L 5 KR 221/06

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Speyer (RPF)
Aktenzeichen
S 7 KR 44/05
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 5 KR 221/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Das Fehlen einer Mitgliedsbescheinigung nach § 175 Abs. 4 Satz 4 SGB V ist im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ersetzbar.
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 29.9.2006 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziffer 1 des Tenors wie folgt lautet: 1. Der Bescheid der Beklagten vom 11.10.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.8.2007 wird aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die Klägerin im Zeitraum vom 1.6.2003 bis zum 30.9.2004 Mitglied bei der Beklagten und bei dieser krankenversichert war.

2. Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Umstritten ist, ob die Klägerin im Zeitraum vom 1.6.2003 bis zum 30.9.2004 bei der Beklagten oder bei der Beigeladenen versichert war.

Die 1958 geborene Klägerin kündigte am 31.3.2003 ihre bis dahin bestehende Mitgliedschaft bei der Beigeladenen, bei der sie seit dem 2.7.1992 Mitglied gewesen war, zum 31.5.2003. Die Beigeladene stellte ihr unter dem 2.4.2003 eine Kündigungsbestätigung aus, worauf die Klägerin der Beklagten gegenüber erklärte, sie trete dieser bei. Die Beklagte stellte der Klägerin indes keine Mitgliedsbescheinigung aus, nahm aber ab dem 1.6.2003 die Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die Klägerin entgegen.

Nachdem die Klägerin keine Versichertenkarte von der Beklagten erhalten hatte, kündigte sie ihre Mitgliedschaft bei der Beklagten zum 30.9.2004. Mit Schreiben vom 11.10.2004 erklärte die Beklagte der Klägerin, sie könne die Kündigung nicht bearbeiten, da die Klägerin nie Mitglied bei ihr geworden sei, was sie der Klägerin bereits unter dem 21.8.2003 mitgeteilt habe.

Am 14.2.2005 hat die Klägerin beim Sozialgericht (SG) Speyer Klage erhoben. Die Beklagte hat vorgetragen: Die Klägerin habe zwar eine Mitgliedschaft bei der Beklagten beantragt; diese sei aber nicht durchgeführt worden. Sie, die Beklagte, habe versehentlich die Ausstellung einer Mitgliedsbescheinigung unterlassen, was sie ausdrücklich bedauere. Die rückwirkende Herstellung der Mitgliedschaft sei aber unmöglich. Aufgrund einer Änderungsmitteilung der Beschäftigungsfirma der Klägerin sei diese fälschlicherweise automatisch "im System" als Mitglied erfasst worden, sodass eine Krankenversicherungskarte ausgestellt worden sei und Leistungen an die Klägerin geflossen seien.

Durch Urteil vom 29.9.2006 hat das SG festgestellt, dass die Klägerin vom 1.6.2003 bis zum 30.9.2004 Mitglied der Beklagten und bei dieser krankenversichert gewesen sei. Zur Begründung hat es ausgeführt: Zwar werde nach § 175 Abs 4 Satz 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) die Kündigung bei der früheren Krankenkasse (hier: der Beigeladenen) nur wirksam, wenn ihr die Mitgliedschaft bei einer anderen Krankenkasse durch Vorlage einer Mitgliedsbescheinigung nachgewiesen werde. Auf diese Vorschrift könne sich die Beklagte indes nicht berufen. Sie diene nämlich nicht dem Schutz der Krankenkasse, deren Mitgliedschaft der Versicherte gewählt habe. Wenn, wie hier, nicht erkennbar sei, aus welchen Gründen die Ausstellung einer Mitgliedsbescheinigung durch die gewählte Krankenkasse unterblieben sei, wäre durch eine rein formale Anwendung des § 175 Abs 4 Satz 4 SGB V die Bestimmung des § 175 Abs 1 Satz 2 SGB V letztlich disponibel. Die gewählte Krankenkasse hätte es in der Hand, neue (möglicherweise unliebsame) Mitglieder abzulehnen, indem sie keine Mitgliedsbescheinigung ausstelle (Hinweis auf Bundessozialgericht BSG 2.12.2004 B 12 KR 23/04 R). Im Lichte des § 175 Abs 1 Satz 2 SGB V sei deshalb Abs 4 Satz 4 SGB V nicht anwendbar, wenn die Nichtausstellung der Mitgliedsbescheinigung auf rechtswidrigem Verwaltungshandeln beruhe.

