L 4 R 268/05

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 19 RA 1140/03
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 4 R 268/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Unvermeidbar i.S.v. § 54 Abs. 3 Satz 1 SGB IX sind Kosten der Kinderbetreuung, wenn der Leistungsempfänger ohne die entgeltliche Kinderbetreuung die Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht in Anspruch nehmen kann.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 10.01.2005 aufgehoben, soweit die Beklagte verpflichtet wird, der Klägerin die für die Betreuung der Tochter J. in der Kindertagesstätte " ..." in den Zeiträumen vom 01.08.2003 bis 28.01.2004 und vom 15.03.2004 bis 28.05.2004 entstandenen Kosten zu erstatten, und insoweit die Klage abgewiesen. Klarstellend wird das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 10.01.2005 da-hingehend geändert, dass die Beklagte dem Grunde nach verpflichtet wird, der Klägerin die Kosten für die Betreuung der Tochter J. in der Kindertages-stätte "." im Zeitraum vom 21.10.2002 bis 17.04.2003 zu erstatten. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für beide Rechtszüge zur Hälfte.
III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben durch Übernahme der Kinderbetreuungskosten der Tochter der Klägerin.

Die am.1977 geborene Klägerin ist Mutter ihrer am ...2000 geborenen Tochter J. , die ab 01.02.2001 die Kindertagesstätte " " in D. besuchte. Das Kind wurde zunächst 4,5 Stunden täglich betreut, ab 01.04.2001 6 bis 9 Stunden täglich. Die Klägerin hat angegeben von 01.05.2003 bis Januar 2004 alleinerziehend gewesen zu sein. Während ihres Zusammenlebens habe ihr Lebensgefährte keinen bezahlten oder unbezahlten Urlaub gehabt.

Nach ihrer Ausbildung zur Fachverkäuferin im Nahrungsmittelhandel im Bereich Fleisch und Wurst befand die Klägerin sich nach ihren Angaben von April 2000 bis 16.12.2001 im Erziehungsjahr. Ausweislich des Zertifikates des Bildungsinstituts des Handels e.V. vom 28.02.2001 hatte die Klägerin vom 02.02.2001 bis 28.02.2001 an einem 152stündigen Fortbildungslehrgang "Kassentraining/Zahlungsverkehr" mit sehr gutem Erfolg teilgenommen. Laut Weiterbildungsvertrag vom 26.03.2001 bzw. 02.04.2001 nahm die Klägerin ab 26.03.2001 bis 19.12.2001 an einer "kaufmännischen Anpassungsfortbildung für ar-beitslose Frauen" als Vollzeitmaßnahme teil einschließlich eines Betriebspraktikums vom 01.10.2001 bis 18.12.2001 bei der Fa. F D ... Ab 17.12.2001 war sie als Fachverkäuferin für Fleisch und Wurst bei der L. GmbH und Co.KG beschäftigt. Laut Mitteilung des Arbeitgebers war sie ab 17.12.2001 befristet bis zum 31.07.2002 beschäftigt. Vom 19.10.2001 bis 16.12.2001 war sie arbeitsunfähig erkrankt, ebenso seit 28.01.2002. Der letzte Arbeitstag vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit/Rehabilitationsleistung war der 26.01.2002.

Am 22.03.2002 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung von Leistungen zur Rehabilitation für Versicherte/zur Teilhabe am Arbeitsleben. Vom 22.05.2002 bis 19.06.2002 befand sie sich wegen einer medizinischen Rehabilitations-Maßnahme in der P Klinik E ... Nach entsprechenden Vorgesprächen im August 2002 bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 19.10.2002 die Teilnahme an einem Rehabilitationsvorbereitungslehrgang vom 21.10.2002 bis 31.01.2003 für eine Umschulung zur Bürokauffrau.

