L 13 R 259/06

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 R 440/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 R 259/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 7. März 2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung hat.

Die Klägerin, die 1957 geboren und Staatsangehörige der Republik Griechenland ist, hat keinen Beruf erlernt und war im Zeitraum vom 26. Juni 1972 bis 30. Juni 2004 bei der Firma R. GmbH versicherungspflichtig beschäftigt, zunächst in der so genannten Jungmädchenabteilung, dann als Prüferin in der Teileproduktion und schließlich als Küchenhilfe in der Kantine. Das Amt für Versorgung und Familienförderung (jetzt: Zentrum Bayern Familie und Soziales - ZBFS -) stellte mit Bescheid vom 1. Oktober 2003 einen Grad der Behinderung (GdB) von 30 fest. Die Beklagte gewährte der Klägerin Maßnahmen zur medizinischen Rehabilitation in der orthopädischen Klinik Bad B. vom 5. Februar 2002 bis 26. Februar 2002 sowie in der Fachklinik für internistische Psychosomatik und Psychotherapie A. (S. Klinik) vom 22. Mai 2003 bis 2. Juli 2003.

Am 27. November 2003 stellte die Klägerin einen Antrag auf eine Rente wegen Erwerbsminderung und gab an, sie leide seit 17. Dezember 2001 an Fibromyalgie. Sie verwies dabei auf die Befundberichte des Internisten und Rheumatologen Dr. M. vom 20. Dezember 2001, des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. vom 7. April 2003, den Kurzbericht des Bezirkskrankenhauses K. vom 1. Oktober 2002 zum stationären Aufenthalt der Klägerin vom 16. September 2002 bis 1. Oktober 2002 sowie den vorläufigen Entlassungsbericht zum Aufenthalt in der S. Klinik. Die Beklagte zog den Befundbericht des Dr. M. vom 12. Dezember 2003 bei und veranlasste die Begutachtung der Klägerin durch den Arzt für Neurologie, Psychiatrie und Sozialmedizin Dr. H. (Gutachten vom 19. Dezember 2003). Dr. H. stellte eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, ein Zervikal- und Lumbalsyndrom bei degenerativen Veränderungen ohne eine radikuläre Symptomatik sowie ein Restless-legs-Syndrom fest. Zwar bestünden Bandscheibenvorfälle im Bereich L4/5 und L5/S1 sowie Bandscheibenprotrusionen im Bereich C5/6 und C6/7, jedoch sei keine radikale Symptomatik vermerkt. Eine solche habe sich auch bei der Untersuchung nicht gefunden. Das gesamte Ausmaß der Schmerzempfindung lasse sich damit keinesfalls erklären. Völlig entbehrlich sei der Begriff des Fibromyalgiesyndroms. Die bloßen subjektiven Angaben von Schmerzen im ganzen Körper und Druckschmerz an bestimmten Tenderpoints könnten diese Leidensbezeichnung nicht hinreichend nachvollziehbar machen. Tatsächlich liege außer den degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule kein objektivierbares organisches Korrelat vor. Die beklagten Schmerzen seien einer somatoformen Schmerzstörung zuzuordnen. Eine zeitliche Leistungseinschränkung lasse sich nicht begründen. Der Klägerin seien leichte und mittelschwere Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und auch im zuletzt ausgeübten Tätigkeitsbereich einer Küchenhilfe unter betriebsüblichen Bedingungen, insbesondere unter Einhaltung der üblichen Arbeitspausen, vollschichtig zumutbar. Unzumutbar seien körperliche Schwerarbeiten, auch ständiges Heben und Tragen von Lasten, Zwangshaltungen sowie Tätigkeiten unter Einwirkung von Kälte, starken Temperaturschwankungen, Zugluft und Nässe. Es könnten die üblichen Anmarschwege zur Arbeitsstätte zurückgelegt werden.

Mit Bescheid vom 15. Januar 2004 lehnte die Beklagte einen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung ab. Nach den ärztlichen Untersuchungsergebnissen sei zwar die Erwerbsfähigkeit der Klägerin beeinträchtigt, mit dem vorhandenen Leistungsvermögen könne sie aber auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich ausüben. Im Widerspruchsverfahren führte die Klägerin aus, sie sei in der Arbeitsleistung derart eingeschränkt, dass sie einer Arbeit nicht mehr im gewünschten Umfang nachgehen könne. Die behandelnden Ärzte Dr. M. , Dr. H. und der Arzt für Orthopädie Dr. F. würden ihren Widerspruch voll unterstützen. Beigefügt waren die Stellungnahmen und Bescheinigungen des Dr. M. vom 15. Dezember 2003, der Dres. S. und M. vom 29. Januar 2004 sowie des Dr. Dipl.-Psych. H. vom 28. Januar 2004 und vom 5. Mai 2004. Der MDK sei im Gutachten vom 19. Dezember 2003 zu dem Ergebnis gekommen, dass eine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit vorliege. Die Beklagte holte die Stellungnahmen des Internisten Dr. H. vom 13. April 2004 und 26. Mai 2004 ein, der ausführte, die im Widerspruchsverfahren eingegangenen ärztlichen Unterlagen würden keine neuen richtungsweisenden Aspekte ergeben. Mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Klägerin sei noch in der Lage, leichte bis zeitweilig mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten, ohne überwiegend einseitige Körperhaltung und ohne Gefährdung durch Kälte, starke Temperaturschwankungen, Zugluft und Nässe, vollschichtig zu verrichten.