Gegen dieses ihren Prozessbevollmächtigten am 19.10.2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 17.11.2006 eingelegte Berufung der Beklagten. Auf Veranlassung des Senats ist das Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 11.10.2004 nachgeholt worden. Die Beklagte hat den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 24.8.2007 zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt vor: Für die erhobene Feststellungsklage fehle es an dem erforderlichen Feststellungsinteresse. Unterstelle man den Vortrag der Klägerin, diese sei zum 1.6.2003 ihr (der Beklagten) Mitglied geworden, als zutreffend, so hätte sie ihre Mitgliedschaft wegen der Mindestbindungsfrist gemäß § 175 Abs 4 Satz 1 SGB V frühestens mit Ablauf des 30.11.2004 beenden können, nicht dagegen mit Ablauf des 30.9.2004. Im Übrigen datiere die Kündigung der Klägerin ihr gegenüber erst vom 30.9.2004, sodass auch deshalb keine frühere Mitgliedschaftsbeendigung als mit Ablauf des 30.11.2004 in Betracht käme. Die Klage sei aber jedenfalls unbegründet. Eine wirksame Begründung der Mitgliedschaft bei ihr, der Beklagten, ab dem 1.6.2003 scheitere an der nicht ausgestellten Mitgliedsbescheinigung, die gemäß § 175 Abs 4 Satz 4 SGB V zwingende Voraussetzung für das Wirksamwerden einer Kündigung sei. Die teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift, die das SG vorgenommen habe, sei rechtlich nicht haltbar. Wenn diese Norm tatsächlich in ihrem Anwendungsbereich so weit eingeschränkt wäre, dh wenn sie vor allem in den Fällen gelten solle, in denen das Mitglied keine neue Krankenkasse wähle, entstünde ein Widerspruch zu § 175 Abs 4 Satz 6 SGB V.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des SG Speyer vom 29.9.2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor: Die Auffassung der Beklagten, die Klage sei wegen fehlenden Feststellungsinteresses unzulässig, sei nicht nachvollziehbar. Es könne nicht angehen, dass die Mitgliedschaft bei der Beklagten allein deshalb nicht habe beginnen können, weil die Beklagte die Ausstellung der Mitgliedsbescheinigung versäumt habe.

Die Beigeladene hat sich nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Prozessakte verwiesen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die nach §§ 143 f, 151 Sozialgerichtsgesetz SGG zulässige Berufung ist nicht begründet. Das SG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Klägerin im Zeitraum vom 1.6.2003 bis 30.9.2004 Mitglied der Beklagten geworden ist.

Der Tenor des angefochtenen Urteils ist allerdings zu ändern, weil die Klage nur als kombinierte Anfechtungs und Feststellungsklage (§§ 54 Abs 1, 55 SGG) zulässig ist. Die Beklagte hatte durch das angebliche Schreiben vom 21.8.2004, jedenfalls aber durch das der Klägerin zweifelsfrei zugegangene Schreiben vom 11.10.2004 entschieden, dass eine Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten nicht begründet worden sei. Das Schreiben stellt einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X dar, da es eine Entscheidung einer Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft, die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Die Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten kann nur festgestellt werden, wenn dieser Verwaltungsakt gleichzeitig im Wege der hierfür vorrangig gegebenen Anfechtungsklage beseitigt wird.

Entgegen der Ansicht der Beklagten fehlt es nicht an dem erforderlichen Feststellungsinteresse (§ 55 Abs 1 SGG). Dieses ist darin begründet, dass der Beitragssatz der Beklagten im maßgebenden Zeitraum niedriger war als bei der Beigeladenen. Er lag bei der Beklagten bei 12,8 % und bei der Beigeladenen bis zum 31.12.2003 bei 15,2 % und ab dem 1.1.2004 bei 14,7 %.

