Form oder in sonstiger Weise zu werben.
II. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
III. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
IV. Der Streitwert beträgt 1.250,00 Euro (eintausendzweihundertfünfzig Euro).
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Antragsgegnerin rechtmäßig schriftlich und in sonstiger Art und Weise in ihrer Werbung und in ihren Informationen über die Inanspruchnahme der Versandapotheke E. Apotheke V. wirbt und informiert und damit ihre Versicherten beeinflusst, Arzneimittel und/oder sonstige Waren bei dieser namentlich benannten Apotheke zu beziehen.
Der Antragsteller ist Apotheker und Inhaber der "R.-Apotheke" in H ... Zum Kundenstamm dieser Apotheke gehören nach den Angaben des Antragstellers viele chronische Kranke, wie z.B. Krebspatienten, depressive, an Demenz leidende Patienten und Rheumapatienten, vor allem aber Diabetiker, welche der Antragsteller schwerpunktmäßig betreut. Der Antragsteller ist im Besitz einer Versandhandelserlaubnis nach § 11a Apothekengesetz (ApoG). Zudem ist der Antragsteller Mitglied im Bayerischen Apothekerverband e.V. (BAV) und dessen Vorsitzender.
Bei der Antragsgegnerin handelt es sich um eine Ersatzkasse. Die Antragsgegnerin ist Mitglied im Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V. (VdAK).
Die Antragsgegnerin weist in ihren Verlautbarungen in Rundbriefen, im Internet und auch in ihrer Zeitschrift "Aktuell" auf eine in den Niederlanden ansässige Versandapotheke, die E.- Apotheke V. (EAV) hin.
Der Antragsteller hat - hinsichtlich der Tatsachen von der Antragsgegnerin als unstrittig akzeptiert - in seiner Antragsschrift vom 31.07.2007 im Wesentlichen vorgetragen: (Zitatbeginn): Dem Kläger (hier: Antragsteller) sind von verunsicherten KKH-Versicherten Schreiben der Beklagten (hier: Antragsgegnerin) übergeben worden. Wie man aus dem Eingangssatz schließen kann, richtet sich das Schreiben in erster Linie an Versicherte, die "regelmäßig auf Medikamente angewiesen sind". Mit diesem Schreiben macht die Beklagte auf die EAV als "Kooperationspartner" aufmerksam und fordert die Adressaten zum Bezug von Arzneimitteln bei dieser Apotheke auf. Wie der Kläger überdies erfahren hat, sind solche Werbeschreiben Teil einer oder sogar mehrerer groß angelegten Serienbriefkampagnen der Beklagten, welche zur Zeit bundesweit stattfinden, offenkundig zentral aus H. gesteuert sind, aber von den einzelnen Dienststellen der Beklagten durchgeführt werden: Als Anlagenkonvolut überreichen wir eine Reihe solcher Schreiben in Kopie. Sie stammen zwar von unterschiedlichen "Serviceteams" der Beklagten (Landshut, München-Mitte, Würzburg, Nürnberg, Augsburg), sind aber wörtlich identisch. Die Beklagte äußert sich dort jeweils unter dem Betreff "Arzneimittel bequem, sicher und preiswert bestellen" zu dem Angebot der EAV, welche als "Kooperationspartner" der KKH jeweilige Adressat "profitieren", denn es weise "viele Vorteile" auf. Als derartige Vorteile werden sodann ein Bonussystem der EAV, ein "exklusiver Online-Rabatt" bei freiverkäuflichen Produkten, "Preisvorteile bis zu 40 %" bei "saisonalen Sonderangeboten", bestimmten Serviceleistungen und die "Lieferung innerhalb von 3 Werktagen" hervorgehoben. Dem Schreiben sind jeweils ein ausführlicher Werbeflyer und ein Freiumschlag beigefügt. Jeder dieser Serienbriefe endet mit den Worten: "Wir freuen uns, wenn Sie von dieser Kooperation profitieren und die Vorteile nutzen".
