L 30 AL 1346/05

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
30
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 52 AL 1493/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 30 AL 1346/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 24. Oktober 2005 aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 20. September 2004 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 06. April 2005 wird geändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Insolvenzgeld für die Zeit vom 01. März 2004 bis 06. Mai 2004 zu gewähren. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung von Insolvenzgeld für die Zeit vom 01. März bis 06. Mai 2004, wobei zwischen den Beteiligten streitig ist, ob der Kläger als Gesellschafter-Geschäftsführer in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stand.

Der 1959 geborene Kläger hat den Beruf des Schlossers erlernt. Mit durch notarielle Urkunde des Notars T B vom 07. Februar 2001 (Urkundenrolle Nr.) festgestelltem Gesellschaftsvertrag gründeten der Kläger und vier weitere Gesellschafter, und zwar K B, H M, W K und CW die S- GmbH mit Sitz in B. Bei der durch Urkundenrolle Nr. des Notars T B beurkundeten Gesellschafterversammlung vom 16. Februar 2001 wurde der Name der Firma in "S- H-GmbH" - im Folgenden: H- GmbH – geändert.

Nach § 2 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages (im Folgenden: GV) vom 07. Februar 2001 war Gegenstand des Unternehmens Herstellung, Vertrieb und Handel mit Erzeugnissen aus Stahl und Stahllegierungen aller Art sowie der An- und Verkauf sowie Im- und Export von Stahlerzeugnissen. Laut § 3 GV hielt von dem Stammkapital der Gesellschaft in Höhe von 25.000 Euro jeder Gesellschafter je 5.000 Euro. Laut § 6 Abs. 1 GV waren Beschlüsse der Gesellschaft mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen zu fassen, sofern nicht das Gesetz zwingend eine höhere Mehrheit vorschreibe. Weiter war in § 6Abs. 4 GV u. a. geregelt, dass auf angefangene 50 Euro eine Stimme entfällt. Gemäß § 7 Abs. 1 GV hatte die Gesellschaft einen oder mehrere Geschäftsführer. Sofern mehrere Geschäftsführer bestellt waren, wurde die Gesellschaft durch zwei Geschäftsführer gemeinschaftlich vertreten. Zum Geschäftsführer wurden der Kläger und Frau W bestellt, die jeweils allein vertraten.

Am 26. Januar 2001 wurde zwischen der GmbH und dem Kläger ein Geschäftsführervertrag (im Folgenden GFV) geschlossen. Nach § 1 Abs. 2 GFV war der Geschäftsführer im Innenverhältnis für die Durchführung und Abwicklung der technischen Leitung zuständig. § 1 Abs. 3 GFV bestimmte, dass sich die Rechte und Pflichten des Geschäftsführers, soweit dieser Vertrag nichts anderes bestimmte, aus dem Gesellschaftsvertrag, der dem Geschäftsführer bekannt war, sowie aus den Gesetzen, insbesondere dem GmbH-Gesetz, ergaben. Nach § 1 Abs. 4 GFV war der Geschäftsführer Dienstvorgesetzter sämtlicher Arbeitnehmer der Gesellschaft mit Ausnahme eventueller Mitgeschäftsführer. Er war für alle Personalangelegenheiten zuständig. Nach § 2 Abs. 1 GFV erhielt der Geschäftsführer für seine Tätigkeit einen Stundenlohn von 26 DM, zahlbar jeweils am Monatsende. Nach § 4 GFV erhielt er jährlich einen bezahlten Urlaub von 30 Tagen. Der Urlaub war so festzulegen, dass die Belange der Gesellschaft nicht beeinträchtigt wurden. Gemäß § 5 GFV war der Geschäftsführer an eine bestimmte Arbeitszeit nicht gebunden. § 6 GFV bestimmte, dass der Geschäftsführer, wenn er an der Ausführung seiner Tätigkeit durch Krankheit, Dienstunfähigkeit oder anderen, durch ihn nicht verschuldeten Gründen verhindert war, er bis zur Dauer von drei Monaten das in diesem Vertrag festgelegte Entgelt weiter erhielt. Nach § 7 Abs. 2 GFV konnte der Dienstvertrag durch die Gesellschaft nur aus wichtigem Grund gekündigt werden. Die Vorschriften des § 38 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) waren ausgeschlossen.

Am 06. Mai 2002 schlossen die GmbH und der Kläger eine Zusatzvereinbarung zum Geschäftsführervertrag vom 26. Januar 2001, nach der sämtliche Geschäfte über 5.000 DM/2.500 Euro vorher mit allen Gesellschaftern "besprochen" werden mussten, und Einstellungen und Entlassungen nur mit Absprache aller Gesellschafter zulässig waren. Die Zusatzvereinbarung zum Geschäftsführervertrag wurde vom Kläger und den Gesellschaftern M, K und der Gesellschafterin-Geschäftsführerin W unterzeichnet.

Durch notariellen Vertrag vom 07. Juni 2002 (Urkundenrolle Nr.) erwarben der Kläger und die Gesellschaftler W, M und K weitere Geschäftsanteile in Höhe eines Umfangs am Stammkapital von jeweils 1.250 Euro von dem damit aus der Gesellschaft ausscheidenden Gesellschafter B.