Gegen diesen Widerspruchsbescheid hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhoben. Sie leide unter einem chronischen Lendenwirbelsäulensyndrom und an einem chronischen somatoformen Schmerzsyndrom. Es bestünden in Verbindung mit dem bestehenden Fibromyalgiesyndrom eine dauernde Funktionseinschränkung mit Schmerzen am gesamten Bewegungsapparat, sensible Störungen im Bereich der Beine sowie chronische Müdigkeit und Abgeschlagenheit bei Konzentrationsstörungen. Wegen der ständigen Schmerzen habe sich eine Depression gebildet.

Die Klägerin legte den vorläufigen Entlassungbrief des Rehablitationskrankenhauses U. zur Behandlung vom 30. November 2004 bis 3. Dezember 2004, den Befundbericht des Instituts für Klinische Chemie vom 31. Januar 2005, den histologischen Befundbericht der Dres. S. und G. vom 7. Dezember 2004 sowie den Befundbericht des Dipl.-Psych. D. vom 4. Oktober 2005 vor. Das SG zog Befundberichte des Radiologen Dr. W. vom 30. Januar 2004, des Radiologen Dr. P. vom 11. März 2004 und 6. Mai 2004, der Radiologen Dres. T. und V. vom 24. August 2004 und 2. Februar 2004, des Dr. F. vom 6. September 2004, des Dr. M. vom 9. September 2004, des Dr. Dipl.-Psych. H. vom 14. Juni 2004 und 17. September 2004, des Arztes für Pathologie Dr. R. und des Radiologen Dr. T. vom 14. Mai 2004 bei und veranlasste die Begutachtung der Klägerin durch den Internisten Dr. N. (Gutachten vom 21. Februar 2004), den Arzt für Orthopädie und Rheumatologie Dr. S. (Gutachten vom 10. August 2005) und den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. (Gutachten vom 10. November 2005). Die Beklagte legte die Stellungnahmen des Internisten und Sozialmediziners Dr. S. vom 6. Oktober 2004 und vom 12. September 2005 vor.

Dr. N. stellte eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine Muskelerkrankung unklarer Genese leichter Ausprägung, ein Zervikalsyndrom bei degenerativen Veränderungen, ein Schmerzsyndrom mit Lumboischialgie und leichten sensiblen Ausfällen links bei Bandscheibenvorfall im Bereich L4/5 und L5/S1 und weiteren degenerativer Veränderungen, Adipositas, einen Kropf mit Knoten bei ausgeglichener Hormonsituation sowie eine chronische Epicondylitis lateralis beider Ellenbogen fest. Die Klägerin könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig tätig sein. Zu vermeiden seien schwere körperliche Arbeit, Zeitdruck- und Schichtarbeit, Arbeiten in ausschließlich stehender Position und in Zwangshaltung, häufiges Heben und Tragen von Lasten, regelmäßiges Bücken und Treppen- und Leiternsteigen, Arbeiten überwiegend im Freien, mit starken Temperaturschwankungen, Zugluft, Nässe, Gas und Dampf sowie Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit. Normale Anmarschwege zum Arbeitsplatz seien zumutbar. Dr. S. diagnostizierte ein degeneratives Zervikal- und Lumbalsyndrom mit rezidivierenden Wurzelreizerscheinungen, eine somatoforme Schmerzstörung, einen Verdacht auf ein Fibromyalgiesyndrom, eine Myopathie, teilweise aktivierte Arthrosen der Fingergrundgelenke II und III sowie der Daumensattelgelenke, Coxa valga bei angeborener Pfannendysplasie beidseits, eine Großzehengrundgelenks-Arthrose beidseits, links aktiviert, Knick-Senk-Spreizfüße, eine Fettstoffwechselstörung, einen Verdacht auf lavierte Depression, Adipositas und einen Verdacht auf Eisenmangelanämie. Die Klägerin sei in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Frauenarbeiten sechs Stunden und mehr zu verrichten. Zu vermeiden seien Schwerarbeit und mittelschwere Arbeiten, Zeitdruckarbeit sowie Einzel- und Gruppenakkord, Fließband- und taktgebundene Arbeiten, Arbeiten überwiegend im Stehen oder Sitzen oder Gehen, Arbeiten in Zwangshaltung, Arbeiten mit häufigen Heben und Tragen von Lasten, Arbeiten mit Bücken, Treppen- und Leiternsteigen, Arbeiten, die die volle Gebrauchsfähigkeit der Hände voraussetzten sowie Tätigkeiten unter Einwirkung von Kälte, starken Temperaturschwankungen, Zugluft und Nässe. Die Klägerin sei in der Lage, viermal täglich eine Strecke von 500 bis 1000 Meter in ca. 20 Minuten zurückzulegen. Dr. K. stellte eine Renten- bzw. Begehrensneurose, ein neurasthenisches Syndrom, Übergewicht und funktionelle Wirbelsäulenbeschwerden fest. Eine psychische Störung mit Krankheitswert liege nicht vor. Die Klägerin könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr täglich unter Einhaltung der üblichen Arbeitspausen in wechselnder Körperposition erwerbstätig sein. Unzumutbar seien Schwerarbeit und mittelschwere Arbeit, Zeitdruck-, Akkord- und Fließbandarbeit, taktgebundene Arbeiten sowie Nachtarbeiten. Zu vermeiden seien auch das Heben und Tragen von Lasten, häufiges Bücken, Treppen- und Leiternsteigen, Arbeiten überwiegend im Freien sowie mit besonderen Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit und mit Publikumsverkehr. Die Klägerin sei in der Lage, viermal täglich eine Strecke von mehr als 500 Meter in ca. 20 Minuten zurückzulegen. Die Tätigkeit als Küchenhilfe könne sie nicht mehr ausüben, da diese mit Heben aus dem Bücken heraus verbunden sei und hierdurch die Rückenbeschwerden verstärkt würden.