Durch einen entsprechenden Hinweis in der bereits ergänzten Werbebroschüre (Anlage K 3) ist der Kläger auf eine weitere Werbemaßnahme der Beklagten für die EAV aufmerksam gemacht worden: Die Beklagte präsentiert sie im Internet auf ihrer Homepage unter www.kkh.de/eav eine "Gesundheitsakte mit MedikamentenSHOP", die sich ebenfalls mit dem Warenangebot der EAV und den aus der Sicht der Beklagten vorzugswürdigen Konditionen dieses Unternehmens befassen: Über die genannte Adresse gelangt man auf die Internetseite http://www.kkh.de/detaiLcfm?paQeid=622. Dort ist ein Text publiziert, in dem die Beklagte besondes betont, die EAV als Kooperationspartner nach Qualitätsgesichtspunkten sorgfältig ausgewählt zu haben. Ähnlich wie in den eingangs erwähnten Serienbriefen, doch noch ausführlicher, preist sie auch hier das Angebot der EAV unter Hervorhebung angeblich besonderer Vorteile für KKH-Versicherte an. Ein weiteres besonderes Kennzeichen dieser Internetwerbung für die EAV ist die erleichterte Aufnahme eines Kontakts und einer Geschäftsbeziehung zu dieser Versandapotheke: Der Versicherte soll "Kostenlose Info-Sets rund um die Bestellung bei der EAV ... in Ihrem KKH-Zentrum" erhalten. Außerdem hat er die Möglichkeit, vom sogenannten "Medikamenten- SHOP", welcher über das "Versichertenportal" "der Homepage zugänglich ist, direkt Bestellungen bei der EAV aufzugeben. Wörtlich lautet ihr Angebot hierzu: Innerhalb des Versicherten-Portals führt Sie ein Klick auf "Gesundheitsakte mit MedikamentenSHOP und dann Arzneimittel bestellen" direkt zum "Shop der EAV". Diejenigen Versicherten, die dieses Angebot nutzen und eine Geschäftsbeziehung zur EAV aufnehmen, müssen also die Homepage der Beklagten gar nicht mehr verlassen, sondern werden von dort unmittelbar zur EAV geführt.
Dem Kläger ist vor wenigen Tagen außerdem die als Anlage K 7 auszugsweise in Kopie beigefügte Zeitschrift "AKTIV", Ausgabe 03/2007, zur Kenntnis gelangt. Bei diesem Blatt handelt es sich offenbar um eine Mitgliederzeitung der Beklagten. Auch dort bemüht sich die Beklagte intensiv darum, die EAV zu präsentieren in ihren Kunden den Wareneinkauf dort nahezulegen. Zu diesem Zweck ist auf Seite 7 der Zeitschrift ein ganzseitiges Inserat der EAV abgedruckt. Es ist zwar als Anzeige gekennzeichnet, doch bemerkenswerterweise handelt es sich um das einzige Inserat eines Leistungserbringers in dieser Zeitung. Ergänzend ist auf Seite 25 ein redaktioneller Artikel abgedruckt. Dort wird auf einen "Exklusivrabatt bei Onlinebestellungen" hingewiesen. Ihre Begeisterung über das Angebot der EAV betont die Beklagte gleich im ersten Satz: "KKH-Versicherte, die Medikamente über den MedikamentenSHOP der E. Apotheke V. im KKH-Versicherten-Portal (www.kkh.de/vportal) bestellen, profitieren jetzt doppelt." Anschließend wird auf einen zusätzlichen "Exklusivrabatt" hingewiesen, einen Fünf-Euro-Gutschein, den jeder Kunde "bei Onlinebestellungen frei verkäuflicher Produkte" erhält. (Zitatende).
Der Antragsteller hat gegen die Antragsgegnerin gleichlautende Klage zum Sozialgericht Landshut erhoben (S 4 KR 200/07) und geltend gemacht, der Antragsgegnerin solle untersagt werden, ihre Versicherten dahin zu beeinflussen, Arzneimittel und/oder sonstige Waren bei bestimmten, namentlich benannten Apotheken zu beziehen und dafür in schriftlicher und/oder elektronischer Form oder in sonstiger Weise zu werben.
