L 7 R 3857/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 10 R 505/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 R 3857/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 17. Juli 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um Witwenrente.

Die am 1933 geborene Klägerin war in erster Ehe mit Herrn V. T. verheiratet. Die Ehe wurde im Jahre 1973 geschieden. Im Jahr 1986 verstarb V. T ... Den Antrag der Klägerin auf Witwenrente aus der Versicherung des V. T. lehnte die damalige Landesversicherungsanstalt (LVA) Rheinland-Pfalz mit Bescheid vom 7. März 1990 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. September 1990 ab, da die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Geschiedenenwitwenrente mangels Unterhaltsanspruchs nicht gegeben seien. Ab 1. April 1990 erhielt die Klägerin allerdings von der CNAV eine Witwenpension wegen in Frankreich zurückgelegter Versicherungszeiten des Herrn T. in Höhe von zunächst 5919,96 FF jährlich. Aus eigener Versicherung bezog die Klägerin ab 1. Februar 1992 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit von der damaligen LVA Baden. Seit 1. September 1998 bezieht die Klägerin von dieser Regelaltersrente.

Am 29. Dezember 2004 heiratete die Klägerin Herrn R. G. , der in der Nacht vom 10. auf den 11. Februar 2005 verstarb. Am 28. Februar 2005 beantragte die Klägerin Hinterbliebenenrente aus der Versicherung des R. G ... Bereits im Antragsverfahren wies sie darauf hin, sie habe schon ca. 10 Jahre vor der Heirat in eheähnlicher Lebensgemeinschaft mit Herrn G. zusammengelebt und diesen während dieser Zeit wie eine Ehefrau betreut und gepflegt. Zum Zeitpunkt der Eheschließung sei nach ihrer Einschätzung der Tod des Ehegatten auf absehbare Zeit nicht zu erwarten gewesen. Die beiden hätten sich in erster Linie unter erbrechtlichen Gesichtspunkten zur Heirat entschlossen. Herr G. habe nämlich Frau T. vor der Heirat zur Alleinerbin seines Vermögens eingesetzt, nachdem die Tochter des Verstorbenen auf ihr Erb- und Pflichtteilsrecht verzichtet habe. Zweck der Heirat sei also gewesen, die Erbschaftssteuer zu sparen, die angefallen wäre, wenn die Heirat nicht erfolgt wäre. Dieser Zweck sei der alleinige Zweck der Heirat gewesen.

Mit Bescheid vom 11. Oktober 2005 lehnte die Beklagte den Antrag ab mit der Begründung, Witwen oder Witwer hätten nach § 46 Abs. 2a Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) keinen Anspruch auf Witwenrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert habe. Ein Rechtsanspruch könne in einem solchen Fall nur entstehen, wenn nachgewiesen sei, dass der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat nicht die Begründung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung gewesen sei. Hierfür könnten insbesondere folgende Umstände sprechen: plötzlicher unvorhersehbarer Tod (z.B. Arbeits-/Verkehrsunfall, Verbrechen, Infektionskrankheit), Heirat zur Sicherung der erforderlichen Betreuung/Pflege des anderen Ehegatten, wenn der Tod des Ehegatten bei Eheschließung auf absehbare Zeit nicht zu erwarten war bzw. die tödlichen Folgen einer Krankheit bei Eheschließung nicht vorhersehbar waren, Nachholung einer gültigen deutschen Trauung durch hier in ungültiger (nach ausländischem Recht gültiger) Ehe lebende Ausländer, Vorhandensein gemeinsamer leiblicher Kinder bzw. Schwangerschaft oder Erziehung eines minderjährigen Kindes des verstorbenen Versicherten durch die Klägerin. Diese Tatbestände lägen nicht vor; laut Mitteilung des Internisten Ulrich B. habe der verstorbene Ehemann der Klägerin bereits bei der Heirat am 29. Dezember 2004 an einem inoperablen, metastasierenden Bauchspeicheldrüsenkrebs gelitten. Der Tod sei bei Eheschließung nach den Erkenntnissen über das Stadium der Erkrankung innerhalb des Folgehalbjahres zu erwarten gewesen. Es sei daher davon auszugehen, dass der alleinige oder überwiegende Zweck der Eheschließung die Begründung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung gewesen sei. Dagegen erhob der Bevollmächtigte der Klägerin Widerspruch mit der Begründung, er habe Anfang Dezember 2004 den Verstorbenen und die Klägerin rechtlich beraten und betreut und bereits damals die Heirat empfohlen im Hinblick darauf, dass der Verstorbene Alleineigentümer eines Hausanwesens in Walldorf gewesen sei und andernfalls bei einer Übertragung des Grundstücks auf die Klägerin erhebliche Erbschaftssteuer angefallen wäre. Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Januar 2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück unter Hinweis auf die objektive Beweislast für die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung des § 46 Abs. 2 a SGB VI, die bei der Klägerin liege. Das Einwohnermeldeamt Walldorf habe auch bestätigt, dass die Klägerin erst seit 1. Januar 2005 in Walldorf unter der Anschrift ihres verstorbenen Ehemannes gemeldet sei; vorher sei sie in Karlsruhe gemeldet gewesen.

