L 3 B 490/07 SO-ER

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
3
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 27 SO 127/07 ER
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 B 490/07 SO-ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 27. September 2007 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die gemäß § 172 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte sowie gemäß § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Zutreffend hat das Sozialgericht den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung gemäß § 86b Abs. 2 SGG abgelehnt.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG können die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dazu ist gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) sowohl der durch die Anordnung zu sichernde, im Hauptsachverfahren geltende gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) als auch der Grund, weshalb die Anordnung ergehen und dieser Anspruch vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache gesichert werden soll (Anordnungsgrund), glaubhaft zu machen. Nach den im Beschwerdeverfahren vorliegenden Erkenntnissen liegt kein Anordnungsanspruch vor.

Ein Anordnungsanspruch liegt vor, wenn das Gericht aufgrund einer vorläufigen, summarischen Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass dem Antragsteller ein Rechtsanspruch auf die begehrte Leistung zusteht und deshalb der Antragsteller in einem Hauptsacheverfahren mit dem gleichen Begehren voraussichtlich Erfolg haben würde. Dabei wird der Sachverhalt gemäß § 103 SGG von Amts wegen unter Heranziehung der Beteiligten ermittelt, soweit dies unter Berücksichtigung der Eilbedürftigkeit des Rechtsschutzbegehrens geboten ist (Krodel, NZS 2002, 234 ff.; Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren [4. Aufl., 1998], Rdn. 152, 338; jeweils m. w. N.).

Danach hat der Antragsteller zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung keinen Anspruch auf Gewährung eines Darlehens in Höhe von 1.100,00 EUR zum Zwecke der Abwendung der Zwangsvollstreckung wegen der Erstattung der notwendigen Auslagen von Prozessgegnern aus einem von dem Antragsteller verlorenen Rechtsstreit vor dem Landgericht Chemnitz. Entgegen der Ansicht des Antragstellers, der laufende Leistungen zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (SGB XII) bezieht, kann er einen solchen An-spruch nicht auf § 37 SGB XII stützen. Nach § 37 Abs. 1 SGB XII können auf Antrag notwendige Leistungen als Darlehen erbracht werden, wenn ein im Einzelfall von den Regelsätzen umfasster und nach den Umständen unabweisbar gebotener Bedarf auf keine andere Weise gedeckt werden kann. Voraussetzung für die Anwendung dieser Regelung ist damit, dass es sich um einen vom Regelsatz umfassten Bedarf handelt. Die Regelsätze umfassen nach § 28 Abs. 1 SGB XII den gesamten Bedarf des notwendigen Lebensunterhaltes außerhalb von Einrichtungen mit Ausnahme von Leistungen für Unterkunft und Heizung sowie der Sonderbedarfe nach den §§ 30 bis 34 SGB XII. Zu Recht geht zwar der Antragsteller davon aus, dass zum notwendigen Lebensunterhalt - wie sich aus § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ergibt - neben Ernährung, Unterkunft, Kleidung, Körperpflege, Hausrat und Heizung auch persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens gehören. Darunter fallen in vertretbarem Umfang auch die Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben (vgl. § 27 Abs. 1 Satz 2 SGB XII), insbesondere die Unterrichtung über das Tagesgeschehen, die Beschaffung von Genussmitteln im beschränkten Umfang, die Teilnahme am kulturellen Leben und an Veranstaltungen (Kinobesuche, Vereinsbeiträge usw.) sowie der Kontakt zu nahen Verwandten (vgl. Schellhorn, in: Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII [17. Aufl., 2006], § 27 RdNr. 25). Darunter fallen jedoch nicht die Kosten eines verlorenen Rechtsstreits. Der Gesetzgeber hat insoweit zum einen für mittellose Parteien die Möglichkeit der Prozesskosten- und Beratungshilfe eröffnet (vgl. § 73a SGG i.V.m. §§ 114 ff. ZPO). Mit diesem System haben auch Empfänger von Leistungen nach dem SGB XII die Möglichkeit, ihre Rechte gerichtlich geltend zu machen, soweit sie nicht über ausreichende finanzielle Mittel zur Prozessführung verfügen. Dies setzt allerdings voraus, dass die beabsichtige Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Sofern der Antragsteller für seinen Prozess vor dem Landgericht Chemnitz keinen Antrag auf Prozesskostenhilfe gestellt hat oder dieser mangels Erfolgaussichten abgelehnt wurde, besteht nicht mehr die Möglichkeit, das Prozessrisiko über Leistungen nach dem SGB XII abzumildern. Zum anderen hat der Gesetzgeber mit den Vollstreckungsschutz-vorschriften weitere Regelungen zum Schutz finanziell nicht hinreichend bemittelter Personen geschaffen.

Bei den entstandenen Prozesskosten handelt es sich vielmehr um Zahlungsverbindlichkeiten des Antragstellers und damit um Schulden. Schulden können jedoch gemäß § 34 Abs. 1 SGB XII nur übernommen werden, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Darunter können zum Beispiel rückständige Kosten für Gas oder Wasser sowie Schulden aus der Beschaffung von existenziell notwendigen Möbeln, Hausrat oder Kleidung fallen (vgl. Schellhorn, a.a.O., § 34 RdNr. 5). Eine vergleichbare Notlage im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB XII kann je-doch nicht bei jeder Notlage aus allen Lebensbereichen vorliegen, sondern nur dann, wenn sie sich ihrem Inhalt und Wesen nach mit der Gefährdung der Unterkunft vergleichen lässt, selbst wenn sie sich nicht unmittelbar auf die Unterkunft bezieht (so bereits zu § 15a BSHG: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13. Januar 1993 - 6 S 2619/91 - FEVS 44, 160 = JURIS-Dokument RdNr. 26). Eine solche Notlage ist hier jedoch nicht ersichtlich, da selbst bei einer Zwangsvollstreckung weder eine Wohnungslosigkeit des Antragstellers noch ein Verlust von zum Lebensunterhalt notwendigen Möbeln, Hausrat und Kleidung droht.

Da bereits kein Anordnungsanspruch vorliegt, kann dahingestellt bleiben, ob ein Anordnungsgrund gegeben ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Diese Entscheidung ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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