L 24 B 598/07 KR ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
24
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 111 KR 2603/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 24 B 598/07 KR ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 22. Oktober 2007 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch des Beschwerdeverfahrens nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt im einstweiligen Rechtsschutzverfahren Versicherungsschutz in der Kranken- und Pflegeversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) und § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 SGB XI.

Der im Januar 1949 geborene Antragsteller lebt nach eigenen Angaben seit Ende 2001, nachdem ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt worden war, in Spanien. Er war bis 25. September 2006 in Berlin gemeldet; seit 18. September 2007 ist er dort erneut gemeldet.

Der Antragsteller war bis zum 15. April 2003 freiwilliges Mitglied der Antragsgegnerin. Die Mitgliedschaft endete, weil Beiträge nicht gezahlt wurden. Am 01. Oktober 2003 schloss er mit der S, einem spanischen Krankenversicherungsunternehmen, einen privaten Versicherungsvertrag ab. Den Folgevertrag vom 09. Juni 2005, der Eigenanteile für Kosten für Rehabilitation/Krankengymnastik, Medizin allgemein, Pädiatrische Medizin allgemein, Kinderkrankenpflege, respiratorische Behandlungszyklen, stationäre Krankenhausbehandlungen, dringende ärztliche Hausbesuche und Krankenhausambulanzen, Notfall-Krankenhausaufnahmen, psychologische Konsultationen sowie ärztliche Hausbesuche allgemeinmedizinischer Natur und andere Dienstleistungen vorsah, kündigte der Antragsteller zum 31. März 2007.

Im Februar 2007 beantragte der Antragsteller im Hinblick auf den zum 01. April 2007 wirksam werdenden § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V, die Mitgliedschaft in der Kranken- und Pflegeversicherung festzustellen.

Mit Bescheid vom 07. Mai 2007 lehnte die Antragsgegnerin diesen Antrag ab. Der Antragsteller sei zuletzt gegen das Risiko Krankheit privat krankenvollversichert gewesen, so dass keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung eintreten könne. Versicherungsschutz könne lediglich über ein privates Krankenversicherungsunternehmen sichergestellt werden.

Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Antragsteller geltend, der Vertrag mit der Ssei nichtig, da er seine Vorerkrankung, die bipolare Erkrankung, bei Vertragsschluss verschwiegen habe. Außerdem habe es sich nicht um eine Krankenvoll-, sondern lediglich um eine Zusatzversicherung gehandelt, die zudem keine Pflegeversicherung umfasst habe.

Am 01. Oktober 2007 hat der Antragsteller begehrt, ihm im Wege der einstweiligen Anordnung umgehend Kranken- und Pflegeversicherungsschutz zu gewähren. Eile sei geboten, da er dringend auf ärztliche Behandlung angewiesen sei und Medikamente benötige. Zudem sei eine nicht aufschiebbare Operation notwendig.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 2007 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch zurück: Nach Art. 28 Abs. 1 Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 seien zwar die deutschen Rechtsvorschriften anwendbar. Der Antragsteller gehöre jedoch nicht zum Personenkreis des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V, denn nach dem Ausscheiden aus der gesetzlichen Krankenversicherung sei eine private Krankenversicherung begründet worden, deren Leistungen zwar nicht sämtliche Leistungen im Sinne einer Krankheitskostenversicherung (§ 178 b Abs. 1 Versicherungsvertragsgesetz - VVG) oder einer Krankentagegeldversicherung (§ 178 b Abs. 3 VVG) umfasst habe. Für die Zuordnung zur privaten Krankenversicherung sei insoweit jedoch kein vollständiger Ersatz erforderlich.

Mit Beschluss vom 22. Oktober 2007 hat das Sozialgericht den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zurückgewiesen: Es fehle am erforderlichen Anordnungsanspruch, denn der Antragsteller sei nicht zuletzt gesetzlich krankenversichert gewesen. Es sei auf den Versichertenstatus während des Auslandsaufenthaltes in Spanien abzustellen. Danach habe eine private Krankenversicherung bestanden, die wesentliche Teile einer Vollversicherung umfasst habe. Die vom Antragsteller benannten Ausschlüsse für vor Vertragsschluss aufgetretene Erkrankungen seien typische Bestandteile von Verträgen privater Krankenversicherer auch in Deutschland.

