L 3 U 387/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 U 266/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 387/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 24/08 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 26.10.2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Klägerin einen Anspruch auf Feststellung hat, dass der tödliche Unfall des Ehemanns der Klägerin am 18.02.1995 ein Arbeitsunfall war.

Der 1942 geborene Ehemann der Klägerin, H. G. , war als selbständiger Unternehmer bei der Beklagten freiwillig versichert. Er betrieb ein Unternehmen für LKW-Aufbauten, Anhänger und Reparaturen in K ... Am 18.02.1995 befuhr er gegen 10.15 Uhr mit seinem PKW die alte Bundesstraße 8 von G. kommend in Richtung W ... Etwa auf der Höhe der Einfahrt L. in die neue B 8 kam er mit seinem PKW in einem spitzen Winkel nach rechts von der Fahrbahn ab, fuhr im Seitenstreifen und prallte nach ca. 50 m frontal mit der Fahrerseite an einen großen Baum. Durch die Wucht des Aufpralls erlitt er tödliche Verletzungen.

Mit Schreiben vom 19.02.1995 meldete die Klägerin den Unfall als Arbeitsunfall an und machte geltend, ihr Mann sei auf dem Weg zu einem Kunden verstorben. Im Unfallfragebogen wurde angegeben, der Verstorbene sei vermutlich bei der Firma F. in L. gewesen und habe anschließend zur Firma M. in R. fahren wollen, um an der Vorstellung des Modells Sprinter teilzunehmen.

Zur Aufklärung des Sachverhalts zog die Beklagte die Akten der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht R. sowie eine Auskunft der Firma M. AG, R. , vom 21.03.1995 bei und holte ein Gutachten des Prof. Dr. H. , Institut für Pathologie der Universität R. , ein, wonach eine Herzerkrankung oder andere Erkrankungen, die den Unfall verursacht haben könnten, durch die Obduktion ausgeschlossen werden konnten. Der von der Polizei befragte Zeuge E. T. sagte aus, dass der Verstorbene kurz vor der Einfahrt F. aus einer zügigen Geschwindigkeit heraus sein Fahrzeug abbremste und in einem Zug in der Westeinfahrt des Geländes wendete. Anschließend habe er sein Fahrzeug wieder stark beschleunigt und sei weiter in Richtung R. gefahren.

Auf Anfrage der Beklagten teilte die Firma M. F. , Geflügelhof, mit Schreiben vom 14.12.1995 mit, dass in den Jahren 1981 bis 1987 eine Geschäftsverbindung mit der Firma G. bestanden habe. Ab 1988 seien keine geschäftlichen Beziehungen mehr gegeben gewesen.

Mit Bescheid vom 13.11.1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.03.1996 lehnte die Beklagte die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen ab. Die anspruchsbegründenden Tatsachen seien nicht erwiesen. Es sei lediglich eine Vermutung, dass der Verstorbene im betrieblichen Interesse zur Firma F. unterwegs gewesen sei. Die Firma F. sei nachweislich nicht aufgesucht worden. Auch sei von dort auf Anfrage bestätigt worden, dass weder eine Terminsvereinbarung noch überhaupt eine Geschäftsverbindung bestanden habe. Selbst wenn der Versicherte die Firma M. in R. hätte aufsuchen wollen, müsse der Unfallversicherungsschutz verneint werden, weil sich die Unfallstelle nicht auf dem direkten Weg vom Betriebssitz in K. nach R. befunden habe.

In dem dagegen erhobenen Klageverfahren holte das Sozialgericht Regensburg (SG) ein unfallanalytisches Gutachten des Ingenieurs B. , D. , vom 18.08.1997 ein. Darin ist ausgeführt, dass ein technischer Mangel am Fahrzeug als Unfallursache nicht gegeben sei. Die Klägerin legte ein Gutachten des TÜV vom 07.11.1997 vor.

