L 3 AL 3399/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 10 AL 2926/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 3399/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich gegen die Minderung seines Anspruchs auf Arbeitslosengeld wegen verspäteter Arbeitssuchendmeldung.

Der im Jahre 1973 geborene Kläger war ab 1995 bei der Firma X. Industrieservice GmbH als Reiniger beschäftigt.

Unter dem 27.05.2004 erhob die auch im vorliegenden Verfahren bevollmächtigte Anwaltskanzlei A. & A. im Namen des Klägers beim Arbeitsgericht Mannheim Klage betreffend verschiedene Abmahnungen durch die seinerzeitige Arbeitgeberin (14 Ca 90/04). Dabei legte die Kanzlei A. & A. eine nicht auf einen bestimmten Streitgegenstand beschränkte Vollmacht des Klägers in Sachen "B. Y .../. X. Industrieservice GmbH" vom 21.05.2004 vor. Nach Satz 1 Nr. 5 der Vollmacht wurde diese ausdrücklich "zur Begründung und Aufhebung von Vertragsverhältnissen und zur Abgabe und Entgegennahme von einseitige Willenserklärungen (z. B. Kündigungen)" erteilt. Darüber hinaus erstreckte sie sich nach Satz 2 des Formulars "auf Neben- und Folgeverfahren aller Art". In der öffentlichen Sitzung vom 21.06.2004 wurde das Verfahren auf Antrag der Beteiligten wegen außergerichtlicher Vergleichsgespräche zum Ruhen gebracht.

Mit Schreiben vom 22.06.2004 kündigte die Arbeitgeberin den Arbeitsvertrag wegen Auftragsverlusten zum 30.09.2004. Die mit dem Namen und der Anschrift des Klägers sowie einem Hinweis auf die Obliegenheit zur Arbeitssuchendmeldung unverzüglich nach Erhalt der Kündigung bzw. drei Monate vor Ablauf des Arbeitsverhältnisses versehene Kündigung wurde der Kanzlei A. & A. übersandt. Diese erhob mit Schriftsatz vom 01.07.2004 im Namen des Klägers Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Mannheim (14 Ca 255/04). Zugleich teilte sie mit, die Parteien hätten sich bereits außergerichtlich geeinigt und bat um kurzfristige Anberaumung eines Termins zur Protokollierung des Vergleichs. Die Arbeitgeberin habe sich bereit erklärt, dem Kläger für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung in Höhe von EUR 9.000,00 zu zahlen.

Am 08.09.2004 gaben die Prozessbevollmächtigten des Klägers in dessen Namen sowie ein Vertreter der Arbeitgeberin vor dem Arbeitsgericht Mannheim sodann einen beide Verfahren beendenden Vergleich zu Protokoll. Danach endete das Arbeitsverhältnis des Klägers aufgrund fristgerechter ordentlicher betriebsbedingter Arbeitgeberkündigung vom 22.06.2004 mit Ablauf des 30.09.2004 und verpflichtete sich die Arbeitgeberin, dem Kläger als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung in Höhe von EUR 9.000,00 zu zahlen sowie die insgesamt vier Abmahnungen aus dessen Personalakte zu entfernen.

Am 27.09.2004 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Mit Bescheid vom 05.11.2004 wurde dem Kläger unter Berücksichtigung einer Urlaubsabgeltung Arbeitslosengeld ab dem 02.10.2004 bewilligt. Mit Schreiben vom 03.11.2004 hatte die Beklagte ergänzend mitgeteilt, der Kläger habe sich verspätet arbeitssuchend gemeldet, weshalb sich der Leistungsanspruch um insgesamt EUR 1.050,00 mindere. Bis zur vollständigen Minderung des Betrages werde von der täglichen Leistung ein Betrag von EUR 17,40 in Abzug gebracht.

Der Kläger erhob Widerspruch, zu dessen Begründung seine Prozessbevollmächtigten im wesentlichen vortrugen, sie seien davon ausgegangen, dass das Kündigungsschreiben der Arbeitgeberin auch dem Kläger direkt übersandt worden sei. Nach telefonischer Rücksprache sei dann Kündigungsschutzklage erhoben worden. Diese sei dem Kläger in Kopie übersandt worden; eine Übersendung der Anlagen an den Mandanten erfolge in der Regel nicht. Erst im Rahmen einer Besprechung am 27.09.2004 sei aufgefallen, dass sich der Kläger bisher noch nicht arbeitslos gemeldet gehabt habe, was dann noch am selben Tage erfolgt sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 17.12.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Die am 07.01.2005 erhobene Klage hat das Sozialgericht Mannheim mit Urteil vom 22.05.2007 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Minderung des Anspruchs des Klägers auf Arbeitslosengeld sei unter Zugrundelegung von § 37b i. V. m. § 140 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) zu Recht erfolgt. Insbesondere habe sich der Kläger schuldhaft verspätet arbeitssuchend gemeldet. Zwar sei die Kanzlei A. & A. nicht ermächtigt gewesen, die Willenserklärung in Empfang zu nehmen. Indes habe der Kläger die tatsächliche Inempfangnahme durch Erteilung des Auftrages zur Erhebung der Kündigungsschutzklage sowie dadurch nachträglich genehmigt, das er die Kündigungserklärung habe gegen sich wirken lassen. Daher müsse er sich so behandeln lassen, als ob er die Kündigung selbst erhalten habe. Diese Entscheidung ist den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 04.06.2007 zugestellt worden.

