L 8 KR 218/07 ER

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 10 KR 119/07 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 218/07 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Antragsgegnerin wird auf die Beschwerde der Antragsteller unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichtes Darmstadt vom 12. Juli 2007 im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller bis zur bestands- bzw. rechtskräftigen Entscheidung über eine Pflichtversicherung ab 1. April 2007 vorläufig als pflichtversichertes Mitglied nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V zu führen und ihm die Leistungen der Krankenversicherung zu erbringen.

Weiter wird die Antragsgegnerin unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichtes Darmstadt vom 12. Juli 2007 verpflichtet, die Antragstellerin bis zur bestands- bzw. rechtskräftigen Feststellung ihrer Mitgliedschaft vorläufig als familienversichertes Mitglied zu führen und ihr die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zu erbringen.

Die Antragsgegnerin hat den Antragstellern die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten beider Instanzen zu erstatten.

Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.

Gründe:

I.

Das vorliegende Verfahren betrifft die Frage, ob die Antragsteller Mitglieder in der gesetzlichen Krankenversicherung werden können.

Der Antragsteller bezieht Altersrente der Deutschen Rentenversicherung Hessen in Höhe von 417,10 EUR. Die Antragstellerin bezieht Altersrente der Deutschen Rentenversicherung Hessen in Höhe von 161,53 EUR. Hilfebedürftigkeit im Sinne des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch (SGB XII) ist demgemäß nur für die Antragstellerin, nicht aber für den Antragsteller festgestellt worden. Der Beigeladene (Beschluss vom 22. August 2007) hat den Antragstellern deshalb als Bedarfsgemeinschaft für die Zeit ab 1. Januar 2007 Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (§§ 19 Abs. 2, 41 ff. SGB XII) in Höhe von 189,95 EUR bewilligt. Daneben hat der Beigeladene Hilfe zur Gesundheit (Krankenhilfe nach §§ 47 ff. SGB XII) bewilligt und die Antragsteller im Rahmen des § 264 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) bei der Antragsgegnerin angemeldet. Die Gewährung von Krankenhilfe hat der Beigeladene sodann (mit Wirkung zum 10. April 2007) unter Hinweis auf die angeblich eingetretene Pflichtversicherung bei der Antragsgegnerin ab 1. April 2007 eingestellt (Bescheid vom 27. März 2007). Die Antragsgegnerin informierte den Antragsteller mit Schreiben vom 10. Mai 2007, dass eine Aufnahme in die gesetzliche Krankenversicherung nicht erfolgen könne. Nach den seit 1. April 2007 geltenden gesetzlichen Bestimmungen seien Personen, die laufende Leistungen vom zuständigen Sozialhilfeträger erhielten, nicht versicherungspflichtig. Somit sei auch eine Mitgliedschaft in einer gesetzlichen Krankenkasse ausgeschlossen.

Der von den Antragstellern am 16. Mai 2007 vor dem Sozialgericht Darmstadt gestellte Antrag, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, sie als Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung aufzunehmen, blieb erfolglos. Mit Beschluss vom 12. Juli 2006 (richtig: 2007) hat das Sozialgericht Darmstadt den Antrag abgelehnt. Das Sozialgericht hat einen Anordnungsanspruch verneint. Der Gesetzgeber habe in § 5 Abs. 8 a SGB V in der ab 1. April 2007 gültigen Fassung ausdrücklich festgelegt, dass Empfänger von Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII gerade nicht versicherungspflichtige Mitglieder in der gesetzlichen Krankenversicherung werden könnten.

Gegen diesen den Antragstellern am 17. Juli 2007 zugestellten Beschluss richtet sich die am 31. Juli 2007 eingelegte Beschwerde, mit der die Antragsteller ihren Anspruch auf Aufnahme in die gesetzliche Krankenversicherung weiter verfolgen.

Die Antragsteller beantragen,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, -schnellstmöglich die Mitgliedschaft in dieser Krankenkasse sowie die Mitgliedschaft der Antragstellerin (familienversichert) festzustellen.-

Die Antragsgegnerin beantragt
die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin vertritt nach wie vor die Auffassung, dass die Antragsteller als Empfänger laufender Leistungen der Sozialhilfe nach dem Vierten Kapitel des SGB XII zu beurteilen seien. Dieser Personenkreis sei nicht der Versicherungspflicht unterstellt.