Mit Urteil vom 26.02.1998 wies das SG die Klage ab. Ein Arbeitsunfall sei nicht nachgewiesen. Die Klägerin trage nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast die Folgen der Beweislosigkeit. Es sei zudem davon auszugehen, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin in Selbsttötungsabsicht gehandelt habe.

Die dagegen eingelegte Berufung wies das Bayerische Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 21.10.1998 als unbegründet zurück. Der volle Beweis der Tatsache, dass der Versicherte sich im Unfallzeitpunkt auf einem betrieblich bedingten Weg befunden habe, sei nicht gegeben. Es sei lediglich bekannt, dass der Versicherte am Unfalltag nach R. zur M.-Niederlassung fahren wollte. Er habe zumindest einen Termin für den Unfalltag vormittags mit dem dort beschäftigten Herrn G. vereinbart gehabt. Über seine sonstigen Absichten beim Verlassen der Wohnung in K. am 18.02.1995 ließen sich indessen nur Vermutungen anstellen, wie sie die Klägerin auch geäußert habe.

Mit Schreiben vom 04.06.1999 beantragte die Klägerin eine Überprüfung der Bescheide. Zur Begründung führte sie aus, dass der vorgesehene Betriebsweg des Versicherten von seiner Betriebsstätte zur Firma M. in W. , von dort zur Firma F. in L. und anschließend zur Firma D. in R. gewesen sei. Zur Frage, ob entsprechende Geschäftspapiere im Auto vorgefunden wurden, werde beantragt, die Zeugen A. B. sowie Herrn M. jun. zu verhören. Die Klägerin legte eine Erklärung des Herrn M. vom 20.05.1999 vor, worin dieser angab, es sei für Samstag, den 18.02.1995, mit Herrn G. ein Besichtigungstermin vereinbart gewesen, da die Fahrzeuge nur am Wochenende auf dem Betriebsgelände stünden. Sie legte weiterhin eine Bestätigung des Autohauses N. vom 28.05.1999 vor, wonach sich der Inhaber an einen gelben Briefbogen mit Firmenlogo auf der Hutablage erinnern könne.

Mit Bescheid vom 18.08.1999 lehnte die Beklagte eine Rücknahme des Bescheides vom 13.11.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.03.1996 ab. Die Beklagte sei bei Erlass ihrer Bescheide nicht von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen. Da der Versicherte in der Einfahrt der Firma F. wendete und dann wieder zurück in Richtung R. fuhr, sei der Nachweis einer betrieblichen Fahrt nicht gegeben. Dass betriebliche Unterlagen im PKW des Verunglückten sich befunden hätten, sei ebenfalls bekannt gewesen.

Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.03.2000 als unbegründet zurück.

Mit Urteil vom 30.11.2001 wies das SG die dagegen erhobene Klage ab.

Im Berufungsverfahren holte das LSG eine schriftliche Zeugenaussage des U. M. vom 03.06.2002 ein und befragte K. G. in der öffentlichen Sitzung am 23.07.2002 als Zeugen. Dieser sagte aus, er habe Herrn G. gebeten, er möge vorher zum Kunden M. fahren, um sich dort den LKW-Aufbau anzusehen. Herr G. habe ihm zugesagt, dass er dies tun werde. Die Besichtigung der Fahrzeuge auf dem Hof der Firma M. sei eine Sache von fünf bis zehn Minuten gewesen. Auf die Sitzungsniederschrift vom 23.07.2002 (Az.: L 3 U 401/01) wird insoweit verwiesen. Der Zeuge M. führte aus, dass den Ehemann der Klägerin niemand gesehen habe. Er habe mit Herrn G. vereinbart gehabt, dass Herr G. die Aufbauten der LKWs zur Angebotsabgabe an diesem Samstag ansehen sollte, da die LKWs werktags unterwegs seien.

