L 28 B 2169/07 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
28
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 93 AS 28619/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 28 B 2169/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 22. November 2007 geändert. Der Antragsgegner wird verpflichtet, den Antragstellern ein Darlehen in Höhe von 908,19 Euro zur Tilgung bei der V AG entstandener Stromkosten durch Überweisung unmittelbar an den Stromversorger zu gewähren. Die Anordnung wird davon abhängig gemacht, dass die Antragstellerin zu 1) bis zum 18. Dezember 2007 gegenüber dem Antragsgegner unter Angabe ihrer Kundendaten bei der Y- GmbH unwiderruflich und schriftlich zunächst für das Jahr 2008 ihr Einverständnis mit der direkten Überweisung von Abschlagszahlungen in Höhe von 86,- Euro monatlich an die Y GmbH durch den Antragsgegner beginnend mit dem 1. Januar 2008 unter Anrechnung auf die monatliche Regelleistung erklärt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Der Antragsgegner trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde der Antragsteller (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz SGG), der das Sozialgericht (SG) nicht abgeholfen hat (§ 174 SGG), ist im Wesentlichen begründet.

Das Sozialgericht, das die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Regelung in Bezug auf einen Streitgegenstand nach § 86 b Abs. 2 2. Alt. SGG zutreffend dargelegt hat, hat bei der vorzunehmenden Prüfung des Anordnungsanspruchs aus Sicht des Senats zwar zutreffend und nachvollziehbar dargelegt, dass die Antragstellerin zu 1) ein offensichtlich unwirtschaftliches Verhalten im Umgang mit ihren aus dem mit der V AG Stromlieferungsvertrag folgenden Pflichten zur Abschlagzahlung an den Tag gelegt hat und dadurch selbst verschuldet in die Notlage geraten ist, die eine Sperrung der Stromversorgung nach sich ziehen kann. Gleichwohl liegen die Voraussetzung für die darlehensweise Übernahme von Energieschulden nach § 22 Abs. 5 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) hier vor. Die gesetzliche Regelung zur Übernahme von Schulden für Energiekostenrückstände nach § 22 Abs. 5 SGB II dient dem Zweck, die gegenwärtig genutzte Unterkunft zu sichern und damit Wohnungslosigkeit zu vermeiden. Insoweit ist das Ermessen des Antragsgegners nach § 22 Abs. 5 Satz 2 SGB II, soweit jedenfalls u. a. Wohnungslosigkeit bzw. einer der Wohnungslosigkeit nahe kommende Notlage durch Verlust der Energieversorgung (dazu nur LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 26. Juni 2006 - L 25 B 459/06 AS ER -) droht, auch eingeschränkt ("soll"). Das bedeutet, dass der Leistungsträger in der Regel entsprechende Schulden zu übernehmen hat und lediglich in atypischen Fällen nach seinem Ermessen hiervon abweichen kann. Zwar drängen sich bezogen auf die Verhaltensweise der Antragstellerin zu 1) Gesichtspunkte für die Annahme eines solchen atypischen Falles auf. Das Verhalten der Antragstellerin zu 1) kann jedoch nicht isoliert betracht werden. Das Ermessen des Antragsgegners ist schon deswegen eingeschränkt, weil die Antragsteller zu 2) bis zu 4) noch minderjährig sind. Sie sind 12, 10 bzw. 3 Jahre alt, woraus sich ihre besondere Schutzbedürftigkeit ergibt. Da nach telefonischer Rücksprache mit dem Stromversorger nicht ausgeschlossen werden kann, dass noch vor den Weihnachtsfeiertagen eine Sperrung der Stromversorgung erfolgt und erst zum 1. Januar 2008 mit der Y GmbH ein neuer Stromanbieter gefunden worden ist, ist auch ein Anordnungsgrund gegeben.

Allerdings sind bei einer entsprechenden Verpflichtung des Antragsgegners dessen Interessen weitergehend zu schützen. Der Senat macht von der in § 86 b Abs. 2 Satz 3 SGG in Verbindung mit § 938 Zivilprozessordnung (ZPO) eingeräumten Möglichkeit Gebrauch, zur Erreichung des Zwecks der Anordnung diese von einer weitergehenden Mitwirkungshandlung der Antragstellerin zu 1) abhängig zu machen. Die dauerhafte Versorgung mit Strom aus der Regelleistung und damit der dauerhafte Erhalt der Wohnung, der Zweck der Schuldenübernahme nach § 22 Abs. 5 SGB II sein muss (dazu etwa Beschluss des Senats vom 13. August 2007 - L 28 B 919/07 AS ER -), kann nur erreicht werden, wenn flankierend zur Übernahme von Stromkosten die Antragstellerin zu 1) bereit ist, einer Erbringung der Stromkosten als Sachleistung (durch direkte Überweisung der Abschlagszahlungen an den Stromversorger) nach § 23 Abs. 2 SGB II zuzustimmen und so ein weiteres langwieriges Verfahren darüber, ob der Antragsgegner dazu auch ohne Zustimmung berechtigt wäre, zu vermeiden. Die Voraussetzungen einer Leistungsgewährung nach § 23 Abs. 2 SGB II im Hinblick auf die Kosten für Haushaltsenergie liegen nach Ansicht des Senats vor (allgemein dazu etwa Hengelhaupt in Hauck/Noftz SGB II § 23 RdNr. 291 ff. und 300 ff.). Die Antragstellerin zu 1) hat sich durch unwirtschaftliches Verhalten als ungeeignet erwiesen, mit der Regelleistung ihren Bedarf zu decken. Unter unwirtschaftlichem Verhalten wird ein vorwerfbares Verhalten verstanden, das von einem verschwenderischen, sinnlosen und mit normalen Maßstäben überhaupt nicht zu vereinbarenden Umgang mit den bereitgestellten Mitteln gekennzeichnet ist (vgl. Lang in Eicher/Spellbrink § 23, RdNr. 81 ff.; Sauer in Jahn, SGB II, § 23, Rdnr. 17; ferner BT-Drucks. 15/1516, S. 61 zu Abs. 3). Es kann dahin gestellt bleiben, ob schon der Stromverbrauch durch übermäßige Nutzung elektrischer Geräte (Wäschetrockner, 2 Fernsehgeräte, Lichterketten etc.) unwirtschaftlich ist. Jedenfalls hat die Antragstellerin zu 1) seit Monaten nicht einmal Teile der geschuldeten Abschlagszahlungen an den Stromanbieter überwiesen und es damit darauf ankommen lassen, dass der Antragsgegner angesichts der Notlage, in die sie ihre Kinder damit gebracht hat, gezwungen ist, die entstandenen Schulden im Nachhinein zu übernehmen. Sie hat im Erörterungstermin vor dem Sozialgericht angekündigt, sie wisse schon jetzt, dass sie bestimmt wieder eine Nachzahlung auf die Stromkosten zu leisten haben werde. Sie sei aber nicht bereit, die Abschlagszahlungen direkt überweisen zu lassen. Da die Abschlagszahlungen von 86,- Euro den hierfür im Regelbedarf der Bedarfsgemeinschaft vorgesehenen Bedarf nicht wesentlich übersteigen, ist auch im Übrigen kein Gesichtspunkt erkennbar, der gegen eine direkte Überweisung mit der Folge der Verringerung der bereitstehenden Barmittel spricht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog.

Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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