Gegen den ihm am 27. Oktober 2007 zugestellten Beschluss richtet sich die am 28. Oktober 2007 eingelegte Beschwerde des Antragstellers, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat.

Er verweist darauf, dass in Spanien jeder Arbeitnehmer bei der Sversichert sei. Da dort aber keine Arztwahl bestehe, würden private Zusatzverträge abgeschlossen. Um eine solche Zusatzversicherung und nicht um eine Vollversicherung habe es sich bei dem Vertrag mit der S gehandelt.

Der Antragsteller beantragt,

unter Änderung des Beschlusses des Sozialgerichts Berlin vom 22. Oktober 2007 die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm umgehend Kranken- und Pflegeversicherungsschutz zu gewähren.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des sonstigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Antragsgegnerin (), die bei der Entscheidung vorgelegen haben, verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt. Dabei kann dahinstehen, ob ein Anordnungsgrund vorliegt. Dies gilt insbesondere für den geltend gemachten Schutz in der Pflegeversicherung, denn es wird nicht einmal behauptet, dass Pflegebedürftigkeit besteht. Jedenfalls ist ein Anordnungsanspruch nicht ersichtlich.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (so genannte Regelungsanordnung). Voraussetzung sind ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund, welche glaubhaft zu machen sind (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO). Sie sind glaubhaft gemacht, wenn das Vorliegen der insoweit beweisbedürftigen Tatsachen überwiegend wahrscheinlich ist (vgl. Zoeller, Zivilprozessordnung, 25. Auflage, § 920 Rdnr. 8, § 294 Rdnrn. 1 und 6; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung, 65. Auflage, § 920 Rdnr. 11, § 294 Rdnr. 1).

Daraus folgt: Besteht kein Anordnungsanspruch oder ist er nicht überwiegend wahrscheinlich, ist eine einstweilige Anordnung nicht zu erlassen, denn der begehrte Anspruch könnte auch im Hauptsacheverfahren nicht festgestellt werden. Ist hingegen der Anordnungsanspruch überwiegend wahrscheinlich, genügt dies für eine einstweilige Anordnung nicht, wenn nicht zugleich ein Anordnungsgrund vorliegt und dieser überwiegend wahrscheinlich ist. Selbst wenn der Anordnungsanspruch sicher feststeht, entfällt die Notwendigkeit eines Anordnungsgrundes nicht; die Anforderungen hinsichtlich der wesentlichen Nachteile, die überwiegend wahrscheinlich sein müssen, können jedoch geringer sein. Im Übrigen kann ausnahmsweise eine einstweilige Anordnung in Betracht kommen, wenn dem Antragsteller unter Abwägung seiner Interessen und der öffentlichen Interessen nicht zuzumuten ist, eine Hauptsacheentscheidung abzuwarten. Dies gilt insbesondere, wenn ein Anordnungsanspruch zumindest möglich erscheint sowie wesentliche Nachteile eintreten und nicht mehr vollständig rückgängig gemacht werden können, weil das Leben, die Gesundheit oder die wirtschaftliche Existenz betroffen sind. Eine Vorwegnahme der Hauptsache darf durch eine einstweilige Anordnung grundsätzlich nicht stattfinden (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 8. Auflage, § 86 b Rdnr. 31). Insoweit ist allerdings der in Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) niedergelegte Grundsatz des Gebotes eines effektiven Rechtsschutzes zu beachten. Daher kann der Entscheidung in der Hauptsache vorgegriffen werden, wenn ansonsten ein Rechtsschutz nicht erreichbar und dies für den Antragsteller unzumutbar wäre.

Ein Anordnungsanspruch, nämlich ein Recht auf Versicherungsschutz in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung, ist nicht überwiegend wahrscheinlich.

Nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V sind versicherungspflichtig Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und a) zuletzt gesetzlich krankenversichert waren oder b) bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert waren, es sei denn, dass sie zu den in § 5 Abs. 5 SGB V oder den in § 6 Abs. 1 oder 2 SGB V genannten Personen gehören oder bei Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätten.