Mit Schreiben ohne Datum beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Übernahme der Betreuungskosten für ihre Tochter J. im Zeitraum 01.11.2002 bis 31.01.2003 in Höhe von damals monatlich 180,00 Euro (VA S. 40 ff.). Mit Bescheid vom 13.01.2003 lehnte die Beklagte den Antrag auf Haushaltshilfe ab, da sich das zu betreuende Kind bereits vor Aufnahme der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in der Kindertageseinrichtung befunden habe. Es bestehe somit kein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Ausbildung (Rehabilitationsvorbereitungslehrgang) und der Unterbringung des Kindes in der Kindertageseinrichtung.

Mit Bescheid vom 29.01.2003 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 19.02.2003 bewilligte die Beklagte der Klägerin eine Umschulungsausbildung für den Beruf der Ver-anstaltungskauffrau als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben ab 31.01.2003. Diese Umschulung brach die Klägerin am 17.04.2003 ab.

Gegen den ablehnenden Bescheid vom 13.01.2003 legte die Klägerin am 28.02.2003 Widerspruch ein. Sie gab an, den Bescheid am 04.02.2003 erhalten zu haben, bezog sich auf die §§ 44, 54 SGB IX und bat erneut um Überprüfung und Gewährung der Kinderbetreu-ungskosten. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 02.06.2003 zurück. In der Begründung heißt es, die Tochter besuche bereits seit 01.02.2001 die Kindertageseinrichtung. Zu diesem Zeitpunkt sei noch nicht ersichtlich gewesen, ob Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bzw. in welcher Form sie erbracht werden würden. Die Betreuungskosten im Kindergarten seien nicht durch die Teilnahme an der Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben entstanden. In der bisherigen Form der Betreuung des Kindes sei keine Änderung verursacht worden. Ein Anspruch auf Übernahme der Betreuungskosten bestehe daher nicht.

Am 18.06.2003 hat die Klägerin dagegen beim Sozialgericht Dresden Klage erhoben unter Bezugnahme auf ihr Widerspruchsschreiben. Sie wies darauf hin, dass anderen Teilnehmern Haushaltshilfe bewilligt worden sei, obwohl deren Kinder ebenfalls vor Beginn der Maßnahme in einer Kindertageseinrichtung betreut worden seien. Dem ist die Beklagte entgegengetreten und hat mitgeteilt, dass die Klägerin erstmalig am 25.11.2002 in einem Telefonat mit der zuständigen Sachbearbeiterin der Beklagten die Kostenübernahme für die Kindertagesstätte begehrt und einen schriftlichen Antrag nachreicht habe. Die Tatsache, dass die Klägerin vor Beginn der Umschulung arbeitsunfähig gewesen sei und in dieser Zeit das Kind selbst betreut habe, könne keinen Anspruch auf Haushaltshilfe auslösen. Die Umschulung sei nicht Grund für die Notwendigkeit der Haushaltshilfe gewesen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht gab die Beklagtenvertreterin an, die Umschulungsmaßnahme der Klägerin, die am 31.01.2003 begonnen habe, sei aus gesundheitlichen Gründen abgebrochen worden. Die nächste Maßnahme habe vom 01.08.2003 bis 28.01.2004 stattgefunden, danach eine Maßnahme zur Reintegration vom 15.03.2004 bis 28.04.2004. Seit 29.06.2004 bis zum damaligen Tag der mündlichen Verhandlung am 10.01.2005 nehme die Klägerin an einer Umschulung in W. teil. Die Klägerin gab in der mündlichen Verhandlung an, sie habe ihre Tochter in die Kindertagesstätte gegeben, da sie gearbeitet habe. Allerdings sei sie ab 29.01.2002 krank gewesen. Im Mai 2002 habe sie an einer Kur teilgenommen. Von August bis Oktober 2002 sei sie dann arbeitslos gemeldet gewesen. Zu diesem Zeitpunkt habe sie aber bereits gewusst, dass sie ab 21.10.2002 an einer beruflichen Reha-Maßnahme teilnehmen werde. Sie habe ihre Tochter daher nicht abgemeldet, da sie sonst nicht so schnell wieder einen Platz bekommen hätte.