Der Antragsteller beantragt, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung bis zu einer vollstreckbaren Entscheidung in der Hauptsache vorläufig zu untersagen, ihre Versicherten dahin zu beeinflussen, Arzneimittel und/oder sonstige Waren bei der "E. Apotheke V. Versandapotheke (EAV) zu beziehen und dafür in schriftlicher und/oder elektronischer Form oder in sonstiger Weise zu werben.
Er beantragt weiter, der Antragsgegnerin für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung ein Ordnungsgeld bis zu Euro 250.000 und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu sechs Monaten anzudrohen.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzuweisen.
Sie macht geltend, der von dem Antragsteller in seinem Schriftsatz vom 31.07.2007 unter I. (Seiten 3-5) beschriebene Sachverhalt sei unstreitig. Es fehle aber für eine einstweilige Anordnung ein Rechtsschutzbedürfnis, weil der Antragsteller es unterlassen habe, den nunmehr gerichtlich geltend gemachten Unterlassungsanspruch zunächst einer außergerichtlichen Einigung zuzuführen. Zudem seien die Grenzen der sachlichen und neutralen Information nicht überschritten. Des Weiteren sei der Ausgang der Unterlassungsklage (§ 54 Abs.1 SGG) im Hauptsacheverfahren offen, es lasse sich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht klären, wann die Grenzen der sachlichen und neutralen Information überschritten würden. Zudem bestünden erhebliche Zweifel, ob sich der Antragsteller auf Artikel 12 GG (Grundrecht auf Berufsausübungsfreiheit) berufen könne. Auch könne ein Anordnungsgrund nicht damit begründet werden, dass eine Reihe von Versicherten der Antragsgegnerin bereits zur E. Apotheke V. gewechselt seien und vom Antragsteller nicht mehr zurück gewonnen werden könnten und dass das Marktsegment der Versandapotheken schon kurz- oder mittelfristig deutlich ausgedehnt werde mit der Folge, dass dem Antragsteller dadurch zwangsläufig Umsatz- und Gewinneinbußen entstünden, denen nicht allein mit einer Klage in der Hauptsache begegnet werden könne. Eine Dringlichkeit bestehe auch deswegen nicht, weil der Antragsteller als Vorsitzender des Verbandes ein gerichtliches Verfahren in seiner Funktion als Apotheker gegen die Antragsgegnerin einleitet und er das Rechtsschutzverfahren offensichtlich als Fortführung der außergerichtlichen Auseinandersetzung mit dem Bayerischen Apothekerverband e.V. ansehe.
II.
Der Hauptantrag ist zulässig. Insbesondere war eine vorgerichtliche Geltendmachung des Unterlassungsbegehrens nicht erforderlich. Selbst wenn diese Zulassungsvoraussetzung im vorliegenden Rechtsstreit gegeben wäre, wäre sie erfüllt, da die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 02.07.2007 die Abgabe einer Unterlassungserklärung abgelehnt hat. Diese Ablehnung erfolgte zwar in der Auseinandersetzung mit dem bayerischen Apothekerverband. In seiner Funktion als Vorsitzender hatte der Antragsteller aber in zulässiger Weise Kenntnis des rechtlichen Standpunktes der Antragsgegnerin.
Der Antrag ist auch begründet.
Nach § 86 Abs.2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig ist.
Das ist immer dann der Fall, wenn ohne den vorläufigen Rechtsschutz schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache im Fall des Obsiegens nicht mehr in der Lage wäre (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 19. Oktober 1977, 2 BvR 42/76, BVerfGE 46, 166, 179 184).
Steht dem Antragsteller ein von ihm geltend gemachter Anspruch voraussichtlich zu und ist ihm nicht zuzumuten, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten, ist der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes begründet.
Eine aus Gründen der Gewährung effektiven Rechtsschutzes gebotene Vorwegnahme der Hauptsache im einstweiligen Verfahren ist jedoch nur dann zulässig, wenn dem Antragsteller ohne den Erlass der einstweiligen Anordnung unzumutbare Nachteile drohen und für die Hauptsache hohe Erfolgsaussichten prognostiziert werden können (LSG Nds., Beschluss vom 08. September 2004, L 7 AL 103/04 ER).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.