Dagegen hat die Klägerin am 15. Februar 2006 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erheben lassen, mit welcher sie ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft hat.

In der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 17. Juli 2007 ist die Klägerin persönlich angehört worden. Dabei hat sie angegeben, sie habe ihren verstorbenen Ehemann im Jahre 1990 in der Kur kennen gelernt. Sie habe ihre Wohnung in K. weiterhin behalten, sich aber überwiegend bei Herrn G. in Walldorf aufgehalten. Ihre Wohnung habe sie im Oktober 2004 aufgegeben, weil ihr verstorbener Mann da schon krank gewesen sei und sie zu ihm gezogen sei. Sie hätten nicht früher geheiratet; mal hätte er nicht gewollt und mal sie nicht und so habe es sich nicht ergeben gehabt. Sie verstehe auch nicht, welchen Unterschied dies mache. Sie habe Herrn G. schließlich wie eine Ehefrau versorgt.

Mit Urteil vom 17. Juli 2007 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Witwenrente aus der Versicherung des R. G ... Die Vorschrift des § 46 Abs. 2a SGB VI stelle eine gesetzliche Vermutung dahingehend auf, dass eine Ehe, die nicht mindestens ein Jahr gedauert habe, im Zweifel mit dem Hauptzweck der Versorgung des überlebenden Ehegatten geschlossen worden sei und schließe für den Regelfall den Rentenanspruch bei kurzer Ehedauer aus. Im vorliegenden Fall sei diese gesetzliche Vermutung nicht widerlegt. Im Gespräch mit der Klägerin sei deutlich geworden, dass ihre Beziehung mit Herrn G. tatsächlich bereits über viele Jahre hinweg bestanden habe, nämlich seit Ende 1990. Nichts desto weniger habe die Klägerin ihre eigene Wohnung in Karlsruhe erst Ende Oktober 2004 aufgegeben und dann Ende Dezember 2004 Herrn G. geheiratet. Beides sei offenkundig in Anbetracht des sich verschlechternden und schließlich lebensbedrohlich werdenden Gesundheitszustandes von Herrn G. geschehen. Hätte sich der Gesundheitszustand von Herrn G. nicht so entwickelt, so hätte sich aller Wahrscheinlichkeit nach an dem vorigen Zustand nichts geändert. Insbesondere hätten die beiden auch nicht geheiratet, nachdem sie dieses Vorhaben über Jahre hinweg immer wieder verworfen und verschoben hätten. Die beiden hätten also gerade geheiratet, weil sie damit gerechnet hätten, dass in - wenn auch nicht genau bestimmbarer - nicht allzu ferner Zeit der Tod von Herrn G. eintreten werde und insbesondere die Klägerin für diesen Fall abgesichert werden sollte, indem das dem Verstorbenen gehörende Einfamilienhaus in W. ihr als Alleinerbin zukommen sollte. Immerhin handele es sich dabei nach den Angaben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin um einen Wert von über 300.000,- EUR. Sei es somit wesentlicher Zweck der Heirat gewesen, einen erbschaftssteuerrechtlich verträglichen Übergang des Hauses auf die Klägerin im Falle des Todes ihres Lebensgefährten zu ermöglichen, so vermöge dies den zum Anlass des regelhaften Rentenausschlusses bei kurzer Ehedauer genommenen Versorgungscharakter der Ehe nicht zu entkräften. Sinn und Zweck des § 46 Abs. 2 a SGB VI solle es ja gerade sein, die reine Versorgungsehe, die nur kurz gedauert habe, vom Anspruch auf Hinterbliebenenrente auszuschließen.