Das Sozialgericht Dresden gab der Klage auf die mündliche Verhandlung mit Urteil vom 10.01.2005 statt, hob den Bescheid der Beklagten vom 13.01.2003 und den Widerspruchsbescheid vom 02.06.2003 auf und verpflichtete die Beklagte, der Klägerin die für die Betreuung der Tochter J. in der Kindertagesstätte " ..." in den Zeiträumen 21.10.2002 bis 17.04.2003, 01.08.2003 bis 28.01.2004 und 15.03.2004 bis 28.05.2004 entstandenen Kosten zu erstatten. Der Anspruch der Klägerin ergebe sich aus §§ 9, 16, 28 SGB VI, §§ 6 Abs. 1 Nr. 4, 44 Abs. 1 Nr. 6, 54 Abs. 1 und 3 SGB IX. Nach diesen Vorschriften würden die durch die Beklagte erbrachten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben durch Haus-haltshilfe und Kinderbetreuungskosten ergänzt. Haushaltshilfe i. S. d. § 54 Abs. 1 SGB IX und damit auch die Übernahme von Betreuungskosten nach § 54 Abs. 3 SGB IX werde geleistet, wenn dem Leistungsempfänger wegen der Ausführung einer Leistung zur Teil-habe am Arbeitsleben die Weiterführung des Haushalts nicht möglich sei, eine andere im Haushalt lebende Person diesen Haushalt nicht weiterführen könne und im Haushalt ein Kind lebe, dass bei Beginn der Haushaltshilfe das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet habe. Die Tochter sei im streitgegenständlichen Zeitraum unter zwölf Jahre alt gewesen. Die Klägerin habe einen eigenständigen Haushalt, in dem sie mit ihrer Tochter zusammen lebte, geführt. Ferner habe, zumindest zeitweilig, auch ihr Lebensgefährte und Vater ihrer Tochter mit in der gemeinsamen Wohnung gelebt. Er sei aber in dem betreffenden Zeit-raum selbst arbeitunfähig erkrankt gewesen und habe den Haushalt i. S. d. Betreuung der Tochter tagsüber nicht weiterführen können. Unter Verweis auf die Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 07.11.2000 - B 1 KR 15/99 R) erläuterte das Sozialgericht den Begriff der Weiterführung des Haushalts. Eine während des Tages nur zeitweilig durchgeführte Betreuung, z. B. in einer Kindertagesstätte beseitige die Kausalität und den Anspruch nicht (GK-SGB-IX-Großmann, Stand Juli 2003, § 54 Rn. 13). Denn in diesem Fall führe der Leistungsempfänger vor und während der Leistung den Haushalt und sei lediglich an der Betreuung des Kindes während der Öffnungszeiten der Kindertagsstätte gehindert. Eine Kausalität für die Betreuung sei gegeben, da die Klägerin ohne die Maßnahme bei Wiederherstellung ihrer Arbeitsfähigkeit ihre Tochter tagsüber hätte selbst betreuen können. Daran sei sie jedoch wegen der Teilnahme an der jeweiligen Maßnahme gehindert gewesen. Die Klägerin habe ihre Tochter im Übrigen nicht ohne Grund in einer Kindertagesstätte angemeldet, sondern weil sie zunächst wegen Berufstätigkeit und später wegen Krankheit nicht in der Lage gewesen sei, deren Betreuung tagsüber zu übernehmen. Als dieser Grund durch Wiederherstellung ihrer Arbeitsfähigkeit weggefallen gewesen sei, sei die Klägerin zwar zur vollumfänglichen Haushaltsführung unter Einschluss der ganztätigen Betreuung ihrer Tochter in der Lage gewesen. Durch die Teilnahme an den von der Beklagten angebotenen Maßnahme sei jedoch ein neues Hindernis eingetreten. Die Abmeldung der Tochter in der Zeit vom 01.08.2002 bis 20.10.2002 sei ihr nicht zuzumuten gewesen, weil zu diesem Zeitpunkt ihre Teilnahme an den Maßnahmen bereits absehbar gewesen sei und im Falle einer Abmeldung eine rechtzeitige Wiederaufnahme nicht gewährleistet gewesen wäre. Es sei gerichtsbekannt, dass kurzfristige Anmeldungen und Aufnahmen in Kindertagesstätten in D. während des laufenden Schuljahres in der Regel nicht möglich waren.

