L 4 KR 8/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 2 KR 512/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 8/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 28/07 R
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 14. September 2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Kläger von der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) zu befreien ist.

Der 1944 geborene Kläger war seit 01.10.1986 wegen der Höhe seines Einkommens nicht versicherungspflichtig und privat krankenversichert. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA, jetzt Rentenversicherung Bund) gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 23.11.1993 ab 01.10.1992 Rente wegen Berufsunfähigkeit längstens bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres. Nach Auflösung seines Arbeitsverhältnisses begann die am 16.10.1992 gemeldete Mitgliedschaft bei der Beklagten in der Krankenversicherung für Rentner (KVdR). Einen Befreiungsantrag hatte der Kläger nicht gestellt.

Mit Bescheid vom 03.06.2004 gewährte die BfA auf den Antrag des Klägers vom 07.05.2004 Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Mit Schreiben vom 02.11.2004 beantragte der Kläger die Befreiung aus der Pflichtversicherung der Rentner. Die BfA hatte bereits mit Bescheid vom 06.09.2004 seinen Antrag auf Zuschuss zur Krankenversicherung und Pflegeversicherung unter Hinweis auf die Versicherungspflicht in der KVdR abgelehnt.

Mit Schreiben vom 22.07.2004, bei der Beklagten eingegangen am 04.11.2004, "kündigte" der Kläger die KVdR.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 09.11.2004 die Befreiung von der Versicherungspflicht in der KVdR ab. Der Kläger sei bereits seit 19.10.1993 versicherungspflichtig in der KVdR, insofern sei sein Antrag zu spät gestellt worden. Die Umwandlung der Rente in eine Altersrente habe keinen Einfluss auf die bestehende Versicherungspflicht. Ein erneutes Befreiungsrecht bestehe nicht.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 13.04.2005 zurückgewiesen. Aufgrund des Bezuges von Altersrente ab 01.10.2004 bestehe keine Möglichkeit auf Befreiung von der Versicherungspflicht.

Hiergegen haben die Bevollmächtigten des Klägers am 17.05.2005 Klage zum Sozialgericht München erhoben. Sie haben vorgetragen, der Kläger sei bei Eintritt der Berufsunfähigkeitsrente dahingehend informiert worden, dass er bei Eintritt in die Regelaltersrente eine erneute Wahlmöglichkeit habe. Wie bereits in der Widerspruchsbegründung vorgetragen, sei jetzt für den Kläger günstiger, privat versichert zu sein. Es dürfe ihm nicht verwehrt werden, weiter privat krankenversichert zu sein. Die private Krankenversicherung bestehe immer noch.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 14.09.2006 abgewiesen. Der Kläger habe nicht erneut das Recht, sich von der Krankenversicherung der Rentner befreien zu lassen. Grundsätzlich trete ab Rentenbeginn (bei Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen) Versicherungspflicht gemäß § 5 Abs.1 Nr.11 SGB V ein. Nach § 8 Abs.1 Nr.4 SGB V könne ein Versicherter auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit werden. Der Antrag sei innerhalb von drei Monaten nach Beginn der Versicherungspflicht zu stellen. Der Kläger habe den Antrag am 02.11.2004 gestellt. Ihm sei jedoch schon mit Bescheid vom 11.08.1993 Rente wegen Berufsunfähigkeit bis längstens zur Vollendung des 65. Lebensjahres bewilligt worden. Es sei nicht auf die Antragstellung über Altersrente für schwerbehinderte Menschen abzustellen. Der zweite Rentenbewilligungsbescheid aus dem Jahr 2004 begründet keinen neuen Tatbestand, der zur Versicherungspflicht in der KVdR führe. Bei Bewilligung der Altersrente sei die Zeit der Berufsunfähigkeitsrente noch nicht abgelaufen gewesen. Die Altersrente habe die Rente für Berufsunfähigkeit überlagert. Es sei keine juristische Sekunde ersichtlich, in der der Kläger keinen Rentenanspruch seit dem 01.10.1992 gehabt habe. Der einheitlichen Betrachtungsweise sei im vorliegenden Fall der Vorzug zu geben. Selbst die Kommentierung im Kasseler Komentar räume ein, dass die getrennte Betrachtungsweise nur dann zutreffend sei, wenn der Rentenbezug des Klägers unterbrochen worden wäre. Das Bundessozialgericht habe entschieden, dass dies nur dann der Fall wäre, wenn das Stammrecht auf Rente erloschen wäre.