Besondere Umstände, die eine Ausnahme von der Regel des § 46 Abs. 2 a SGB VI begründen würden, könnten nicht solche Umstände sein, die gerade einen Versorgungscharakter der Ehe unterstrichen. Dementsprechend müsse es dabei bleiben, dass die gesetzliche Vermutung nicht entkräftet werden könne. Die materielle Beweislast trage insoweit die Klägerin mit der Folge, dass ihr kein Anspruch auf Witwenrente zuerkannt werden könne.

Gegen das dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 24. Juli 2007 durch Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil hat dieser am 7. August 2007 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt mit der Begründung, die Bestimmung des § 46 Abs. 2 a SGB VI stelle lediglich eine gesetzliche Vermutung dahingehend auf, dass eine Ehe, die nicht mindestens ein Jahr gedauert habe, im Zweifel mit dem Hauptzweck der Versorgung des überlebenden Ehegatten geschlossen worden sei und schließe für diesen Regelfall den Rentenanspruch bei kurzer Ehedauer aus. Die Formulierung dieser Vorschrift besage aber nicht, dass die gesetzliche Vermutung nicht widerlegt werden könne. Die gesetzliche Vermutung sei vorliegend widerlegt. Richtig sei zwar, dass die Klägerin ihre eigene Wohnung in Karlsruhe erst Ende Oktober 2004 aufgegeben und dann Ende Dezember 2004 Herrn G. geheiratet habe. Dies allein dürfe aber nicht zur Beurteilung der Rechtslage herangezogen werden. Vielmehr seien die Gesamtumstände zu berücksichtigen. Es könne Zeugenbeweis dafür angetreten werden, dass die Klägerin hauptsächlich in eheähnlicher Gemeinschaft örtlich mit Herrn G. mindestens 10 Jahre vor ihrer Heirat zusammengelebt, diesen versorgt und ihm den Haushalt geführt habe. Der Umstand, dass beide vor dem Tod von Herrn G. noch nicht ein Jahr verheiratet gewesen seien, könne unter diesen Umständen nicht allein maßgeblich sein. Ausschließlicher Anlass für die Heirat der Klägerin mit Herrn G. sei dessen Absicht gewesen, die Klägerin als seine Alleinerbin einzusetzen und dieser durch die Heirat die Verpflichtung zur Entrichtung der beträchtlichen Erbschaftssteuer zu ersparen; die Klägerin hätte ansonsten für das Herrn G. gehörende Einfamilienhaus in Walldorf mit einem Wert von über 300.000,- EUR den Höchstsatz der Erbschaftssteuer bezahlen müssen. Die Absicht von Herrn G. , der Klägerin dies zu ersparen, sei legitim und der alleinige Grund für die Eheschließung gewesen. Das Thema Witwenrente habe - auch im Rahmen der anwaltlichen Beratungstätigkeit - keine Rolle gespielt.

