L 9 U 3348/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 2539/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 3348/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 20. Juli 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Feststellung und Entschädigung einer Berufskrankheit (BK) nach der Nr. 1317 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische) bzw. nach anderen Nummern der Gruppe 13.

Die 1950 geborene Klägerin war als Pelznäherin beschäftigt vom 26. Juni 1972 bis 31. August 1973 bei der Fa. Zech-Pelze in Reutlingen, vom 1. September 1973 bis 19. Juli 1974 bei der Fa. P.-M. in S. und vom 22. Juli 1974 bis 9. Dezember 1983 sowie vom 7. Oktober 1991 bis zum 12. Januar 2001 bei der Fa. Bonnie Pelz-Design in Esslingen. Vom 12. Dezember 1983 bis zum 4. Oktober 1991 war die Klägerin als selbstständige Schneiderin in Tübingen tätig.

Seit November 1999 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Nach dem Bezug von Krankengeld bezog die Klägerin Arbeitslosengeld. Die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg (DRV) gewährte der Klägerin auf der Grundlage eines am 15. Januar 2001 eingetretenen Leistungsfalles und eines am 23. Januar 2002 gestellten Rentenantrags ab 1. Januar 2002 bis zum 28. Februar 2006 befristete Rente wegen voller Erwerbminderung. Dem im Berufungsverfahren L 10 RJ 1546/04 abgegebenen Anerkenntnis der DRV lag das internistisch-rheumatologische Gutachten von Dr. M. vom 5. Januar 2005 zugrunde, der zu dem Ergebnis gelangt war, dass bei der Klägerin eine chronische Schmerzerkrankung vorliege, die den Klassifikationskriterien einer Fibromyalgie entspreche und ihr Leistungsvermögen auf 3 bis unter 6 Stunden täglich einschränke.

Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. Sch. erstattete unter dem 14. April 2001 eine ärztliche Anzeige über eine Berufskrankheit und teilte mit, bei der Klägerin liege wegen Pelzimprägnierungen eine chronisch-toxische Enzephalopathie vor. Auf Anfrage der Beklagten teilte Dr. Sch. am 28. September 2001 mit, die Klägerin befinde sich seit dem 9. Januar 2001 in seiner Behandlung. Eine Untersuchung durch den Radiologen Dr. H. habe vaskuläre Thalamus-schäden nachgewiesen. Er führe das unverändert fortbestehende Leiden der Klägerin auf jahrelange inhalative Pestizid-Expositionen zurück.

Die Hausärztin der Klägerin Dr. T. (Auskunft vom 10. September 2001) und der Orthopäde Dr. C. (Auskunft vom 30. August 2001) teilten mit, dass sich die Klägerin nicht wegen einer Enzephalopathie in ihrer Behandlung befinde.

Die Beklagte zog das Vorerkrankungsverzeichnis bei der AOK Esslingen bei und stellte arbeitsplatzbezogene Untersuchungen an.

Der Technische Aufsichtsbeamte (TAB) berichtete unter dem 17. Oktober 2001, die Firmen Zech-Pelze und P.-M. existierten nicht mehr. Daher könnten über eine Lösemittelbelastung an diesen Arbeitplätzen keine Angaben gemacht werden. Während ihrer Selbstständigkeit sei die Klägerin nicht durch Lösemittel belastet gewesen.

Bei der Fa. B. Pelz-Design habe sich der Arbeitsplatz der Klägerin von 1974 bis 1983 und von 1991 bis etwa 1994 in den Räumen der Kürschnerei befunden. Danach habe die Klägerin getrennt von der Kürschnerei in der Ausfertigung gearbeitet. Innerhalb der Kürschnerei würden die verarbeiteten Pelze teilweise nachgereinigt. Zum Reinigen seien Buchenholzspäne, die teilweise präpariert gewesen seien mit dem Produkt Miraclemix Standard, verwendet worden. Inwieweit die Fertigmischungen Lösungsmittel enthalten hätten, habe der Betrieb nicht angeben können. Für das Reinigen der Felle am Kürschnerarbeitsplatz, das sogenannte Ausreiben und Nachfärben, sei Ethanol verwendet worden. Die Klägerin sei daher an ihrem Arbeitsplatz über den gesamten Beschäftigungszeitraum einer geringen bis mittleren Belastung durch Stäube und Tierhaare ausgesetzt gewesen. Während der Beschäftigung von 1974 bis 1983 und von 1991 bis 1994 habe eine inhalative Belastung gegenüber organischen Lösungsmittel bestanden. Die Höhe der Belastung könne wegen fehlender Messwerte nur geschätzt werden. Von einer mittleren Belastung könne ausgegangen werden. Inwieweit MAK-Werte überschritten worden seien, habe nicht ermittelt werden können.