Nach § 20 Abs. 1 Sätze 1 und 2 Nr. 12 SGB XI gilt: Versicherungspflichtig in der sozialen Pflegeversicherung sind die versicherungspflichtigen Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung. Dies sind Personen, die, weil sie bisher keinen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall hatten, nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V oder nach § 2 Abs. 1 Nr. 6 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte der Krankenversicherungspflicht unterliegen.

Die Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung ist mithin davon abhängig, ob die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V erfüllt sind.

Für die Anwendung letztgenannter Vorschrift kann vorliegend dahinstehen, ob ein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Inland erforderlich ist und, falls dem so ist, ausschließlich auf eine gesetzliche oder private Krankenversicherung im Inland für die Zuordnung abzustellen ist, oder ob ein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Ausland genügt und deswegen bei der Zuordnung auch eine gesetzliche oder private Krankenversicherung im Ausland ausreichend ist. Der Antragsteller hatte und hat keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland. Eine zuletzt bestandene private Krankenversicherung begründet eine Zuordnung zur privaten Krankenversicherung auch dann, wenn diese wenigstens Teile einer Vollversicherung umfasste, also sich nicht lediglich auf unwesentliche Randbereiche beschränkte. Solches trifft auf die private Krankenversicherung bei der S schon nach dem Vorbringen des Antragstellers zu.

Art. 28 Abs. 1 Satz 1 Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 regelt entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin nicht, dass § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V bei einem Aufenthalt in einem Mitgliedsstaat Anwendung findet. Diese Vorschrift lautet: Ein Rentner, der nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedsstaats zum Bezug einer Rente oder nach den Rechtsvorschriften von zwei oder mehr Mitgliedsstaaten zum Bezug von Renten berechtigt ist und keinen Anspruch auf Leistungen nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedsstaats hat, in dessen Gebiet er wohnt, erhält dennoch diese Leistungen für sich und seine Familienangehörigen, sofern - gegebenenfalls unter Berücksichtigung von Art. 18 und Anhang VI - nach den Rechtsvorschriften des Staates, aufgrund deren die Rente geschuldet wird, oder zumindest eines der Mitgliedstaaten, nach deren Rechtsvorschriften eine Rente geschuldet wird, Anspruch auf Leistungen bestünde, wenn er im Gebiet des betreffenden Staates wohnte.

Art. 28 Abs. 1 Satz 1 Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 knüpft ausschließlich daran an, ob wegen des Bezuges oder eines Anspruches auf eine Rente zugleich ein Anspruch auf Krankenversicherung besteht, - was vorliegend beim Antragsteller nicht der Fall ist - und gewährleistet nur in diesem Umfang Krankenversicherungsschutz für den Rentner auch dann, wenn im Wohnstaat kein solcher Leistungsanspruch besteht. Aus der Bezugnahme auf Art. 18 Verordnung (EWG) 1408/71 folgt ebenso wenig wie aus Anhang VI etwas anderes. Erstgenannte Regelung betrifft das Zusammenrechnen von Versicherungs-, Beschäftigungs- oder Wohnzeiten zum Erwerb, zur Aufrechterhaltung oder zum Wiederaufleben eines Leistungsanspruches. Dazu enthält Anhang VI D Nr. 13 eine Ergänzung; die sonstigen Ziffern des Anhangs VI D sind ersichtlich nicht einschlägig.

Der persönliche und räumliche Geltungsbereich der Vorschriften über die gesetzliche Krankenversicherung (§ 1 Abs. 1 Satz 1 SGB IV) richtet sich somit nach § 3 SGB IV. Danach gelten die Vorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung, 1. soweit sie eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit voraussetzen, für alle Personen, die im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches beschäftigt oder selbständig tätig sind, 2. soweit sie eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit nicht voraussetzen, für alle Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

Dies steht nicht in Widerspruch zu der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71, insbesondere nicht zu deren Art. 3 Abs. 1, wonach die Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedsstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates haben, soweit besondere Bestimmungen dieser Verordnung nichts anderes vorsehen. Diese Vorschrift gebietet mithin einem Mitgliedsstaat, alle in seinem Gebiet wohnenden (oder arbeitenden) Personen gleich zu behandeln.