Gegen das ihr am 29.05.2005 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie macht geltend, die ganztägige Betreuung der Tochter sei während der ambulanten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben im gleichen Umfang wie vorher fortgesetzt worden. Zusätzlicher Bedarf sei durch die Teilnahme der Klägerin an den Rehabilitationsleistungen nicht entstanden. Es mangele somit an der Kausalität im Verhältnis zur Rehabilitationsleistung. Die Auffassung des Gerichts hinsichtlich der fiktiven Betreuungsmöglichkeiten ver-möge nicht zu überzeugen. Es werde gerade auf die Fallgestaltungen abgehoben, in denen während der Rehabilitationsleistung tatsächlich ein größerer Betreuungsaufwand für das Kind entstehe als vor Beginn der Leistung. Würde man der Auffassung des Gerichts folgen, müsse in allen Fällen der ganztätigen Kinderbetreuung vor Beginn einer Rehabilitationsleistung geprüft werden, ob der Versicherte fiktiv in der Lage gewesen wäre, das Kind zeitweilig selbst zu betreuen und die Kinderbetreuung sozusagen über den erforderlichen Bedarf in Anspruch genommen worden sei. Durch die Leistungen der Beklagten zur Teil-habe am Arbeitsleben habe sich der finanzielle Aufwand für die Betreuung des Kindes der Klägerin nicht erhöht, sondern sei gleich geblieben. Damit seien die Kosten nicht durch die Teilnahme an den von der Beklagten bewilligten Maßnahme entstanden. Ohne Bedeutung sei dabei, aus welchen Gründen die Klägerin eine über den notwendigen Bedarf hinausge-hende Kinderbetreuung in Anspruch genommen habe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 10.01.2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin hält das angegriffene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen und auf die beigezogene Verwaltungsakte, die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2, 151 Abs. 1 SGG) ist zulässig, aber nur teilweise begründet.

Begründet ist die Berufung, soweit das Sozialgericht die Beklagte zur Übernahme von Kinderbetreuungskosten für Zeiten verurteilt hat, die nicht im Zusammenhang mit der ur-sprünglich bewilligten beruflichen Rehabilitationsmaßnahme stehen. Insoweit ist die Übernahme der Kinderbetreuungskosten in der Zeit nach Abbruch der Umschulung der Klägerin zur Veranstaltungskauffrau im April 2003 nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Beantragt hatte die Klägerin Ende 2002 nämlich die Übernahme der Kinder-betreuungskosten für ihre Tochter J. im Rahmen der mit Bescheiden vom 19.10.2002 bzw. 29.01.2003 und 19.02.2003 von der Beklagten bewilligten beruflichen Rehabilitati-onsleistungen zur Umschulung zur Veranstaltungskauffrau, die sie dann im April 2003 endgültig abgebrochen hat. Nur der mit dieser Rehabilitationsmaßnahme (Rehabilitationsvorbereitungslehrgang und Umschulung) im Zusammenhang stehende Folgeanspruch war Gegenstand der ablehnenden Entscheidung der Beklagten im Bescheid vom 13.01.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.06.2003. Denn für die von der Klägerin am 01.08.2003 begonnene weitere Umschulungsmaßnahme war ein neuer Antrag für die Hauptleistung (berufsfördende Rehabilitation) zu stellen. Erst die positive Entscheidung der Beklagten hierzu kann die Folgekosten (Übergangsgeld, Fahrtkosten und ggf. Kinderbetreuungskosten) bedingen.