Bei der Aufzählung der Fälle in § 46 Abs. 2 a SGB VI handele es sich nicht um eine abschließende Aufzählung. Darin würden nur einige Gesichtspunkte aufgeführt, die bei Vorliegen einer Versorgungsehe für den Regelfall den Rentenanspruch bei kurzer Ehedauer ausschlössen. Dies bedeute, dass die gesetzliche Vermutung im Einzelfall widerlegt werden könne, dass also nicht immer ein Regelfall vorliege. Sinn und Zweck des § 46 Abs. 2 a SGB VI möge zwar sein, die reine Versorgungsehe, die nur kurz gedauert habe, vom Anspruch auf Hinterbliebenenrente auszuschließen. Zur Beurteilung der Rechtslage müssten jedoch stets die Gesamtumstände herangezogen werden. Nach Ansicht der Klägerin stehe jedenfalls fest, dass sie mit Herrn G. keine reine Versorgungsehe geschlossen habe Dies wäre es nur dann gewesen, wenn sich die beiden erst kurz vor der Heirat kennen gelernt hätten. Die Absicht des Gesetzgebers sei es sicher gewesen, auch denjenigen mit einer Hinterbliebenenrente zu "versorgen", der einen derartigen Anspruch dadurch erworben habe, dass er durch sein Verhalten zum Ausdruck gebracht habe, ihm sei persönlich an der Lebensführung des anderen gelegen. Dies habe die Klägerin unbestreitbar über einen langen Zeitraum durch ihr Zusammenleben mit Herrn G. dadurch zum Ausdruck gebracht, dass sie den gemeinsamen Haushalt geführt und diesen betreut und versorgt habe. Gerade dies sei nach Ansicht der Klägerin Anlass, die gesetzliche Vermutung zu widerlegen.

Die Klägerin beantragt (teilweise und sinngemäß),

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 17. Juli 2007 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 11. Oktober 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Januar 2006 zu verurteilen, ihr ab 1. März 2005 die beantragte Witwenrente aus der Versicherung des R. G. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das ergangene Urteil für zutreffend und führt ergänzend aus, nach den Beschlüssen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) vom 1. Dezember 1998 - 3 B 95.3050 - und des Hessischen VGH vom 16. Februar 2007 - 1 UZ 1948/06 - (jeweils juris) zur vergleichbaren Regelung des § 19 Abs. 1 Beamtenversorgungsgesetz (BVG) schließe die Kenntnis des grundsätzlich lebensbedrohenden Charakters einer Erkrankung im Zeitpunkt der Eheschließung die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe regelmäßig aus. Dies gelte nur dann nicht, wenn sich die Eheschließung als konsequente Verwirklichung eines bereits vor der Erlangung dieser Kenntnis bestehenden Heiratsentschlusses darstelle. Ein derartiger Ausnahmefall liege hier jedoch nicht vor. Der Vortrag, die Heirat sei ausschließlich erfolgt, um der Klägerin im Falle des Todes ihres Partners in ihrer Eigenschaft als Alleinerbin eines Einfamilienhauses die Verpflichtung zur Zahlung des Höchstsatzes der Erbschaftssteuer zu ersparen, unterstreiche geradezu, dass der Hauptzweck der Eheschließung die Absicht gewesen sei, die Klägerin nicht unversorgt zurückzulassen. Da andere, von der Versorgungsabsicht verschiedene Beweggründe nicht geltend gemacht würden, sei bei der vorzunehmenden Gesamtabwägung der Motive der Schluss berechtigt, dass die Versorgungsabsicht jedenfalls der überwiegende Zweck der Heirat gewesen sei, so dass die gesetzliche Vermutung nicht widerlegt sei (vgl. BSG SozR Nr. 2 zu § 594 RVO). Auch der Umstand, dass die Klägerin mit dem Verstorbenen mindestens 10 Jahre lang in eheähnlicher Gemeinschaft zusammengelebt und diesen erst nach Bekanntwerden der unheilbaren Krankheit geheiratet habe, unterstreiche die Rechtsvermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI, dass es alleiniger oder überwiegender Zweck der Heirat gewesen sei, der späteren Witwe eine Versorgung zu schaffen.