Mit Urteil vom 7. März 2006 wies das SG die Klage ab und führte aus, nach dem Beweisergebnis sei das Gericht davon überzeugt, dass die Klägerin noch über ein objektives Restleistungsvermögen für leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes von sechs Stunden und mehr täglich verfüge.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt. Die Ermittlungen des SG auf medizinischem Fachgebiet könnten nicht als abschließend angesehen werden. Hingewiesen wird auf eine akutstationäre Behandlung im Rheumazentrum O. vom 23. Mai 2006 bis 3. Juni 2006. Dort sei unter anderem bestätigt worden, dass die generalisierten Schmerzen im Bereich der Gelenke und der Muskulatur auf ein fortgeschrittenes Fibromyalgiesyndrom zurückzuführen seien. Beigefügt war eine ärztliche Bescheinigung des Dr. M. vom 22. Dezember 2006. Er hat angegeben, dass eine erhebliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit und der allgemeinen Belastbarkeit sowie eine deutliche Minderung der Erwerbsfähigkeit bestehe. Nach seiner Auffassung sei die Klägerin nur noch in der Lage, drei Stunden täglich Tätigkeiten zu verrichten. Es sei von einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen auszugehen, so dass die Beklagte eine konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen habe.

Die Beklagte legte die Stellungnahme des Internisten und Arztes für Sozialmedizin Dr. W. vom 12. Februar 2007 vor, der ausführte, der im Rheumazentrum O. erhobene körperliche Untersuchungsbefund habe keine schwerwiegenden Auffälligkeiten ergeben. Die Ellenbogen- und Handgelenke seien frei beweglich gewesen. An den Fingerendgelenken hätten sich knotenförmige Auftreibungen gezeigt und die Handrücken seien leicht geschwollen gewesen. Der rein organbezogenen Befund am Stütz- und Bewegungsapparat würde nicht die angegebenen vielfältigen Schmerzen und eine depressive Stimmung erklären. Es sei eine antidepressive und schmerzstillende Medikation eingeleitet worden. Über den weiteren Verlauf der Schmerzkrankheit und der depressiven Erkrankung sei nichts Weiteres bekannt. In der Bescheinigung des Dr. M. vom 22. Dezember 2006 werde nicht erwähnt, ob die zwischenzeitlich vom Rheumazentrum O. eingeleitete medikamentöse Behandlung zu einem Erfolg geführt habe und inwieweit die damals begonnene Therapie jetzt weitergeführt werde. Die von Dr. M. getroffene Leistungsbeurteilung werde nicht mit Untersuchungsbefunden überzeugend belegt. Zutreffend seien die genannten qualitativen Einschränkungen, jedoch sei die Feinmotorik der Finger beider Hände nicht so weit eingeschränkt, dass von einer Gebrauchsunfähigkeit der Hände auszugehen sei.

Der Senat veranlasste die Begutachtung der Klägerin durch den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. (Gutachten vom 27. März 2007 mit ergänzender Stellungnahme vom 16. August 2007) sowie auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch die Ärztin für Innere Medizin und Rheumatologie Dr. R. (Gutachten vom 23. Juli 2007) und holte einen Befundbericht des Dr. M. vom 21. August 2007 mit weiteren medizinischen Unterlagen ein, der vom SG in dem Rechtsstreit gegen den Freistaat Bayern mit dem Az.: S 17 SB 262/07 beigezogen wurde.

Dr. M. diagnostizierte ein Hals- und Lendenwirbelsäulensyndrom ohne neurologisch bedeutsame Ausfälle, einen Zustand nach Karpaltunnelsyndrom beidseits mit gutem Ergebnis nach der Operation im September 2006 sowie eine somatoforme Schmerzstörung. Der Gesundheitszustand habe sich seit den Vorgutachten des Rentenversicherungsträgers und des SG weder wesentlich gebessert noch verschlimmert. Es bestünden keine neuen Erkrankungen auf orthopädischem Gebiet, die nicht bereits im Gutachten des Dr. S. Berücksichtigung gefunden hätten. Die Klägerin könne unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses, insbesondere ohne zusätzliche Arbeitspausen, leichte, kurzfristig mittelschwere Arbeiten, in wechselnder Haltung, im Gehen, Stehen und Sitzen, im Freien und in geschlossenen Räumen noch acht Stunden täglich Arbeiten verrichten. Möglich seien Arbeiten mit Publikumsverkehr. Zu vermeiden seien Arbeiten mit Zwangshaltung und Heben und Tragen von schweren Lasten. Sie sei auch in der Lage, Tätigkeiten zu verrichten, die die volle Gebrauchsfähigkeit der Hand voraussetzen würden. Beschränkungen des Anmarschweges zur Arbeitsstätte bestünden nicht. Die nervliche Belastbarkeit und Stresstoleranz sowie die Leistungsmotivation seien eingeschränkt. Nicht eingeschränkt seien der Gleichgewichtssinn, das Verantwortungsbewusstsein, die Gewissenhaftigkeit, die Ausdauer, die Merkfähigkeit, die Auffassungsgabe, die Konzentration, die Reaktionsfähigkeit, die praktische Anstelligkeit und Findigkeit sowie die Selbständigkeit des Denkens und Handelns. Die Klägerin sei in der Lage, die somatoforme Störung mit regelmäßiger nervenärztlicher Behandlung zu überwinden, wobei die Motivation aufgrund des sekundären Krankheitsgewinns eher fraglich sei.