Ein Anordnungsgrund liegt vor, da den Antragstellern ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung Umsatzeinbußen drohen, die nach Aufbau einer Geschäftsbeziehung zu einer Versandapotheke aller Voraussicht nach nicht mehr rückgängig gemacht werden können.
Auch ein Anordnungsanspruch ist vorliegend festzustellen, da die Antragsgegnerin verpflichtet ist, jedes Verhalten zu unterlassen, dass gegen den Arzneilieferungsvertrag in der Fassung vom 01.07.2005 verstößt. Mit den Antragstellern geht auch das Gericht davon aus, dass die Rundbriefe, die Internetwerbung und die Zeitschriftenveröffentlichung der Antragsgegnerin einen Verstoß gegen § 7 Abs.1 des Arzneilieferungsvertrages darstellt.
Diese Norm lautet: "Die Versicherten oder Vertragsärzte dürfen weder von den Apotheken zu Lasten der Ersatzkassen noch von den Ersatzkassen nicht zugunsten bestimmter Apotheken/Lieferanten beeinflusst werden. Dies bezieht sich auch auf die Zuweisung von Verordnungen an einzelne Apotheken/Lieferanten".
Nach dieser Regelung wird zwischen den Vertragspartnern ein Verbot der Beeinflussung vereinbart. Eine Information der Versicherten oder Vertragsärzte ist danach nicht ausgeschlossen. Von Information kann aber nur ausgegangen werden, wenn über bestimmte Tatsachen sachlich und neutral informiert wird. Demgegenüber liegt eine unzulässige Beeinflussung vor, wenn eine Krankenkasse über bestimmte Versorgungsangebote nicht sachlich und neutral informiert sondern diese Angebote in werblicher Form anpreist.
Diese Differenzierung beruht auf der Rechtsprechung des Hessischen LSG (Beschluss vom 30.04.2007, Az: L KR 199/06 ER) und des Hamburgischen LSG (Urteil vom 01.08.2007, Az: L 1 KR 16/06), der das erkennende Gericht in eigener Überzeugung folgt (so auch: Sozialgericht Hannover, Beschluss vom 21.11.2007, Az: S 19 KR 401/07 ER).
Die Rundbriefe und die Zeitungsartikel der Antragsgegnerin sind vorliegend als unzulässige Werbung zu qualifizieren. Denn die Versicherten werden nicht sachlich und neutral informiert, sondern vielmehr gezielt dahin gehend beeinflusst, die Angebote des Kooperationspartners der Antragsgegnerin als besonders attraktiv in Anspruch zu nehmen.
Eine unzulässige Beeinflussung liegt ferner in der Übersendung von Werbematerial (Flyer), da hieraus die Absicht der Antragsgegnerin erkennbar wird, eine über eine neutrale Information hinausgehende Steuerung des Kundenkreises vorzunehmen.
Gleiches gilt auch für die Kooperationsdarstellung im Internetauftritt der Antragsgegnerin.
Hinsichtlich des Hauptbegehrens war dem Antrag somit zu entsprechen; er war jedoch bezüglich der begehrten Zwangsmittel abzuweisen, da diese objektiv nicht notwendig sind. Die Antragsgegnerin ist als öffentlich rechtliche Körperschaft zur Umsetzung der gerichtlichen Entscheidung verpflichtet, so dass es keiner Zwangsmittel bedarf.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG, 154 VwGO. Eine Kostenquote war trotz Teilabweisung bezüglich der Zwangsmittel nicht zu bilden, da die Antragstellerin mit ihrem Hauptbegehren vollständig durchgedrungen ist.
Die Entscheidung zum Streitwert richtet sich nach § 56 Abs.2 GKG.
Bei einem Hauptsachestreitwert von 5.000,00 Euro fällt für das ER-Verfahren ein auf 25 % reduzierter Wert an.
II. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
III. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
IV. Der Streitwert beträgt 1.250,00 Euro (eintausendzweihundertfünfzig Euro).
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Antragsgegnerin rechtmäßig schriftlich und in sonstiger Art und Weise in ihrer Werbung und in ihren Informationen über die Inanspruchnahme der Versandapotheke E. Apotheke V. wirbt und informiert und damit ihre Versicherten beeinflusst, Arzneimittel und/oder sonstige Waren bei dieser namentlich benannten Apotheke zu beziehen.
Der Antragsteller ist Apotheker und Inhaber der "R.-Apotheke" in H ... Zum Kundenstamm dieser Apotheke gehören nach den Angaben des Antragstellers viele chronische Kranke, wie z.B. Krebspatienten, depressive, an Demenz leidende Patienten und Rheumapatienten, vor allem aber Diabetiker, welche der Antragsteller schwerpunktmäßig betreut. Der Antragsteller ist im Besitz einer Versandhandelserlaubnis nach § 11a Apothekengesetz (ApoG). Zudem ist der Antragsteller Mitglied im Bayerischen Apothekerverband e.V. (BAV) und dessen Vorsitzender.
Bei der Antragsgegnerin handelt es sich um eine Ersatzkasse. Die Antragsgegnerin ist Mitglied im Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V. (VdAK).
Die Antragsgegnerin weist in ihren Verlautbarungen in Rundbriefen, im Internet und auch in ihrer Zeitschrift "Aktuell" auf eine in den Niederlanden ansässige Versandapotheke, die E.- Apotheke V. (EAV) hin.
Der Antragsteller hat - hinsichtlich der Tatsachen von der Antragsgegnerin als unstrittig akzeptiert - in seiner Antragsschrift vom 31.07.2007 im Wesentlichen vorgetragen: (Zitatbeginn): Dem Kläger (hier: Antragsteller) sind von verunsicherten KKH-Versicherten Schreiben der Beklagten (hier: Antragsgegnerin) übergeben worden. Wie man aus dem Eingangssatz schließen kann, richtet sich das Schreiben in erster Linie an Versicherte, die "regelmäßig auf Medikamente angewiesen sind". Mit diesem Schreiben macht die Beklagte auf die EAV als "Kooperationspartner" aufmerksam und fordert die Adressaten zum Bezug von Arzneimitteln bei dieser Apotheke auf. Wie der Kläger überdies erfahren hat, sind solche Werbeschreiben Teil einer oder sogar mehrerer groß angelegten Serienbriefkampagnen der Beklagten, welche zur Zeit bundesweit stattfinden, offenkundig zentral aus H. gesteuert sind, aber von den einzelnen Dienststellen der Beklagten durchgeführt werden: Als Anlagenkonvolut überreichen wir eine Reihe solcher Schreiben in Kopie. Sie stammen zwar von unterschiedlichen "Serviceteams" der Beklagten (Landshut, München-Mitte, Würzburg, Nürnberg, Augsburg), sind aber wörtlich identisch. Die Beklagte äußert sich dort jeweils unter dem Betreff "Arzneimittel bequem, sicher und preiswert bestellen" zu dem Angebot der EAV, welche als "Kooperationspartner" der KKH jeweilige Adressat "profitieren", denn es weise "viele Vorteile" auf. Als derartige Vorteile werden sodann ein Bonussystem der EAV, ein "exklusiver Online-Rabatt" bei freiverkäuflichen Produkten, "Preisvorteile bis zu 40 %" bei "saisonalen Sonderangeboten", bestimmten Serviceleistungen und die "Lieferung innerhalb von 3 Werktagen" hervorgehoben. Dem Schreiben sind jeweils ein ausführlicher Werbeflyer und ein Freiumschlag beigefügt. Jeder dieser Serienbriefe endet mit den Worten: "Wir freuen uns, wenn Sie von dieser Kooperation profitieren und die Vorteile nutzen".
