L 19 B 1942/07 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 99 AS 25732/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 19 B 1942/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts B vom 29. Oktober 2007 aufgehoben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Der Antragsgegner hat der Antragstellerin 1/10 der außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist begründet. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen nicht vor.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung ist, dass sowohl ein Anordnungsanspruch (d. h. ein nach der Rechtslage gegebener Anspruch auf die einstweilig begehrte Leistung) wie auch ein Anordnungsgrund (im Sinne einer Eilbedürftigkeit des Verfahrens) bestehen. Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -). Wegen des vorläufigen Charakters einer einstweiligen Anordnung soll durch sie eine endgültige Entscheidung in der Hauptsache grundsätzlich nicht vorweggenommen werden. Bei seiner Entscheidung kann das Gericht grundsätzlich sowohl eine Folgenabwägung vornehmen wie auch eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache anstellen. Drohen aber ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, dann dürfen sich die Gerichte nur an den Erfolgsaussichten orientieren, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist. Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist allein anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 596/05 -). Handelt es sich wie hier um Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende, die der Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens dienen und damit das Existenzminimum absichern, muss die überragende Bedeutung dieser Leistungen für den Empfänger mit der Folge beachtet werden, dass ihm im Zweifel die Leistungen - ggf. vermindert auf das absolut erforderliche Minimum - aus verfassungsrechtlichen Gründen vorläufig zu gewähren sind.

Ausgehend von diesen Grundsätzen konnte die Entscheidung des Sozialgerichts keinen Bestand haben. Das Sozialgericht hat bereits verkannt, dass regelmäßig eine besondere Eilbedürftigkeit in einem Verfahren nach § 86 b Abs. 2 SGG allenfalls in Bezug auf Leistungen anerkannt werden kann, die - frühestens - für den Zeitraum seit Anbringung des Antrages bei Gericht zustehen. Jedenfalls für davor liegende Leistungszeiträume ist eine vorläufige gerichtliche Regelung grundsätzlich nicht nötig, weil davon in der Regel keine gegenwärtigen wesentlichen Nachteile mehr ausgehen, deren Abwendung eine vorläufige Gerichtsentscheidung erforderlich macht. Aber auch für den verbliebenen Zeitraum (mit den angefochtenen Bewilligungsbescheiden ist eine Leistungsbewilligung bis einschließlich 30. November 2007 erfolgt) konnte dem Begehren der Antragstellerin nicht entsprochen werden.

Bei der im einstweiligen Rechtschutzverfahren regelmäßig nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Antragstellerin einen Anspruch auf höhere Leistungen gegenüber dem Antragsgegner hat, als ihr mit dem Bescheid vom 8. Mai 2007 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 17. und 29. Oktober 2007 zuerkannt worden ist. Insbesondere sind die Leistungen zu Recht unter Berücksichtigung des der Antragstellerin gewährten Existenzgründungszuschusses von - zurzeit - 240 Euro monatlich als Einkommen bemessen worden.

Der Senat nimmt Bezug auf die im Verfahren bereits ergangenen Entscheidungen zu den Anträgen nach § 199 SGG. Weiterhin wird zur Begründung wie folgt ausgeführt.

Nach § 11 Abs. 1 SGB II sind als Einkommen zu berücksichtigen, Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem SGB II und weiterer hier offenkundig nicht einschlägiger Leistungen. Bei dem Existenzgründungszuschuss handelt es sich um eine Einnahme in Geld.