Dr. R. diagnostizierte eine Panalgesie als Maximalvariante eines chronischen Schmerzsyndroms vom Fibromyalgie-Typ, ein degeneratives Wirbelsäulensyndrom, ein depressives Syndrom, eine arterielle Hypertonie sowie eine Migräne. Die Klägerin sei in der Lage, Tätigkeiten von nur vier Stunden täglich zu verrichten. Als problematisch erweise sich, dass erhebliche individuelle Schwankungen innerhalb eines Monats auftreten könnten. Genannt werden Migräneanfälle, die zu Arbeitsunfähigkeiten etc. führen würden. Arbeitspausen von 15 bis 30 Minuten sollten nach zwei Stunden möglich sein. Das Konzentrations- und Reaktionsvermögen sei schon in Anbetracht der ausgeprägten Schlafstörungen eingeschränkt. Dies bedeute auch eine eingeschränkte Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit. Unter den Bedingungen des derzeitigen allgemeinen modernen Arbeitsmarktes dürfe es höchst problematisch sein, einen Arbeitsplatz im beschriebenen Umfang für die Klägerin zu finden. Gegenüber den Vorgutachten sei zumindest in der Schmerzproblematik eine kontinuierliche Verschlechterung zu verzeichnen, zumal nicht mehr die im Entlassungsbericht der Rheumaklinik O. beschriebenen zwölf Tenderpoints, sondern nahezu alle Druckpunkte positiv seien.

Das Leistungsvermögen in zeitlicher Hinsicht sei durch das chronische Schmerzsyndrom vom Fibromyalgie-Typ sowie das überlagernde depressive Syndrom eingeschränkt. Dieser Zustand bestehe in diesem Umfang sicher bereits seit 2003 und es bestehe keine begründete Aussicht für eine Besserung des Gesundheitszustandes, da eine entsprechende psychosomatische Behandlung bereits fehlgeschlagen sei. Bei der Klägerin müsse aufgrund der langen Schmerzerfahrung seit der Kindheit davon ausgegangen werden, dass sie bei Therapieresistenz nicht in der Lage sei, den Schmerz durch eigene Willensanstrengung zu überwinden, um eine vollschichtige Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für leichte Tätigkeiten zu erreichen.

Mit am 13. September 2007 eingegangenem Schriftsatz beantragte die Klägerin, die Stellungnahme des Dr. M. vom 16. August 2007 der Dr. R. zur ergänzenden Stellungnahme vorzulegen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 7. März 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 15. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab dem 1. Dezember 2003 Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestands wird im Übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten und des SG, der Akte des Bayer. Landessozialgerichts sowie der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG), jedoch nicht begründet.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 15. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 2004, mit dem es die Beklagte abgelehnt hat, der Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren. Das SG hat die dagegen erhobene Klage mit Urteil vom 7. März 2006 zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung, weil die bei ihr vorliegenden Gesundheitsstörungen nicht zu einer rentenrelevanten Beeinträchtigung des beruflichen Leistungsvermögens führen.

Gemäß § 43 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung, wenn Sie erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich tätig zu sein, volle Erwerbsminderung liegt vor, wenn Versicherte nicht in der Lage sind, unter den gleichen Voraussetzungen mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 und 2 SGB VI). Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind (§ 240 SGB VI).

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung, weil bereits kein Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit besteht. Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zu Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist (§ 240 Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 240 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist (§ 240 Abs. 2 Satz 4 SGB VI).

Diese Voraussetzungen der Berufsunfähigkeit liegen nicht vor. Die Klägerin ist ab dem Zeitpunkt der Antragstellung vom 27. November 2003 in der Lage, eine ihr zumutbare Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Zwar zeigte sich aufgrund der medizinischen Erhebungen das gemäß § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB VI festzustellende berufliche Leistungsvermögen der Klägerin bereits eingeschränkt, so dass sie ihren bisher ausgeübten Beruf als Küchenhilfe in einer Kantine nicht mehr ausüben kann. Die gesundheitlichen Einschränkungen bestehen aber nicht in einem Ausmaß, dass sie einen sonstigen ihr zumutbaren Beruf nicht wenigstens sechs Stunden täglich ausüben könnte.

Dies ergibt sich aus dem im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Gutachten des Dr. N. auf internistischem Gebiet, dem Gutachten des Dr. S. auf orthopädischem und rheumatologischem Gebiet sowie dem Gutachten des Dr. K. auf neurologischem und psychiatrischem Gebiet. Dem Ergebnis dieser Ermittlungen hat sich der Sachverständige Dr. M. in seinem vom Senat eingeholten Gutachten im Wesentlichen angeschlossen. Die von Amts wegen eingeholten Gutachten bestätigen im Übrigen die wesentlichen Aussagen des Dr. H. aufgrund der von der Beklagten im Verwaltungsverfahren veranlassten Begutachtung. Nach Auffassung des Senats überzeugt demgegenüber das auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG erstattete Gutachten der Dr. R. nicht.