Dem Gericht liegen die zur Sache gehörenden Verwaltungsakten der Beklagten und die Akten des SG vor. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Im Einverständnis der Beteiligten kann der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Urteil über die Sache entscheiden § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG), Berufungsausschließungsgründe im Sinne des § 144 Abs. 1 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung ist aber unbegründet. Das SG hat zutreffend entschieden, dass der Klägerin keine Witwenrente zusteht. Nach der maßgeblichen Bestimmung des § 46 Abs. 2 a SGB VI haben Witwen oder Witwer keinen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat gewesen sei, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Diese Bestimmung enthält eine gesetzliche Vermutung, mit der unterstellt wird, dass beim Tod des Versicherten innerhalb eines Jahres nach der Eheschließung die Erlangung einer Versorgung Ziel der Eheschließung war (vgl. BT-Drucks. 14/4595 S. 44). Die gesetzliche Vermutung ist allerdings widerleglich (Gürtner in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht Bd. 1, § 46 Rdnr. 46b). Die Widerlegung setzt voraus, dass besondere Umstände vorliegen, die trotz der kurzen Ehedauer nicht auf eine Versorgungsehe schließen lassen. Hierfür ist der volle Beweis des Gegenteils erforderlich (BSG SozR 3100 § 38 Nr. 5, zu § 38 Abs. 2 BVG und Beschluss vom 23. September 1997 - 2 BU 176/97 -, HVBG-INFO 1998, 621, zu § 594 RVO). Besondere Umstände im Sinne von § 46 Abs. 2 a SGB VI sind alle Umstände des Einzelfalls, die nicht schon von der Vermutung selbst erfasst sind und die geeignet sind, einen Schluss auf den Zweck der Heirat zuzulassen. Entscheidend ist nur, ob sie ausreichen, um die Vermutung zu widerlegen. Dabei sind vor allem solche Umstände von Bedeutung, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund schließen lassen. Es muss eine Gesamtabwägung der beiderseitigen Motive erfolgen, wobei die Vermutung nur dann als widerlegt angesehen werden kann, wenn die Versorgungsabsicht insgesamt betrachtet nicht überwiegt (vgl. BSGE 35, 272). Das lässt sich hier aus den vom SG zutreffend dargestellten Gründen nicht feststellen.

Der Ehemann der Klägerin verstarb bereits knapp 1 ½ Monate nach der Eheschließung und damit innerhalb des ersten Ehejahres. Der Umstand, dass die Klägerin nach ihren Angaben mit diesem mindestens seit 10 Jahren - trotz Beibehaltung der eigenen Wohnung in Karlsruhe - überwiegend in eheähnlicher Gemeinschaft zusammen gelebt, diesen versorgt und den Haushalt geführt hat, entkräftet die Annahme einer Versorgungsehe auch nach Auffassung des Senats nicht. Vielmehr untermauert ein vorangegangenes langjähriges eheähnliches Zusammenleben ohne Eheschließung mit dem Versicherten die Rechtsvermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI, wonach es alleiniger oder überwiegender Zweck der Ehe mit dem Versicherten gewesen ist, der Klägerin als späteren Witwe eine Versorgung zu verschaffen (vgl. entsprechend zu § 594 RVO, LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24. März 1999 - L 2 U 2125/96 -, HVBG-INFO 1999, 1399; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 11. November 1999 - L 5 U 112/98 - Breithaupt 2000, 379; LSG Berlin, Urteil vom 8. April 1999 - L 3 U 99/97 -, HVBG-INFO 1999, 2771; LSG Niedersachsen, Urteil vom 26. Mai 1997 - L 6 U 336/96 -, HVBG-INFO 1997, 2314). Auch die weiteren Umstände des Falles, insbesondere der Eheschließung widerlegen die Vermutung einer Versorgungsehe nicht. Die Heirat erfolgte, nachdem bei dem Versicherten ein inoperabler, metastasierender Bauchspeicheldrüsenkrebs festgestellt worden war. Dies hat der behandelnde Internist B. in einer Stellungnahme an die Beklagte vom 3. Oktober 2005 bestätigt. Danach lag diese unheilbare Krankheit zum Zeitpunkt der Heirat bereits vor und war den Eheleuten auch bekannt. Zwar sei der Zeitpunkt des Todes bei der Heirat noch nicht absehbar, aber nach allen Erkenntnissen über das Stadium der Krankheit doch innerhalb des Folgehalbjahres zu erwarten, wie die ärztliche Äußerung zur Überzeugung des Senats belegt.

