Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 6 KR 49/05
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Der Begriff der betrieblichen Altersversorgung des § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V beschränkt sich nicht auf die in §§ 1, 1b BetrAVG genannten Durchführungswege. Der sozialversicherungsrechtliche Begriff der betrieblichen Altersversorgung ist vielmehr weiter.
2. Er erfasst auch laufende Zahlungen aus einer kombinierten Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherung, die zunächst von der Arbeitgeberin des Versicherten als Rückdeckungsversicherung zur Absicherung einer dem Versicherten erteilten Direktzusage abgeschlossen und diesem später zur Abfindung seiner Ansprüche übertragen worden ist.
3. Voraussetzung für die Bejahung einer betrieblichen Altersversorgung im Sinne von § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V ist es nicht, dass der Arbeitgeber die betreffenden Leistungen überwiegend oder ganz allein finanziert hat.
2. Er erfasst auch laufende Zahlungen aus einer kombinierten Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherung, die zunächst von der Arbeitgeberin des Versicherten als Rückdeckungsversicherung zur Absicherung einer dem Versicherten erteilten Direktzusage abgeschlossen und diesem später zur Abfindung seiner Ansprüche übertragen worden ist.
3. Voraussetzung für die Bejahung einer betrieblichen Altersversorgung im Sinne von § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V ist es nicht, dass der Arbeitgeber die betreffenden Leistungen überwiegend oder ganz allein finanziert hat.
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Krankenversicherungsbeiträge des Klägers in der Zeit vom 1. Oktober 2003 bis zum 5. April 2004.
Der 1947 geborene Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum als freiwilliges Mitglied bei der Beklagten krankenversichert. Seit September 2003 war er arbeitsunfähig erkrankt und seit dem 27. Oktober 2003 bezog er Krankengeld von der Beklagten. Für die Zeit ab 1. April 2004 wurde ihm von der Deutschen Rentenversicherung Bund eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von monatlich 901,94 Euro bewilligt. Daraufhin nahm die Beklagte den Kläger mit Wirkung vom 6. April 2004 an in die (pflichtige) Krankenversicherung der Rentner auf.
In einer Erklärung über seine Einkommensverhältnisse gab der Kläger im April 2004 an, er beziehe seit 1. Oktober 2003 eine private Rente von der X. Lebensversicherung AG. Diese betrug 2003 monatlich 2.229,23 Euro und 2004 monatlich 2.248,18 Euro. Die Zahlungen gehen auf eine kombinierte Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherung zurück (Versicherungsscheinnummer: xxxxx). Diese Versicherungspolice wurde ursprünglich als Rückdeckungsversicherung von der damaligen Arbeitgeberin des Klägers abgeschlossen und finanziert, um als Gegenwert für eine dem Kläger vertraglich zugesicherte betriebliche Altersversorgung in Form einer Direktzusage zu dienen. Als das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 1998 beendet wurde, einigte sich der Kläger mit seiner Arbeitgeberin auf eine Abfindung seiner Pensionsansprüche. Zum Ausgleich dafür übertrug ihm die Arbeitgeberin die abgeschlossene Versicherung. Vom 11. Mai 1999 an war der Kläger selbst Versicherungsnehmer und trug auch die Prämien.
