S 9 AS 128/07 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 9 AS 128/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. 2. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist die Arbeitslosengeld II (Alg II) - Regelleistung für September 2007.

Die Klägerin steht im Leistungsbezug bei der Antragsgegnerin. Am Montag den 00.00.0000 um 08:30 Uhr sollte sie eine Maßnahme beginnen (Kompetenzcheck), tat dies aber nicht. Die Maßnahme war auf 5 halbe Tage angelegt. Der Einladung war eine fallbezogene Rechtsfolgenbelehrung beigefügt.

Die Beklagte senkte daraufhin das Alg-II um zunächst 30 % der Regelleistung ab (Be-scheid vom 08.08.2007), mit Änderungsbescheid vom 13.08.2007 beschränkte sie die Leistung dann auf die Kosten für Unterkunft und Heizung, da die Antragstellerin noch unter 25 Jahre alt ist. Die Absenkung wurde mit dem 01.09.2007 wirksam.

Mit ihrem am 13.09.2007 bei Gericht eingegangenen Antrag trägt die Antragstellerin vor, sie habe am 04.06.2007 nicht teilnehmen können, da sie sich am Tag zuvor erheblich verletzt habe. Sie sei ausgeglitten, mit dem rechten Fuß gegen eine Badewanne gestoßen und habe sich das rechte Fußgelenk verstaucht. Der Fuß sei sofort angeschwollen und sie habe keinen Schritt gehen können. Dies habe sie der Antragsgegnerin am selben Tag mitgeteilt und auch dass sie den Termin vom 04.06.2007 nicht wahrnehmen konnte. Diese Angaben wurden eidesstattlich versichert.

Später trug die Antragstellerin vor, der Anruf sei am 04.06.2007 "gegen ca. 12:00 Uhr" erfolgt, die Sachbearbeiterin der Antragsgegnerin habe die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verlangt. Die Antragstellerin habe erwidert, sie könne mit dem Fuß nicht zum Arzt und habe auch kein Geld für die Praxisgebühr. Daraufhin habe ihr die Sachbearbeiterin einen neuen Termin zugesichert.

Die Antragstellerin beantragt,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verurteilen, der Antragstellerin Regelleistungen des Arbeitslosengeldes II für den Monat September 2007 zu zahlen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Die Antragstellerin könne nicht am Tag vor der Maßnahme angerufen habe, da dies ein Sonntag gewesen sei. Bei einer derart schweren Verletzung sei es erstaunlich, dass kein Arzt aufgesucht wurde.

Der Maßnahmeträger teilte auf Nachfrage des Gerichtes mit, dass dort keine Entschuldigung der Klägerin vorliege. Das Gericht bat die Antragstellerin am 18.10.2007 um Angabe ihres Hausarztes und erinnerte hieran unter Fristsetzung am 26.10.2007. Ein Schweigepflichtentbindung ging ein, aber trotz erneuter telefonischer Nachfrage nicht der Name des Hausarztes. Eine Anfrage bei der Krankenkasse, ob die Praxisgebühr im 2. Quartal bezahlt wurde, blieb erfolglos, da die Daten noch nicht vorliegen.

II.

Der zulässige Antrag ist unbegründet.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint.

Ein Anordnungsanspruch ist aber nicht glaubhaft gemacht.

Zu Recht hat die Antragsgegnerin das der Antragstellerin gewährte Alg-II auf die Kosten der Unterkunft und Heizung beschränkt. § 31 Abs. 5 SGB II sieht eine solche Absenkung der Leistung vor, wenn u.a. der erwerbsfähige Hilfebedürftige unter 25 Jahren sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung, Arbeitsgelegenheit, ein zumutbares Angebot nach § 15 a SGB II oder eine sonstige in der Eingliederungsvereinbarung vereinbarte Maßnahme aufzunehmen oder fortzuführen (§ 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. c SGB II), wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit abgebrochen oder Anlass für den Abbruch gegeben hat (§ 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II) oder wenn er die im SGB III genannten Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit erfüllt, die das Ruhen oder Erlöschen eines Anspruches auf Arbeitslosengeld begründen (§ 31 Abs. 4 Nr. 3 Buchst. b SGB II).