Der Beigeladene verweist auf eine von ihm eingeholte Stellungnahme des zuständigen Bundesministeriums für Gesundheit. Danach habe der Gesetzgeber offenbar für den Personenkreis, der über ein ausreichendes Renteneinkommen, aber keinen Krankenversicherungsschutz verfüge, einen Pflichtversicherungstatbestand schaffen wollen. Diesem Personenkreis sei der Antragsteller zuzuordnen. Demgemäß sei auch die Antragstellerin familienversichert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der gewechselten Schriftsätze der Beteiligten, die Gegenstand der Beratung gewesen sind, Bezug genommen.

II.

Die gegen den Beschluss des Sozialgerichts Darmstadt vom 7. November 2005 eingelegte Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat, ist zulässig, denn sie ist form- und fristgerecht eingelegt sowie an sich statthaft (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die Beschwerde ist auch begründet.

Der angefochtene Beschluss des Sozialgerichts war aufzuheben. Die Antragsteller und Beschwerdeführer haben Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Verpflichtung der Antrags- und Beschwerdegegnerin zur (vorläufigen) Aufnahme in die gesetzliche Krankenversicherung.

Nach § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers (Anordnungsanspruch) vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Anordnungsgrund; S. 1). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (S. 2).

Die Voraussetzungen einer sog. Regelungsanordnung gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind entgegen der Auffassung der Vorinstanz als glaubhaft gemacht anzusehen. Eine vorläufige Regelung in Bezug auf den Krankenversicherungsschutz der Antragsteller ist erforderlich, um von diesen unzumutbare Nachteile abzuwenden. Sie sind angesichts ihrer von der Antragsgegnerin unbestrittenen angespannten Gesundheitssituation auf ständige ärztliche und medikamentöse Behandlung angewiesen, die sie mangels eigener Einkünfte und fehlendem Vermögen nicht finanzieren können.

Es besteht auch ein Anordnungsanspruch. Die summarische Prüfung des derzeit bekannten Sachverhaltes ergibt, dass die Antragsteller mit ihrem Begehren, ihre Mitgliedschaft bei der Antragsgegnerin festzustellen, auch im Hauptsacheverfahren Erfolg haben werden.

Dabei ist zunächst auf den Antragsteller abzustellen. Dieser ist bei der gebotenen summarischen Prüfung mit dem In-Kraft-Treten des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V am 1. April 2007 – eingeführt durch § 4 a Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 26. März 2007 (GKV – WSG, BGBl. I S. 378) - gesetzlich krankenversichert. Danach sind Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und a) zuletzt gesetzlich krankenversichert waren oder b) bisher nicht gesetzlich krankenversichert waren, es sei denn, dass sie zu den in Abs. 5 oder den in § 6 Abs. 1 oder 2 SGB V genannten Personen gehören oder bei Ausübung ihre berufliche Tätigkeit im Inland gehört hätten, in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert. Gemäß § 5 Abs. 8 a Satz 1 und 2 SGB V ist indes nicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V versicherungspflichtig, wer nach Abs. 1 Nr. 1 – 12 versicherungspflichtig, freiwilliges Mitglied oder nach § 10 familienversichert ist (Satz 1) oder wer Empfänger laufender Leistungen nach dem Dritten, Vierten, Sechsten und Siebten Kapitel des SGB XII oder Empfänger laufender Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) ist. Nach dieser Norm tritt somit keine Versicherungspflicht für diejenigen Personen ein, die Empfänger laufender Leistungen von Grundsicherung im Alter nach §§ 41 ff. SGB XII sind.