Nach § 421 l Abs. 1 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches - SGB III - in der Fassung des Vierten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 19. November 2004 (BGBl. I S. 2902) haben Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, Anspruch auf einen monatlichen Existenzgründungszuschuss. Der Zuschuss wird geleistet, wenn der Existenzgründer (1) in einem engen Zusammenhang mit der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III bezogen oder eine Beschäftigung ausgeübt hat, die als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nach dem SGB III gefördert worden ist, (2) nach Aufnahme der selbständigen Tätigkeit Arbeitseinkommen nach § 15 des Vierten Buches (des Sozialgesetzbuches) erzielen wird, das voraussichtlich 25.000 Euro im Jahr nicht überschreiten wird, und (3) eine Stellungnahme einer fachkundigen Stelle über die Tragfähigkeit der Existenzgründung vorgelegen hat; fachkundige Stellen sind insbesondere die Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, berufsständige Kammern, Fachverbände und Kreditinstitute. Der Zuschuss wird nach Absatz 2 der Vorschrift bis zu drei Jahre erbracht und jeweils längstens für ein Jahr bewilligt. Er beträgt im ersten Jahr nach der Beendigung der Arbeitslosigkeit monatlich 600,- Euro, im zweiten Jahr monatlich 360,- Euro und im dritten Jahr monatlich 240,- Euro.

Bei dem Existenzgründungszuschuss handelt es sich nicht um eine von § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II ausgenommen Leistung nach dem SGB II. In Kapitel 3 des SGB II sind die Leistungen nach diesem Buch aufgeführt, dazu gehören die in § 16 SGB II aufgeführten Leistungen zur Eingliederung, welche die Agentur für Arbeit nach dem SGB III erbringt. Der Existenzgründungszuschuss ist dort anders als beispielsweise der Eingliederungszuschuss nach den §§ 217 ff SGB III nicht ausdrücklich genannt. Dies beruht nicht auf einer irrtümlichen Auslassung, wie den Gesetzesmaterialien zu den §§ 16, 29 SGB II zu entnehmen ist, sodass eine ergänzende Auslegung der Norm nicht in Betracht kommt. Der Entwurf eines 4. Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (BT-Drucksache 15/1516) erwähnte in § 16 Abs. 1 SGB II nicht den in § 421 l SGB III geregelten Existenzgründungszuschuss. Zwar sah die Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses (BT-Drucksache 15/1728, S. 177/178) vor, auch § 421 l SGB III mit in den in § 16 Abs. 1 SGB II geregelten Katalog der Eingliederungsleistungen aufzunehmen. Dieser Empfehlung ist der Vermittlungsausschuss indes nicht gefolgt (BT-Drucksache 15/2259), so dass das 4. Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl I S. 2954) ohne eine Aufnahme des § 421 l SGB III in § 16 Abs. 1 SGB II verabschiedet wurde. Das Verhältnis des Existenzgründungszuschusses zu den Leistungen nach dem SGB II war sodann Gegenstand der Beratungen des Entwurfs des kommunalen Optionsgesetzes im Jahre 2004 (BT-Drucksache 15/2816). Da Existenzgründungszuschuss und Überbrückungsgeld trotz ihrer Lebensunterhalt sichernden Funktion kumulativ zum Arbeitslosengeld II nach dem Zweiten Buch zu zahlen gewesen wären, sah die Empfehlung des Wirtschaftsausschusses (BT-Drucksache 15/2997) zum kommunalen Optionsgesetz (BT-Drucksache 15/2816) eine Formulierung des § 16 Abs. 1 SGB II vor, die den Existenzgründungszuschuss bewusst nicht erwähnte. Ein vergleichbares Instrumentarium bei Selbständigkeit für SGB II-Leistungsbezieher sei das Einstiegsgeld nach § 29 SGB II (BT-Drucksache 15/2997, S. 24, vgl. Eicher/Spellbrink § 16 Rdnr. 26, § 29, Rdnr. 4). Dementsprechend enthält § 16 Abs. 1 SGB II in der Fassung des kommunalen Optionsgesetzes vom 5. August 2004 (BGBl I S. 2014) auch keinen Verweis auf § 421 l SGB III (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 6. Dezember 2005 - L 10 B 1144/05 AS ER -, LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18. Juli 2006 - 25 B 1342/05 AS ER-).