Mit Bescheid ohne Rechtsbehelfsbelehrung vom 6. August 2004 setzte die Beklagte die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 6. April bis 31. Juli 2004 fest. In diesem Bescheid blieb die private Rente des Klägers ausdrücklich unberücksichtigt; eine entsprechende Nachforderung behielt sich die Beklagte vor. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger - soweit ersichtlich - keinen Widerspruch. Mit Bescheid ohne Rechtsbehelfsbelehrung vom 13. September 2004 änderte die Beklagte die Beitragsfestsetzung für die Zeit der freiwilligen Krankenversicherung des Klägers. In der Zeit vom 1. Oktober 2003 bis 5. April 2004 seien zwar keine Beiträge auf das vom Kläger bezogene Krankengeld zu zahlen; dies gelte jedoch nicht für die übrigen beitragspflichtigen Einnahmen. Insoweit seien die Zahlungen der X. Lebensversicherung AG bis zur Beitragsbemessungsgrenze zu berücksichtigen. Daraus ergebe sich eine Nachzahlungspflicht des Klägers in Höhe von insgesamt 2.077,94 Euro. Aus dem Berechnungsbogen, der dem Bescheid als Anlage beigefügt wurde, ergibt sich, dass davon insgesamt 1.834,32 Euro auf die Krankenversicherung (Beitragssatz 12,8 %) und insgesamt 243,62 Euro auf die Pflegeversicherung (Beitragssatz 1,7 %) entfallen. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger durch seinen Bevollmächtigten am 18. Januar 2005 (Eingangsdatum) Widerspruch. Dieser wurde damit begründet, dass die Beklagte bei der Beitragsbemessung zu Unrecht die volle Höhe der Rentenzahlungen der X. Lebensversicherung AG zugrunde gelegt habe. Als beitragspflichtiger Versorgungsbezug sei im vorliegenden Fall nur der Teilbetrag zu berücksichtigen, der auf die von der damaligen Arbeitgeberin des Klägers bis zum 31. Dezember 1998 eingezahlten Beiträge zurückgehe. Mit Widerspruchsbescheid vom 23. März 2005 wurde der Widerspruch von der Beklagten zurückgewiesen.
Am 20. April 2005 (Eingangsdatum) hat der Kläger, vertreten durch seine Prozessbevollmächtigten, dagegen Klage zum Sozialgericht Gießen erhoben. Das Gericht hat sich mit Beschluss vom 9. Mai 2005 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Marburg verwiesen. Mit Beschluss vom 29. Januar 2008 hat die Kammer das Verfahren abgetrennt, soweit es den Bescheid der Pflegekasse der BKK Miele vom 13. September 2004 und den entsprechenden Widerspruchsbescheid der Pflegekasse vom 23. März 2005 betrifft. Insoweit wird der Rechtsstreit unter dem neuen Aktenzeichen S 7 P 3/08 fortgeführt.
Der Kläger ist der Ansicht, die Rentenzahlungen der X. Lebensversicherung AG seien keine Versorgungsbezüge i.S.d. § 229 SGB V. Bei den Zahlungen handele es sich nicht um Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, weil sie nicht aus einem der in § 1 BetrAVG genannten Durchführungswegen stammten. Ursprünglich habe es sich um eine Direktzusage der Arbeitgeberin gehandelt. Diese sei jedoch durch eine Einmalzahlung (die Übertragung der Lebensversicherung) abgefunden worden. Dieser Vermögenszufluss des Klägers sei Ende 1998 jedoch nicht beitragspflichtig gewesen. Da der Kläger die Versicherung fortan selbst fortgeführt habe, handele es sich bei deren Leistungen nunmehr um solche der privaten Altersvorsorge.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 13. September 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. März 2005 aufzuheben, soweit sich die darin festgesetzten Krankenversicherungsbeiträge aus einer Berücksichtigung der Rentenzahlungen der X. Lebensversicherung AG zu Versicherungsscheinnummer xxxxx ergeben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, der Begriff der betrieblichen Altersversorgung im beitragsrechtlichen Sinn umfasse alle Versorgungsbezüge, die im Zusammenhang mit dem Berufsleben stehen. Dabei komme es letztlich nicht darauf an, wer die Leistungen finanziert hat
Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere wegen des jeweiligen weiteren Vorbringens der Beteiligten, wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen; ebenso wird Bezug genommen auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der Bescheid der beklagten Krankenkasse vom 13. September 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. März 2005 war nicht aufzuheben, da er rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt. Die Beklagte hat bei der Festsetzung der geschuldeten Krankenversicherungsbeiträge zu Recht die Rentenzahlung der X. Lebensversicherung AG zu Versicherungsscheinnummer xxxxx berücksichtigt.
Gegenstand des genannten Bescheids der Beklagten und damit Streitgegenstand des vorliegenden Klageverfahrens ist allein die Beitragsbemessung für die Zeit vom 1. Oktober 2003 bis zum 5. April 2004. Dies ergibt sich schon aus der Betreffzeile des Bescheids, in der auf die freiwillige Krankenversicherung des Klägers Bezug genommen wird. Diese endete jedoch mit dem Eintritt seiner Pflichtmitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner am 6. April 2004. Zudem beinhaltet der Verfügungssatz des Verwaltungsakts vom 13. September 2004 lediglich eine Nachzahlung für einen abgeschlossenen Zeitraum in der Vergangenheit. Der insoweit von der Beklagten geforderte Betrag von insgesamt 2.077,94 EUR betrifft ausweislich (des dem Bescheid beigefügten) Berechnungsbogens die Zeit vom 1. Oktober 2003 bis zum 5. April 2004. Schließlich enthält der Bescheid vom 13. September 2004 auch keine Regelung für die Zeit ab 6. April 2004.