Das LSG holte weitere schriftliche Zeugenaussagen des H. S. vom 02.09.2002, des J. H. vom 02.09.2002, des H. P. vom 04.09.2002 und des P. K. vom 15.09.2002 ein.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung legte die Klägerin eine Bestätigung des M. F. vor. Darin ist angegeben, dass der Kläger mit der Firma G. bis zum tödlichen Verkehrsunfall am 18.02.1995 in geschäftlicher Beziehung gestanden habe, so dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass ihn Herr G. am Unfalltag möglicherweise geschäftlich besuchen wollte. Die Beteiligten schlossen daraufhin in der mündlichen Verhandlung vom 23.10.2002 einen Vergleich dahingehend, dass die Beklagte den Antrag der Klägerin vom 04.06.1999 erneut sachlich überprüft und einen rechtsbehelfsfähigen Bescheid erlässt.

Im sich anschließenden Verwaltungsverfahren legte die Klägerin eine Erklärung des G. L. vom 18.11.2002 vor, der eine langjährige Geschäftsbeziehung der Firma G. Fahrzeugbau und der Firma F. bis zum Zeitpunkt des Unfalls bestätigte.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts befragte die Beklagte telefonisch Herrn L. B., Betriebsmechaniker bei der Firma F. sowie den Inhaber des Betriebes M. F ...

Herr F. sagte aus, dass ab dem Jahr 1990 keinerlei Kontakte zu Herrn G. mehr bestanden hätten, weder geschäftlich noch privat. Die Erklärung des Herrn F. , die dem Landessozialgericht vorgelegt wurde, werde ausdrücklich widerrufen. Im Vorbeifahren oder beim Wenden in der Westeinfahrt in einem Zug könne nicht festgestellt werden, ob er in seinem Betrieb anwesend sei oder nicht. Über etwaige Geschäfte mit der Firma G. sei mit Herrn L. nicht gesprochen worden.

Mit Bescheid vom 25.02.2003 lehnte die Beklagte eine Rücknahme des Bescheides vom 13.11.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.03.1996 aufgrund der Aussage des Herrn F. erneut ab. Die Erklärung des Herrn Günter L. , der ca. 1984 in Pension gegangen sei, sei wenig aussagekräftig. Gehe man davon aus, dass das Ziel der Fahrt die Firma M. in R. gewesen sein solle und lege man zugrunde, dass die Anfahrt zur Firma F. aus R. kommend erfolgen musste, so sei es auf dem Rückweg zwingend erforderlich gewesen, zum Ausgangspunkt zurückzukehren. Folglich habe sich der Ehemann der Klägerin auf einem Abweg befunden.

Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 01.10.2003 als unbegründet zurück.

Gegen diese Bescheide hat der Kläger Klage zum SG erhoben und beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 25.02.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.10.2003 zu verurteilen, den Bescheid vom 13.11.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.03.1996 zurückzunehmen und das Ereignis vom 18.02.1995 als Arbeitsunfall anzuerkennen und der Klägerin Hinterbliebenenleistungen zu gewähren.

Mit Urteil vom 26.10.2005 hat das SG die Klage abgewiesen.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt. Der Ehemann der Klägerin sei von seiner Betriebsstätte aus in K. zunächst zu der Firma M. Kartonagen nach W. gefahren und habe von dort aus weiter zur M.-Niederlassung in R. fahren wollen, um dort Aufbauangebote zu übergeben und bei der Präsentation des neuen Transportmodells "Sprinter" zugegen zu sein. Dies ergebe sich aus der Aussage des Zeugen K. G. , LKW-Verkäufer in der M.niederlassung, anlässlich seiner Vernehmung vor dem LSG vom 23.07.2002. Bestätigt werde dies durch die Aussage des Zeugen M. , der angegeben habe, dass der Ehemann der Klägerin den Aufbau zur Angebotsabgabe an diesem Samstag ansehen sollte. Selbst wenn man unterstelle, dass es sich bei dem Weg zur Firma F. um einen privaten "Abstecher" gehandelt habe, ändere dies nichts daran, dass es sich um einen Wegeunfall gehandelt habe. Ganz kurze und ganz geringfügige Unterbrechungen sowie Umwege von untergeordneter Bedeutung beseitigten den Zusammenhang des Weges mit der Betriebstätigkeit selbst dann nicht, wenn sie eigenwirtschaftlicher Natur seien. Es handele sich um einen mitversicherten Umweg, nicht um einen Abweg.

Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass die anspruchsbegründenden Tatsachen nicht nachgewiesen seien. Nachdem die konkrete Fahrstrecke des Versicherten zum Unfallzeitpunkt überhaupt nicht bekannt sei, lasse sich auch ein möglicher Umweg nicht definieren. Zwar sei der Ehemann der Klägerin am Unfalltag aus geschäftlichen Gründen unterwegs gewesen. Hinsichtlich des konkret zurückgelegten Weges am Unfalltag ließen sich indessen nur Vermutungen anstellen. Es sei nach wie vor nicht nachgewiesen, welche Handlungstendenz der Fahrt zum Unfallzeitpunkt tatsächlich zugrunde gelegen habe. Fest stehe lediglich, dass der Versicherte vor dem Wendemanöver aus Richtung R. gekommen sei. Gehe man davon aus, dass der Verstorbene tatsächlich vorher bei der Firma M. in W. war und danach zur M.niederlassung nach R. fahren wollte, sei nicht nachvollziehbar, weshalb er die Autobahn A 3 verlassen habe und über die B 8 aus Richtung R. kommend bis zur Firma F. gefahren sei.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 26.10.2005 sowie den Bescheid vom 25.02 ...2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.10.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 13.11.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.03.1996 zurückzunehmen und festzustellen, dass das Ereignis vom 18.02.1995 ein Arbeitsunfall ist.

Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 26.10.2005 zurückzuweisen.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten, der Gerichtsakten, der beigezogenen Akten unter den Az.: S 4 U 86/96, S 4 U 266/03, S 4 U 101/96, S 4 U 245/03, S 4 U 108/00, L 2 U 154/98, L 3 U 401/01, L 2 U 154/98 sowie den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Der Tod des Versicherten am 18.02.1995 ist nicht Folge eines Arbeitsunfalls gewesen.

Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig, insbesondere hat die Klägerin keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 13.11.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.03.1996 nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).

Gemäß § 44 Abs.1 Satz 1 SGB X ist - soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind - der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Diese Voraussetzungen sind im Fall der Klägerin nicht erfüllt.

Der Anspruch der Klägerin richtet sich nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), da der geltend gemachte Unfall vor dem Inkrafttreten des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) am 01.01.1997 eingetreten ist (Art.36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes - UVEG -, § 212 SGB VII).

Nach § 548 Abs.1 Satz 1 RVO ist ein Arbeitsunfall ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten und danach versicherten Tätigkeiten erleidet. Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zurechnungszusammenhang, vgl. BSGE 63, 273, 274 = SozR 2200 § 548 Nr.92; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr.19; BSG SozR 3-2700 § 8 Nr.10). Es muss also eine sachliche Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit bestehen, der sogenannte innere Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Dieser Zurechnungszusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der zur Zeit des Unfalls ausgeübten Verrichtung ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (BSGE 58, 76, 77 = SozR 2200 § 548 Nr.70; BSGE 61, 127, 128 = SozR 2200 § 548 Nr.84; BSG SozR 3-2700 § 8 Nr.10).

Für die tatsächlichen Grundlagen dieser Wertentscheidung ist der volle Nachweis zu erbringen. Bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der versicherten Tätigkeit als erbracht angesehen werden können (BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr.1 mit weiteren Nachweisen ). Es muss sicher feststehen, dass im Unfallzeitpunkt eine - noch - versicherte Tätigkeit ausgeübt wurde (BSGE 61, 127, 128 = SozR 2200 § 548 Nr.84 mwN). Innerhalb dieser Wertung stehen bei der Frage, ob der Versicherte zur Zeit des Unfalls eine versicherte Tätigkeit ausgeübt hat, Überlegungen nach dem Zweck des Handelns mit im Vordergrund (BSG SozR 3-2200 § 548 Nr.19).