Durch einen entsprechenden Hinweis in der bereits ergänzten Werbebroschüre (Anlage K 3) ist der Kläger auf eine weitere Werbemaßnahme der Beklagten für die EAV aufmerksam gemacht worden: Die Beklagte präsentiert sie im Internet auf ihrer Homepage unter www.kkh.de/eav eine "Gesundheitsakte mit MedikamentenSHOP", die sich ebenfalls mit dem Warenangebot der EAV und den aus der Sicht der Beklagten vorzugswürdigen Konditionen dieses Unternehmens befassen: Über die genannte Adresse gelangt man auf die Internetseite http://www.kkh.de/detaiLcfm?paQeid=622. Dort ist ein Text publiziert, in dem die Beklagte besondes betont, die EAV als Kooperationspartner nach Qualitätsgesichtspunkten sorgfältig ausgewählt zu haben. Ähnlich wie in den eingangs erwähnten Serienbriefen, doch noch ausführlicher, preist sie auch hier das Angebot der EAV unter Hervorhebung angeblich besonderer Vorteile für KKH-Versicherte an. Ein weiteres besonderes Kennzeichen dieser Internetwerbung für die EAV ist die erleichterte Aufnahme eines Kontakts und einer Geschäftsbeziehung zu dieser Versandapotheke: Der Versicherte soll "Kostenlose Info-Sets rund um die Bestellung bei der EAV ... in Ihrem KKH-Zentrum" erhalten. Außerdem hat er die Möglichkeit, vom sogenannten "Medikamenten- SHOP", welcher über das "Versichertenportal" "der Homepage zugänglich ist, direkt Bestellungen bei der EAV aufzugeben. Wörtlich lautet ihr Angebot hierzu: Innerhalb des Versicherten-Portals führt Sie ein Klick auf "Gesundheitsakte mit MedikamentenSHOP und dann Arzneimittel bestellen" direkt zum "Shop der EAV". Diejenigen Versicherten, die dieses Angebot nutzen und eine Geschäftsbeziehung zur EAV aufnehmen, müssen also die Homepage der Beklagten gar nicht mehr verlassen, sondern werden von dort unmittelbar zur EAV geführt.
Dem Kläger ist vor wenigen Tagen außerdem die als Anlage K 7 auszugsweise in Kopie beigefügte Zeitschrift "AKTIV", Ausgabe 03/2007, zur Kenntnis gelangt. Bei diesem Blatt handelt es sich offenbar um eine Mitgliederzeitung der Beklagten. Auch dort bemüht sich die Beklagte intensiv darum, die EAV zu präsentieren in ihren Kunden den Wareneinkauf dort nahezulegen. Zu diesem Zweck ist auf Seite 7 der Zeitschrift ein ganzseitiges Inserat der EAV abgedruckt. Es ist zwar als Anzeige gekennzeichnet, doch bemerkenswerterweise handelt es sich um das einzige Inserat eines Leistungserbringers in dieser Zeitung. Ergänzend ist auf Seite 25 ein redaktioneller Artikel abgedruckt. Dort wird auf einen "Exklusivrabatt bei Onlinebestellungen" hingewiesen. Ihre Begeisterung über das Angebot der EAV betont die Beklagte gleich im ersten Satz: "KKH-Versicherte, die Medikamente über den MedikamentenSHOP der E. Apotheke V. im KKH-Versicherten-Portal (www.kkh.de/vportal) bestellen, profitieren jetzt doppelt." Anschließend wird auf einen zusätzlichen "Exklusivrabatt" hingewiesen, einen Fünf-Euro-Gutschein, den jeder Kunde "bei Onlinebestellungen frei verkäuflicher Produkte" erhält. (Zitatende).
Der Antragsteller hat gegen die Antragsgegnerin gleichlautende Klage zum Sozialgericht Landshut erhoben (S 4 KR 200/07) und geltend gemacht, der Antragsgegnerin solle untersagt werden, ihre Versicherten dahin zu beeinflussen, Arzneimittel und/oder sonstige Waren bei bestimmten, namentlich benannten Apotheken zu beziehen und dafür in schriftlicher und/oder elektronischer Form oder in sonstiger Weise zu werben.