Bei der Prüfung des Feststellungsinteresses kommt es nicht entscheidend darauf an, ob eine Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten im Zeitraum vom 1.6.2003 bis zum 30.9.2004 der gesetzlich festgelegten 18monatigen Bindungsfrist (§ 175 Abs 4 Satz 1 SGB V) widerspricht. Die Klägerin hat nicht die Feststellung beantragt, dass sie nur in dem genannten Zeitraum bei der Beklagten versichert war. Ob sie auch in der Zeit vom 1.10. bis 30.11.2004 Mitglied der Beklagten war, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.

Das Begehren der Klägerin ist auch in der Sache gerechtfertigt. Die Voraussetzungen für deren Mitgliedschaft bei der Beklagten in der Zeit vom 1.6.2003 bis zum 30.9.2004 sind gemäß § 175 SGB V erfüllt. Die Klägerin war ab dem 1.6.2003 nicht mehr an die Wahl der Mitgliedschaft bei der Beigeladenen gebunden. Diese Bindungswirkung besteht gemäß § 175 Abs 4 Satz 1 SGB V mindestens für 18 Monate, wenn das Mitglied das Wahlrecht ab dem 1.1.2002 ausgeübt hat. Da die Klägerin bereits seit dem 2.7.1992 Mitglied der Beigeladenen gewesen war, war im hier maßgebenden Zeitpunkt der Zeitraum der Bindungswirkung abgelaufen. Die Klägerin hat der Beigeladenen gegenüber mit der zulässigen Frist gekündigt. Nach § 175 Abs 4 Satz 2 SGB V ist eine Kündigung der Mitgliedschaft zum Ablauf des übernächsten Kalendermonats möglich, gerechnet von dem Monat, in dem das Mitglied die Kündigung erklärt. Da die Kündigung der Klägerin bei der Beigeladenen am 31.3.2003 eingegangen ist, erfolgte sie für die Zeit ab dem 1.6.2003 rechtzeitig. Die Beigeladene hat der Klägerin zudem rechtzeitig unter dem 2.4.2003 eine Kündigungsbestätigung ausgestellt (vgl § 175 Abs 4 Satz 3 SGB V). Ferner hat die Klägerin rechtzeitig den Beitritt zur Beklagten erklärt, worauf zwischen den Beteiligten zu Recht Einigkeit besteht.

Entgegen der Meinung der Beklagten scheitert die Mitgliedschaft der Klägerin bei ihr nicht an § 175 Abs 4 Satz 4 SGB V. Nach dieser Vorschrift wird die Kündigung wirksam, wenn das Mitglied innerhalb der Kündigungsfrist eine Mitgliedschaft bei einer anderen Kasse durch eine Mitgliedsbescheinigung nachweist. Diesen formellen Nachweis konnte die Klägerin zwar der Beigeladenen gegenüber nicht innerhalb der Kündigungsfrist erbringen, weil die Beklagte auf den Beitritt der Klägerin zu ihr nicht reagiert hat. Das ist jedoch unschädlich. Es kann offen bleiben, ob die vom SG vorgenommene teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs des § 175 Abs 4 Satz 4 SGB V zutreffend ist. Wenn dies verneint würde, wäre das Fehlen einer förmlichen Mitgliedsbescheinigung und deren Vorlage durch die Klägerin durch einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch ersetzbar.