Hinzu kommt, dass für die Übernahme der Kinderbetreuungskosten während der Zeit der neuen Umschulungsmaßnahme ab 01.08.2003, also nach Abbruch der Umschulung zur Veranstaltungskauffrau kein Antrag der Klägerin auf Erstattung der Kindergartenbeiträge vorliegt. Demzufolge hat die Beklagte zu den hierzu vom Sozialgericht nichtsdestoweniger ausgeurteilten Zeiträumen auch noch keine Entscheidung getroffen. Ein Vorverfahren wurde ebenso wenig durchgeführt, da sich der Widerspruchsbescheid vom 02.06.2003 schon vom zeitlichen Ablauf her nicht auf diesen neuen Sachverhalt bezieht. Insoweit ist das Urteil des Sozialgerichts Dresden daher aufzuheben und der über den Regelungsgegenstand des Bescheides der Beklagten vom 13.01.2003 in Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 02.06.2003 hinaus gehende Klageantrag der Klägerin mangels Rechts-schutzbedürfnis als unzulässig abzuweisen.

Im Übrigen hat das Sozialgericht die Beklagte zu Recht zur Erstattung der Kinderbetreu-ungskosten dem Grunde nach für die Zeit vom 21.10.2002 bis 17.04.2003 verurteilt, so dass die Berufung im Übrigen zurückzuweisen ist. Denn bezogen auf die genannten Zeiträume ist die Klage der Klägerin zulässig und begründet. Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 13.01.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.06.2003 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

Die Klägerin hat dem Grunde nach Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Betreuung ihrer Tochter J. vom 21.10.2002 bis 17.04.2003 in der Kindertagesstätte. In dieser Zeit hat die Klägerin an berufsfördernden Leistungen zur Rehabilitation gemäß §§ 9, 16 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) teilgenommen, die die Beklagte mit Bescheiden vom 19.10.2002 und 29.01.2003 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 19.02.2003 be-willigt hatte. Gemäß § 28 SGB VI in der seit 01.01.2002 geltenden Fassung (Art. 6 Neun-tes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) vom 19.06.2001, BGBl. I S. 1046) werden die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitslaben ergänzt durch Leistungen u.a. nach § 44 Abs. 1 Nr. 6 SGB IX sowie Haushaltshilfe und Kinderbetreuungskosten nach § 54 SGB IX.

Kosten für die Betreuung der Kinder des Leistungsempfängers können gemäß § 54 Abs. 3 Satz 1 SGB IX bis zu einem Betrag von 130 Euro je Kind und Monat übernommen wer-den, wenn sie durch die Ausführung einer Leistung - wie hier - zur Teilhabe am Arbeitsleben unvermeidbar entstehen. Anders als das Sozialgericht meint, kommt es in diesem Zu-sammenhang nicht auf die Frage an, ob die Klägerin ihren Haushalt, in dem sie zumindest zeitweise nicht nur mit ihrem Kind sondern auch mit dessen Vater während der Rehabilita-tionsleistung zusammenlebte. Entscheidend ist allein, ob die Kosten für die Kinderbetreu-ung der Tochter J. , die damals zwischen zwei und vier Jahre alt war, unvermeidbar ent-standen sind.