Der Antragsteller beantragt, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung bis zu einer vollstreckbaren Entscheidung in der Hauptsache vorläufig zu untersagen, ihre Versicherten dahin zu beeinflussen, Arzneimittel und/oder sonstige Waren bei der "E. Apotheke V. Versandapotheke (EAV) zu beziehen und dafür in schriftlicher und/oder elektronischer Form oder in sonstiger Weise zu werben.
Er beantragt weiter, der Antragsgegnerin für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung ein Ordnungsgeld bis zu Euro 250.000 und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu sechs Monaten anzudrohen.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzuweisen.
Sie macht geltend, der von dem Antragsteller in seinem Schriftsatz vom 31.07.2007 unter I. (Seiten 3-5) beschriebene Sachverhalt sei unstreitig. Es fehle aber für eine einstweilige Anordnung ein Rechtsschutzbedürfnis, weil der Antragsteller es unterlassen habe, den nunmehr gerichtlich geltend gemachten Unterlassungsanspruch zunächst einer außergerichtlichen Einigung zuzuführen. Zudem seien die Grenzen der sachlichen und neutralen Information nicht überschritten. Des Weiteren sei der Ausgang der Unterlassungsklage (§ 54 Abs.1 SGG) im Hauptsacheverfahren offen, es lasse sich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht klären, wann die Grenzen der sachlichen und neutralen Information überschritten würden. Zudem bestünden erhebliche Zweifel, ob sich der Antragsteller auf Artikel 12 GG (Grundrecht auf Berufsausübungsfreiheit) berufen könne. Auch könne ein Anordnungsgrund nicht damit begründet werden, dass eine Reihe von Versicherten der Antragsgegnerin bereits zur E. Apotheke V. gewechselt seien und vom Antragsteller nicht mehr zurück gewonnen werden könnten und dass das Marktsegment der Versandapotheken schon kurz- oder mittelfristig deutlich ausgedehnt werde mit der Folge, dass dem Antragsteller dadurch zwangsläufig Umsatz- und Gewinneinbußen entstünden, denen nicht allein mit einer Klage in der Hauptsache begegnet werden könne. Eine Dringlichkeit bestehe auch deswegen nicht, weil der Antragsteller als Vorsitzender des Verbandes ein gerichtliches Verfahren in seiner Funktion als Apotheker gegen die Antragsgegnerin einleitet und er das Rechtsschutzverfahren offensichtlich als Fortführung der außergerichtlichen Auseinandersetzung mit dem Bayerischen Apothekerverband e.V. ansehe.
II.
Der Hauptantrag ist zulässig. Insbesondere war eine vorgerichtliche Geltendmachung des Unterlassungsbegehrens nicht erforderlich. Selbst wenn diese Zulassungsvoraussetzung im vorliegenden Rechtsstreit gegeben wäre, wäre sie erfüllt, da die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 02.07.2007 die Abgabe einer Unterlassungserklärung abgelehnt hat. Diese Ablehnung erfolgte zwar in der Auseinandersetzung mit dem bayerischen Apothekerverband. In seiner Funktion als Vorsitzender hatte der Antragsteller aber in zulässiger Weise Kenntnis des rechtlichen Standpunktes der Antragsgegnerin.
Der Antrag ist auch begründet.
Nach § 86 Abs.2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig ist.
Das ist immer dann der Fall, wenn ohne den vorläufigen Rechtsschutz schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache im Fall des Obsiegens nicht mehr in der Lage wäre (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 19. Oktober 1977, 2 BvR 42/76, BVerfGE 46, 166, 179 184).
Steht dem Antragsteller ein von ihm geltend gemachter Anspruch voraussichtlich zu und ist ihm nicht zuzumuten, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten, ist der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes begründet.
Eine aus Gründen der Gewährung effektiven Rechtsschutzes gebotene Vorwegnahme der Hauptsache im einstweiligen Verfahren ist jedoch nur dann zulässig, wenn dem Antragsteller ohne den Erlass der einstweiligen Anordnung unzumutbare Nachteile drohen und für die Hauptsache hohe Erfolgsaussichten prognostiziert werden können (LSG Nds., Beschluss vom 08. September 2004, L 7 AL 103/04 ER).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.