Typische Fälle des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs sind Fehler bei der Beratung und Aufklärung des Versicherten. Darauf ist indes der sozialrechtliche Herstellungsanspruch, der Verletzungen von Nebenpflichten von Sozialleistungsträgern betrifft, nicht beschränkt. Er kann grundsätzlich durch jedes rechtswidrige Verhalten ausgelöst werden (Seewald in Kasseler Kommentar, SGB I, vor §§ 38 47 Rn 34). Dazu kann auch das Unterlassen einer Entscheidung, zB wie vorliegend über eine mitgliedsrechtlich bedeutsame Bescheinigung, zählen. Nach § 175 Abs 2 Satz 1 SGB V hat die Krankenkasse, zu deren Gunsten der Versicherte das Wahlrecht ausgeübt hat, unverzüglich eine Mitgliedsbescheinigung auszustellen. Gegen diese Pflicht hat die Beklagte verstoßen. Die Klägerin hat den Beitritt zur Beklagten unmittelbar nach Erhalt der Kündigungsbestätigung der Beigeladenen vom 2.4.2003 erklärt. Bei dieser Sachlage hätte sie, da kein weiterer Prüfungsbedarf bestand, noch Anfang April die Mitgliedsbescheinigung erteilen müssen.

Diese Pflichtverletzung ist kausal für den Schaden geworden, der entstand, wenn man die Auffassung vertritt, dass auf die Mitgliedsbescheinigung nicht wegen einer teleologischen Reduktion des Anwendungsbereichs des § 175 Abs 4 Satz 4 SGB V verzichtet werden kann. Ein etwaiges Mitverschulden der Klägerin würde den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch nur bei grober Fahrlässigkeit (vgl BSGE 34, 124, 129 f) ausschließen. Eine solche kann der Klägerin vorliegend nicht angelastet werden, auch wenn sie es versäumt hat, die Beklagte an die Ausstellung der Mitgliedsbescheinigung zu erinnern. Da ihr Arbeitgeber die Meldung der Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten auch ohne Meldebescheinigung vorgenommen und die beteiligten Krankenkassen zunächst auch die Beklagte, welche die Beiträge angenommen und sogar Leistungen erbracht hat dieses Verfahren ohne weiteres akzeptiert haben, kann von einer groben Fahrlässigkeit der Klägerin keine Rede sein.

Mit Hilfe eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs dürfen allerdings keine Tatsachen außerhalb des Versicherungsverhältnisses fingiert werden (Hauck in Hauck/Noftz, SGB I, K § 14 Rn 43). Vielmehr können nur sich unmittelbar auf das Versicherungsverhältnis beziehende Tatsachen ersetzt werden, etwa eine rechtzeitige Antragstellung oder Beitragszahlung. Bei der durch den Herstellungsanspruch zu ersetzenden Vorlage einer Mitgliedsbescheinigung handelt es sich indes um eine unmittelbar das Versicherungsverhältnis betreffende Tatsache.

Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch darf ferner nicht dazu führen, dass eine Rechtslage entsteht, die dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung zuwiderläuft. Dies ist indes bei der vorliegenden Fallkonstellation, bei welcher die Beigeladene von der Beschäftigungsfirma der Klägerin rechtzeitig Kenntnis von der Wahlentscheidung der Klägerin erhielt, nicht der Fall.