Insoweit kann Bezug genommen werden auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 16.09.1998 - B 11 AL 19/98 R) zu § 45 Satz 2 Arbeitsförderungsgesetz – AFG, wonach die Bundesanstalt (für Arbeit) auch die Kosten für die Betreuung der Kinder des Teilnehmers an einer Fortbildungsmaßnahme ( ) trägt, wenn diese durch die Teil-nahme an einer Maßnahme unvermeidbar entstehen ( ). Das Bundessozialgericht hat hierzu ausgeführt: "Das Merkmal der Unmittelbarkeit erfordert für die Erstattung von Maßnahmekosten nach § 45 AFG eine enge kausale Verknüpfung zwischen den entstandenen notwendigen Kosten und der Weiterbildungsmaßnahme in dem Sinne, dass sie ohne die Teilnahme an dem Lehrgang nicht entstanden wären (BSGE 38, 109, 116 = SozR 4100 § 44 Nr 1; BSGE 38, 292, 295 = SozR 4100 § 45 Nr 3). Hinsichtlich der Betreuungskosten während der Teilnahme an einer beruflichen Bildungsmaßnahme hatte das BSG den erforderlichen unmittelbaren Zusammenhang verneint, denn der Antragsteller müsse, um überhaupt an der Maßnahme teilnehmen zu können, zunächst von der Aufgabe befreit sein, seine Kinder zu betreuen. Es handele sich folglich um eine Bedingung, die Voraussetzung für die Teilnahme an der Maßnahme sei, so dass die Kosten nur aus Anlass der Teilnahme und nicht unmittelbar durch sie entstünden. ( )Die mit der Einfügung des Satzes 2 durch das AFKG ver-folgte Zielsetzung, eine Möglichkeit zur Kostenerstattung für Kinderbetreuung zu eröffnen, schließt es aus, den neu eingeführten Begriff der Unvermeidbarkeit im Sinne einer gegenüber der bisherigen Rechtslage zusätzlichen Voraussetzung zu verstehen. Vielmehr besteht der Anspruch seither unabhängig davon, ob die Kin-derbetreuungskosten unmittelbar durch die Maßnahme entstanden sind. Der nach § 45 Satz 2 AFG erforderliche spezifische Ursachenzusammenhang ist bereits dann gegeben, wenn eine Teilnahme an der Maßnahme ohne die Betreuung der Kinder nicht möglich ist. Dies ist der Fall, wenn der Teilnehmer die Betreuung infolge der Teilnahme nicht selbst oder durch einen Dritten - z.B. den Ehepartner sicherstellen kann. Dementsprechend ist nicht zusätzlich zu fordern, dass der Teilnehmer das Kind bzw. die Kinder in jedem Fall vor Beginn der Maßnahme selber betreut hat und er sie während der Maßnahme nicht mehr betreuen kann (so aber Richter in: Gagel, AFG, § 45 RdNr 57). Die letztgenannte Anforderung würde eine Kostener-stattung im übrigen von Zufälligkeiten abhängig machen, denn der Zeitpunkt, zu dem das Kind z.B. in einen Kindergarten oder in eine Kindertagesstätte gegeben werden kann, ist nicht allein vom Beginn der Maßnahme, sondern z.B. von Wartezeiten oder festen Eintrittsterminen abhängig. Im Übrigen führt die Auffassung des LSG zu einer Benachteiligung derjenigen Personen, die sich rechtzeitig um eine Betreuungsmöglichkeit bemühen, um dem Arbeitsmarkt aktuell zur Verfügung zu stehen bzw. um an einer Maßnahme der beruflichen Bildung teilnehmen zu kön-nen."

Dementsprechend hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg entschieden (Urteil vom 12.01.2007 - L 4 RJ 61/04), dass es auf das Merkmal der Unmittelbarkeit im Zusam-menhang mit der Erstattung von Kinderbetreuungskosten i.S.d. § 54 SGB IX nicht ankommt, so dass diese immer dann unvermeidbar sind, wenn eine Teilnahme an der Maß-nahme ohne die Betreuung des Kindes nicht möglich ist.

Der Senat schließt sich dieser Rechtsauffassung an. Der Gesetzgeber wollte bei der Normierung der Tatbestandsvoraussetzungen für die Gewährung einer Haushaltshilfe nach § 54 Abs. 1 SGB IX einerseits und der Übernahme der Kinderbetreuungskosten nach § 54 Abs. 3 SGB IX andererseits ersichtlich einen qualitativen Unterschied hinsichtlich des Kausalzusammenhangs festschreiben. Schon der unterschiedliche Wortlaut der Vorschriften legt dies nahe: so wird Haushaltshilfe nur geleistet, wenn den Leistungsempfängern wegen einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben die Weiterführung des Haushalts nicht möglich ist (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IX). Im Gegensatz dazu sollen die Kinderbetreuungskosten schon dann übernommen werden, wenn sie durch die Ausführung einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben unvermeidbar entstehen (§ 54 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Dass die Kinderbetreuungskosten (nur) wegen der beruflichen Rehabilitationsmaß-nahme entstanden sind, fordert das Gesetz gerade nicht. Allein die Unvermeidbarkeit der Kosten stellt eine Begrenzung der Erstattungspflicht der Beklagten dar: falls z.B. der Ehegatte oder Lebenspartner für die Kinderbetreuung tatsächlich zur Verfügung steht, entste-hen keine "unvermeidbaren" Betreuungskosten, wenn das Kind des Leistungsempfängers trotz dieser Möglichkeit entgeltlich von Dritten oder wie hier in einer Kindertagesstätte betreut wird.