Dafür, dass der Antragsteller laufende Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII bezieht, könnten zunächst die in dem letzten Bescheid des Sozialamtes des Beigeladenen vom 4. Januar 2007 verwendete Adressatenbezeichnung sowie hieran anknüpfende Formulierungen sprechen. Als Empfänger dieses Bescheides werden in dieser Reihenfolge die Antragstellerin und der Antragsteller benannt. Die Anrede richtet sich auch an die Antragstellerin und den Antragsteller. Weiter heißt es dann in Satz 2 des Bescheidtextes "Ab dem 1.01.2007 bis 31.08.2007 erhalten sie Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach § 19 Abs. 2 i.V.m. §§ 41 ff. Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) in folgender Höhe: Monatlich: 189,95 Euro." Auch die weitere Angabe am Bescheidende, der Gesamtzahlbetrag werde dem Antragsteller und der Baugenossenschaft Ried eG zugeordnet, könnte dahin verstanden werden, dass der Antragsteller und nicht nur seine Ehefrau als Empfänger laufender Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung einzustufen ist. Eine genauere rechtliche Analyse dieses Bescheides unter Berücksichtigung anerkannter Grundsätze zur Anspruchsinhaberschaft im Rahmen der Sozialhilfe erweist indessen, dass der Antragsteller keinen Anspruch auf laufende Leistungen der Grundsicherung im Alter gegen den Beigeladenen hat und ihm ein solcher auch rechtlich nicht zuerkannt wurde. Dies ergibt sich aus der Analyse des Berechnungsbogens für die Monate Januar bis August 2007, der Bestandteil des Bescheides vom 4. Januar 2007 ist. In diesem Berechnungsbogen wird jeweils für den Antragsteller und die Antragstellerin gesondert der jeweilige Gesamtbedarf ermittelt und das anrechenbare Gesamteinkommen gegenübergestellt. Für den Antragsteller ergibt sich dabei ein Gesamtbedarf von 357,86 Euro bei einem anrechenbaren Gesamteinkommen in Form von Altersruhegeld in Höhe von 417,10 Euro. Dies bewirkt, dass dem Antragsteller keine Grundsicherungsleistung zusteht, was sich in dem Berechnungsbogen durch den Ansatz eines Grundsicherungsleistungsbetrages von 0,00 Euro ausdrückt. Es wird ein Einkommensüberhang in Höhe von 59,24 Euro ausgewiesen. Dieser Einkommensüberhang wird wiederum in die für die Antragstellerin durchgeführte Berechnung eingestellt, nämlich dergestalt, dass deren anrechenbarem Gesamteinkommen aus eigenem Altersruhegeld in Höhe von 161,53 Euro noch das Einkommen aus Überhang ihres Ehemanns, des Antragstellers, zugesetzt wird. Ausgehend von einem Gesamtgrundsicherungsbedarf in Höhe von 410,72 Euro errechnet sich so eine Grundsicherungsleistung für die Antragstellerin in Höhe von 189,95 Euro. Unter der Überschrift Bedarfsgemeinschaft wird dann wiederum für den Antragsteller ein Anspruch in Höhe von 0,00 Euro, also kein Anspruch und für die Antragsgegnerin ein Zahlbetrag in Höhe von 189,95 Euro ausgewiesen, was zu einem Grundsicherungsanspruch in Höhe von 189,95 Euro führt. Die in dem vorausgegangenen Bescheid vom 6. November 2006 vorgenommene Berechnung folgt dem gleichen Muster.