Von § 11 Abs. 1 SGB II abweichende weitere gesetzliche Bestimmungen zur Frage der Anrechung des Existenzgründungszuschusses bei der Bestimmung des Einkommens bestehen nicht. Auch der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld vom 20. Oktober 2004 (Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung (Alg II-VO)), die auf der Grundlage von § 13 Abs. 1 SGB II Bestimmungen enthält, welche weiteren Einnahmen nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind, lässt sich eine Privilegierung des Existenzgründungszuschusses nicht entnehmen. Der Existenzgründungszuschuss ist insbesondere nicht Teil der Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit. Der Existenzgründungszuschuss steht zwar in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der selbständigen Tätigkeit, er wird aber nicht durch die selbständige Tätigkeit selbst erwirtschaftet (vgl. dazu im Einzelnen: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18. Juli 2006 - 25 B 1342/05 AS ER -).

Bei dem Existenzgründungszuschuss handelt es sich nicht um eine nach § 11 Abs. 3 Nr. 1 a SGB II privilegierte Einnahme.

Danach sind als Einkommen nicht zu berücksichtigen, Einnahmen, soweit sie als zweckbestimmte Einnahmen einem anderen Zweck als die Leistungen nach diesem Buch (dem SGB II) dienen und die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht gerechtfertigt wären. § 11 Abs. 3 SGB II enthält keine gesetzliche Definition des Begriffs der "zweckbestimmten Einnahme". Grundlage der Freistellung ist, zu sichern, dass der Zweck der Leistung, deren Anrechnung in Frage steht, nicht vereitelt wird, weil die Leistung im Anrechnungsfall anstelle der danach (teilweise) ausfallenden Leistung für deren Zwecke eingesetzt werden müsste. Spiegelbildlich ist diese Auslegung daran zu orientieren, zu verhindern, dass für einen identischen Zweck Doppelleistungen aus öffentlichen Mitteln erbracht werden (vgl. BSG, Urteil vom 3. Dezember 2002 - B 2 U 12/02 R - SozR 3-5910 § 76 Nr. 4; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, § 11 Rdnr. 213). Zur Frage, wie vollständig und eindeutig die anderweitige Zweckbindung der Einnahme sein muss, sind unterschiedliche Auslegungen vorstellbar. Zu der § 11 Abs. 3 SGB II ähnlichen Bestimmung, die für die Arbeitslosenhilfe gegolten hat - § 138 Abs. 3 Nr. 3 Arbeitsförderungsgesetz -, hat es das BSG für ausreichend erachtet, wenn "bei einer Anrechnung ein weiterer, mit der Leistungsgewährung verbundener Zweck, wie z. B. die Aufrechterhaltung eines bestimmten wirtschaftlichen Zustandes, verfehlt würde;" (BSG, Urteil vom 12. Februar 1980 - 7 RAr 13/79 - SozR 4100 § 138 Nr. 5); zu § 77 Bundessozialhilfegesetz ist demgegenüber entschieden, dass eine zweckneutrale Leistung anrechenbar ist, wobei es sich um eine solche bereits dann handelt, wenn sich aus dem Gesamtzusammenhang eine vom Gesetzgeber gewollte Zweckbindung nicht eindeutig ableiten lässt (BSG, Urteil vom 3. Dezember 2002 - B 2 U 12/02 R - SozR 3-5910 § 76 Nr. 4 zur Frage der Anrechnung einer Verletztenrente; vgl. auch Bundesverwaltungsgericht - BVerwGE 69, 177 zur Frage der Anrechnung einer Entschädigungsrente; BVerwGE, Urteil vom 28. Mai 2003 - 5 C 41/02 - GVBL 2004, 54 zur Frage der Anrechnung der Eigenheimzulage).