Mit Schreiben vom 06. Mai 2004 kündigte die GmbH dem Kläger unter Hinweis darauf, dass sie am 05. Mai 2004 einen Insolvenzantrag habe stellen müssen, das "bestehende Arbeitsverhältnis" zum 31. Mai 2004.

Mit Schreiben vom 05. Mai 2004, beim Amtsgericht Charlottenburg eingegangen am 07. Mai 2004, beantragte Rechtsanwalt F die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH.

Am 07. Mai 2004 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Zahlung von Insolvenzgeld. Darin gab er u. a. an, dass für den Zeitraum vom 01. März 2004 bis 31. Mai 2004 Arbeitsentgelt ausstehe. Er legte das oben bereits benannte Kündigungsschreiben wegen Insolvenz vom 06. Mai 2004 sowie u. a. ein Schreiben der AOK Berlin, Arbeitgeberservice, vom 15. Juni 2001 vor, worin diese mitteilte, dass sie das Versicherungsverhältnis geprüft und nunmehr festgestellt habe, dass in der Tätigkeit des Klägers bei der GmbH in Gründung ab 05. März 2001 Versicherungspflicht zur Sozialversicherung bestehe. Weiter legte er Gehaltsabrechnungen für die Monate März und April 2004 vor.

In dem "Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH" machte die Geschäftsführerin Frau W am 09. Juni 2004 Angaben zu den gesellschaftsrechtlichen Verhältnissen. Sie gab an, dass der Kläger der GmbH ein Darlehen von 9.500 Euro gewährt und in Höhe von 20.000 Euro gegenüber der GmbH gebürgt habe. Der Kläger sei alleinvertretungsberechtigt als Geschäftsführer für den Bereich Werkstatt/Betrieb, Frau W für den Bereich Büro/Verwaltung. Der Kläger unterliege wie ein fremder Arbeitnehmer dem Direktionsrecht der Gesellschaft bezüglich Zeit, Ort und Art der Beschäftigung. Dieses Weisungsrecht werde von der Gesellschaft in der Praxis tatsächlich laufend ausgeübt. Auf die Frage, von wem es ausgeübt werde, antwortete sie: "Weiteren Geschäftsführer und Gesellschafter". Die Gestaltung der Tätigkeit sei von den betrieblichen Erfordernissen, insbesondere von dem eigenen wirtschaftlichen Interesse zum Wohle und Gedeihen des Unternehmens abhängig. Der Kläger könne nicht selbständig Personal einstellen und/oder entlassen, dies könnten nur alle Gesellschafter zusammen. Urlaub müsse sich der Kläger genehmigen lassen; es sei eine Kündigungsfrist von vier Wochen vereinbart. Im Falle einer Arbeitsunfähigkeit werde die Vergütung für die Dauer von sechs Wochen weitergewährt.

In der Insolvenzgeldbescheinigung der Bundesagentur für Arbeit, die von der Geschäftsführerin Frau W am 10. Juni 2004 unterzeichnet worden war, wurde angegeben, dass die H GmbH ihre Betriebstätigkeit am 06. Mai 2004 vollständig beendet habe. Für die Zeit vom 01. März 2004 bis 31. Mai 2004 stünde noch Arbeitsentgelt für den Kläger aus, und zwar für die Zeit vom 01. März 2004 bis 02. April 2004 in Höhe von 2.471,94 Euro brutto, in der Zeit vom 05. April 2004 bis 30. April 2004 in Höhe von 1.980,21 Euro brutto sowie für die Zeit vom 03. Mai 2004 bis 31. Mai 2004 geschätzt 4.802,28 Euro brutto. Darin seien 2.729,04 Euro Urlaubszuschuss enthalten.

Mit Beschluss vom 07. September 2004 (105 IN 2315/04) hat das Amtsgericht Charlottenburg wurde das Insolvenzverfahren über die H-GmbH eröffnet und Rechtsanwalt H A zum Insolvenzverwalter bestellt.

Mit Bescheid vom 20. September 2004 lehnte die Beklagte den Antrag auf Insolvenzgeld ab. Zur Begründung führte sie aus, dass im Falle des Klägers die Indizien für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit und nicht einer Arbeitnehmerschaft sprechen würden. Aufgrund seines Stammanteils an der Gesellschaft in Höhe von 25 Prozent habe er Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft ausüben können. Nach seinen eigenen Angaben sei die Gestaltung seiner Tätigkeit von dem eigenen wirtschaftlichen Interesse zum Wohle und Gedeihen des Unternehmens abhängig gewesen. Er habe der Gesellschaft ein Darlehen von 9.500 Euro gewährt und eine Bürgschaft von 20.000 Euro übernommen. Der für ein "Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis" typische Interessengegensatz liege nicht vor. Des Weiteren habe er ertragsabhängige Bezüge in Form einer Gewinnbeteiligung erhalten. Dies sei ebenfalls ein gewichtiges Indiz für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit.