Die Klägerin leidet an einem Hals- und Lendenwirbelsäulensyndrom, wobei jedoch bei den Untersuchungen neurologisch bedeutsame Ausfälle nicht festzustellen waren. Dem Untersuchungsbefund des Dr. S. sind auch keine wesentlichen Bewegungseinschränkungen im Bereich der Wirbelsäule zu entnehmen. Muskelatrophien fanden sich nicht. Die Beweglichkeit der Halswirbelsäule zeigte sich in allen Ebenen nur endgradig eingeschränkt. Die üblichen Reflexe der oberen Extremitäten waren seitengleich auslösbar. Muskuläre Defizite waren nicht zu erkennen. Auch die Reflexe der unteren Extremitäten waren seitengleich mittellebhaft auslösbar. Motorische oder sensible Defizite waren nicht erkennbar. Das Zeichen nach Lasègue war beidseits negativ. Auch die Untersuchung durch Dr. K. ergab keine wesentlichen Abweichungen, insbesondere waren auch die Reflexe normal. Hinweise auf Paresen oder segmentale Gefühlsstörungen fanden sich nicht. Die Prüfung der Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule durch Dr. N. ergab eine mittelgradige Einschränkung (Zeichen nach Schober 10/13). Bei der Untersuchung zeigte sich die Beweglichkeit der Klägerin beim Gehen und Stehen sowie beim An- und Ausziehen in erster Linie durch die Adipositas permagma beeinträchtigt, wobei im Laufe des Gerichtsverfahrens eine weitere deutliche Gewichtszunahme erfolgte. Im Untersuchungsbefund des Dr. N. ist das Körpergewicht bei einer Körpergröße von 169 Zentimeter mit 95 Kilogramm angegeben. Während des Aufenthalts im Rheumazentrums O. wog die Klägerin 96 Kilogramm und bei der Begutachtung durch Dr. R. 97 Kilogramm. Am 15. Juni 2005, dem Tag der Untersuchung durch Dr. S. , hatte die Klägerin noch ein Gewicht von 92 Kilogramm. Bei der Überprüfung des Lasègue durch Dr. M. bei gleichzeitigem Heben der Beine beidseits zu einer Kerze mit zusätzlicher Nackenbeuge und Husten gab die Klägerin eine Schmerzsymptomatik im Nacken an, eine deutliche Schmerzreaktion bzw. Entgegenspannen war jedoch nicht erkennbar. Insgesamt ist festzustellen, dass im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule funktionell bedeutsame neurologische Ausfälle zu keinem Zeitpunkt seit Beginn des Rentenverfahrens nachgewiesen werden konnten. Die Gesundheitsstörungen im Bereich der Wirbelsäule sind somit durch die von den Gutachtern genannten qualitativen Einschränkungen ausreichend berücksichtigt. Die Gutachter haben im Wesentlichen ausgeführt, dass der Klägerin noch leichte, kurzfristig mittelschwere Arbeiten in wechselnder Haltung, ohne Zwangshaltung und ohne Heben und Tragen von schweren Lasten verrichten kann. Auch die Gesundheitsstörungen im Bereich der Hände führen zu keiner rentenberechtigten Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens. Neurologische Ausfälle im Bereich der oberen Extremitäten konnten nicht festgestellt werden. Die üblichen Reflexe waren bei den Untersuchungen seitengleich auslösbar. Die Beweglichkeit beider Ellenbogengelenke war nicht eingeschränkt, Die Untersuchungen ergaben keine relevante Einschränkung der Beweglichkeit der Handgelenke. Festgestellt wurden beidseits schmerzhaft geschwollene Grundgelenke der Finger II und III und der Daumensattelgelenke, woraus Dr. S. eine Reduzierung der groben Kraft des Faustschlusses ableitete. Die Untersuchung bei Dr. M. ergab im Bereich der kleinen Handmuskulatur keinerlei umschriebene Atrophien. Eine Kraftlosigkeit an beiden Händen, insbesondere auch des Daumens links bei der Untersuchung durch Dr. M. bei hier normal ausgeprägter Muskulatur, kann nicht nachvollzogen werden. Die muskeleigenen Reflexe waren an den oberen Extremitäten, wenngleich schwach, auslösbar. Ein pathologischer Hinweis fand sich nicht. Eine Sensibilitätsstörung an der Daumenspitze rechts besteht seit einer zwischenzeitlich erfolgten Operation eines Karpaltunnelsyndroms in Griechenland beidseits im September 2006. Die Untersuchung durch Dr. M. ergab diesbezüglich normale neurophysiologische Werte. Festzustellen war ein gutes postoperatives Ergebnis mit normalen Nervenleitgeschwindigkeiten. Im Übrigen ist auch aufgrund der Angaben der Klägerin nicht davon auszugehen, dass die Feinmotorik der Hände gestört ist, nachdem sie mitteilte, dass sie gerne sticke. Auch aus dem Entlassungsbericht des Rheumazentrums O. aufgrund des stationären Aufenthalts vom 23. Mai 2006 bis 3. Juni 2006 ergibt sich, dass keine sozialmedizinisch wesentlichen organisch begründbaren Einschränkungen vorliegen. Die neurologische Untersuchung war ohne Auffälligkeiten. Der Schürzen- und Nackengriff war beidseits möglich. Ebenso bestand eine freie Beweglichkeit der Ellenbogen- und Handgelenke. Beschrieben sind lediglich geringe derbe Knoten an den Fingerendgelenken sowie geringe diffuse Schwellungen am Handrücken und im Bereich der Finger beidseits. Die Gesundheitsstörungen im Bereich der Hände führen somit lediglich dazu, dass der Klägerin Tätigkeiten mit schwerem Heben und Tragen von Lasten nicht mehr zuzumuten sind. Leichtere bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten sind jedoch aus orthopädischer und nervenärztlicher Sicht möglich.