Entgegen der Auffassung der Beklagten liegen allerdings die Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 SGB II nicht vor. Eine Sanktion nach § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. c SGB II kommt nur in Betracht, soweit die nicht eingehaltene Verpflichtung aufgrund einer Eingliederungsvereinbarung bestand (Gagel/Winkler, SGB III, Beck-online, § 31 SGB II, Rdnr. 70). § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II greift nicht ein, da diese Vorschrift nur den Abbruch einer Eingliederungsmaßnahme sanktioniert (Rixen in: Eicher/Spellbrink, SGB II, § 31, Rdnr. 22). Jedoch wird das Verhalten der Antragstellerin von § 31 Abs. 4 Nr. 3 Buchst. b SGB II in Verbindung mit § 144 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 SGB III erfasst. Denn eine Sperrzeit tritt ein, wenn der Arbeitslose sich weigert, trotz Belehrung über die Rechtsfolgen an einer Maßnahme der Eignungsfeststellung oder einer Trainingsmaßnahme teilzunehmen. Die Sanktion nach dieser Vorschrift tritt auch ein, wenn ein Anspruch auf Arbeitslosengeld nach dem SGB III dem Grunde nach nicht besteht, die Erfüllung des Sperrzeittatbestandes führt in diesem Fall zu einer eigenständig durch die Antragsgegnerin festzustellenden Sanktion nach den Vorschriften des SGB II (Gagel/Winkler, Beck-online, SGB III, § 31 SGB II, Rdnr. 114).

Der genannte Sperrzeittatbestand liegt vor, denn die Antragstellerin hat die ihr ordnungsgemäß angebotene Maßnahme zur Eignungsfeststellung nicht angetreten. Anhaltspunkte dafür, dass ihr diese Maßnahme nicht zumutbar war, sind nicht ersichtlich. Ein wichtiger Grund, der der Erfüllung eines Sperrzeittatbestandes entgegenstehen würde (§ 144 Abs. 1 S. 1 SGB III), ist nicht glaubhaft gemacht. Ein solcher wichtiger Grund wäre es, wenn die Antragstellerin - wie sie vorträgt - wegen einer schweren Verletzung nicht in der Lage gewesen wäre, an der Maßnahme teilzunehmen. Dies glaubhaft zu machen, ist der Antragstellerin allerdings nicht gelungen. Nach eigenen Angaben stieß sie mit dem Fuß gegen eine Badewanne, woraufhin der Fuß stark anschwoll. Dies geschah am Tag vor Beginn der Maßnahme. Ein Arzt wurde nicht hinzugerufen oder aufgesucht, was auch nicht möglich gewesen sei, weil die Praxisgebühr nicht habe aufgebracht werden können. Schon wegen des Zeitablaufes lässt sich nachträglich nicht mehr feststellen, ob eine Arbeitsunfähigkeit vorlag. Schwester und Mutter der Klägerin wurden nur für ein mit der Antragsgegnerin geführtes Telefongespräch, nicht für die Verletzung als Zeugen benannt, könnten aber mangels eigenen Sachverstandes zur Frage der Arbeitsunfähigkeit der Antragstellerin wohl nichts sagen. Dem Gericht erscheint gerade angesichts der Anwesenheit sowohl der Schwester als auch der Mutter der Antragstellerin nicht nachvollziehbar, dass der Betrag von 10,00 Euro für einen Arztbesuch nicht aufgebracht werden konnte. Eine Nachfrage bei dem Hausarzt, ob die Klägerin im zweiten Quartal 2007 die Praxisgebühr noch nicht entrichtet hatte und ob ihm anlässlich evtl. späterer Besuche der Antragstellerin eine Fußverletzung bekannt geworden ist, war nicht möglich, da ein Hausarzt trotz dreimaliger Nachfrage nicht benannt wurde. Darauf, welchen Inhalt ein von der Klägerin evtl. am 04.06.2007 um 12:00 Uhr geführtes Telefongespräch mit der Antragsgegnerin hatte, kommt es nicht an. Wird dieser Gesprächszeitpunkt entgegen der ursprünglichen eidesstattlich versicherten Angaben der Antragstellerin als zutreffend unterstellt, war der Tatbestand des Nichtantritts der Maßnahme, die um 08:30 Uhr begann und nur auf halbe Tage angelegt war, zu diesem Zeitpunkt bereits erfüllt. Da offenbar Dauerschäden am Fuß nicht zurückgeblieben sind und die Schwellung ohne Arztbesuch und Behandlung von alleine wieder verschwand, ist das Gericht auch nicht davon überzeugt, dass eine Verletzung vorlag, die am Folgetag noch Arbeitsunfähigkeit begründete oder es der Antragstellerin unmöglich gemacht hätte, die 3,5 km entfernte Schulungsstätte, ggf. mit Hilfe der Mutter oder der Schwester, aufzusuchen.

Zweifel bestehen auch am Anordnungsgrund, da mit der am 13.09.2007 eingegangenen Antragsschrift Leistungen nur für September beantragt wurden und Folgeanträge für Oktober und November nicht eingegangen sind. Mittellosigkeit ist auch nicht vorgetragen worden, so dass offenbar Unterstützung von dritter Seite gewährt wird.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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