Gegen diesen Bescheid legte der Bevollmächtigte des Klägers mit Eingang bei der Beklagten am 27. September 2004 Widerspruch ein. Zur Begründung trug er mit Schriftsatz vom 18. Oktober 2004 vor, dass für den Begriff des Arbeitnehmers, in Abgrenzung zum Arbeitgeber, die arbeitsrechtlichen Abgrenzungskriterien gälten. Danach sei Arbeitnehmer, wem die Verfügung über die Arbeitskraft, die Einstellung, Verwendung und Entlassung zustehe, für dessen Rechnung gezahlt werde und wem der Erfolg zustehe. Vom Bundesgerichtshof (BGH) sei bereits entschieden, dass der Geschäftsführer einer GmbH Arbeitnehmer im Sinne von § 183 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) sei und damit Anspruchsberechtigter auf Insolvenzgeld im Sinne des SGB III. Ein Urteil hinsichtlich der Anspruchsberechtigung eines geschäftsführenden Minderheitsgesellschafters einer GmbH durch den BGH liege noch nicht vor. Für einen Gesellschafter-Geschäftsführer mit 25prozentigem Anteil sei jedoch entsprechend zu entscheiden. Dieser habe keinerlei Entscheidungsmacht, er sei stets auf die Mitwirkung der übrigen Gesellschafter angewiesen. Eine abweichende Vereinbarung sei ausweislich des Gesellschaftsvertrages im vorliegenden Fall nicht getroffen worden. Damit entfalle das Kriterium der Weisungsbefugnis und der sonstigen Entscheidungsbefugnis. Unschädlich sei ebenfalls, dass der Minderheitsgesellschafter ein gewisses Ertragsinteresse habe, denn dadurch unterscheide er sich in den meisten Fällen nicht von einem Geschäftsführer, der unstreitig Arbeitnehmer im Sinne des SGB III und damit anspruchsberechtigt sei. Das resultiere aus dem Umstand, dass der überwiegende Teil der Geschäftsführer eine erfolgsbezogene Vergütung erhielten. In den meisten Fällen seien diese Zusatzvergütungen sogar höher als die Grundvergütung, um den Anreiz, im wirtschaftlichen Interesse des Unternehmens zu handeln und möglichst hohe Umsatz- und Gewinnerfolge zu erzielen, zu erhöhen. Eine solche ertragsabhängige Vergütung erhielten auch sehr viele Mitarbeiter im unteren und mittleren Unternehmensbereich, die unstreitig Arbeitnehmer im Sinne des § 183 SGB III seien, die in ihrem Bereich weitestgehend selbständig arbeiteten, um sie auf diese Weise zu wirtschaftlichem und ertragsorientiertem Arbeiten anzuspornen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 06. April 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass Anspruch auf Insolvenzgeld nur Arbeitnehmer hätten. Kennzeichnend für eine selbständige Tätigkeit sei das eigene Unternehmerrisiko, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die Möglichkeit, frei über Arbeitsort und Arbeitszeit zu verfügen. Entscheidend komme es hierbei auf die charakteristischen Merkmale an, die sich aus dem Inhalt des Vertrages und der praktischen Durchführung und Gestaltung der Vertragsbeziehungen ergäben. Nach dem vorliegenden Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung von Geschäftsführern einer GmbH mit einem Kapital-Stimmanteil von weniger als 50 v. H. habe der Kläger der GmbH ein Darlehen von 9.500 Euro gewährt. Ferner habe er gegenüber der GmbH eine Bürgschaft von 20.000 Euro übernommen. Er habe in dem Feststellungsbogen angegeben, dass die Gestaltung der Tätigkeit von den betrieblichen Erfordernissen, insbesondere von dem eigenen wirtschaftlichen Interesse zum Wohle und Gedeihen des Unternehmens abhängig sei. Somit habe der Widerspruchsführer ein erhebliches Unternehmensrisiko getragen. Darüber hinaus habe er ertragsabhängige Bezüge in Form einer Gewinnbeteiligung erhalten. Insgesamt bleibe daher festzuhalten, dass der Widerspruchsführer nach dem Gesamtbild eine selbständige Tätigkeit ausgeübt habe.

Gegen den Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 09. Mai 2005 vor dem Sozialgericht Berlin Klage erhoben. Zur Begründung hat er sich vollinhaltlich auf die Widerspruchsbegründung vom 18. Oktober 2004 bezogen.

Das Sozialgericht hat dem Vorbringen des Klägers den Antrag entnommen,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20. September 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. April 2004 (zu verurteilen, ihm Insolvenzgeld zu bewilligen.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat auf den Inhalt der beigefügten Leistungsakte und die Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid verwiesen.