Im danach streitgegenständlichen Zeitraum war der Kläger als freiwilliges Mitglied bei der Beklagten krankenversichert. Der maßgebende Beitragssatz der Beklagten betrug in dieser Zeit durchgehend 12,8 %. Die zu berücksichtigenden beitragspflichtigen Einnahmen des Klägers ergeben sich aus § 240 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V). Danach wird die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder durch die Satzung geregelt, wobei sicherzustellen ist, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt. Zumindest sind diejenigen Einnahmen des freiwilligen Mitglieds zu berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind (§ 240 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Bei versicherungspflichtig Beschäftigten werden der Beitragsbemessung gemäß § 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V u. a. der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen (Versorgungsbezüge) zugrunde gelegt. Was Versorgungsbezüge in diesem Sinn sind, wird in § 229 SGB V definiert. Gemäß § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V gelten Renten der betrieblichen Altersversorgung als der Rente vergleichbare Einnahmen, soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden.
Die monatlichen Zahlungen, die der Kläger seit 1. Oktober 2003 von der X. Lebensversicherung AG aus seiner kombinierten Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherung (Versicherungsscheinnummer xxxxx) erhält, sind Versorgungsbezüge im Sinne dieser Regelung. Sie werden wegen der eingetretenen Einschränkung der Erwerbsfähigkeit des Klägers gezahlt. Darüber hinaus sind sie der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbar, weil es sich um Rentenzahlungen aus einer betrieblichen Altersversorgung handelt. Was den Begriff der betrieblichen Altersversorgung angeht, so folgt die Kammer der Rechtsansicht, wonach sich die Regelung des § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V nicht auf die in §§ 1, 1b Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung - Betriebsrentengesetz (BetrAVG) genannten Durchführungswege beschränkt. Der sozialversicherungsrechtliche Begriff der betrieblichen Altersversorgung ist vielmehr weiter (siehe etwa BSG, Urteil vom 10. März 1994, SozR 3-2500 § 229 Nr. 3). Hier kann es genügen, dass der Arbeitgeber bei der Einrichtung und Umsetzung der Altersvorsorge organisatorisch beteiligt war (vgl. Gerlach, in Hauck/Noftz, SGB V, K § 229 Rn. 18, Stand: XII/06). Vor dem Hintergrund von Sinn und Zweck der Regelung des § 229 SGB V, Versorgungsbezüge umfassend den gesetzlichen Renten gleichzustellen und sie in die Beitragsbemessung einzubeziehen, erscheint es der Kammer vorzugswürdig, alle Leistungen zu erfassen, die wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung geleistet werden und deren Rechtsgrund in Zusammenhang mit einem früheren Arbeitsverhältnis steht. Dies ist hier der Fall. Die kombinierte Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherung bei der X. Lebensversicherung AG zu Versicherungsscheinnummer xxxxx wurde zunächst von der damaligen Arbeitgeberin des Klägers abgeschlossen. Es handelte sich um eine Rückdeckungsversicherung, die die Arbeitgeberin zur Absicherung einer dem Kläger erteilten Direktzusage nutzte. Versicherte Person war von Anfang an der Kläger; Versicherungsnehmerin war jedoch zunächst die damalige Arbeitgeberin des Klägers. Nach der zur Abfindung seiner Pensionsansprüche vereinbarten Übertragung der Versicherung wurde der Kläger zum 11. Mai 1999 selbst Versicherungsnehmer. Dadurch änderte sich inhaltlich an der fortbestehenden Versicherung nichts. Insbesondere blieben die vereinbarten Versicherungsleistungen bestehen. Der Kläger war lediglich verpflichtet, fortan die anfallenden Prämien selbst zu tragen. Damit ist der Bezug der betreffenden Versicherungspolice zu dem früheren Arbeitsverhältnis des Klägers unverkennbar. Die streitgegenständlichen Zahlungen der X. Lebensversicherung AG resultieren aus einem Vertrag, den die damalige Arbeitgeberin des Klägers als Versicherungsnehmerin abgeschlossen hat. Der Abschluss und die Finanzierung dieses Versicherungsvertrags dienten zunächst mittelbar der betrieblichen Altersversorgung des Klägers, die dieser unmittelbar in Form eines Direktanspruchs gegen seine Arbeitgeberin erwarb. Mit der Abfindung dieses Direktanspruchs und der Übertragung der Versicherungspolice hat sich deren Charakter als betriebliche Altersversorgung eher noch verstärkt. Denn nunmehr dienten die erworbenen Leistungsansprüche gegen die X. Lebensversicherung AG unmittelbar den Versorgungszwecken des Klägers.