Anspruchsinhaber in der Sozialhilfe, zu der auch die Grundsicherung im Alter gehört, ist jedoch jeder einzelne Leistungsberechtigte, auch wenn er in einem Familienverband mit anderen Personen lebt. Der Sozialhilfeanspruch ist höchstpersönlicher Natur, wie sich aus § 17 Abs. 1 Satz 2 SGB XII, der dem bisherigen § 4 Abs. 1 Satz 2 BSHG inhaltlich entspricht, ergibt. An dem in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zur Sozialhilfe entwickelten Grundsatz eines Individualanspruches (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. April 1992 – 5 C 29/88NJW 1993 215) hat sich auch durch die Sozialhilfereform 2005 nichts geändert. Dies erschließt sich schon aus dem Wortlaut des § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB XII (bisher § 11 Abs. 1 Satz 1 BSHG), dem zufolge Hilfe zum Lebensunterhalt Personen zu leisten ist, die ihren notwenigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, beschaffen können. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ist nach § 19 Abs. 2 SGB XII Personen zu leisten, die das 65. Lebensjahr vollendet haben oder ( ) dauerhaft voll erwerbsgemindert sind. Damit hat auch nach der Neuregelung jeder einzelne Leistungsberechtigte einen selbständigen Anspruch auf Leistungen. Allerdings hat der Gesetzgeber (wie schon im bisherigen BSHG) in § 19 Abs. 1 S. 2 SGB XII vorgesehen, bei zusammenlebenden Personen Einkommen und Vermögen bei ansonsten Hilfebedürftigen zu berücksichtigen. Dies bedeutet: Empfänger der Leistung ist nach wie vor derjenige, der sachlich-rechtlich Inhaber der Forderung gegen den Sozialhilfeträger ist, also der Leistungsberechtigte selbst. Haushaltsangehörige, deren Einkommen bzw. Vermögen der Sozialhilfeträger bei dem Leistungsberechtigten berücksichtigt, werden dadurch nicht zu Betroffenen des Sozialleistungsrechts. So besagt die Regelung in § 19 Abs. 2 SGB XII lediglich, dass dem Hilfe suchenden diese Hilfe nicht gewährt wird, wenn sein nicht getrennt lebender Ehegatte zumutbar einzusetzendes Einkommen und Vermögen hat. Dieser Ehegatte wird, auch wenn er als Mitglied der Einsatzgemeinschaft gilt, nicht selbst in die Hilferegelung einbezogen. Denn sein Einkommen reicht ja aus, um seinen eigenen laufend anfallenden Bedarf zu decken, wenngleich aus diesem nicht zugleich der Bedarf der anderen Mitglieder der Einsatzgemeinschaft beglichen werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 1992, NDV 1993, 239, 240; Neumann, in Hauck/Noftz SGB XII Sozialhilfe, Kommentar § 19 Rdnr. 21). Dies hat z.B. zur Folge, dass der Träger der Sozialhilfe, der einen Sozialhilfe gewährenden Bescheid zurücknehmen will, weil er die Hilfegewährung wegen des Vorhandenseins von Einkommen und Vermögen des nicht getrennt lebenden Ehegatten für rechtswidrig erachtet, nur den Empfänger der Hilfe, nicht aber dessen nicht getrennt lebenden Ehegatten auf Rückzahlung der zu Unrecht gewährten Leistung in Anspruch nehmen kann (vg. BVerwG, Urteil vom 22.10.1992).

Auch für das Leistungssystem der Grundsicherung für Arbeitsuchende hat das Bundessozialgericht (Urteil vom 7. November 2006 – B 7 b AS 8/06 R, NDV – RD 2007, 3) herausgestellt, dass der in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zur Sozialhilfe entwickelte Grundsatz eines Individualanspruches in Ansehung der §§ 7, 19, 28, 38 SGB II gelte (so auch Hessisches Landessozialgericht Urteil vom 12. März 2007 L 9 AS 33/06). Das SGB II kenne keinen Anspruch einer Bedarfsgemeinschaft als solcher. Anspruchsinhaber seien jeweils alle einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft, selbst wenn dies in den Bescheiden nicht deutlich zum Ausdruck komme. In der derzeitigen Verwaltungspraxis werde - entgegen der Rechtslage – als Leistungsbetrag ein Gesamtbetrag ausgeworfen, der lediglich im Anhang des Bescheides näher erläutert wird. Auch der weitere Inhalt der Bescheide mache häufig nicht genügend deutlich, dass es sich um Einzelansprüche aller Bedarfsgemeinschaftsmitglieder handele, die auch mit jeweils eigenem Rechtsbehelf durchgesetzt werden müssen. Angesichts der vielfältigen Irritationen, welche die tatsächliche Handhabung des Rechtsinstitutes der Bedarfsgemeinschaft auslöse, sei zumindest für eine Übergangszeit bei der Behandlung von Anträgen, sei es im Verwaltungs-, sei es im Gerichtsverfahren, eine großzügige Auslegung vorzunehmen.