Mit Gerichtsbescheid vom 24. Oktober 2005 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass gemäß § 183 SGB III - sofern die weiteren Voraussetzungen vorlägen - Anspruch auf Insolvenzgeld versicherungspflichtige Arbeitnehmer haben. Die Tätigkeit des Klägers bei der GmbH könne nicht als die eines Arbeitnehmers gewertet werden, da er nach den vorliegenden Verträgen die Gesellschaft im gleichen Verhältnis wie seine Mitgesellschafter beherrscht habe, so dass keiner der einzelnen Gesellschafter bzw. der beiden Gesellschaftsgeschäftsführer eine formal zu konkretisierende Arbeitgeberfunktion ausgeübt habe, vielmehr alle Gesellschafter dies zusammen getan hätten und auch die Geschicke der Gesellschaft gleichermaßen beeinflusst hätten. Der Kläger habe zwar - wie jeder andere Gesellschafter - nur 25 Prozent des Stammkapitals besessen. Zu berücksichtigen gewesen sei auch, dass durch die Änderung seines Geschäftsführervertrages durch den Zusatz vom 06. Mai 2002 sämtliche Geschäfte über 5.000 DM/2.500 Euro mit allen Gesellschaftern hätten abgesprochen werden müssen, sowie dass Einstellungen und Entlassungen auch nur mit Absprache aller Gesellschafter zulässig gewesen seien. Eine Arbeitnehmereigenschaft habe der Kläger demnach jedoch nicht erlangt. Er habe seine Tätigkeit im Wesentlichen frei gestalten können. Er habe für seine Tätigkeit einen Stundenlohn erhalten und sei an bestimmte Arbeitszeiten nicht gebunden gewesen. Die Dauer der Ausübung der Tätigkeit habe in seiner eigenen Verantwortung gestanden. An Gewinnausschüttungen und Tantiemen wäre er, sofern es welche gegeben hätte, entsprechend der Gesellschafterversammlungsbeschlüsse beteiligt gewesen. Im Falle einer Arbeitsunfähigkeit hätte er einen Gehaltsfortzahlungsanspruch von drei Monaten gehabt. Darüber hinaus sei sein Gesellschaftsgeschäftsführervertrag nur aus wichtigem Grund kündbar gewesen. Zu berücksichtigen sei des Weiteren gewesen, dass der Kläger der Gesellschaft, deren Stammkapital gerade mal 25.000 Euro betragen habe, ein Darlehen in Höhe von 9.500 Euro gewährt und darüber hinaus eine Bürgschaft von 20.000 Euro übernommen habe, also für deren Verbindlichkeiten, deren Umfang das Stammkapital weit überschritten habe, eingestanden habe. Dies sei ein Indiz dafür, dass er als einer der beiden vertretungsberechtigten Geschäftsführer wie ein Unternehmer und damit als Selbständiger aufgetreten sei.

Gegen den dem Bevollmächtigten des Klägers am 14. November 2005 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 14. Dezember 2005 Berufung bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt. Zur Begründung hat er auf die Widerspruchsbegründung vom 18. Oktober 2004 verwiesen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 24. Oktober 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. September 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. April 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Insolvenzgeld für die Zeit vom 01. März 2004 bis 06. Mai 2004 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung ihres Antrags hat die Beklagte auf den Widerspruchsbescheid und den Gerichtsbescheid verwiesen.

Nach Hinweis des damaligen Berichterstatters auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 06. März 2003 (Aktenzeichen B 11 AL 25/02 R), wonach in der Regel Beschäftigter einer GmbH sei, wer bei seiner Tätigkeit der Kontrolle durch die Gesellschafter unterliege und diese ihre Gesellschaftsrechte tatsächlich ausübten und dieses hier schon deshalb der Fall gewesen sein dürfte, da die Gesellschafter im Jahre 2002 durch die Zusatzvereinbarung zum Geschäftsführervertrag die Kompetenzen des Klägers als Geschäftsführer eingeschränkt haben, verwies die Beklagte darauf, dass von wesentlicher Bedeutung sei, ob die Gesellschafter ihre Gesellschafterrechte auch tatsächlich ausgeübt haben. Hierzu hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers vorgetragen, dass die Gesellschafter ihre Gesellschafterversammlungen "am Küchentisch" abgehalten und dort entsprechend mündliche Absprachen getroffen haben. Zum Beweis hierfür werde die Einvernahme aller Gesellschafter der ursprünglichen Gesellschaft angeboten. Ob hierzu ein entsprechendes Protokoll gefertigt worden sei, sei keinem der Gesellschafter mehr erinnerlich.

Das Gericht hat bei dem Insolvenzverwalter der GmbH, Rechtsanwalt HA, angefragt, ob ihm Unterlagen vorliegen, aus denen hervorgeht, ob die Gesellschafter ihre nach dem Gesellschaftsvertrag zustehenden Gesellschafterrechte auch tatsächlich ausgeübt haben. Mit Schreiben vom 22. Mai 2007 hat Rechtsanwalt F für Rechtsanwalt A mitgeteilt, dass ihm lediglich eine Kopie der beim Handelsregister des AG Charlottenburg unter HRB geführten Akte vorliege.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 12. Oktober 2007 hat der Senat den Kläger gehört. Hinsichtlich seiner Angaben wird auf die Sitzungsniederschrift (Bl. 75 bis 78 der Gerichtsakte) verwiesen.

Der Senat hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 12. Oktober 2007 durch Vernehmung der Zeugen W K und H M zu dem Beweisthema "Gesellschaftlich Verhältnisse der Stahlbau-Schweißtechnik HU-WE GmbH von 2001 bis 2004" Beweis erhoben. Bezüglich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Anlagen 1 und 2 zur Sitzungsniederschrift vom 12. Oktober 2007 (Bl. 79 bis 83) verwiesen. Die ebenfalls als Zeugin geladene ehemalige Geschäftsführerin der Frau W war wegen der Teilnahme an einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme am Erscheinen gehindert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten, die Verwaltungsakten der Beklagten betreffend den Kläger zur Insolvenzgeldnummer, Kopien der Betriebsakte der Beklagten betreffend die Firma, die Insolvenzakten des AG Charlottenburg, Aktenzeichen, die Registerakten des Amtsgerichts Charlottenburg zum Aktenzeichen einschließlich des Sonderbandes, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Sie ist ohne weitere Zulassung nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 500 Euro übersteigt.