Der Wortlaut und die Systematik der Vorschriften zeigen, dass ein Leistungsempfänger die umfangreiche und kostenintensive Haushaltshilfe nur erhalten kann, wenn er wegen der Ausführung einer Rehabilitationsleistung an der Weiterführung seines Haushalts gehindert ist und die übrigen Voraussetzungen des § 54 Abs. 1 SGB XI vorliegen. Gegenüber der Bereitstellung einer umfassenden Haushaltshilfe stellt die Erstattung von Kinderbetreuungskosten durch die Beklagte qualitativ und quantitativ ein Weniger dar, da der Leistungsempfänger prinzipiell seine Haushalt selbst weiterführt. Es bestehen daher keine Bedenken, die Erstattung von Kinderbetreuungskosten von weniger strengen Voraussetzungen abhängig zu machen, da es sich um unterschiedliche Sachverhalte handelt. Wenn der Leistungsempfänger ohne die entgeltliche Kinderbetreuung an den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht teilnehmen kann, weil niemand anderes für die unentgeltliche Betreuung seines unter zwölfjährigen Kindes zur Verfügung steht, sind diese Kosten der Kinderbetreuung unvermeidbar. Es kommt daher bei der Beurteilung der Frage der Unvermeidbarkeit nicht darauf an, ob und in welchem Umfang schon vor der Teilnahme an der Rehabilitationsleistung der Leistungsempfänger entgeltliche Kinderbetreuung in Anspruch genommen hatte.

Der abweichenden Auffassung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 25.04.2007 - L 8 R 290/06) ist nicht zu folgen. Ersichtlich hat die dortige Vorinstanz (Sozialgericht Köln, Urteil vom 29.08.2006) bei der Beurteilung des dort wohl streitgegen-ständlichen Kostenerstattungsanspruchs nach § 54 Abs. 1 und 2 SGB IX auf das Tatbestandsmerkmal der "Weiterführung des Haushaltes" in jenen Vorschriften abgestellt und in diesem Zusammenhang zwischen wesentlichen Bedingungen und hypothetischen Gesche-hensabläufen unterschieden. Darauf kommt es nach Ansicht des Senats indes nicht an, weil § 54 Abs. 3 SGB IX für die Erstattung von Kinderbetreuungskosten eigene Tatbestandsvoraussetzungen normiert, die von den Voraussetzungen, nach denen die Beklagte Haus-haltshilfe leistet, unabhängig sind. Dies ergibt sich insbesondere aus § 54 Abs. 3 Satz 2 SGB IX, wonach Leistungen zur Kinderbetreuung nicht neben, d.h. zusätzlich zu den Leistungen nach § 54 Abs. 1 und 2 SGB IX erbracht werden.

Klarstellend ist das Urteil des Sozialgerichts Dresden abzuändern, soweit der stattgebende Tenor über den in § 54 Abs. 3 Satz 1 SGB IX normierten Höchstsatz von monatlich 130 Euro hinausging. Im Übrigen stehen Ermittlungen der Beklagten über die Höhe der tatsächlich entstandenen Kinderbetreuungskosten aus, da diese eine Erstattung schon dem Grunde nach abgelehnt hatte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Anteil der Beteiligten am Obsiegen bzw. Unterliegen in beiden Rechtszügen.

Die Revision ist gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Zwar befindet sich der Senat bei der Auslegung des Begriffs "unvermeidbar entstehen" in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu § 45 AFG und des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg zu § 54 Abs. 3 Satz 1 SGB IX (jeweils a.a.O.). Allerdings hat das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (a.a.O.) zu der im vorliegenden Verfahren streitentscheidenden Norm abweichend entschieden hat, so dass es im Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Rechtsprechung angezeigt ist, für die hier interessierende Fallgestaltung eine eindeutige höchstrichterliche Entscheidung zu ermöglichen.
Rechtskraft
Aus
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