Ein von der Versorgungsabsicht verschiedenes bzw. darüber hinaus gehendes Motiv vermag der Senat nicht mit der erforderlichen Gewissheit zu erkennen. Die Gesamtumstände lassen entgegen der Auffassung der Klägerin nicht den Schluss zu, dass die Versorgungsabsicht insgesamt betrachtet nicht überwiegt und sich die Eheschließung als die konsequente Verwirklichung eine schon vor Bekanntwerden der Erkrankung gefassten Heiratsentschlusses darstellt (vgl. Bayrischer VGH, Urteil vom 1. Dezember 1998 - 3 B 95.3050 - , HVBG-Info 1999, 3043). Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens stellt sich der Sachverhalt so dar, dass hinreichend konkrete Heiratspläne erst nach dem Bekanntwerden der Krebserkrankung gefasst worden sind. Hierzu hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem SG angegeben, es habe sich vorher nicht ergeben, mal habe er nicht gewollt und mal sie nicht. Nach der Lebenserfahrung wäre indessen bei einem ernsthaften und dringlichen Heiratswunsch dessen Verwirklichung lange vor dem Bekanntwerden der Krebserkrankung zu erwarten gewesen. Schließlich spricht auch das klägerische Vorbringen, alleiniger Grund für die Eheschließung sei die Absicht von Herrn G. gewesen, die Klägerin als Alleinerbin einzusetzen und dieser durch die Eheschließung die Zahlung einer hohen Erbschaftsteuer zu ersparen, nicht gegen, sondern für eine Versorgungsabsicht des Versicherten. Denn hieraus wird das Anliegen des Herrn G. deutlich, die Klägerin im Falle seines - zu diesem Zeitpunkt zeitlich sehr absehbaren - Ablebens durch eine Eheschließung auskömmlich wirtschaftlich zu versorgen. Hierzu gehört neben der erbrechtlichen Seite auch die versorgungsrechtliche Absicherung durch eine Hinterbliebenenrente, selbst wenn das Interesse des Herrn G. an einer erbschaftsteuerfreien Übertragung seines Vermögens auf die Klägerin insoweit im Vordergrund gestanden haben sollte. Jedenfalls entkräftet dies die Annahme einer Versorgungsehe nicht. Denn eine etwaige weiter reichende Motivation des Verstorbenen, seine Witwe (auch) erbrechtlich günstig zu stellen, ist unter diesen Umständen nicht geeignet, die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe zu widerlegen.

Soweit die Klägerin die Auffassung vertritt, dass ihr selbst bei Annahme einer überwiegenden Versorgungsabsicht aus Gründen der Gleichbehandlung eine Witwenrente zustehe, kann dem nicht gefolgt werden. Das Gesetz knüpft an das vermutete Motiv, dass es der alleinige oder der überwiegende Zweck der Heirat gewesen sei, der Witwe eine Versorgung zu verschaffen, die Rechtsfolge, dass ein Anspruch auf die Hinterbliebenenrente nicht besteht. Es ist ein legitimes Anliegen des Gesetzgebers, einem Missbrauch der Ehe vorzubeugen und manipulierte Folgen nicht eintreten zu lassen (BSGE 35, 272). Damit verstößt er nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz. Die Ausnahmeregelung des § 46 Abs. 2a SGB VI erfasst völlig gleichmäßig alle Witwen (und Witwer) von Versicherten, wenn der Tod innerhalb des ersten Ehejahres nach der Eheschließung eingetreten ist, es sei denn, dass die gesetzliche Vermutung vom Vorliegen einer Versorgungsehe widerlegt werden kann (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 16. Januar 1973 - L 15 BU 12/72 -, Breithaupt 1973, 710 und vom 30. Januar 2001 - L 15 U 27/99 -, HVBG-INFO 2001, 1454).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision ( 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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