Die Berufung ist auch begründet. Das Sozialgericht Berlin hat zu Unrecht die Klage abgewiesen. Die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 20. September 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. April 2005 ist zulässig und begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung von Insolvenzgeld für die Zeit vom 01. März 2004 bis 06. Mai 2004.

Die Voraussetzungen des § 183 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in der ab dem 01. Januar 2002 geltenden und hier anzuwendenden Fassung des Gesetzes zur Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente (Job-AQTIV-Gesetz vom 10. Dezember 2001, BGBl I 3443) sind erfüllt. Nach dieser Vorschrift haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei 1. Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers, 2. Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder 3. vollständiger Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt, (Insolvenzereignis) für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben.

Im vorliegenden Fall ist das maßgebende Insolvenzereignis die ständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland i. Sinne d. 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III, die laut den von der Beklagten nicht angegriffenen Angaben der Geschäftsführerin Frau W am 06. Mai 2004 erfolgte. Hinsichtlich der Frage, ob zum Zeitpunkt der Betriebseinstellung offensichtliche Masselosigkeit vorlag, ist auf den sich aus äußeren Tatsachen ergebenden Eindruck eines unvoreingenommenen Betrachters abzustellen, d.h. es kommt darauf an, ob alle äußeren Tatsachen (und insofern der Anschein) für Masseunzulänglichkeit sprechen (Urteil des BSG vom 04. März 1999, B 11 AL/10 AL 3/98 R, juris Rdnr. 14). Dies war im Fall der der Fall. Die Gehälter der Mitarbeiter waren – wie der Zeuge Kapitzke für den Senat glaubhaft angegeben hat – seit März 2004 nicht gezahlt worden, die Betriebstätigkeit war zum 06. Mai 2004 eingestellt worden. Zu diesem Zeitpunkt war ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht gestellt, dieser Antrag ging erst am 07. Mai 2004 beim Amtsgericht Charlottenburg ein.

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der S GmbH am 07. September 2004 durch das Amtsgericht Charlottenburg kommt vorliegend als Insolvenzereignis nicht in Betracht, da es zeitlich nachfolgend und damit für die Bestimmung des Insolvenzgeldzeitraumes unbeachtlich ist. Der Insolvenzgeldanspruch wird durch das zeitlich früheste der drei Ereignisse ausgelöst und dieses früheste Ereignis schafft für die später eintretenden Insolvenzereignisse eine Sperrwirkung (vgl. Roeder in Niesel, Kommentar zum SGB III, 3. Auflage, § 183 Rdnr. 34). Der Insolvenzgeldantrag wurde mit Schriftsatz der Bevollmächtigten der GmbH vom 05. Mai 2004 gestellt, er ging aber erst am 07. Mai 2004 beim Amtsgericht Charlottenburg ein, womit er auch erst an diesem Tag gestellt gilt und damit nach Eintritt des Insolvenzereignisses der Betriebseinstellung liegt.

Der dreimonatige Insolvenzgeldzeitraum beginnt damit 06. Februar 2004. Die zweimonatige Ausschlussfrist des § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung (AFRG) vom 24. März 1997 (BGBl I 1997, 594), der ab 01. Januar 1999 gilt, ist vorliegend eingehalten, da der Kläger den Insolvenzgeldantrag bereits am 07. Mai 2004 gestellt hat.

Der Kläger ist als Arbeitnehmer, das heißt als abhängig Beschäftigter im Sinne des § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III anzusehen. Dies folgt allerdings noch nicht aus der Tatsache, dass die AOK Berlin mit Schreiben vom 15. Juni 2001 festgestellt hat, dass bei dem Kläger für die Tätigkeit bei der GmbH Versicherungspflicht zur Sozialversicherung besteht. Ein Verwaltungsakt der Einzugsstelle zum Vorliegen einer versicherungspflichtigen Beschäftigung bindet die Beklagte beim Insolvenzgeldanspruch nicht (vgl. Urteil des BSG vom 06. Februar 1992, Aktenzeichen 7 RAr 134/90, juris Rdnr. 39, weitere Fundstelle SozR 3-4100 § 104 Nr. 8). Die Erstreckung der Bindungswirkung nach § 336 SGB III greift nicht ein (vgl. Roeder in Niesel, a.a.O. Rdnr. 19).

Für die Vorgängervorschriften zum Insolvenzgeld, nämlich die Vorschriften zum Konkursausfallgeld (Kaug) nach den §§ 141 a bis n Arbeitsförderungsgesetz - AFG - , waren zur Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft die Grundsätze bezüglich der Versicherungs- und Beitragspflicht anzuwenden (vgl. BSG, Urteil vom 23. September 1982, Aktenzeichen 10 RAr 10/81 = SozR 2100 § 7 Nr. 7 und Urteil vom 29. Juli 1982, Aktenzeichen 10 RAr 9/81 = SozR 4100 § 141 b Nr. 24). Auch für das Insolvenzgeld können die zu § 7 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) und § 25 SGB III entwickelten Abgrenzungskriterien herangezogen werden (vgl. Roeder in Niesel, a.a.O., § 183 Rdnr. 19).

Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III sind versicherungspflichtig Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt (versicherungspflichtige Beschäftigung) sind. Nach § 7 Abs. 1 SGB IV, der gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 SGB IV auch für den Bereich der Arbeitsförderung anwendbar ist, ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist ein Arbeitnehmer, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Dies bedeutet die Eingliederung in den Betrieb und Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers, insbesondere in Bezug auf Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsausführung. Auch wenn das Weisungsrecht - vor allem bei Diensten höherer Art - erheblich eingeschränkt sein kann, darf es nicht vollständig entfallen. Demgegenüber wird die selbständige Tätigkeit durch das Unternehmerrisiko und durch das Recht und die Möglichkeit gekennzeichnet, über die eigene Arbeitskraft, über Arbeitsort und Arbeitszeit frei zu verfügen. In Zweifelsfällen kommt es darauf an, welche Merkmale überwiegen. Dies richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, wobei die vertragliche Ausgestaltung im Vordergrund steht, die allerdings zurücktritt, wenn die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend davon abweichen (vgl. Urteil des BSG vom 05. Februar 1998, Aktenzeichen B 11 AL 71/97 R, juris Rdnr. 14 m.w.N., weitere Fundstelle SozR 3-4100 § 168 Nr. 22).

Nach diesen Grundsätzen richtet sich auch, ob der Geschäftsführer einer GmbH abhängig und deshalb beitragspflichtig beschäftigt ist oder nicht. Er ist weder wegen seiner Organstellung noch deshalb von einer abhängigen Beschäftigung ausgeschlossen, weil er gegenüber Arbeitnehmern der GmbH Arbeitgeberfunktionen ausübt; maßgebend ist vielmehr vor allem die Bindung des Geschäftsführers an das willensbildende Organ, in der Regel die Gesamtheit der Gesellschafter. Bei Fremdgeschäftsführern, also nicht am Gesellschaftskapital beteiligten Geschäftsführern hat demgemäß das Bundessozialgericht regelmäßig eine abhängige Beschäftigung angenommen, es sei denn, es liegen besondere Umstände vor, die eine Weisungsgebundenheit gegenüber den Gesellschaftern im Einzelfall aufheben. In gleicher Weise muss aber auch bei Geschäftsführern, die zwar zugleich Gesellschafter sind, jedoch weder über die Mehrheit der Gesellschaftsanteile noch über eine so genannte Sperrminorität verfügen, für den Regelfall von einer abhängigen Beschäftigung ausgegangen werden. Eine abweichende Beurteilung kommt wiederum nur dann in Betracht, wenn besondere Umstände den Schluss zulassen, es liege keine Weisungsgebundenheit vor (vgl. Urteil des BSG vom 06. März 2003, Aktenzeichen B 11 AL 25/02 R, juris Rdnr. 17. m.w.N., weitere Fundstelle SozR 4-2400 § 7 Nr. 1). Als solch ein besonderer Umstand kommt in Betracht, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer auf Grund seines Fachwissens oder besonderer Verantwortung einen so beherrschenden Einfluss auf die zu treffenden Entscheidungen gehabt hat, wie dies bei Geschäftsführern in Familiengesellschaften zu einer Annahme einer selbständigen Tätigkeit geführt hat (vgl. BSG, a.a.O., juris Rdnr. 19). Eine weiterer Umstand, der bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer, der weder über die Mehrheit der Geschäftsanteile noch über eine genannte Sperrminorität verfügt, die Annahme von Weisungsgebundenheit entfallen lassen kann, liegt vor, wenn die Gesellschafter die ihnen nach dem Gesellschaftsvertrag zustehenden Gesellschafterrechte tatsächlich nicht ausgeübt haben (vgl. BSG vom 11. Februar 1993, Aktenzeichen 7 RAr 48/92, juris, Rdnr. 24, weitere Fundstelle Urteilssammlung der gesetzlichen Krankenversicherung (USK) 9347; so auch BSG, Urteil vom 06. März 2003, Aktenzeichen B 11 AL 25/02 R, juris Rdnr. 19, weitere Fundstelle SozR 4-2400 § 7 Nr. 1).

Ausgehend von diesen Grundsätzen und unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme stand der Kläger in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis. Er verfügte nicht über einen Stammkapitalanteil von 50 v. H. oder mehr. Sein Stammkapital betrug zuletzt 6.250 Euro. Dies entspricht 25 Prozent des Stammkapitals des Unternehmens. Das willensbildende Organ der Gesellschaft war die Gesellschaftsversammlung. In dieser hatte der Kläger aufgrund seines Stimmenanteils keine beherrschende Stellung. Nach § 6 Abs. 4 GV entfiel auf angefangene 50 Euro eine Stimme. Der Kläger verfügte damit, wie auch zuletzt die anderen drei Gesellschafter, über 125 von insgesamt 500 Stimmen. Eine Sperrminorität war im Gesellschaftsvertrag nicht festgelegt.

Eine beherrschende Stellung ohne Weisungsgebundenheit des Klägers aus Gründen alleiniger Fachkompetenz scheidet aus, da auch die anderen Gesellschafter, außer Frau W, von Beruf Schlosser waren.

Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass auch keine anderen besonderen Umstände vorliegen, auf Grund derer eine abhängige Beschäftigung des Klägers zu verneinen wäre. Weder hatte er auf Grund einer besonderen Verantwortung einen beherrschenden Einfluss auf die zu treffenden Entscheidungen, noch haben die Gesellschafter die ihnen nach dem Gesellschaftsvertrag zustehenden Gesellschafterrechte tatsächlich nicht ausgeübt.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kam dem Kläger zwar in der HUWE GmbH insofern eine besondere Rolle zu, als er die Arbeit und die Leute einteilte und Material besorgte, wie die Zeugen K und M bekundet haben. Damit kam er jedoch seiner Aufgabe als Geschäftsführer, der nach der internen Arbeitsaufteilung zwischen den Geschäftsführern mehr für die fachlichen Dinge zuständig war, nach. Diese besondere Rolle bedeutet nicht, dass er bezüglich gesellschaftsrelevanter Entscheidungen eine vorherrschende Stellung einnahm und Einfluss auf die anderen Gesellschafter in der Weise ausüben konnte, dass diese sich seinen Vorstellungen zu beugen hatten. Die Gesellschafter haben ihre sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Rechte tatsächlich ausgeübt. Der Zeuge M hat angegeben, dass über Einstellungen, Anschaffungen und größere Aufträge stets gesprochen und durch Abstimmung entschieden wurde. Der Zeuge K hat bekundet, dass hereinkommende Aufträge zunächst von dem (angestellten) Meister kalkuliert wurden und dann über ihre Durchführung durch die Gesellschafter der HUWE GmbH entschieden wurde. Die Zeugen haben zwar unterschiedliche Auskünfte über die Häufigkeit solcher Gesellschafterbeschlüsse gemacht, dies führt jedoch nicht dazu, die Angaben insgesamt als unglaubhaft anzusehen. Der Zeuge K wertete formlose Zusammenkünfte der Gesellschafter, in denen ohne Einhaltung von Förmlichkeiten in relativ kurzer Zeit Einigkeit über einzelne Geschäfte erzielt wurde, nicht als Gesellschafterversammlungen. Dies ergibt sich aus seiner Aussage, wonach drei bis vier Gesellschafterversammlungen im Jahr stattfanden, der laufende Betrieb aber ohne solche Zusammentreffen verlief, "wenn nicht etwa Besonderheiten wie Einstellungen waren".

Die Beschlussfassung der Gesellschafter ohne förmliche Einladungen zu Gesellschafterversammlungen war auch wirksam. Beschlüsse im Rahmen formloser Zusammenkünfte sind nach den Grundsätzen über die Vollversammlung (§ 51 Abs. 3 GmbH-Gesetz) jedenfalls dann wirksam, wenn alle Gesellschafter gleichzeitig anwesend sind und keiner der Fassung von Beschlüssen widerspricht (Zöllner, a.a.O., § 48 Rdnr. 40).

Das Bild, dass sich für den Senat nach der Anhörung des Klägers und der Vernehmung der Zeugen K und M von der H GmbH ergeben hat, ist, dass sie, um die damalige Firma B vor der Schließung zu bewahren, von vier langjährigen Mitarbeitern (und dem Inhaber der alten Firma, der später ausschied) gegründet wurde. Von diesen ehemaligen Mitarbeitern der Firma wurden zwei ausgewählt, als Geschäftsführer tätig zu werden, und zwar, mangels anderer besonderer Qualifizierungsmerkmale gegenüber den anderen beiden Gesellschaftern mit Fachkenntnissen auf dem Gebiet der Schlosserei, der Kläger, weil er am längsten in der alten Firma tätig gewesen war. Frau W wurde als Geschäftsführerin berufen, weil sie in der Firma B die Büroarbeiten erledigt hatte und in der neuen Firma mit dem gleichen Aufgabenkreis tätig werden sollte. Unter diesen vier Gesellschaftern übte jedoch keiner, auch die beiden Geschäftsführer nicht, eine beherrschende Stellung aus. Die Geschäftsführer kamen ihren Aufgabe als Geschäftsführer nach, hatten darüber hinaus jedoch keinen besonderen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft und durften wichtige wirtschaftliche Entscheidungen nicht alleine treffen. Daran ändert auch nichts die Einlassung des Klägers, er habe auch über der Grenze von 5000 DM/2500 Euro liegende Geschäfte, die er laut Zusatz zum Geschäftsführervertrag vom 06. Mai 2002 vorher mit allen Gesellschaftern hätte besprechen müssen, allein getätigt. Dabei kann dahinstehen, ob dieser Zusatz wirksam beschlossen wurde. Es handelt sich dabei um eine Bestimmung gemäß § 46 Nr. 6 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG), wonach der Bestimmung der Gesellschafter die Maßregeln zur Prüfung und Überwachung der Geschäftsführung unterliegen. Es kann danach ein Vorbehalt der Genehmigung für Geschäfte bestimmter Art oder bestimmten Umfangs vorgesehen werden (vgl. Zöllner in Baumbach/Hueck, Kommentar zum GmbH-Gesetz, 18. Auflage, § 46 Rdnr. 50). Zweifel an der Wirksamkeit des Zusatzes zum Geschäftsführervertrag vom 26. Januar 2001 ergeben sich, weil nicht alle Gesellschafter der damaligen Gesellschaft diesen Zusatz unterschrieben haben. Am 06. Mai 2002 war auch noch der Gesellschafter B an der Gesellschaft beteiligt. Er hat seine Gesellschafteranteile erst durch notariellen Vertrag vom 07. Juni 2002 an die anderen Gesellschafter veräußert. Es ist nicht erkennbar, aus welchen Gründen seine Unterschrift fehlt, und ob der Beschluss in einer ordnungsgemäß einberufenen Gesellschafterversammlung gefasst wurde unter Teilnahme des Gesellschafters B und er diesen lediglich nicht unterschrieben hat, oder ob es sich möglicherweise um eine schriftliche Bestimmung gemäß § 48 Abs. 2 GmbHG handelte. Wäre der Gesellschafter B nicht ordnungsgemäß geladen worden, wäre der Beschluss analog § 241 Nr. 1 Aktiengesetz (AktG) nichtig, da dann nicht alle Gesellschafter den Beschluss gefasst hätten (vgl. Zöllner, a.a.O., § 48 Rdnr. 40). Dies kann dahinstehen, weil selbst für den Fall, dass der Zusatz zum GFV wirksam geschlossen wurde, sich aus Überschreitungen der Kompetenz des Klägers hinsichtlich des Abschlusses von Geschäften über 2500 Euro nicht ergibt, dass die Gesellschafter ihre Gesellschafterrechte nicht ausgeübt hätten. Wie die Zeugen K und M glaubhaft angegeben haben, wurden Gesellschaftsbeschlüsse gefasst, die die wirtschaftlichen Geschicke der Firma betrafen, und dies auch nicht nur in Ausnahmefällen. Die Tatsache, dass der Kläger seine Kompetenzen möglicherweise in einigen Fällen überschritt und dies unentdeckt blieb, hat keinen Einfluss auf seine Arbeitnehmereigenschaft, wenn er eigentlich die Pflicht gehabt hätte, Beschlüsse der Gesellschafterversammlung diesbezüglich herbeizuführen und die Gesellschafter diese Kompetenzüberschreitungen nur deshalb, weil sie unentdeckt blieben, nicht ahnden kannten.