Zweck des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V ist, dass in Deutschland niemand ohne Schutz im Krankheitsfall sein soll (so die Gesetzesbegründung in Bundestag-Drucksache 16/3100 S. 94). Die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V gilt gemäß § 3 Nr. 2 SGB IV für alle Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuches haben. Die Definition dieser beiden Begriffe findet sich in § 30 Abs. 3 SGB I vorbehaltlich abweichender Regelungen (§ 37 SGB I) (so Bundestag-Drucksache 16/3100 S. 95 zu § 5 Abs. 11 SGB V). Nach letztgenannter Vorschrift ist § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V damit grundsätzlich auch auf in Deutschland lebende Ausländer anzuwenden. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass es in Deutschland bisher keine allgemeine Einwohnerkrankenversicherung gab. Der Schutz im Krankheitsfall für die gesamte Bevölkerung in Deutschland liegt § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V zugrunde (vgl. auch Peters in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, SGB V, 55. Ergänzungslieferung, § 5 Rdnr. 158, Baier in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Kommentar, 58. Ergänzungslieferung, § 5 Rdnrn. 76 und 77). Weder Wortlaut noch Zweck bieten einen Anhaltspunkt dafür, im Ausland lebende Personen, insbesondere Deutsche, einer Krankenversicherungspflicht zu unterwerfen.

Demgemäß beginnt nach § 186 Abs. 11 Satz 1 SGB V die Mitgliedschaft der nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V Versicherungspflichtigen mit dem ersten Tag ohne anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall im Inland. Sie endet nach § 190 Abs. 13 Satz 1 Nr. 2 SGB V mit Ablauf des Vortages, an dem der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt in einen anderen Staat verlegt wird.

Bei einer solchen Auslegung des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V ist ein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland maßgebend.

Nach § 30 Abs. 3 SGB I hat jemand einen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter Umständen inne habt, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt.

Der sozialrechtliche Begriff des Wohnsitzes weicht von dem zivilrechtlichen Wohnsitzbegriff des § 7 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) insoweit ab, als es ausschließlich auf objektive Merkmale ankommt. Jemand hat einen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter solchen Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er sie beibehalten und benutzen wird. Erforderlich ist damit ein reales Verhalten in Bezug auf einen Lebensmittelpunkt, so dass der tatsächliche Besitz einer Wohnung, auch wenn dies mit einem rein tatsächlichen, auch länger dauernden, nicht zufälligen Verweilen verbunden ist, nicht ausreicht. Daher ist unerheblich, wo eine Person polizeilich gemeldet ist. Entscheidend sind die tatsächlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, also der Mittelpunkt der Lebensbeziehungen. Lediglich insoweit, als ein - realisierbarer - Wille, einen Wohnsitz an einem bestimmten Ort nehmen zu wollen, vorhanden sein muss, spielen subjektive Elemente eine Rolle (vgl. Seewald in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, SGB I, a.a.O. § 30 Rdnrn. 6 und 7). Gewöhnlicher Aufenthalt bezeichnet den Ort, der nach objektiven Umständen auf einen Zustand längeren Verweilens schließen lässt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn zu diesem Ort gefestigte Beziehungen bestehen bzw. bei einer Abwesenheit (auch von längerer Dauer) aufrechterhalten bleiben (vgl. Seewald a.a.O. § 30 Rdnr. 10).

Der Antragsteller hatte bzw. hat danach seinen Wohnsitz bzw. ständigen Aufenthalt in Spanien. Dies ist selbst nach Ansicht des Antragstellers für die Zeit bis zum 17. September 2007 nicht zweifelhaft. So wies er in seinem Schreiben vom 10. Juni 2007 an das Bundesversicherungsamt auf seinen "Lebensmittelpunkt" in Spanien hin. Im Schreiben vom 06. August 2007 an die Antragsgegnerin kündigte er an, seinen "gewöhnlichen Wohnsitz" im Herbst dieses Jahres wieder nach Deutschland zu verlegen. Mit seinem Schriftsatz vom 19. Oktober 2007 hat er vorgetragen, er habe der Antragsgegnerin mitgeteilt, dass er seinen Antrag auf Pflichtversicherung vom März zurückziehe und am 18. September 2007 einen erneuten Antrag als Deutschlandrückkehrer stelle. Schließlich wird mit der Beschwerde vorgetragen, dass an eine Rückkehr nach Deutschland aus Gründen der Bedingungen des Versicherungsvertrages mit der S auch nicht zu denken gewesen sei. Im gesamten Schriftverkehr mit der Antragsgegnerin wird nichts Gegenteiliges vorgetragen. Es wird vielmehr betont, dass der Antragsteller ständig in Spanien wohne und in P seinen Lebensmittelpunkt habe, auch wenn er sich gelegentlich in Deutschland aufgehalten hat (so insbesondere Schreiben vom 27. August 2007). Danach steht für den Senat fest, dass der Mittelpunkt der Lebensbeziehungen des Antragstellers jedenfalls bis 17. September 2007 in Slag.