Am 8. November 2001 wurden durch den Messtechnischen Dienst der Beklagten im Mitgliedsbetrieb B.-Pelz-Design im Arbeitsbereich Näherei Fein- und Gesamtstaubmessungen und im Arbeitsbereich Kürschnerei Gefahrstoffmessungen bezüglich Ethanol, Propanol-1, Propanol-2-ol Feinstaub (alveolengängige Fraktion) und Buchenholzstaub durchgeführt. Die gemessenen Arbeitsplatzkonzentrationen lagen bei allen Einzelbestimmungen unter der Bestimmungsgrenze des Analyseverfahrens, bzw. unter einem Viertel des jeweils gültigen Grenzwerts.

Mit Bescheid vom 7. Mai 2002 lehnte die Beklagte die Feststellung einer BK ab. Die Festellungen hätten ergeben, dass eine BK nach Nr. 1317 oder einer anderen Nummer der Gruppe 13 der Anlage zur BKV nicht vorliege. Der Staatliche Gewerbearzt habe in seiner Stellungnahme vom 12. März 2002 ausgeführt, dass die Klägerin während ihrer beruflichen Tätigkeit Kontakt mit organischen Lösungsmitteln gehabt habe, nämlich Ethanol, dass jedoch die MAK-Werte weit unterschritten worden seien.

Der Widerspruch der Klägerin wurde durch Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 2002 zurückgewiesen.

Hiergegen erhob die Klägerin am 28. Juli 2002 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) und führte zur Begründung aus, die Beklagte, die ausweislich des Bescheides vom 7. Mai 2002 das Vorliegen einer BK sowohl nach Nr. 1317 als auch nach anderen Nummern der Gruppe 13 abgelehnt habe, habe es unterlassen, die Exposition der Klägerin gegenüber fungiziden und insektiziden Wirkstoffen, gegenüber organischen Kohlenwasserstoffen und anderen insbesondere neurotoxischen Stoffen zu untersuchen (S 9 U 3507/02).

Zur Durchführung von weiteren Ermittlungen wurde durch Beschluss vom 15. November 2002 das Ruhen des Verfahrens angeordnet.

Am 19. Mai 2003 rief die Beklagte das Verfahren wieder an (S 9 U 2539/03) und legte das Ergebnis ihrer Nachermittlungen vor. Der TAB berichtete unter dem 17. Februar 2003 und dem 8. Mai 2003, Mottenschutzmittel seien bei der Fa. B. Pelz-Design nur sporadisch ein- bis zweimal pro Jahr, auch abhängig vom Ungeziefernbefall, eingesetzt worden. Der Mottenschutz sei Freitags abends ausgebracht worden, am Montag sei vor Arbeitsbeginn gelüftet worden. Zum Zeitpunkt der Beschäftigung der Klägerin sei ein Mittel eingesetzt worden, dessen genaue Bezeichnung nicht mehr habe ermittelt werden können. Das derzeit (seit 1 bis 2 Jahren) eingesetzte Mottenschutzmittel "Detmol-Fum 1000 und 2000" enthalte als Wirkstoffkomponenten Dichlorvos und Pyrethrum und das Treibgas 1,1,1,2-Tetraflourethan. Beim Einsatz dieses Mittels würden nach den gesamten Umständen mit hoher Wahrscheinlichkeit die Grenzwerte eingehalten.