Ein Anordnungsgrund liegt vor, da den Antragstellern ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung Umsatzeinbußen drohen, die nach Aufbau einer Geschäftsbeziehung zu einer Versandapotheke aller Voraussicht nach nicht mehr rückgängig gemacht werden können.
Auch ein Anordnungsanspruch ist vorliegend festzustellen, da die Antragsgegnerin verpflichtet ist, jedes Verhalten zu unterlassen, dass gegen den Arzneilieferungsvertrag in der Fassung vom 01.07.2005 verstößt. Mit den Antragstellern geht auch das Gericht davon aus, dass die Rundbriefe, die Internetwerbung und die Zeitschriftenveröffentlichung der Antragsgegnerin einen Verstoß gegen § 7 Abs.1 des Arzneilieferungsvertrages darstellt.
Diese Norm lautet: "Die Versicherten oder Vertragsärzte dürfen weder von den Apotheken zu Lasten der Ersatzkassen noch von den Ersatzkassen nicht zugunsten bestimmter Apotheken/Lieferanten beeinflusst werden. Dies bezieht sich auch auf die Zuweisung von Verordnungen an einzelne Apotheken/Lieferanten".
Nach dieser Regelung wird zwischen den Vertragspartnern ein Verbot der Beeinflussung vereinbart. Eine Information der Versicherten oder Vertragsärzte ist danach nicht ausgeschlossen. Von Information kann aber nur ausgegangen werden, wenn über bestimmte Tatsachen sachlich und neutral informiert wird. Demgegenüber liegt eine unzulässige Beeinflussung vor, wenn eine Krankenkasse über bestimmte Versorgungsangebote nicht sachlich und neutral informiert sondern diese Angebote in werblicher Form anpreist.
Diese Differenzierung beruht auf der Rechtsprechung des Hessischen LSG (Beschluss vom 30.04.2007, Az: L KR 199/06 ER) und des Hamburgischen LSG (Urteil vom 01.08.2007, Az: L 1 KR 16/06), der das erkennende Gericht in eigener Überzeugung folgt (so auch: Sozialgericht Hannover, Beschluss vom 21.11.2007, Az: S 19 KR 401/07 ER).
Die Rundbriefe und die Zeitungsartikel der Antragsgegnerin sind vorliegend als unzulässige Werbung zu qualifizieren. Denn die Versicherten werden nicht sachlich und neutral informiert, sondern vielmehr gezielt dahin gehend beeinflusst, die Angebote des Kooperationspartners der Antragsgegnerin als besonders attraktiv in Anspruch zu nehmen.
Eine unzulässige Beeinflussung liegt ferner in der Übersendung von Werbematerial (Flyer), da hieraus die Absicht der Antragsgegnerin erkennbar wird, eine über eine neutrale Information hinausgehende Steuerung des Kundenkreises vorzunehmen.
Gleiches gilt auch für die Kooperationsdarstellung im Internetauftritt der Antragsgegnerin.
Hinsichtlich des Hauptbegehrens war dem Antrag somit zu entsprechen; er war jedoch bezüglich der begehrten Zwangsmittel abzuweisen, da diese objektiv nicht notwendig sind. Die Antragsgegnerin ist als öffentlich rechtliche Körperschaft zur Umsetzung der gerichtlichen Entscheidung verpflichtet, so dass es keiner Zwangsmittel bedarf.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG, 154 VwGO. Eine Kostenquote war trotz Teilabweisung bezüglich der Zwangsmittel nicht zu bilden, da die Antragstellerin mit ihrem Hauptbegehren vollständig durchgedrungen ist.
Die Entscheidung zum Streitwert richtet sich nach § 56 Abs.2 GKG.
Bei einem Hauptsachestreitwert von 5.000,00 Euro fällt für das ER-Verfahren ein auf 25 % reduzierter Wert an.
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