Etwas anderes ergibt sich nach Ansicht der Kammer auch nicht daraus, dass der Kläger fortan die Beiträge selbst getragen hat. Voraussetzung für die Bejahung einer betrieblichen Altersversorgung im Sinne von § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V ist es nicht, dass der Arbeitgeber die betreffenden Leistungen überwiegend oder ganz allein finanziert hat (so auch Gerlach, a.a.O., Rn. 17 m.w.N.). In der Rechtsprechung ist vielmehr für den Fall, dass der Arbeitgeber zunächst eine Direktversicherung abgeschlossen und später an den Arbeitnehmer übertragen hat, allgemein anerkannt, dass auch eine jahrelange eigene Beitragszahlung durch den Arbeitnehmer nichts am Charakter als Versorgungsbezug ändert. Laufende Auszahlungen bleiben insbesondere auch dann in vollem Umfang Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, wenn die Beiträge nach Beendigung der betreffenden Erwerbstätigkeit allein vom Beschäftigten als Versicherungsnehmer getragen werden (siehe zuletzt BSG, Urteil vom 12. Dezember 2007 - B 12 KR 2/07 R – juris, m.w.N.). Dies beruht auf dem Grundsatz der Unteilbarkeit der Versorgungsleistung (vgl. Gerlach, a.a.O., Rn. 19). Von dieser Rechtsauffassung abzuweichen, sieht die erkennende Kammer keinen Anlass. Insbesondere besteht kein Differenzierungsgrund in dem Umstand, dass es sich hier zunächst um eine Rückdeckungsversicherung seitens der damaligen Arbeitgeberin des Klägers gehandelt hat (und nicht um eine Direktversicherung).
Dass der Bescheid der Beklagten vom 13. September 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. März 2005 aus einem anderen Grund rechtswidrig sein könnte, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Insbesondere hat die Beklagte die festgesetzten Beiträge auch rechnerisch ordnungsgemäß ermittelt. Ferner hat sie die beitragspflichtigen Einnahmen des Klägers ggf. nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Krankenversicherungsbeiträge des Klägers in der Zeit vom 1. Oktober 2003 bis zum 5. April 2004.
Der 1947 geborene Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum als freiwilliges Mitglied bei der Beklagten krankenversichert. Seit September 2003 war er arbeitsunfähig erkrankt und seit dem 27. Oktober 2003 bezog er Krankengeld von der Beklagten. Für die Zeit ab 1. April 2004 wurde ihm von der Deutschen Rentenversicherung Bund eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von monatlich 901,94 Euro bewilligt. Daraufhin nahm die Beklagte den Kläger mit Wirkung vom 6. April 2004 an in die (pflichtige) Krankenversicherung der Rentner auf.
In einer Erklärung über seine Einkommensverhältnisse gab der Kläger im April 2004 an, er beziehe seit 1. Oktober 2003 eine private Rente von der X. Lebensversicherung AG. Diese betrug 2003 monatlich 2.229,23 Euro und 2004 monatlich 2.248,18 Euro. Die Zahlungen gehen auf eine kombinierte Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherung zurück (Versicherungsscheinnummer: xxxxx). Diese Versicherungspolice wurde ursprünglich als Rückdeckungsversicherung von der damaligen Arbeitgeberin des Klägers abgeschlossen und finanziert, um als Gegenwert für eine dem Kläger vertraglich zugesicherte betriebliche Altersversorgung in Form einer Direktzusage zu dienen. Als das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 1998 beendet wurde, einigte sich der Kläger mit seiner Arbeitgeberin auf eine Abfindung seiner Pensionsansprüche. Zum Ausgleich dafür übertrug ihm die Arbeitgeberin die abgeschlossene Versicherung. Vom 11. Mai 1999 an war der Kläger selbst Versicherungsnehmer und trug auch die Prämien.