Schließlich belegen die hier maßgeblichen Regelungen zum Einsatz von Einkommen und Vermögen im Rahmen der Grundsicherung im Alter, dass Anspruchsinhaber nur der jeweilige einzelne Leistungsberechtigte ist. Nach § 43 Abs. 1 SGB XII ist neben dem eigenen Einkommen und Vermögen des Anspruchsstellers auch dasjenige des nicht getrennt lebenden Ehegatten einzusetzen. Dies allerdings nur insoweit als dieses Einkommen und Vermögen den notwendigen Lebensunterhalt übersteigt. Dieser notwendige Lebensunterhalt bemisst sich begrifflich nach dem Dritten Kapitel. Für den nicht getrennt lebenden Ehegatten bzw. Lebenspartner ist eine Hilfsberechnung durch Gegenüberstellung des für ihn nach dem Dritten Kapitel ermittelten Bedarfs und seines Einkommens und Vermögens anzustellen. Nur der den Bedarf übersteigende Betrag ist dem Leistungsberechtigten als dessen Einkommen anzurechnen.

Entsprechend diesen Grundsätzen ist das Sozialamt der Beigeladenen in dem Berechnungsbogen für die Monate Januar bis August 2007, der Bestandteil des Bescheides vom 4. Januar 2007 ist, vorgegangen. Das Ergebnis der so vollzogenen Berechnung lautet ganz klar, dass dem Antragsteller, da er einen Einkommensüberhang aufweist, keine Grundsicherungsleistung zusteht. Die in dem Bescheid ausgewiesene Grundsicherungsleistung in Höhe von 189,95 Euro benennt den Leistungsanspruch, der rechtlich der Antragstellerin zusteht. Der Umstand, dass in den ersten Sätzen des Bescheides formuliert wird, dass dem Antragsteller und der Antragstellerin eine Leistung in dieser monatlichen Höhe an Grundsicherung im Alter bei Erwerbsminderung bewilligt wird, beruht auf einer sprachlichen Ungenauigkeit bei der Bescheidabfassung und ändert nichts daran, dass nur die Ehefrau des Antragstellers den ausgewiesenen monatlichen Zahlungsanspruch auf laufende Leistungen nach dem Vierten Kapitel, Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch hat. Der Antragsteller wird sozialrechtlich nicht selbst in die Hilferegelung einbezogen.

Diese sozialrechtliche Bewertung hat auch Bedeutung für die Anwendung der Regelung in § 5 Abs. 1 Nr. 13 über die Auffangversicherungspflicht. Abs. 8 a Satz 2 des § 5 SGB V, der präzisiert, wann eine anderweitige Absicherung vorliegt, stellt auf die sozialrechtliche Anspruchssituation ab. Er bestimmt nämlich, dass die Versicherungspflicht bei Empfang laufender Leistungen nach dem Dritten, Vierten, Sechsten und Siebten Kapitel des SGB XII nicht eintritt. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 13 und Abs. 8 a Satz 2 und 3 ein anderes Verständnis des Sozialhilfeempfanges gelten soll, als es im Rahmen des SGB XII maßgeblich ist. Weder Normtext, noch Entstehungsgeschichte und Gesetzesmaterialien geben einen Anhalt für ein solches vom Gesetzgeber gewolltes Verständnis. Bei dieser Sachlage legt es auch der Grundsatz der Einheitlichkeit der Rechtsordnung nahe, den Begriff Empfänger laufender Leistungen nach den aufgezählten Kapiteln des SGB XII im Rahmen der Bestimmung gesetzlichen Krankenversicherungspflicht nicht anders zu handhaben als im Sozialhilferecht, aus dem er herkommt. Dies führt hier dazu, dass der Antragsteller nicht als Empfänger laufender Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII behandelt werden kann.