Die maßgebenden tatsächlichen Grundlagen, insbesondere die Zweckbestimmung der zum Unfall führenden Verrichtung müssen daher mit Gewissheit nachgewiesen sein (Bereiter/Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 8 Anm.10 mit weiteren Nachweisen). Gewissheit bedeutet, dass ein vernünftiger, die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch keinen Zweifel hat (BSGE 32, 203, 207).

Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben war ein Arbeitsunfall des Versicherten am 18.02.1995 nicht festzustellen.

Der Senat ist zwar aufgrund der glaubhaften Angaben der Klägerin und des Zeugen K. G. davon überzeugt, dass der Versicherte am Unfalltag, einem Samstag, zwischen 9.30 Uhr und 9.45 Uhr seine Wohnung, neben der auch seine Werkstatt gelegen ist, verließ und er an diesem Tag die Firma M. in R. aufsuchen wollte, um Angebote abzugeben und sich das neue Modell "Sprinter" anzusehen. Eine bestimmte Uhrzeit, zu der der Versicherte in R. hätte eintreffen sollen, war nicht vereinbart worden. Der Zeuge G. gab an, dass eine solche Präsentation in der Regel bis ca. 16.00 Uhr dauert. Weiterhin steht zur Überzeugung des Senats fest aufgrund der polizeilichen Ermittlungen und der Aussage des bei der Firma F. beschäftigten T. E. , die der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwertet, dass der Versicherte auf der alten B 8 aus Richtung R. kam, in der Einfahrt der Firma F. um ca. 180 Grad wendete und sein Fahrzeug in Richtung R. beschleunigte. Unmittelbar danach ereignete sich um 10.15 Uhr der Unfall, an dessen Folgen der Versicherte noch am Unfallort verstarb.

Auch nach Ausschöpfung aller Beweismittel, insbesondere nach Anhörung der Klägerin, des Zeugen G. und schriftlicher Befragungen der als Zeugen in Betracht kommenden Personen M. , P. und der Kundenbetreuer der Firma M. K. , S. und H. ist es dem Senat ebensowenig wie zuvor der Beklagten, dem SG und dem 2. Senat des Bayer. LSG gelungen, aufzuklären, was der Versicherte nach dem Verlassen seiner Wohnung unternommen hatte und ob er, nachdem er bei der Firma F. gewendet hatte, unverzüglich nach R. zur Niederlassung M. fahren wollte. Ein Indiz dafür, dass er geschäftliche Dinge erledigen wollte, könnte allenfalls sein, dass im Unfallauto Geschäftsunterlagen gesehen worden waren. Da das Fahrzeug inzwischen verwertet worden ist, ließ sich nicht klären, was diese Papiere enthielten.

Damit können nur Vermutungen angestellt werden, was der Versicherte zwischen 9.30 Uhr bzw. 9.45 Uhr und 10.15 Uhr unternommen hatte und was er im Anschluss geplant hätte. Die Ausübung einer versicherten Tätigkeit ist nicht nachgewiesen. Was der Ehemann der Klägerin bei der Firma F. wollte, ist unklar, ebenso die Frage, ob er dort tatsächlich einen geschäftlichen Besuch abstatten wollte. Ein geschäftlicher Kontakt zur Firma F. ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zuletzt im Jahr 1987 gegeben gewesen. Die dem LSG vorgelegte Erklärung vom 23.10.2002 wurde ausdrücklich von Herrn F. widerrufen. Er hat angegeben, dass ab 1990 mit Sicherheit keinerlei Kontakte mehr zur Firma G. bestanden hätten. Dies deckt sich mit seiner Erstaussage gegenüber der Beklagten vom 14.12.1995. Der Zweck der Fahrt des Versicherten zur Firma F. bleibt demnach im Dunkeln.