Mit Bescheid ohne Rechtsbehelfsbelehrung vom 6. August 2004 setzte die Beklagte die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 6. April bis 31. Juli 2004 fest. In diesem Bescheid blieb die private Rente des Klägers ausdrücklich unberücksichtigt; eine entsprechende Nachforderung behielt sich die Beklagte vor. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger - soweit ersichtlich - keinen Widerspruch. Mit Bescheid ohne Rechtsbehelfsbelehrung vom 13. September 2004 änderte die Beklagte die Beitragsfestsetzung für die Zeit der freiwilligen Krankenversicherung des Klägers. In der Zeit vom 1. Oktober 2003 bis 5. April 2004 seien zwar keine Beiträge auf das vom Kläger bezogene Krankengeld zu zahlen; dies gelte jedoch nicht für die übrigen beitragspflichtigen Einnahmen. Insoweit seien die Zahlungen der X. Lebensversicherung AG bis zur Beitragsbemessungsgrenze zu berücksichtigen. Daraus ergebe sich eine Nachzahlungspflicht des Klägers in Höhe von insgesamt 2.077,94 Euro. Aus dem Berechnungsbogen, der dem Bescheid als Anlage beigefügt wurde, ergibt sich, dass davon insgesamt 1.834,32 Euro auf die Krankenversicherung (Beitragssatz 12,8 %) und insgesamt 243,62 Euro auf die Pflegeversicherung (Beitragssatz 1,7 %) entfallen. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger durch seinen Bevollmächtigten am 18. Januar 2005 (Eingangsdatum) Widerspruch. Dieser wurde damit begründet, dass die Beklagte bei der Beitragsbemessung zu Unrecht die volle Höhe der Rentenzahlungen der X. Lebensversicherung AG zugrunde gelegt habe. Als beitragspflichtiger Versorgungsbezug sei im vorliegenden Fall nur der Teilbetrag zu berücksichtigen, der auf die von der damaligen Arbeitgeberin des Klägers bis zum 31. Dezember 1998 eingezahlten Beiträge zurückgehe. Mit Widerspruchsbescheid vom 23. März 2005 wurde der Widerspruch von der Beklagten zurückgewiesen.
Am 20. April 2005 (Eingangsdatum) hat der Kläger, vertreten durch seine Prozessbevollmächtigten, dagegen Klage zum Sozialgericht Gießen erhoben. Das Gericht hat sich mit Beschluss vom 9. Mai 2005 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Marburg verwiesen. Mit Beschluss vom 29. Januar 2008 hat die Kammer das Verfahren abgetrennt, soweit es den Bescheid der Pflegekasse der BKK Miele vom 13. September 2004 und den entsprechenden Widerspruchsbescheid der Pflegekasse vom 23. März 2005 betrifft. Insoweit wird der Rechtsstreit unter dem neuen Aktenzeichen S 7 P 3/08 fortgeführt.
Der Kläger ist der Ansicht, die Rentenzahlungen der X. Lebensversicherung AG seien keine Versorgungsbezüge i.S.d. § 229 SGB V. Bei den Zahlungen handele es sich nicht um Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, weil sie nicht aus einem der in § 1 BetrAVG genannten Durchführungswegen stammten. Ursprünglich habe es sich um eine Direktzusage der Arbeitgeberin gehandelt. Diese sei jedoch durch eine Einmalzahlung (die Übertragung der Lebensversicherung) abgefunden worden. Dieser Vermögenszufluss des Klägers sei Ende 1998 jedoch nicht beitragspflichtig gewesen. Da der Kläger die Versicherung fortan selbst fortgeführt habe, handele es sich bei deren Leistungen nunmehr um solche der privaten Altersvorsorge.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 13. September 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. März 2005 aufzuheben, soweit sich die darin festgesetzten Krankenversicherungsbeiträge aus einer Berücksichtigung der Rentenzahlungen der X. Lebensversicherung AG zu Versicherungsscheinnummer xxxxx ergeben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, der Begriff der betrieblichen Altersversorgung im beitragsrechtlichen Sinn umfasse alle Versorgungsbezüge, die im Zusammenhang mit dem Berufsleben stehen. Dabei komme es letztlich nicht darauf an, wer die Leistungen finanziert hat
Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere wegen des jeweiligen weiteren Vorbringens der Beteiligten, wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen; ebenso wird Bezug genommen auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der Bescheid der beklagten Krankenkasse vom 13. September 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. März 2005 war nicht aufzuheben, da er rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt. Die Beklagte hat bei der Festsetzung der geschuldeten Krankenversicherungsbeiträge zu Recht die Rentenzahlung der X. Lebensversicherung AG zu Versicherungsscheinnummer xxxxx berücksichtigt.