Seit dem Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) vom 21.12.1992 (BGBl I 2266) wurde den Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung unter Berücksichtigung der seinerzeit einjährigen Kündigungsfrist die Wahl ihrer Krankenkasse freigestellt. Nach § 175 Abs 1 Satz 2 SGB V darf die gewählte Krankenkasse die Mitgliedschaft nach Ausübung des Wahlrechts nicht ablehnen. Nach der Gesetzesbegründung zum GSG (abgedruckt bei Hauck/Noftz, SGB V, M 011, S 92) stellt die Vorschrift klar, dass die Krankenkasse die Mitgliedschaft nicht zB aus Risikogründen ablehnen darf. Die gesetzliche Regelung in § 175 SGB V (vorliegend anwendbar in der Fassung des Gesetzes vom 27.7.2001, BGBl I 1946) enthält ein gestuftes Verfahren, das die Kündigungserklärung des Versicherten nach § 175 Abs 4 Satz 2 SGB V, das Ausstellen einer Kündigungsbestätigung nach § 175 Abs 4 Satz 3 SGB V, die Abgabe einer Wahlrechtserklärung des Versicherten gegenüber der neu ausgewählten Krankenkasse nach § 175 Abs 1 Satz 1 SGB V, das Ausstellen einer Mitgliedsbescheinigung der neu ausgewählten Krankenkasse nach § 175 Abs 2 SGB V, die Vorlage der Mitgliedsbescheinigung bei der meldepflichtigen Stelle nach § 175 Abs 3 SGB V, dh dem Arbeitgeber, und die Vorlage der Mitgliedsbescheinigung bei der gekündigten Krankenkasse nach § 175 Abs 4 Satz 4 SGB V enthält (vgl Blöcher in juris PK SGB I § 175 Rn 11). Die Frist für die Wahl der neuen Krankenkasse und den Nachweis der Mitgliedschaft durch die Mitgliedsbescheinigung nach § 175 Abs 4 Satz 4 SGB V, die einen Verwaltungsakt darstellt (Blöcher aaO Rn 27), hat nur Bedeutung für den Versicherten und die gekündigte Krankenkasse, dh hier die Beigeladene. Sie soll sicherstellen, dass diese Krankenkasse innerhalb angemessener Zeit Klarheit darüber erhält, ob die Kündigung wirksam geworden ist oder nicht. Dagegen bezweckt sie nicht den Schutz der neuen Krankenkasse, hier der Beklagten (BSG 2.12.2004 B 12 KR 23/04 R Rn 26). Die Beigeladene hat indes vorliegend durch die Beschäftigungsfirma der Klägerin von diesem Tatbestand Kenntnis erlangt (vgl § 12 Abs 1 Verordnung über die Erfassung und Übermittlung von Daten für die Träger der Sozialversicherung DEÜV ), und zwar nach Angaben der Beigeladenen am 22.7.2003. Dass die in § 12 Abs 4 Satz 1 iVm § 6 DEÜV bestimmte Sechswochenfrist nach dem Beginn der Mitgliedschaft bei der Beklagten um einige Tage überschritten war, ist unschädlich, weil die Klägerin der Beigeladenen den Wechsel am 2.4.2003 telefonisch mitgeteilt hat. Zudem wurden ab 1.6.2003, von der Beklagten und der Beigeladenen unbeanstandet, Beiträge an die Beklagte abgeführt. Bei dieser Sachlage kann keine Rede davon sein, dass ein Ersetzen der Mitgliedsbescheinigung und deren Vorlage bei der Beigeladenen durch einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch dem Sinn und Zweck des § 175 SGB V zuwiderlaufen würde.

Über die Mitgliedszeit in den Monaten Oktober und November 2004 war vom Senat wegen der Beschränkung des Antrags der Klägerin auf den Zeitraum bis zum 30.9.2004 nicht abschließend zu entscheiden. Der Senat weist aber auf Folgendes hin: Wegen der gesetzlich angeordneten 18monatigen Bindungsfrist (§ 175 Abs 4 Satz 1 SGB V) ist eine nur 16monatige Mitgliedszeit der Klägerin bei der Beklagten ausgeschlossen. Diese zeitliche Bindung ist nach dem Willen des Gesetzgebers strikt (vgl Gesetzentwurf zum Gesetz zur Neuregelung des Krankenkassenwahlrechts, BT-Drucks 14/5957, S 4) und kann deshalb auch durch einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch nicht korrigiert werden. In Fällen wie dem vorliegenden, in dem der/die Versicherte wegen der Unklarheit über die Wirksamkeit des Beitritts vor dem Ablauf der 18monatigen Bindungsfrist einer weiteren Krankenkasse beitritt, ist dieser Sondersituation dadurch Rechnung zu tragen, dass die Mitgliedschaft bei dieser anderen Krankenkasse erst nach Ablauf der 18monatigen Bindungsfrist, dh vorliegend am 1.12.2004, beginnen kann, was bei der Klägerin auch wegen der erst am 30.9.2004 bei der Beklagten eingegangenen Kündigungserklärung der Fall war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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