Selbst wenn man unterstellt, dass der Versicherte zum Zeitpunkt des Wendens bei der Firma F. seine Fahrt zur Niederlassung M. in R. fortsetzen wollte, ließe sich ein Unfallversicherungsschutz nicht begründen.

Der kürzeste Weg von K. zur M.-Niederlassung in R. führt über die B 15. Diesen Weg hat der Versicherte nicht gewählt. Aus welchen Gründen sich der Ehemann der Klägerin um 10.15 Uhr am Unfallort befand, ist vollkommen unklar. Selbst wenn man zugunsten der Klägerin ihre Annahme als erwiesen unterstellen wollte, ihr Ehemann habe nach Verlassen des Hauses zuerst die Firma M. in W. und eventuell danach die Firma P. in W. aufgesucht, um dort jeweils für Umbauten notwendige Abmessungen vorzunehmen, befand sich der Ehemann der Klägerin zum Unfallzeitpunkt jedenfalls auf einem nicht versicherten Weg. Dabei bleibt anzumerken, dass es sich hinsichtlich etwaiger Besuche in W. um Unterstellungen handelt, denn die jeweiligen Firmeninhaber konnten nicht bestätigen, den Versicherten auf ihrem Betriebsgelände gesehen zu haben bzw., dass er von anderen Personen dort gesehen worden war. Eine konkrete Absprache, dass der Ehemann der Klägerin am Unfalltag bei ihnen vorbeischauen sollte, gab es mit den Firmeninhabern ebensowenig. Selbst wenn sich der Ehemann der Klägerin aber vor dem Unfall in W. befunden haben sollte, wäre der unmittelbare Weg nach R. zur Betriebsniederlassung von M. die Autobahn A 3 gewesen. Dies stellt die einfachste und schnellste Verbindung dar. Der Umweg über die B 8 wäre bereits nicht nachvollziehbar, wenn der Ehemann der Klägerin geplant hätte, bei der Anschlussstelle R. wieder auf die Autobahn zu fahren. Dass der Ehemann der Klägerin sich auf der B 8 befunden hat, spricht zur Überzeugung des Senats gegen die Annahme, dass er sich vor dem Unfall betrieblich veranlasst in W. befunden hat und anschließend nach R. fahren wollte. Die A 3 war zum damaligen Zeitpunkt unproblematisch befahrbar, so dass keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Umweg über die B 8 genommen hätte werden müssen.

Darüber hinaus ist festzuhalten, dass sich auch dann kein Versicherungsschutz ergeben würde, wenn man einen betrieblich veranlassten Weg von W. über die B 8 nach R. annehmen würde. Der Ehemann der Klägerin hätte sich dann auch nach der Vorstellung der Klägerin bereits auf der neuen B 8 in Richtung R. bewegt, wäre dann auf die parallel dazu verlaufende alte B 8 in entgegengesetzte Richtung zurückgefahren, hätte bei der Firma F. gewendet und dieselbe Teilstrecke bis zur Abbiegemöglichkeit in die neue B 8 erneut befahren, wenn es nicht zu dem Unfall gekommen wäre. Da sich der betriebliche Zweck der Fahrt bis zum Betriebsgelände F. nicht beweisen lässt, muss von einem nicht versicherten Abweg ausgegangen werden.