Die Bevollmächtigten des Klägers begründen die hiergegen eingelegte Berufung damit, die Rechtsprechung sei uneinheitlich bzw. betreffe andere Fallgestaltungen. Im Fall des Klägers habe tatsächlich die eine Rente (Berufsunfähigkeitsrente) geendet und es beginne eine neue (die Altersrente für schwerbehinderte Menschen). Damit folge im selben Rentenversicherungsverhältnis eine Rente der anderen. Es sei nicht ersichtlich, warum der Bezug der neuen Rente das Befreiungsrecht nicht neu eröffnen solle. Im Termin zur mündlichen Verhandlung gibt der Kläger an, seine private Krankenversicherung bezahle onkologische Leistungen im Ausland und Medikamente, die von der gesetzlichen Krankenkasse nicht geleistet werden.

Er beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 14.06.2006 und den Bescheid der Beklagten vom 09.11.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.04.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm vom 01.10.2004 an von der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zu befreien.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden sowie auf die Entscheidungsgründe des Sozialgerichtsurteils.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung, die nicht der Zulassung gemäß § 144 SGG bedarf, ist zulässig, erweist sich aber als unbegründet.

Das Sozialgericht hat zutreffend festgestellt, dass der Kläger wegen des Bezugs von Rente wegen Berufsunfähigkeit seit 1993 und Altersrente seit 01.10.2004 versicherungspflichtig ist gemäß § 5 Abs.1 Nr.11 SGB V. Dies ist auch zwischen den Beteiligten unbestritten. Unbestritten ist auch, dass der Kläger bei Beginn der Berufsunfähigkeitsrente keinen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht gestellt hat. Der dann am 04.11.2004 bei der Beklagten eingegangene Befreiungsantrag nach Beginn der Altersrente (01.10.2004) wurde nicht in der Frist des § 8 Abs.2 SGB V gestellt.