Jedenfalls Leistungen, die weitgehend zweckidentisch sind, unterliegen der Anrechnung. Dies ist bezüglich der Grundsicherungsleistung nach dem SGB II und dem Existenzgründungszuschuss nach § 421 l SGB III der Fall, wie ein Vergleich der Leistungszwecke ergibt. Beide Leistungen dienen der Unterhaltssicherung. Der Senat schließt sich insoweit der Rechtsprechung des 10. und des 25. Senates des LSG Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 6. Dezember 2005 - L 10 B 1144/05 AS ER - und Beschluss vom 18. Juli 2006 - 25 B 1342/05 AS ER -) nach eigener Prüfung an. Zu vergleichen sind der Zweck des Existenzgründungszuschusses und der Leistung, die sich durch seine Anrechnung mindern würde. Bereits nach dem Wortlaut des § 19 SGB II dient das Arbeitslosengeldes II der Unterhaltssicherung, denn danach erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich der angemessenen Kosten der Unterkunft. Anders als § 19 SGB II nennt § 241 l SGB III keine Zweckbestimmung des Existenzgründungszuschusses. Auch aus der Bezeichnung und dem Regelungszusammenhang ergibt sich keine Klärung der Zwecksetzung. Mit der Bezeichnung Existenzgründungszuschuss wird allgemein das Ziel der Förderung beschrieben.

Der notwendige Vergleich zu den Zwecken der Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II kann nur stattfinden, wenn die konkret zur Erreichung des Förderzweckes vorgesehenen Maßnahmen betrachtet werden.

Den Gesetzesmaterialien zu § 421 l SGB III (BT-Drucksache 15/26 S. 19, 22 ff.) ist zu entnehmen, dass mit dem Existenzgründungszuschuss "der Übergang in die Selbständigkeit zeitlich befristet sozial flankiert (werden soll), indem Gründerinnen und Gründer in den Schutz der Sozialversicherung einbezogen bleiben". Von dem Zuschuss könnten Beitragszahlungen zur Sozialversicherung geleistet werden. Schwarzarbeit solle zurückgedrängt werden. Weiter heißt es, die Höhe des Existenzgründungszuschuss im ersten Jahr entspreche etwa der Hälfte der Summe aus dem durchschnittlichen monatlichen Arbeitslosengeld und den darauf entrichteten Sozialversicherungsbeiträgen. Ferner wird die Notwendigkeit, eine zeitgleiche Förderung nach § 57 SGB III (Überbrückungsgeld) auszuschließen, damit begründet, es handele sich um "gleichgerichtete Leistungen". Für die Unterhaltssicherungsfunktion des Existenzgründungszuschusses spricht zum einen die "Bemessung" der Höhe, die stark pauschalierend an die Bemessung der (typischerweise unterhaltssichernden) Lohnersatzleistung anknüpft und deren Vorbezug voraussetzt (vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 6. Dezember 2005, s.o.). Weiter spricht dafür die mit dem Überbrückungsgeld nach § 57 SGB III gemeinsame Zielrichtung ("gleichgerichtete Leistung"). Nach dieser Bestimmung haben Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden oder vermeiden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Anspruch auf Überbrückungsgeld. In der Vorschrift, die die nach den Gesetzesmaterialien gleichgerichtete Leistung betrifft, wird also der Zweck der Unterhaltssicherung ausdrücklich genannt.