Die Klägerin habe an ihrem Arbeitsplatz PKA-Kleber verarbeitet. Hierbei handele es sich um eine wässrige Zubereitung von Polyacryl und Vaselinölen. Mögliche Gefahren seien nicht bekannt.

Das SG befragte sodann die behandelnden Ärzte der Klägerin.

Dr. T. teilte am 24. November 2003 mit, sie habe die Klägerin zuletzt im März 2001 gesehen und könne keine Angaben machen. Auch Dr. Czech konnte keine Angaben machen, da er die Klägerin von November 2000 bis März 2001 behandelt habe. (Auskunft vom 18. Dezember 2003).

Zu den Akten gelangte sodann eine weitere ärztliche Anzeige über eine BK, ausgestellt von dem Nervenarzt Dr. B. in T.am 30. Juli 2004 mit weiteren Unterlagen. Bei der Klägerin bestünden eine Neuropathie und eine schwere Hirnleistungsminderung.

Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz erstattete Dr. Sch. das Gutachten vom 10. September 2004, beim SG eingegangen am 21. Oktober 2004, das auf einer Untersuchung der Klägerin am 4. Juli 2003 beruht. Zusätzlich verwertete er ein Hirnszintigramm PET von Dr. H. vom 19. Juli 2004, einen neuropsychologischen/neurotoxischen Befund des Diplom-Psychologen K., T., vom 5. Juli 2004 und einen neurologischen/neurotoxischen Befund von Dr. Binz vom 27. Juli 2004. Er gelangte zu dem Ergebnis, die erhobenen Befunde deuteten auf gravierende vaso- und neurotoxische Expositionen mit der Folge erworbener toxischer Encephalopathie und hochgradiger Intoleranz, verursacht durch ein außerordentlich human-toxisches Insektizid-Gemisch von Dichlorvos, Pyethrum samt Treibgas R 134a (Tetrafluorethan). Er beurteile die Minderung der Erwerbsfähigkeit mit 70 vH.

Mit Urteil vom 20. Juli 2005 wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen, auf die im Übrigen Bezug genommen wird, führte es aus, bei der Klägerin lägen die Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK nach der Nr. 1317 nicht vor, da weder eine schädigende Einwirkung im Sinne einer geeigneten beruflichen Belastungsexposition erkennbar noch eine Erkrankung der Klägerin an Polyneuropathie oder Enzephalopathie hinreichend nachgewiesen sei.

Gegen das am 5. August 2005 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, die am 12. August 2005 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingegangen ist. Sie macht geltend, das SG habe bei der Prüfung der BK Nr. 1317 das neue Merkblatt vom März 2005 nicht berücksichtigt. Nachdem Streitgegenstand nicht nur die Listennummer 1317, sondern alle Listennummern aus der Gruppe 13 seien, müsse nicht nur ermittelt werden, ob die Produkte der Fa. Frowein organische Lösemittel enthielten, sondern auch ob andere Listenstoffe am Arbeitsplatz der Klägerin vorhanden gewesen seien. Es seien während der Zeit, als die Klägerin im Mitgliedsbetrieb der Beklagten gearbeitet habe, wie in der damaligen Zeit üblich, in erheblicher Menge Pestizide eingesetzt worden. Es sei auch unzutreffend, dass Mottenschutzmittel nur ein- bis zweimal pro Jahr ausgebracht worden sei. Da weder Lieferscheine noch Adressen von Lieferanten der in der Vergangenheit eingesetzten Pestizide, Farben, Lösemittel und Klebstoffe bekannt seien, sei es erforderlich, durch Nachfrage beim Hauptverband der Berufsgenossenschaften in St. Augustin ergänzende Informationen zur Zusammensetzung der damals üblicherweise eingesetzten Arbeitsstoffe einzuholen.