Gegenstand des genannten Bescheids der Beklagten und damit Streitgegenstand des vorliegenden Klageverfahrens ist allein die Beitragsbemessung für die Zeit vom 1. Oktober 2003 bis zum 5. April 2004. Dies ergibt sich schon aus der Betreffzeile des Bescheids, in der auf die freiwillige Krankenversicherung des Klägers Bezug genommen wird. Diese endete jedoch mit dem Eintritt seiner Pflichtmitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner am 6. April 2004. Zudem beinhaltet der Verfügungssatz des Verwaltungsakts vom 13. September 2004 lediglich eine Nachzahlung für einen abgeschlossenen Zeitraum in der Vergangenheit. Der insoweit von der Beklagten geforderte Betrag von insgesamt 2.077,94 EUR betrifft ausweislich (des dem Bescheid beigefügten) Berechnungsbogens die Zeit vom 1. Oktober 2003 bis zum 5. April 2004. Schließlich enthält der Bescheid vom 13. September 2004 auch keine Regelung für die Zeit ab 6. April 2004.
Im danach streitgegenständlichen Zeitraum war der Kläger als freiwilliges Mitglied bei der Beklagten krankenversichert. Der maßgebende Beitragssatz der Beklagten betrug in dieser Zeit durchgehend 12,8 %. Die zu berücksichtigenden beitragspflichtigen Einnahmen des Klägers ergeben sich aus § 240 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V). Danach wird die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder durch die Satzung geregelt, wobei sicherzustellen ist, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt. Zumindest sind diejenigen Einnahmen des freiwilligen Mitglieds zu berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind (§ 240 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Bei versicherungspflichtig Beschäftigten werden der Beitragsbemessung gemäß § 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V u. a. der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen (Versorgungsbezüge) zugrunde gelegt. Was Versorgungsbezüge in diesem Sinn sind, wird in § 229 SGB V definiert. Gemäß § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V gelten Renten der betrieblichen Altersversorgung als der Rente vergleichbare Einnahmen, soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden.
Die monatlichen Zahlungen, die der Kläger seit 1. Oktober 2003 von der X. Lebensversicherung AG aus seiner kombinierten Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherung (Versicherungsscheinnummer xxxxx) erhält, sind Versorgungsbezüge im Sinne dieser Regelung. Sie werden wegen der eingetretenen Einschränkung der Erwerbsfähigkeit des Klägers gezahlt. Darüber hinaus sind sie der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbar, weil es sich um Rentenzahlungen aus einer betrieblichen Altersversorgung handelt. Was den Begriff der betrieblichen Altersversorgung angeht, so folgt die Kammer der Rechtsansicht, wonach sich die Regelung des § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V nicht auf die in §§ 1, 1b Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung - Betriebsrentengesetz (BetrAVG) genannten Durchführungswege beschränkt. Der sozialversicherungsrechtliche Begriff der betrieblichen Altersversorgung ist vielmehr weiter (siehe etwa BSG, Urteil vom 10. März 1994, SozR 3-2500 § 229 Nr. 3). Hier kann es genügen, dass der Arbeitgeber bei der Einrichtung und Umsetzung der Altersvorsorge organisatorisch beteiligt war (vgl. Gerlach, in Hauck/Noftz, SGB V, K § 229 Rn. 18, Stand: XII/06). Vor dem Hintergrund von Sinn und Zweck der Regelung des § 229 SGB V, Versorgungsbezüge umfassend den gesetzlichen Renten gleichzustellen und sie in die Beitragsbemessung einzubeziehen, erscheint es der Kammer vorzugswürdig, alle Leistungen zu erfassen, die wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung geleistet werden und deren Rechtsgrund