Aus der gesetzgeberischen Konzeption lässt sich ein Zweck, die Finanzausstattung der neu geschaffenen Existenz - im Sinne der Subventionierung der Einzelunternehmung - zu sichern, nicht ableiten (so aber LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 23. Juni 2005 - L 8 AS 97/05 ER -; dem folgend LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. September 2005 - L 5 B 1002/05 AS ER -). Dem steht schon entgegen, dass sich die Höhe des Existenzgründungszuschusses nicht an dem für die aufzunehmende Tätigkeit erforderlichen Kapitalaufwand, sondern an der Höhe der Lohnersatzleistungen orientiert. Soweit in den soeben bezeichneten Beschlüssen weiter davon ausgegangen wird, ein abweichender Zweck des Existenzgründungszuschusses sei darin zu erblicken, dass er (auch) zur Aufrechterhaltung des Schutzes gegen Krankheit, Erwerbsminderung aus der Sozialversicherung sowie der Altersvorsorge dienen solle, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Vielmehr wird gerade hier deutlich, dass die kumulative Gewährung von Existenzgründungszuschuss und ALG II eine Doppelleistung wäre. Denn akzessorisch zur Leistung von ALG II ist die Versicherung in der gesetzlichen Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches - SGB V -, § 3 Satz 1 Nr. 3 a des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches - SGB VI - und § 20 Abs. 1 S.2 Nr. 2 a des Elften Buches des Sozialgesetzbuches - SGB XI - oder ausnahmsweise der Anspruch auf einen Zuschuss zur entsprechenden privaten Vorsorge nach § 26 SGB II. Diese Leistungen sind als Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts i.S.v. Kapitel 3 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 SGB II nach der gesetzgeberischen Konzeption zwingende Bestandteile der Grundsicherung für Arbeitssuchende (vgl. Brünner in LPK-SGB II § 26 RdNr. 5) und als solche bei Prüfung der Zweckgleichheit einzubeziehen.

Die weiteren sich aus den Gesetzesmaterialien ergebenden allgemeinen Ziele der Arbeitsmarktpolitik, wie die Bekämpfung der Schwarzarbeit und die Anregung der Gründung selbständiger Existenzen, bilden nicht den Zweck der Leistung gegenüber dem Leistungsempfänger, sondern behandeln nur den politischen Rahmen, in dem sich die Leistung bewegt (vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 6. Dezember 2005, s. o.).

Dieses Auslegungsergebnis - die Anrechnungspflichtigkeit des Existenzgründungszuschusses wegen Zweckidentität i. S. v. § 11 Abs. 3 SGB II - findet eine Bestätigung in dem, was die Gesetzesmaterialien zu §§ 16, 29 SGB II zum Existenzgründungszuschuss aussagen. Wie oben bereits ausgeführt, war zunächst eine Aufnahme des § 241 l SGB III in den Katalog des § 16 Abs. 1 SGB II empfohlen worden, dem jedoch der Vermittlungsausschuss nicht gefolgt war, weshalb § 16 SGB II - bewusst - keinen Verweis auf § 241 l SGB III enthält.

Die Ausgestaltung des Einstiegsgeldes (§ 29 SGB II) bestätigt des Weiteren das hier gefundene Ergebnis. Diese Leistung wird als Zuschuss zum Alg II erbracht (wie in § 29 Abs. 1 Satz 2 SGB II a.F. ausdrücklich geregelt war, vergl. im übrigen § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II) und kann selbst bei Wegfall der Hilfebedürftigkeit noch gewährt werden (§ 29 Abs. 1 Satz 2 SGB II n.F.) Die Höhe dieser Leistung ist aber - im Unterschied zum Existenzgründungszuschuss - nicht gesetzlich geregelt. Bei der Bemessung sind auf den Einzelfall bezogene soziale Erwägungen anzustellen (§ 29 Abs. 2 Satz 2 SGB II). Demgegenüber richtet sich die Höhe des Existenzgründungszuschusses nicht nach den konkreten sozialen Verhältnissen des Leistungsempfängers. Damit wird deutlich, dass kein Wertungswiderspruch vorliegt, weil zwar der Existenzgründungszuschuss nicht aber das Einstiegsgeld sich auf den Alg-II-Anspruch und dessen Höhe auswirken kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und berücksichtigt, dass vom Antragsgegner während des Verfahrens Änderungsbescheide erlassen wurden, die zu einer höheren Leistungsgewährung führten.

Gegen diesen Beschluss sieht das Gesetz einen ordentlichen Rechtsbehelf nicht vor (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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