Es ist aber auch für die Zeit ab 18. September 2007 nicht glaubhaft gemacht, also überwiegend wahrscheinlich, dass der Antragsteller seither seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland hatt(e).

Dafür reicht nicht, dass er in der Anzeige zur Pflichtversicherung vom 21. September 2007 angab, seinen ständigen Wohnsitz seit 18. September 2007 in Deutschland zu begründen bzw. an diesem Tag aus Spanien nach Deutschland eingereist bzw. aus dem Ausland zurückgekehrt zu sein. Ebenso wenig genügt der Hinweis auf einen Wohnsitzwechsel im Schreiben vom 16. September 2007 oder sein Vorbringen, dass er nicht mehr in Swohne, im Schreiben vom 01. Oktober 2007.

Es gibt lediglich ein einziges Indiz dafür, dass ein Wechsel des Wohnsitzes bzw. des ständigen Aufenthaltes erfolgt sein könnte, nämlich die polizeiliche Anmeldung am 18. September 2007 in der Wohnung A Straße in B. Da die Meldebehörde jedoch nicht einmal prüft, ob der Antragsteller dort tatsächlich eine eigene Wohnung begründet hat, ist dies - ungeachtet dessen, dass eine polizeiliche Anmeldung ohnehin für sich allein rechtlich ohne Relevanz ist - ein sehr schwacher Anhaltspunkt. Zu der bezeichneten Wohnadresse ist im Übrigen lediglich bekannt, dass sie (zumindest am 22. August 2007) zugleich die Anschrift eines RW war (vgl. Schreiben des Antragstellers vom 22. August 2007 an die Antragsgegnerin).

Demgegenüber spricht das gesamte weitere Vorbringen des Antragstellers, das sich durch Widersprüchlichkeit auszeichnet, gegen eine Änderung des Wohnsitzes bzw. ständigen Aufenthaltes zum 18. September 2007. Im Schreiben vom 22. Oktober 2007 an WISO (ZDF) gab der Antragsteller an, vor ein paar Wochen seinen Lebensmittelpunkt wieder nach Berlin zurückverlegt zu haben. Zugleich geht aus diesem Schreiben hervor, dass er seit Ende 2001 in S lebe und "hier in V" gerade von Bekannten angerufen worden sei. Auch aus der am 28. Oktober 2007 eingegangenen Beschwerdeschrift, verfasst unter der Anschrift A Straße , B, geht hervor, dass er sich in S aufhält. Darin bittet er um Benachrichtigung, wenn die Faxübermittlung seiner Beschwerde nicht ausreichen sollte und stellt die Frage "Müsste ich dann meinen Urlaub unterbrechen und nach P kommen?". Aus einem weiteren Schreiben des Antragstellers an das ZDF vom 15. November 2007 geht hervor, dass er "nun schon sechs Jahre im Lande Don Quijotes" lebe. Dies lässt nicht die Schlussfolgerung zu, dass der Antragsteller nach dem 17. September 2007 in SUrlaub macht; vielmehr ist davon auszugehen, dass er sich auch seither nur vorübergehend in Deutschland aufhielt, ohne dort einen Lebensmittelpunkt zu begründen. Seinem Schriftsatz vom 31. Oktober 2007 an den Senat, worin unter der bisherigen Anschrift in Smitgeteilt wird, dass er seinen Wohnsitz nach S verlegt habe, kommt somit keine weitere Bedeutung zu.