Am 02.07.2007 hat der Kläger Berufung eingelegt. Er ist der Auffassung, die verspätete Meldung der Beklagten sei nicht von ihm verschuldet. Die Kanzlei A. & A. sei nicht zur Inempfangnahmen der Kündigungserklärung bevollmächtigt gewesen. Nachdem das Kündigungsschreiben an ihn adressiert gewesen sei, seien seine Prozessbevollmächtigten davon ausgegangen, dass er das Original desselben von der Arbeitgeberin unmittelbar erhalten habe. Eine Kopie sei ihm deshalb nicht übersandt worden.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 22. Mai 2007 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 03./05. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07. Dezember 2004 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit ab dem 02. Oktober 2004 Arbeitslosengeld ohne Minderung nach den §§ 37b, 140 SGB III zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf die angegriffenen Entscheidungen,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten des Senats (ein Band) und des Sozialgerichts Mannheim (zwei Bände) sowie die beigezogenen Leistungsakten der Beklagten (ein Band) und die gleichfalls beigezogenen Akten des Arbeitsgerichts Mannheim aus den Verfahren 14 Ca 90/04 und 14 Ca 255/04 (je ein Band) verwiesen.

II.

Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Die Beteiligten sind hierzu gehört worden.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger sei nicht in seinen Rechten. Denn er hat keinen Anspruch auf Bewilligung ungeminderten Arbeitslosengeldes.

Die rechtlichen Voraussetzungen für die von der Beklagten in Anwendung der §§ 37b, 140 SGB III vorgenommene Minderung des Anspruchs des Klägers auf Arbeitslosengeld hat das Sozialgericht im angegriffenen Urteil zutreffend dargelegt; hierauf wird verwiesen (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Gleiches gilt mit Blick auf die Ausführungen des Sozialgerichts zur zeitlichen Dauer der Verspätung. Im Ergebnis zutreffend ist das Sozialgericht darüber hinaus auch von einer durch den Kläger verschuldeten Verspätung der Arbeitssuchendmeldung i. S. der §§ 37b, 140 SGB III ausgegangen.

Zunächst ist die mit Schreiben vom 22.06.2004 ausgesprochene Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers mit Zugang bei der Kanzlei A. & A. wirksam geworden, ohne dass es darauf ankommt, ob der seinerzeitigen Arbeitgeberin die dem Arbeitsgericht übersandte schriftliche Vollmacht vorgelegt worden war. Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Anwaltskanzlei A. & A. - angesichts der nicht auf einen bestimmten Streitgegenstand beschränkten und für "Neben- und Folgeverfahren aller Art" geltenden Vollmacht in Sachen "B. Y .../. X. Industrieservice GmbH" vom 21.05.2004 zu Recht - im Verhältnis zur damaligen Arbeitgeberin umfassend für den Kläger aufgetreten ist. Denn sie hat nicht nur die arbeitsgerichtliche Klage betreffend verschiedene Abmahnungen durch die seinerzeitige Arbeitgeberin (14 Ca 90/04) erhoben, sondern diese - in Anwesenheit des Klägers - auch in der öffentlichen Sitzung vom 21.06.2004 gemeinsam mit der Beklagten zum Zwecke außergerichtlicher Vergleichsgespräche zum Ruhen gebracht. An diesen Vergleichsgesprächen war sie ferner ausweislich ihrer Ausführungen in der Klageschrift vom 01.07.2004 im nachfolgenden Kündigungsschutzprozess (14 Ca 255/04) ersichtlich auch beteiligt war. Angesichts dessen hat die damalige Arbeitgeberin die im Rahmen der Vergleichsverhandlungen - am Tage nach der genannten öffentlichen Sitzung des Arbeitsgerichts vom 21.06.2004 - und nach den Ausführungen in der Klageschrift 01.07.2004 offenbar als Teil der Vergleichsregelung ausgesprochene Kündigung zu Recht an die bevollmächtigte Kanzlei A. & A. übersandt. Demgemäß hat der Kläger die Wirksamkeit der Kündigung auch nicht in Zweifel gezogen, sondern durch seine (weiterhin) Bevollmächtigten im Vergleich vom 08.09.2004 akzeptiert.

Im Anschluss an den spätestens am 01.07.2004 (dem Datum der von seinen Prozessbevollmächtigten gefertigten Klageschrift im Kündigungsschutzverfahren 14 Ca 255/04) erfolgten Zugang der Kündigung hat sich der Kläger auch im Rechtssinne nicht unverzüglich bei der Beklagten arbeitssuchend gemeldet. Vielmehr war seine am 27.09.2004 erfolgte Meldung subjektiv fahrlässig verspätet. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Vorbringens seiner Prozessbevollmächtigten, sie seien angesichts des Umstandes, dass das ihnen übersandte und mit einer Belehrung über die Verpflichtung zur unverzüglichen Arbeitssuchendmeldung verbundene Kündigungsschreiben an den Kläger adressiert war, davon ausgegangen, dieses sei dem Kläger unmittelbar und ihnen lediglich zur Kenntnis zugesandt worden. Denn auch der Kläger selbst hat die ihm bei Wahrnehmung seiner Angelegenheiten obliegende Sorgfaltspflicht verletzt. Dass das vorgetragene Missverständnis seiner Prozessbevollmächtigten auf deren vor Erhebung der Kündigungsschutzklage erfolgte telefonische Rücksprache (vgl. hierzu die Widerspruchsbegründung vom 13.12.2004) nicht aufgeklärt worden ist, lässt sich nämlich nur dadurch erklären, dass der Kläger auch nicht ansatzweise nach dem Inhalt des Kündigungsschreibens gefragt hat. Andernfalls hätte sich nämlich ohne weiteres herausgestellt, dass ihm ein solches Schreiben nicht zugegangen war. Ist mithin die Kenntnisnahme vom Inhalt des in Rede stehenden Schreibens infolge der Gleichgültigkeit des Klägers unterblieben, so begründet dies zumindest einen - hier hinreichenden - leicht fahrlässigen Sorgfaltsverstoß.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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