Folgerichtig war dann auch, dass das Sozialamt des Beigeladenen dem Antragsteller Krankenhilfeleistungen nach dem SGB XII erbracht hatte, wobei von dem Verfahren nach § 264 Abs. 2 SGB V Gebrauch gemacht wurde, d.h. die Krankenbehandlung von der Krankenkasse – hier der DAK – gegen Kostenerstattung durch den Sozialhilfeträger übernommen wurde. Dem Antragsteller standen zwar keine laufenden Leistungen nach dem Vierten Kapitel SGB XII zu, jedoch angesichts seines niedrigen anrechenbaren Gesamteinkommens und einer fehlenden Krankenversicherung, Krankenhilfeleistungen, also allein Leistungen nach dem Fünften Kapitel, Hilfen zur Gesundheit des SGB XII. Der Normtext des § 264 Abs. 2 SGB XII steht einer Anmeldung von Personen, die allein Leistungen nach dem Fünften Kapitel SGB XII beziehen, zur Krankenbehandlung und der Einschaltung der Krankenkasse, nicht entgegen. Zwar ist das Verfahren nach § 264 Abs. 2 SGB V primär für Fälle konzipiert, in denen ein laufender Leistungsbezug durch den Sozialhilfeempfänger vorliegt, da bei dem Personenkreis, der nur Leistungen nach dem Fünften Kapitel enthält, vom Sozialhilfeträger in jedem Krankheitsfall die Leistungspflicht grundsätzlich erneut zu prüfen ist. Liegt jedoch z.B. in Folge einer ständig behandlungsbedürftigen chronischen Krankheit eine andauernde Notwendigkeit zur Krankenbehandlung vor, und ist nicht zu erwarten, dass der Anspruch auf Gewährung von Hilfen für Gesundheit, z.B. wegen Einkommensbezug entfällt, liegt ein Gebrauchmachen von dem Verfahren nach § 264 Abs. 2 SGB V nahe (vgl. Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom 26. April 2007, Az.: 222-44031-3/6). Der Umstand, dass dem Antragsteller ausweislich der von dem Beigeladenen vorgelegten Abmeldung für Betreuungsfälle nach § 264 SGB V im Zeitraum 1. Januar 2005 bis 31. März 2007 Krankenbehandlung durch die Krankenkasse im Verfahren nach § 264 Abs. 2 SGB V geleistet wurde, ändert somit nichts daran, dass der Antragsteller bis zum In-Kraft-Treten des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V einen alleinigen Anspruch auf Gewährung von Krankenhilfe nach § 48 SGB XII und damit nur auf Hilfe zur Gesundheit im Sinne des Fünften Kapitels des SGB XII hatte.

§ 5 Abs. 8 a Satz 2 SGB V, der ausdrücklich die Nachrangigkeit der Versicherungspflicht nach Abs. 1 Nr. 13 SGB V regelt und konkretisiert, nimmt wiederum alleinige Empfänger von Leistungen nach dem Fünften Kapitel des SGB XII von der angeordneten Rechtsfolge, dass keine Versicherungspflicht eintritt, aus. Dies ist kein Redaktionsversehen und kann auch nicht durch Rückgriff auf einen aus § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V hergeleiteten vermeintlichen Grundsatz der Vorrangigkeit von Krankenbehandlungsleistungen, welche in Verfahren nach § 264 SGB V erbracht werden, überspielt werden. Zwar heißt es in der Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung für das GKV-WSG "( ) ohne Anspruch auf anderweitige Absicherung im Krankheitsfall sind insbesondere die nicht gesetzlich oder privat krankenversicherten Personen, die einen Anspruch auf Hilfe bei Krankheit nach § 40 SGB VIII, § 48 SGB XII, § 264 SGB V, auf Gesundheitsfürsorge nach dem Strafvollzuggesetz oder auf sonstige Gesundheitsfürsorge haben (BT-Drucks. 16/3100, Seite 94 – zu Doppelbuchstabe bb und cc). Die zitierte Gesetzesbegründung bezog sich jedoch auf einen Gesetzesvorschlag in dem § 5 Abs. 8 a SGB V Satz 2 noch lautete, Satz 1 gilt entsprechend für Empfänger von Leistungen nach dem Dritten bis Neunten Kapitel des Zwölften Buches und für Empfänger laufender Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens wurde dann Satz 2 des § 5 Abs. 8 a SGB V dahin verändert, dass es an Stelle von Empfänger von Leistungen, Empfänger laufender Leistungen hieß und in der Bestimmung der Leistungen die Formulierung nach dem Dritten bis Neunten Kapitel des Zwölften Buches in nach dem Dritten, Vierten, Sechsten und Siebten Kapitel des Zwölften Buches umgewandelt wurde. Dies weist die der Ausschussempfehlung des 14. Ausschusses beigegebene Gegenüberstellung von Entwurf und veränderter Entwurfsfassung nach den Beschlüssen des 14. Ausschusses eindeutig aus, wobei die Worte "laufender" und "Vierten, Sechsten und Siebten" (Kapitel des Zwölften Buches) fettgedruckt sind (vgl. Ausschussempfehlung GKV-WSG, abgedruckt bei Hauck/Noftz, SGB XII, Sozialhilfekommentar Band III Materialien M 110 a). Die Ausschussempfehlung ist dann auch im Gesetzgebungsverfahren übernommen worden. Der für die Bestimmung der Nachrangigkeit einschlägige Abs. 8a des § 5 SGB V besagt somit in seinem Satz 2 ganz eindeutig, dass nur beim Bezug laufender Leistungen nach dem Dritten, Vierten, Sechsten und Siebten Kapitel des SGB XII und für Empfänger laufender Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes der Träger dieser Leistungen für die Absicherung im Krankheitsfall verantwortlich bzw. kostenpflichtig bleibt. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass bei alleiniger Gewährung von Krankenhilfe nach § 48 SGB XII kein anderweitiger Krankenversicherungsschutz im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V besteht. Reine Krankenhilfefälle gehen somit seit dem 1. April 2007 in die Zuständigkeit der Krankenkasse über, wenn zuvor ein versicherungsfreier Zustand oder eine frühere Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung bestand (so auch SG Speyer, Beschluss vom 19. April 2007 – S 11 ER 164/07 KR; vgl. weiter Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom 26. April 2007, Az.: 222-44031-3/6). Damit bleibt es dabei, dass Empfänger bloßer Leistungen nach dem Fünften Kapitel der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V unterstellt werden. Eine vorher erfolgte Betreuung gemäß § 264 SGB V steht dem nicht entgegen. Sie ist eine Leistung zur Umsetzung des Leistungsanspruches nach dem Fünften Kapitel des SGB XII, auch wenn Leistungen nach dem SGB V von einem Krankenversicherungsträger erbracht werden. Die Ansprüche leiten sich nämlich aus § 48 SGB XII ab und sind ohne diese Bezugsvorschrift im SGB XII nicht denkbar.