Ändert der Versicherte die Zielrichtung des zurückgelegten Weges aus privaten bzw. nicht betrieblichen Gründen, ist ein eingeschobener Weg ein sogenannter Abweg. Entgegen der Auffassung der Klägerin kann nicht von einem Umweg ausgegangen werden. Umwege sind - in Abgrenzung zu Abwegen - Wege, die in Richtung des den Versicherungsschutz begründenden Zieles gehen, aber den direkten Weg verlängern (vgl. Keller in Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch SGB VII, Gesetzliche Unfallversicherung, § 8 Rdnr.240 ff., 243). Auch eine von der Klägerin geltend gemachte geringfügige Unterbrechung liegt nicht vor. Zum einen kommt bei Abwegen eine versicherungsunschädliche geringfügige Unterbrechung nicht in Betracht. Auch während eines noch so kurzen Abwegs bleibt nach heute gefestigter Rechtsprechung der Versicherungsschutz nicht erhalten (vgl. Keller, a.a.O. mwN). Eine unerhebliche tatsächliche Unterbrechung, während der der Versicherungsschutz fortbesteht, liegt zudem nur vor, wenn die Unterbrechung zeitlich und räumlich nur ganz geringfügig ist und einer Verrichtung dient, die "im Vorbeigehen" und "ganz nebenher" erledigt wird (vgl. BSG, Urteil vom 09.12.2003, B 2 U 23/03 R, SozR 4-2700 § 8 Nr.3). Voraussetzung ist, dass der Versicherte noch auf seinem Weg ist und nur in der Fortbewegung aus privaten Gründen für eine kurze Zeit inne hält. Die versicherte Tätigkeit und die private Verrichtung müssen als tatsächliches Geschehen nur sehr schwer voneinander zu trennen sein.

Vorliegend ist der Ehemann der Klägerin bei der Abzweigung von der neuen B 8 einen Weg von ca. 600 m zur Firma F. und zurück gefahren. Er hat damit, unterstellt er kam von einer betrieblichen Tätigkeit in W. , seine Zielrichtung aus nicht betrieblichen Gründen geändert. Es liegt somit ein eingeschobener Weg im Sinne eines sogenannten Abwegs vor.

Selbst wenn man also unterstellt, dass der Ehemann der Klägerin nach dem Wenden zur Niederlassung M. gelangen wollte, lässt sich ein Unfallversicherungsschutz nicht begründen. Da man den betriebsbedingten Zweck der Fahrt zur Firma F. nicht beweisen kann, kann auch dem Rückweg kein solcher Zweck beigemessen werden, denn ein Rückweg teilt in der Regel den Charakter des Hinweges (vgl. hierzu BSGE 1, 171; 7 BSGE 7, 243; BSGE 8, 53). Dies bedeutet, dass der Versicherungsschutz auf einem angenommenen Betriebsweg zur Firma M. in R. erst dort wieder einsetzt, wo die Schnittstelle wieder erreicht war, an der die ursprüngliche Fahrtrichtung R. aufgegeben wurde. Die Unfallstelle befindet sich auf einem Teilbereich der Strecke, der noch nicht eindeutig allein nach R. , aber auf dem Rückweg von der Firma F. liegt. Erst mit dem Erreichen der ursprünglichen Reiseroute hätte - bei unterstellter Fahrt nach R. - grundsätzlich wieder Versicherungsschutz bestanden (vgl. BSG SozR Nr. 27 zu § 548 RVO; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr.8).

Unterstellt, der Ehemann der Klägerin hat nach dem Wendemanöver zugleich seinen Betriebsweg wieder aufgenommen, kann daher allenfalls eine gemischte Tätigkeit angenommen werden hinsichtlich des Zurücklegens der Fahrstrecke bis zum Wiedererreichen des bereits zurückgelegten Wegstücks. Für Verrichtungen, die sowohl privaten unversicherten als auch betrieblichen Interessen zu dienen bestimmt sind - sogenannte gemischte Tätigkeiten - besteht Versicherungsschutz dann, wenn die Verrichtung im Einzelfall dazu bestimmt war, auch betrieblichen Interessen wesentlich zu dienen. Die Verrichtung braucht nicht überwiegend betrieblichen Interessen zu dienen bestimmt gewesen sein (vgl. BSG, Urteil vom 22.08.2000, B 2 U 18/99 R, RegNr.24953 mwN). Ob das betriebliche Interesse wesentlich ist, beurteilt sich in erster Linie nach den aufgrund von objektiven Anhaltspunkten nachvollziehbaren subjektiven Vorstellungen des Versicherten (BSGE 20, 215, 218). Entscheidendes Abgrenzungskriterium für die Frage, ob eine gemischte Tätigkeit wesentlich betrieblichen Interessen zu dienen bestimmt war, ist, ob diese Tätigkeit hypothetisch auch dann vorgenommen worden wäre, wenn der private Zweck entfallen wäre (BSGE 20, 215, 219; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr.19).