in Zusammenhang mit einem früheren Arbeitsverhältnis steht. Dies ist hier der Fall. Die kombinierte Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherung bei der X. Lebensversicherung AG zu Versicherungsscheinnummer xxxxx wurde zunächst von der damaligen Arbeitgeberin des Klägers abgeschlossen. Es handelte sich um eine Rückdeckungsversicherung, die die Arbeitgeberin zur Absicherung einer dem Kläger erteilten Direktzusage nutzte. Versicherte Person war von Anfang an der Kläger; Versicherungsnehmerin war jedoch zunächst die damalige Arbeitgeberin des Klägers. Nach der zur Abfindung seiner Pensionsansprüche vereinbarten Übertragung der Versicherung wurde der Kläger zum 11. Mai 1999 selbst Versicherungsnehmer. Dadurch änderte sich inhaltlich an der fortbestehenden Versicherung nichts. Insbesondere blieben die vereinbarten Versicherungsleistungen bestehen. Der Kläger war lediglich verpflichtet, fortan die anfallenden Prämien selbst zu tragen. Damit ist der Bezug der betreffenden Versicherungspolice zu dem früheren Arbeitsverhältnis des Klägers unverkennbar. Die streitgegenständlichen Zahlungen der X. Lebensversicherung AG resultieren aus einem Vertrag, den die damalige Arbeitgeberin des Klägers als Versicherungsnehmerin abgeschlossen hat. Der Abschluss und die Finanzierung dieses Versicherungsvertrags dienten zunächst mittelbar der betrieblichen Altersversorgung des Klägers, die dieser unmittelbar in Form eines Direktanspruchs gegen seine Arbeitgeberin erwarb. Mit der Abfindung dieses Direktanspruchs und der Übertragung der Versicherungspolice hat sich deren Charakter als betriebliche Altersversorgung eher noch verstärkt. Denn nunmehr dienten die erworbenen Leistungsansprüche gegen die X. Lebensversicherung AG unmittelbar den Versorgungszwecken des Klägers.
Etwas anderes ergibt sich nach Ansicht der Kammer auch nicht daraus, dass der Kläger fortan die Beiträge selbst getragen hat. Voraussetzung für die Bejahung einer betrieblichen Altersversorgung im Sinne von § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V ist es nicht, dass der Arbeitgeber die betreffenden Leistungen überwiegend oder ganz allein finanziert hat (so auch Gerlach, a.a.O., Rn. 17 m.w.N.). In der Rechtsprechung ist vielmehr für den Fall, dass der Arbeitgeber zunächst eine Direktversicherung abgeschlossen und später an den Arbeitnehmer übertragen hat, allgemein anerkannt, dass auch eine jahrelange eigene Beitragszahlung durch den Arbeitnehmer nichts am Charakter als Versorgungsbezug ändert. Laufende Auszahlungen bleiben insbesondere auch dann in vollem Umfang Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, wenn die Beiträge nach Beendigung der betreffenden Erwerbstätigkeit allein vom Beschäftigten als Versicherungsnehmer getragen werden (siehe zuletzt BSG, Urteil vom 12. Dezember 2007 - B 12 KR 2/07 R – juris, m.w.N.). Dies beruht auf dem Grundsatz der Unteilbarkeit der Versorgungsleistung (vgl. Gerlach, a.a.O., Rn. 19). Von dieser Rechtsauffassung abzuweichen, sieht die erkennende Kammer keinen Anlass. Insbesondere besteht kein Differenzierungsgrund in dem Umstand, dass es sich hier zunächst um eine Rückdeckungsversicherung seitens der damaligen Arbeitgeberin des Klägers gehandelt hat (und nicht um eine Direktversicherung).
Dass der Bescheid der Beklagten vom 13. September 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. März 2005 aus einem anderen Grund rechtswidrig sein könnte, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Insbesondere hat die Beklagte die festgesetzten Beiträge auch rechnerisch ordnungsgemäß ermittelt. Ferner hat sie die beitragspflichtigen Einnahmen des Klägers ggf. nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
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