Auch die bei der Klägerin bestehende somatoforme Schmerzstörung schränkt die berufliche Leistungsfähigkeit lediglich qualitativ ein. Eine behandlungsbedürftige depressive Symptomatik im eigentlichen Sinne konnte bei der Untersuchung durch Dr. M. nicht festgestellt werden. Es ergab sich eine allenfalls leichtgradige depressive Symptomatik im Rahmen einer Somatisierungsstörung. Die Klägerin befindet sich im Übrigen in keiner entsprechenden nervenärztlichen oder psychotherapeutischen Behandlung. Die somatoforme Schmerzstörung ist offenbar vor dem Hintergrund einer bestehenden chronischen Ehekonfliktsituation zu sehen. Dr. M. führte hierzu aus, dass die Entwicklung und Ausgestaltung der Schmerzsymptomatik aus psychotherapeutischer Sicht im Sinne eines sekundären Krankheitsgewinns im Verhältnis zum Ehemann gedeutet werden müsse. Im Übrigen weist er daraufhin, dass aus psychiatrisch-psychotherapeutischer Sicht eine frühzeitige Berentung der Klägerin für die Beschwerdesymptomatik eher kontraproduktiv wäre, da diese das Verhalten im partnerschaftlichen Kontext auf Dauer zementieren würde. Insbesondere auch im Entlassungsbericht zur Rehabilitationsmaßnahme vom 22. Mai 2003 bis 2. Juli 2003 wird die angespannte Situation in der Ehe angesprochen. Dort gab die Klägerin an, sie leide unter Schmerzen, die sich im ganzen Körper bemerkbar machen würden. Als jedoch ihr Ehemann einmal über mehrere Monate in Griechenland gewesen sei, um das eigene Haus auszubauen, habe sie über längere Zeit einmal überhaupt keine Schmerzen mehr gehabt. Die Entlassung aus der Rehabilitationsklinik als arbeitsunfähig erfolgte auch nicht wegen der diagnostizierten Somatisierungsstörung, sondern aufgrund einer Schmerzsymptomatik des linken Beines, Pelzigkeitsgefühlen und Parästhesien.

Die Diagnose eines Fibromyalgiesyndroms konnte nicht objektiviert werden. Wie bei Dr. H. machte die Klägerin auch im Zuge der Untersuchung durch Dr. M. inkonsistente Angaben zur Schmerzsymptomatik. An allen willkürlich gewählten Druckpunkten hat die Klägerin Schmerzen angegeben. Der Gutachter ging deshalb davon aus, dass ein ausgesprochen betont vorgebrachtes Beschwerdebild mit eindeutigen Verdeutlichkeitstendenzen vorliege. Im Übrigen ist es für die sozialmedizinische Beurteilung unerheblich, ob die bei der Klägerin vorliegende, organisch nicht begründbare Gesundheitsstörung, die eine qualitative Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit zur Folge haben kann, im Sinne einer Fibromyalgie bewertet oder als somatoforme Schmerzstörung bezeichnet wird. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die diagnostische Zuordnung einer somatoformen Schmerzstörung der Feststellung eines Fibromyalgiesyndroms nicht widerspricht. Vielmehr wird das gleiche Krankheitsbild lediglich aus neuropsychiatrischer Sicht beschrieben. Hier ist maßgebend, dass jedenfalls eine zeitliche Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens der Klägerin durch die Schmerzstörung nicht ausreichend nachvollziehbar abgeleitet werden kann.

Ebenso ergibt die ärztliche Bescheinigung des Hausarztes Dr. M. vom 22. Dezember 2006 keine neuen Gesichtspunkte. Genannt werden ein chronisches somatoformes Schmerzsyndrom, eine generalisierte Tendomyopathie, ein chronisch therapieresistentes Wirbelsäulensyndrom bei degenerativen Veränderungen ohne radikuläre Symptomatik, ein Migränekopfschmerz und rezidivierende abdominelle Beschwerden bei Reizdarmsyndrom. Aufgrund der in den Gutachten erhobenen psychopathologischen Befunde kann jedoch eine behandlungsbedürftige Depression nicht festgestellt werden. Ebenso kann hier eine bei Dr. M. angegebene Migränesymptomatik nicht zu einer sozialmedizinisch relevanten Erwerbsminderung führen. Die Einschätzung des Dr. M. , die Klägerin könne nur noch weniger als drei Stunden Tätigkeiten verrichten, erfolgte ohne eine überzeugende Begründung. Angaben über ein Restless-legs-Syndrom, die die Klägerin noch im Zuge der Begutachtung durch Dr. H. äußerte, wiederholte sie bei der Untersuchung durch Dr. M. nicht. Eine Einschränkung des Anmarschweges zur Arbeitsstätte liegt nicht vor, weil die Klägerin in der Lage ist, die durchschnittlich erforderlichen Fußwege zurückzulegen (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10).