Die Angaben der Zeugen sind glaubhaft und sie selbst glaubwürdig. Sie haben kein eigenes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits, da ihre eigenen Ansprüche auf Insolvenzgeld von der Beklagten anerkannt worden sind. Anhaltpunkte dafür, dass es sich um Gefälligkeitsaussagen handeln könnte, weil die Zeugen auch weiterhin mit dem Kläger in einer Firma zusammenarbeiten, haben sich für den Senat nicht ergeben.

Eine Vernehmung der Geschäftsführerin Frau W als Zeugin hält der Senat nach den Aussagen der Zeugen K und M, aus denen sich für ihn ein eindeutiges Bild bezüglich einer Arbeitnehmereigenschaft des Klägers ergeben hat, nicht mehr für erforderlich.

Die für eine selbständige Tätigkeit des Klägers sprechenden Indizien, nämlich dass er an eine bestimmte Arbeitszeit nicht gebunden war, bei Krankheit, Dienstunfähigkeit oder anderen Verhinderungsgründen bis zu einer Dauer von drei Monaten, anstatt wie üblich von sechs Wochen, das festgelegte Entgelt weiter erhielt und dass ihm nur aus wichtigem Grund gekündigt werden konnte, reichen –entgegen der Auffassung des Sozialgerichts –, unter Berücksichtigung der oben genannten, vom BSG aufgestellten Grundsätze für die Beurteilung der Versicherungspflicht eines Gesellschafter-Geschäftsführers nicht aus, eine solche anzunehmen. Dass der Kläger der Gesellschaft ein Darlehen in Höhe von 9.500 Euro gewährt und ihr eine Bürgschaft in Höhe von 20.000 Euro gegeben hat, führt auch nicht zur Annahme des Vorliegens einer selbständigen Tätigkeit. Die Deckung zusätzlichen Kapitalbedarfs durch Gesellschafter ist eine übliche Form der Zuführung von Finanzierungsmitteln an die Gesellschaft, wie sich auch aus der Regelung des § 32 a Abs. 1 GmbHG ergibt. Dass nur der Kläger der Firma zusätzliche Finanzierungsmittel zur Verfügung gestellt hat, führt bei einer Gesamtschau der den oben genannten, nach der Rechsprechung des BSG relevanten Kriterien nicht zur Annahme einer selbständigen Tätigkeit.

Auch aus der Tatsache, dass der Kläger zu einem Viertel am Gewinn beteiligt war, ergibt sich kein richtungsweisendes Indiz bezüglich einer selbständigen Tätigkeit. Diese Gewinnbeteiligung folgt aus dem 25%igen Gesellschaftsanteil des Klägers und stellt für sich allein kein Kriterium für die Beurteilung der Frage der abhängigen Beschäftigung eines Gesellschafter-Geschäftsführers dar, weil ein solcher auf Grund seines Gesellschaftsanteils regelmäßig am Gewinn beteiligt ist.

Ein Anspruch des Klägers auf Insolvenzgeld besteht – wie beantragt –erst ab 01. März 2004, da für die Zeit vorher Arbeitsentgelt noch gezahlt worden war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Sie entspricht dem Ergebnis in der Hauptsache.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung. Die Frage, in welchen Fällen ein Gesellschafter-Geschäftsführer als Arbeitnehmer anzusehen ist, ist grundsätzlich vom Bundessozialgericht geklärt.
Rechtskraft
Aus
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