Dies ist hier nicht der Fall. Wäre die Fahrt zur Firma F. entfallen, hätte sich der Ehemann der Klägerin im Unfallzeitpunkt nicht auf der konkreten Fahrtstrecke auf der alten B 8 befunden. Vielmehr hätte er dann den Weg von zu Hause über die B 15 nach R. oder von der Firma M. bzw. der Firma P. , über die Autobahn oder die neue B 8 genommen. Selbst wenn er die alte B 8 weiter gefahren wäre, hätte er das Teilstück zwischen der Einfahrt der Firma F. und dem Unfallort nicht zweimal befahren. Entscheidend für die Routenwahl wäre auch dann der Abstecher zur Firma F. und nicht das direkte Erreichen der Niederlassung M. gewesen.

Der vom Ehemann der Klägerin vor dem Unfall zurückgelegte Weg kann auch nicht in zwei Abschnitte aufgeteilt werden, nämlich in eine unversicherte Teilstrecke bis zur Firma F. und von dort - unter Unfallversicherungsschutz - bis nach R ... Eine solche Aufteilung wäre nur dann möglich, wenn die Strecke durch eine deutliche Zäsur in zwei Abschnitte getrennt werden kann (vgl. BSG SozR Nr.4 zu § 548 RVO - neuntägiger Urlaubsaufenthalt als Zäsur -; BSG SozR Nr.27 zu § 548 RVO - aus eigenwirtschaftlichen Gründen eingeschobener Umweg zur Übernachtung keine Zäsur; vgl. BSG SozR 3-2200 § 548 Nr.8). Die Annahme einer derartigen, den Charakter der versicherten Tätigkeit unmittelbar verändernden Zäsur setzt voraus, dass dieser Einschnitt nach außen deutlich erkennbar wird (vgl. BSG, Urteil vom 22.08.2000, B 2 U 18/99 R).

Von diesen Grundsätzen ausgehend kann im vorliegenden Fall nicht abgeleitet werden, dass die Fahrt ab dem Wendemanöver als völlig selbständig und nicht in Zusammenhang mit der vorangegangenen Teilstrecke über die alte B 8 bis zur Einfahrt der Firma F. stehend anzusehen ist. Das Wenden stellt keinen so deutlichen Einschnitt im Rahmen des Rückwegs von dem nicht nachgewiesenen betrieblichen Weg dar, dass dieser in zwei eigenständige, völlig voneinander getrennte Abschnitte aufgeteilt werden könnte. Damit kann dem Rückweg von dem unversicherten Abstecher zur Firma F. jedenfalls keine ausschließlich andere Bedeutung beigemessen werden.

Damit kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass eine versicherte Tätigkeit des Ehemanns der Klägerin im Unfallzeitpunkt nicht zu beweisen ist. Die Folgen der Beweislosigkeit hat die Klägerin zu tragen.

Der Unfall vom 18.02.1995 ist daher nicht als Arbeitsunfall anzuerkennen. Der Bescheid der Beklagten vom 13.11.1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13.03.1996 entspricht daher der Sach- und Rechtslage. Eine Verpflichtung der Beklagten, diese nach § 44 SGB X zurückzunehmen, besteht nicht.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 26.10.2005 war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs.2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor, da der Senat nicht von der Rechtssprechung des BSG abweicht und eine grundsätzlich zu klärende Rechtsfrage nicht vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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