Nach alldem ist der Antragsteller, der seinen glaubhaften Angaben zu Folge zuletzt bei der AOK gesetzlich krankenversichert war und danach keiner privaten Krankenversicherung angehörte, in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert. Gemäß § 186 Abs. 11 SGB V beginnt die Mitgliedschaft nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V für Personen, die am 1. April 2007 keinen anderweitigen Anspruch auf Krankenversicherung im Krankheitsfall haben, an diesem Tag (§ 186 Abs. 11 Satz 3 SGB V).

Ein Anordnungsgrund ist ebenfalls gegeben. Es liegt Eilbedürftigkeit vor, denn der Antragsteller bedarf nach seinen glaubhaften Angaben der Krankenbehandlung, die er aus eigenen Mitteln nicht finanzieren kann. Wegen des Nachranges der Betreuung nach § 264 Abs. 2 SGB V gegenüber Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung darf der Leistungsempfänger auch nicht auf die Leistungen nach dem SGB XII und auf die Inanspruchnahme des Beigeladenen verwiesen werden.

Für die Antragstellerin ergibt sich im Rahmen der summarischen Prüfung aus dem bejahten Anspruch ihres Ehemannes auf Aufnahme in die gesetzliche Krankenversicherung eine eigene Mitgliedschaft bei der Antragsgegnerin, nämlich als Familienversicherte nach § 10 Abs. 1 SGB V. Diese Familienmitversicherung besteht, solange das Renteneinkommen der Antragstellerin den in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V genannten Grenzwert nicht übersteigt. Dies ist derzeit nicht der Fall und für die Zukunft auch nicht zu erwarten. Auch in Bezug auf die Antragstellerin ist ein Anordnungsgrund gegeben. Es liegt Eilbedürftigkeit vor, denn sie bedarf nach ihren glaubhaften Angaben der Krankenbehandlung, die sie aus eigenen Mitteln nicht finanzieren kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann mit der Beschwerde nicht angefochten werden, weil das Beschwerdegericht die Entscheidung getroffen hat (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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