Das Gutachten der Dr. R. kann hingegen nicht überzeugen. Diese kam zu dem Ergebnis, dass die Klägerin nur noch in der Lage sei, bis vier Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Die Gutachterin diagnostizierte eine Fibromyalgie, ein degeneratives Wirbelsäulensyndrom, ein depressives Syndrom, eine arterielle Hypertonie sowie eine Migräne. Die Einschätzung zur beruflichen Leistungsfähigkeit der Klägerin durch Dr. R. ist nicht hinreichend begründet. Sozialmedizinisch relevante Befunde, die auf eine zeitliche Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit schließen lassen könnten, wurden nicht mitgeteilt. Dem neurologischen Befund ist zu entnehmen, dass die Gutachterin regelrechte Muskeleigenreflexe, keine pathologischen Reflexe, keine Muskelatrophien und Paresen und auch keine gröberen Sensibilitätsstörungen feststellen konnte. Auch das An- und Ausziehen sowie das Gangbild beschrieb die Gutachterin als flüssig. Die Wirbelsäule bezeichnete sie als nur endgradig bewegungseingeschränkt. Der Befunderhebung zur Funktionsfähigkeit der oberen und unteren Extremitäten sind keine wesentlichen Einschränkungen zu entnehmen. Bezüglich der Psyche heißt es lediglich, die Klägerin wirke depressiv verstimmt. Weitere psychopathologischen Untersuchungsbefunde sind dem Gutachten nicht zu entnehmen. Auffällig ist, dass Dr. R. bei der Befunderhebung nicht nur sämtliche Tenderpoints als positiv beschreibt, sondern auch uncharakteristische Druckpunkte, so dass die diagnostische Zuordnung nicht zweifelsfrei erfolgen konnte. Die Aussage der Gutachterin, das chronische Schmerzsyndrom vom Fibromyalgie-Typ sowie das überlagernde depressive Syndrom schränke das Leistungsvermögen der Klägerin in zeitlicher Hinsicht ein, ist somit nicht überzeugend dargelegt. Im Übrigen sind dem Gutachten keinerlei Ausführungen zu den bisherigen Feststellungen der vorliegenden Gutachten zu entnehmen. Trotzdem führte sie aus, der gesundheitliche Zustand der Klägerin sei von Dauer mit Verschlechterungstendenz. Die von Dr. M. beschriebene Situation der Ehe bewertete die Gutachterin nicht. Nicht nachvollziehbar ist insbesondere auch die angenommene Schwere des von der Klägerin angegebenen Schmerzsyndroms. Im Zuge der Anamnese bei Dr. M. hatte die Klägerin angegeben, ihr Hobby sei es, griechische Motive zu sticken. Im Juni bis Oktober 2006 sei sie in Griechenland gewesen. Sie hätten ein altes Haus des Schwiegervaters renoviert, womit sie fertig seien. Mit der Renovierung hätten sie im Jahr 2000 angefangen. Im Übrigen schilderte sie einen unauffälligen Tagesablauf. Diese Ausführungen berücksichtigte Dr. R. in ihrem Gutachten nicht, obwohl sich hieraus Diskrepanzen zu den Schmerzangaben der Klägerin ableiten lassen. Eine von Dr. R. bezeichnete Verschlechterung des Gesundheitszustandes ergibt sich auch nicht aus dem Befundbericht des Dr. M. vom 21. August 2007, der darauf hinwies, die Beschwerden seien seit 2005 unverändert. Die zuletzt durchgeführte Untersuchung zeigte keine weiteren gesundheitlichen Einschränkungen mit sozialmedizinischer Relevanz, denn Dr. M. führte aus, bei der Klägerin bestehe ein subjektives Gefühl einer erheblichen Leistungsminderung. Schließlich nimmt Dr. R. bei der Beantwortung der Beweisfragen eine arbeitsmarktpolitische Bewertung vor, indem sie ausführt, unter den Bedingungen des derzeitigen Arbeitsmarktes dürfe es höchst problematisch sein, für die Klägerin einen Arbeitsplatz im beschriebenen Umfang zu finden. Somit drängt sich die Annahme auf, dass die Sachverständige bei der Beurteilung der Frage, ob die Klägerin unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses Tätigkeiten verrichten könne, Erwägungen herangezogen hat, die über die Beurteilung des medizinischen Sachverhalts hinausgehen. Zumindest deutet diese Antwort der Sachverständigen darauf hin, dass sie mit der Begutachtung im Rentenverfahren nicht hinreichend vertraut ist.