Das SG habe auch, ohne über ausreichende Kompetenz zu verfügen, die medizinischen Feststellungen der Ärzte Dr. Sch. und Dr. B. und des Neuropsychologen und Diplom-Psychologen K. überprüft und fehlerhaft bewertet.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 20. Juli 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 7. Mai 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juli 2002 aufzuheben, bei der Klägerin das Vorliegen einer Berufskrankheit nach der Nr. 1317 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung bzw. nach anderen Nummern der Gruppe 13 festzustellen und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 20 vH ab Antragstellung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Sie hat einen weiteren Bericht des TAB vom 15. November 2007 vorgelegt. Die von ihm am 5. November 2007 befragten Mitarbeiter des Mitgliedbetriebs B.-Pelz-Design, Herr J., Kürschnermeister, viele Jahre unmittelbarer Vorgesetzter der Klägerin, und Frau D., Kollegin der Klägerin seit 1975, hätten übereinstimmend ausgesagt, dass Schädlingsbekämpfungsmittel in Form von Mottenschutzmitteln höchstens zweimal jährlich über das Wochenende in der Pelzabteilung des Betriebes ausgebracht worden seien. Anschließend sei gründlich gelüftet worden. Welche Produkt zum Einsatz gekommen seien, habe nicht mehr ermittelt werden können. Andere chemische Mittel seien nicht zum Einsatz gekommen. Auch die Lieferfirma der Pelze, die M. Pelzveredelung habe auf telefonische Anfrage mitgeteilt, dass die Pelze ohne chemische Behandlung versendet würden. Dies sei auch in den 70er und 80er Jahren der Fall gewesen.

Die Fa. A. teilte auf Anfrage des Senats am 14. Dezember 2005 mit, sie biete mehrere Produkte zur Mottenbekämpfung an. Um nähere Informationen bei den Lieferanten zu erhalten, müssten die relevanten Produkte mit genauer Bezeichnung benannt werden.

Die Fa. F. teilte am 7. März 2006 mit, sie hätten bis 1993 in ihren BBA-Vorratsschutzmittel, die auch zur Bekämpfung von Motten eingesetzt würden, den chlorierten Kohlenwasserstoff Dichlormethan verarbeitet.

Der Senat hat die Akte L 10 RJ 1546/04, den Rentenrechtsstreit der Klägerin betreffend beigezogen. Auf diese wird zur weiteren Darstellung des Sachverhalts ebenso Bezug genommen, wie auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Akten des SG (S 9 U 3507/02 und S 9 U 2539/03) und die Senatsakte.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden hat, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe i.S.d. § 144 Abs. 1 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung ist jedoch sachlich nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung des Vorliegens einer BK nach der Nr. 1317 der Anlage zur BKV bzw. nach anderen Nummern der Gruppe 13 und eine Verletztenrente.

Das SG hat die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach der Nr. 1317 auf Seiten 7 bis 9 des angefochtenen Urteils im Einzelnen dargelegt und daran anschließend auf Seite 10 und 11 zutreffend ausgeführt, dass schon eine schädigende Einwirkung von organischen Lösungsmittel oder deren Gemische am Arbeitsplatz der Klägerin nicht nachweisbar ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hierauf Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG).

Im Berufungsverfahren haben sich hierzu keine abweichenden Erkenntnisse ergeben. Der TAB der Beklagten ist dem Vortrag der Klägerin, Mottenschutzmittel seien nicht nur ein- bis zweimal pro Jahr sondern häufiger ausgebracht worden, erneut nachgegangen und hat den Kürschnermeister Jülich, der viele Jahre unmittelbarer Vorgesetzter der Klägerin war, und Frau Drexler, eine ehemalige Kollegin der Klägerin am Arbeitsplatz, befragt. Auch sie haben bestätigt, dass Mottenschutzmittel höchstens zweimal jährlich in der Kürschnerei ausgebracht wurden und dies an Wochenenden, wobei vor Wiederaufnahme der Arbeit am Montag die Arbeitsplätze gründlich gelüftet wurden. Zur Zusammensetzung der verwendeten Mottenschutzmittel haben sich ebenfalls keine neuen Gesichtspunkte ergeben. Fest steht auch, dass das Mittel "Detmol-Fum 1000 und 2000", welches als Wirkstoffkomponenten Dichlorvos und Pyrethum und das Treibgas 1,1,1,2-Tetraflourethan enthält, während der Tätigkeit der Klägerin bei der Fa. B. Pelz-Design nicht zum Einsatz kam und dass über die Mittel, die bis 1994 verwendet wurde, als die Klägerin ihren Arbeitplatz noch in der Kürschnerei hatte, keine Erkenntnisse vorliegen. Unter diesen Umständen sah der Senat auch keine Veranlassung, eine Anfrage an den Hauptverband der Berufsgenossenschaften in St. Augustin zu richten, da auch Hinweise auf damals üblicherweise eingesetzte Arbeitsstoffe den Nachweis der am Arbeitplatz der Klägerin tatsächlich eingesetzten Stoffe nicht ersetzen können.