Soweit ein Wohnsitz oder ein gewöhnlicher Aufenthalt im Ausland und damit in Spanien für die Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V ausreichen sollte, besteht gleichfalls kein Anspruch nach dieser Vorschrift. Der Antragsteller war nicht zuletzt gesetzlich krankenversichert. Wenn für die Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V ein Aufenthalt im Ausland genügt, sind auch die dort bestehenden bzw. bestandenen Krankenversicherungsverhältnisse zu berücksichtigen.

Der Antragsteller verkennt, dass es für die Zuordnung zur gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung nicht darauf ankommt, ob zuletzt eine (private) Krankenvollversicherung bestand.

Eine solche Versicherung ist vielmehr ausschließlich bei der Frage von Bedeutung, ob ein anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall gegeben ist. Soweit der Krankenversicherungsschutz nicht durch eine Mitgliedschaft im Rahmen der Pflicht-, Freiwilligen- oder Familienversicherung der gesetzlichen Krankenversicherung oder ein vergleichbarer gesetzlicher Krankenversicherungsschutz nach § 5 Abs. 8 a Satz 2 SGB V gewährleistet ist, kann dieser auch durch eine Versicherung in der privaten Krankenversicherung sichergestellt sein. Dem Sinn und Zweck des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V entsprechend, eine ausreichende Absicherung im Krankheitsfall zu schaffen, müssen die Leistungen der privaten Krankenversicherung nach Art und Umfang denen der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechen. Werden wesentliche Leistungen von der privaten Krankenversicherung nicht abgedeckt, so dass lediglich ein Teilschutz besteht, erfüllt dies nicht den Tatbestand eines anderweitigen Anspruches. Eine solche Auslegung ergibt sich aus der Gesetzesbegründung (Bundestag-Drucksache 16/3100 S. 94). Danach werden beihilfeberechtigte Personen, die über keine ergänzende Krankheitskostenvollversicherung über den von der Beihilfe nicht übernommenen Kostenanteil verfügen, als Personen ohne Absicherung im Krankheitsfall angesehen. Insoweit muss die private Krankenversicherung eine Krankenvollversicherung sein (vgl. Peters in Kasseler Kommentar, a.a.O., § 5 Rdnr. 162 und Baier in Krauskopf, a.a.O. § 5 Rdnr. 78). Ob eine solche Krankenvollversicherung durch eine Krankentagegeldversicherung nach § 178 b Abs. 3 VVG abgedeckt wird, wonach der Versicherer verpflichtet ist, den als Folge von Krankheit oder Unfall durch Arbeitsunfähigkeit verursachten Verdienstausfall durch das vereinbarte Krankentagegeld zu ersetzen, wie die Antragsgegnerin meint, kann dahinstehen.

Für die Zuordnung zur gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung knüpft § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V jedoch nicht an Art und Umfang des bisherigen Krankenversicherungsschutzes an; insbesondere ergibt sich daraus nicht, dass eine private Krankenversicherung lediglich eine solche ist, die Leistungen entsprechend der gesetzlichen Krankenversicherung gewährt. Die Abgrenzung wird vielmehr formal vorgenommen. Dies ist sachgerecht, denn Art und Umfang der Leistungen der privaten Krankenversicherung unterliegen vornehmlich der individuellen Vereinbarungen der Vertragspartner (vgl. § 178 b Abs. 1 VVG - Krankheitskostenversicherung - und § 178 b Abs. 3 VVG). Der Charakter einer privaten Krankenversicherung geht nicht dadurch verloren, dass die vereinbarten Leistungen Art und Umfang der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht entsprechen. Allerdings müssen die vereinbarten Leistungen der privaten Krankenversicherung wenigstens Leistungen sein, die typischerweise das Risiko Krankheit generell absichern. Betrifft die private Krankenversicherung lediglich unwesentliche Randbereiche, also einen Krankenversicherungsschutz für einen sachlich und zeitlich begrenzten Sachverhalt oder mit nur einer bestimmten ergänzenden Leistung, liegt eine atypische Krankenversicherung vor, die nicht mehr als private Krankenversicherung im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V anzusehen ist. Nach Ziffer I Nr. 2.1 des Rundschreibens der Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen vom 20. März 2007 über die Krankenversicherung und Pflegeversicherung der bisher Nichtversicherten nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V zum 01. April 2007 zählen zu diesen atypischen Krankenversicherungen die Krankenhaustagegeldversicherung (§ 178 b Abs. 2 VVG), eine Ausbildungs-, Auslands- oder Reisekrankenversicherung. Es ist nicht Zweck des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V, einem Personenkreis, der bisher zuletzt dem Personenkreis der Privatkrankenversicherten angehört(e), eine Krankenversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung zu ermöglichen. Diese Vorschrift knüpft vielmehr am zuletzt begründeten Versicherungsstatus des gesetzlich oder privat Krankenversicherten an. Bestand bzw. besteht danach keine atypische private Krankenversicherung, erfolgt eine Zuordnung zur privaten Krankenversicherung mit der Verpflichtung, einen ausreichenden Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall dort zu erwerben, wo er zuletzt oder bisher nur unzureichend bestand oder besteht. Ansonsten wäre eine unausgewogene Zuordnung von bisher privat Krankenversicherten zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung die Folge (vgl. auch Peters in Kasseler Kommentar, a.a.O., § 5 Rdnr. 166).