Gemäß § 8 Abs.1 Nr.4 SGB V wird auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit, wer versicherungspflichtig wird durch den Antrag auf Rente oder den Bezug von Rente oder die Teilnahme an einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 5 Abs.1 Nrn.6, 11 oder 12 SGB V). Gemäß § 8 Abs.2 SGB V ist der Antrag innerhalb von drei Monaten nach Beginn der Versicherungspflicht bei der Krankenkasse zu stellen. Im Fall des Klägers begann die Frist des § 8 Abs.2 SGB V am 19.10.1993. Dies ergibt sich aus dem Rentenbescheid vom 23.11.1993, verbunden mit der Erklärung des Klägers, sein Eintritt in die DAK sei erst im Oktober 1993 erfolgt. Der am 04.11.2004 gestellte Antrag auf Befreiung wahrt die Frist nicht. Beim Kläger ist durch die Gewährung der Altersrente kein neues Recht auf Rente entstanden. Damit liegt auch kein erneuter Beginn der Versicherungspflicht im Sinne von § 8 Abs.2 Satz 1 SGB V vor. In der Kommentarliteratur (s. Peters, KassKomm, Rz.16 17 zu § 8) wird zu der höchstrichterlich noch nicht geklärten Frage, was gilt, wenn nacheinander mehrere Renten aus demselben Versicherungsverhältnis bezogen werden, die Auffassung vertreten, dass auf jeden Fall die getrennte Betrachtungsweise anzuwenden ist, wenn das Stammrecht auf Rente weggefallen war (und damit die Versicherungspflicht in der KVdR). Wenn z.B. eine Rente wegen Erwerbsminderung auf Zeit weggefallen ist und später Anspruch auf Altersrente eintritt, besteht ein Befreiungsrecht unabhängig davon, ob es früher bei der Zeitrente ausgeübt worden ist oder nicht. Im Falle des Klägers kommt diese getrennte Betrachtungsweise nicht zum Zug, der Kläger hatte ununterbrochen seit November 1993 Anspruch auf Rente. Da er bei Rentenbeginn 1993 von der Befreiungsmöglichkeit keinen Gebrauch gemacht hatte, bleibt es bei der Pflichtmitgliedschaft auch ab Bezug der Altersrente. Das Bundessozialgericht führt hierzu im Urteil vom 11.11.2003 (B 12 KR 3/03 R - USK 2003 - 35) aus, dass auch durch einen monatsweisen Verzicht auf Rentenzahlbeträge kein erneuter Beginn der Versicherungspflicht vorliegen kann. Ein anderes Ergebnis stünde im Widerspruch zum Zweck des § 8 Abs.2 SGB V. Dieser lasse die Befreiung bei bestimmten, im Gesetz abschließend aufgeführten Versicherungspflichttatbeständen nur innerhalb einer Dreimonatsfrist zu. Innerhalb dieser Frist solle sich der Versicherungspflichtige darüber klar werden, ob er der gesetzlichen Krankenversicherung angehören wolle oder nicht. Allerdings wird er an seiner Wahl auch dann festgehalten, wenn er später glaubt, dass eine andere Entscheidung vorteilhafter gewesen wäre. Für den Fall, dass sich der Versicherte für die Befreiung von der Versicherungspflicht entscheidet, sei dies dadurch klargestellt, dass § 8 Abs.2 Satz 3 SGB V den Widerruf der Befreiung ausschließt. Wer sich demnach einmal für die Befreiung von der Krankenversicherungspflicht entschieden hat, könne diese Entscheidung später durch den Widerruf seines Befreiungsantrags nicht rückgängig machen und durch eine solche Erklärung die Versicherungspflicht nicht wieder eintreten lassen. Wer umgekehrt wie der Kläger zunächst die Befreiungsfrist habe verstreichen lassen, werde an seiner darin liegenden Entscheidung für die gesetzliche Krankenversicherung in gleicher Weise festgehalten. Das Gesetz sehe, solange der zur Versicherungspflicht führende Tatbestand unverändert fortbestehe, eine Neueröffnung des Befreiungsrechts nicht vor.

Beim Kläger liegt der Tatbestand der Versicherungspflicht aufgrund Rentenbezuges unverändert vor. Er ist aufgrund des Antrags auf Altersrente nicht versicherungspflichtig in der KVdR geworden, er war es bereits durch den Bezug von BU-Rente. Die Richtigkeit dieser Auffassung wird durch die neueste Rechtsprechung des BSG bestätigt. Im Urteil vom 26.06.2007 (B 1 KR 8/07 R) führt der 1. Senat des BSG aus, dass die Mitgliedschaft als Versicherungspflichtiger nicht "endet", sondern lediglich auf eine andere rechtliche Grundlage gestellt wird, wenn die KVdR nahtlos der Versicherungspflicht wegen Beschäftigung folgt. Eine Befreiungsmöglichkeit besteht nicht. Die Möglichkeit ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag des Klägers, er sei von der Beklagten dahingehend beraten worden, er könne bei Beginn der Altersrente erneut die Befreiung beantragen. Sollte dabei das Vorliegen einer Zusicherung behauptet sein, fehlt es gemäß § 34 Abs.1 SGB X an der hierfür geforderten schriftlichen Form.

Auch ein Herstellungsanspruch ist nicht gegeben. Im Rahmen eines Herstellungsanspruches können die Versicherungsträger nur zu gesetzmäßigem Verhalten verpflichtet werden, eine Befreiung von der Versicherungspflicht ab Beginn der Altersrente ist jedoch durch Gesetz ausgeschlossen.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG und entspricht dem Verfahrensausgang.

Die Revision wird gemäß § 160 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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