Zu Recht hat das SG eine Erkrankung der Klägerin an einer Polyneuropathie oder Enzephalopathie als nicht nachgewiesen angesehen. Seine Würdigung der gutachterlichen Äußerungen von Dr. Sch., auf die ebenfalls gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen wird, wird weitgehend bestätigt durch die Feststellungen, die der Senat dem Gutachten von Dr. M. vom 5. Januar 2005 entnimmt, das dieser im Berufungsverfahren der Klägerin gegen die DRV L 10 RJ 1546/04 erstattet hat und das der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwertet. Die im Rahmen der Gutachtensuntersuchung durchgeführten neurologischen Tests (Kalt-Warm-Unterscheidung, Spitz-Stumpf-Unterscheidung und Zahlenlesen) ergaben keine Hinweise für eine sensible oder motorische Polyneuropathie. Die von Dr. Sch. angeführten Befunde, die beweisend sein sollen für eine toxische Encephalopathie, sind nach den Darlegungen von Dr. M. typische Befunde bei Fibromyalgiepatienten, wie sie die Klägerin eine ist. Sowohl die gestörte Glucoseaufnahme ins Gehirn bei der sog. PET-Untersuchung als auch die im Rahmen psychometrischer Testverfahren gewonnenen Erkenntnisse über eine verminderte Konzentrationsfähigkeit und ein verschlechtertes Langzeitgedächtnis sind "klassische" Befunde bei Fibromyalgiekranken und belegen nach den den Senat überzeugenden Ausführungen von Dr. M. nicht das zusätzliche Vorliegen einer toxischen Enzephalopathie.

Schließlich liegen auch die Voraussetzungen anderer in der Gruppe 13 der Anlage zur BKV aufgeführten BKen nicht vor. Gemäß Abschnitt IV des Merkblatts zur BK Nr. 1317 fallen weitere Krankheitsmanifestationen über die Polyneuropathie und die Enzephalopathie hinaus, die bei beruflicher Einwirkung von Lösungsmitteln oder deren Gemischen entstehen können, nicht unter den Geltungsbereich dieser BK-Nummer. Es sind dies z.B. epileptische Anfälle durch Benzol, Parkinson-Syndrome durch Methanol und halluzinatorische Psychosen durch Toluol, Dichlormethan und Tetrachlorethen. Sie können ggf. unter den BK-Nummern der jeweiligen Substanzen entschädigt werden.

Keine dieser Krankheitserscheinungen sind bei der Klägerin nach den vorliegenden ärztlichen Unterlagen aufgetreten. Die bei ihr vorliegende Fibromyalgie, die zu ihrer Berentung geführt hat, ist eine Schmerzkrankheit, die nach den Darlegungen von Dr. M. einen somatischen Kern in Form von schmerzbezogenen Diagnosen des Bewegungsapparats insbesondere der Wirbelsäule hat, sich aber zunehmend zu einem Schmerzsyndrom im Sinne einer Somatisierungsstörung entdifferenziert. Eine Somatisierungsstörung gehört aber nach der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-10) zum Kapitel V "Psychische und Verhaltensstörungen" und wird unter F45.0 erfasst, wobei charakteristisch multiple, wiederholt auftretende und häufig wechselnde körperliche Symptome sind, die wenigstens zwei Jahre bestehen. Der Verlauf der Störung ist chronisch und fluktuierend und häufig mit einer langdauernden Störung des sozialen, interpersonalen und familiären Verhaltens verbunden. Die Ursachen dieser Störungen sind nicht bekannt.

Nach alledem konnte die Berufung der Klägerin keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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