Auch wenn die Klägerin ihren bisherigen Beruf als Küchenhilfe in einer Kantine nicht mehr ausüben kann, ist sie deshalb nicht berufsunfähig. Für die Annahme von Berufsunfähigkeit reicht es nicht aus, wenn Versicherte ihren bisherigen Beruf nicht mehr ausüben können. Vielmehr sind, wie sich aus § 240 Abs. 2 S. 2 SGB VI ergibt, Versicherte nur dann berufsunfähig, wenn ihnen auch die Verweisung auf eine andere Berufstätigkeit aus gesundheitlichen Gründen oder sozial nicht mehr zumutbar ist (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 138). Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit beurteilt sich nach der sozialen Wertigkeit des bisherigen Berufs. Um diese zu beurteilen, hat das Bundessozialgericht (BSG) in einem Mehrstufenschema die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt, die ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufs haben, gebildet wurden. Unter Anwendung dieser Grundsätze ist die Klägerin der Gruppe mit dem Leitberuf des ungelernten Arbeiters mit einer Anlernzeit von weniger als drei Monaten zuzuordnen (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nrn. 5, 27, 33, 45). Als ungelernte Arbeiterin sind der Klägerin alle Berufstätigkeiten sozial zumutbar, denen sie körperlich, geistig und seelisch gewachsen ist. Der Benennung eines konkreten Verweisungsberufs bedarf es grundsätzlich nicht. Auch liegt bei der Klägerin weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor, die ausnahmsweise die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit auch bei einem Versicherten erforderlich machen würde, der der Gruppe mit dem Leitberuf des ungelernten Arbeiters zuzuordnen ist. In diesen Fällen ist trotz eines sechsstündigen beruflichen Leistungsvermögens von einem verschlossenen Arbeitsmarkt auszugehen, so dass konkrete Verweisungstätigkeiten zu benennen sind (KassKomm-Niesel § 43 SGB VI Rn. 37 f., 62 m.w.N.). Als Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen beziehungsweise schwere spezifische Leistungsbehinderungen gelten insbesondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 17), die Erforderlichkeit, zwei zusätzliche Arbeitspausen von je 15 Minuten einzulegen (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 136), Einschränkungen bei Arm- und Handbewegungen, die Notwendigkeit eines halbstündigen Wechsels von Sitzen und Gehen (BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr. 8), regelmäßig einmal in der Woche auftretende Fieberschübe (BSG, Urteil vom 31. März 1993, Az.: B 13 RJ 65/91), Einarmigkeit und Einäugigkeit (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 30), Sehstörungen, Beweglichkeitseinschränkungen der Hände, Arbeit unter Ausschluss bestimmter Umwelteinflüsse wie Kälte, Nässe oder Staub (BSG SozR 3-2600 § 43 Nr. 21) und Gebrauchsunfähigkeit einer Hand (BSG, Urteil vom 23. August 2001, Az.: B 13 RJ 13/01 R). Bei der Klägerin ist eine diesen Beispielen entsprechende Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen bzw. schwere spezifische Leistungseinschränkung nicht ersichtlich. Insbesondere ist auch nicht anzunehmen, dass aufgrund der festgestellten Gesundheitsstörungen besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz bestehen. Dr. M. hat festgestellt, dass das Verantwortungsbewusstsein, die Gewissenhaftigkeit, die Ausdauer, die Merkfähigkeit und die Auffassungsgabe, die Konzentration und die Reaktionsfähigkeit, die praktische Anstelligkeit und Findigkeit ebenso wie die Selbständigkeit des Denkens und Handelns nicht eingeschränkt sind. Es besteht lediglich ein vermindertes intellektuelles Ausgangsniveau bei niedriger Schulbildung.

Die Frage, ob der Klägerin ein Arbeitsplatz auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland tatsächlich vermittelt werden kann, ist rechtlich unerheblich, weil bei einem beruflichen Leistungsvermögen eines Versicherten von mindestens sechs Stunden täglich der Arbeitsmarkt als offen anzusehen ist und das Risiko der Arbeitsvermittlung von der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung und nicht von der gesetzlichen Rentenversicherung zu tragen ist. Dementsprechend bestimmt § 240 Abs. 2 S. 4 SGB VI, dass nicht berufsunfähig ist, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist (BSG SozR 3-2600 § 44 Nr. 8). Sämtliche von Amts wegen eingeholten Gutachten haben der Klägerin sogar ein täglich achtstündiges bzw. mehr als sechsstündiges Leistungsvermögen bestätigt.

Schließlich ist festzuhalten, dass Versicherte, bei denen ein GdB festgestellt worden ist, nicht gleichermaßen als erwerbsgemindert im Sinne des SGB VI gelten, denn der GdB nach dem SGB IX bezieht sich auf die Auswirkungen einer Behinderung in allen Lebensbereichen, nicht nur auf die Einschränkungen des beruflichen Leistungsvermögens. Unmittelbare Schlussfolgerungen aus dem GdB der Klägerin von 30 auf die Erwerbsminderung sind deshalb nicht möglich (KassKomm-Niesel § 43 SGB VI Rn. 5).

Dem Antrag der Klägerin, die Stellungnahme des Dr. M. vom 16. August 2007 der Dr. R. zur ergänzenden Stellungnahme vorzulegen, war nicht zu entsprechen. Zwar steht der Erläuterungsbedürftigkeit eines Gutachtens nicht entgegen, dass es nicht von Amts wegen, sondern nach § 109 SGG eingeholt worden ist (BSG, Urteil vom 30. April 1985, Az.: 2 RU 81/84). Die Klägerin hat jedoch nicht vorgetragen, dass das Gutachten der Dr. R. der Erläuterung bedürfe. Voraussetzung, um einem entsprechenden Antrag stattzugeben, wäre, dass die Klägerin einen schlüssig und konkret bezeichneten weiteren Aufklärungsbedarf im Zusammenhang mit der Erstellung des Gutachtens der Dr. R. objektiv nachvollziehbar dargelegt hätte. Der Antrag, das Gericht möge eine von ihm gemäß § 106 SGG eingeholte Stellungnahme einem vorher gemäß § 109 SGG beauftragten Gutachter vorzulegen, reicht allein nicht aus, die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung zu begründen.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG vom 7. März 2006 war somit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gemäß § 193 SGG beruht auf der Erwägung, dass die Klägerin mit ihrer Klage auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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