Der Antragsteller war unter Zugrundelegung dessen nicht zuletzt gesetzlich, sondern privat krankenversichert.

Soweit er behauptet, der Vertrag über die Krankenversicherung mit der S sei nichtig, weil er den Krankenversicherungsschutz in betrügerischer Absicht, nämlich durch Verschweigen einer wesentlichen Vorerkrankung erschlichen habe, ist dies nicht glaubhaft gemacht. Nach seinem Vorbringen wurden ihm aufgrund dieses Vertrages Leistungen gewährt. Die S lehnte insbesondere eine Leistungsgewährung nicht wegen einer vermeintlichen Nichtigkeit des Vertrages ab. Der Antragsteller hat gleichfalls keine Rechtsvorschrift des insoweit maßgebenden spanischen Rechts (vgl. Art. 28 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1, Art. 31 Abs. 1 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch - EGBGB) benannt und glaubhaft gemacht, denn fremdes Recht ist im Zweifel beweisbedürftig (§ 202 SGG i. V. m. § 293 Zivilprozessordnung - ZPO), dass sich daraus die Nichtigkeit des Vertrages ergibt. Unerheblich ist, dass der Vertrag über die private Krankenversicherung mit der S möglicherweise nicht zustande gekommen wäre, wenn sich der Antragsteller redlich verhalten und seine Vorerkrankungen nicht verschwiegen hätte. Ob eine private Krankenversicherung bestand, beurteilt sich nach den tatsächlichen rechtlichen Verhältnissen und nicht nach fiktiven möglichen Alternativen.

Der Vertrag über die private Krankenversicherung mit der S erfasste schon nach seinem eigenen Vorbringen im Schriftsatz vom 19. Oktober 2007 nicht lediglich unwesentliche Randbereiche einer (atypischen) Krankenversicherung. Danach wurden ärztliche Behandlungen, Verbandmittel, Krankenhausaufenthalte, Rehabilitation und finanziell begrenzt psychologische Behandlung bezahlt. Selbst die beim Antragsteller bestehende bipolare Erkrankung wurde danach als "gewöhnliche" Depression ärztlich behandelt. Der Einwand des Antragstellers, es seien Kosten lediglich für die Krankheiten übernommen worden, die nach Vertragsabschluss aufgetreten seien, steht der Annahme, es habe sich nicht um eine atypische private Krankenversicherung gehandelt, nicht entgegen. Bereits das Sozialgericht hat darauf hingewiesen, dass solche Leistungsausschlüsse typische Bestandteile auch von Verträgen privater Krankenversicherer in Deutschland sind. Daher kann dahinstehen, welche Bedeutung die weiteren Regelungen im Vertrag mit der Süber Eigenanteile für Kosten der dort genannten weiteren Behandlungen haben. Angesichts des Vorbringens des Antragstellers ist gleichfalls nicht wesentlich, welche weiteren Bestimmungen die ihm zusammen mit dem Versicherungsschein ausgehändigten allgemeinen Bedingungen und Sonderbedingungen zum Vertrag über die private Krankenversicherung enthalten.

Fehlt es mithin bereits an einem glaubhaft gemachten Anordnungsanspruch, ist unerheblich, ob ein Anordnungsgrund besteht.

Die Beschwerde hat daher keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Verfahrens.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved