L 8 Kr 11/81

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 9 Kr 55/79
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 Kr 11/81
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die Mitgliedschaft eines freiwillig (weiter-)versicherten Mitglieds bei einer gesetzlichen Krankenkasse endet gemäß § 312 Absatz 1 RVO mit Eintritt der Pflichtversicherung und Pflichtmitgliedschaft bei einer anderen Krankenkasse. Die weitere Entgegennahme von freiwilligen Beiträgen bewirkt nicht gemäß § 315 RVO die Fortdauer der freiwilligen Mitgliedschaft als formale Mitgliedschaft mit Vorrang vor der Pflichtmitgliedschaft.
2. Die während der Zeit der Pflichtversicherung und Mitgliedschaft bei der Pflichtkasse entrichteten freiwilligen Beiträge kann der Versicherte zurückfordern, gleichgültig ob der Beitragsentrichtung bindende Beitragsbescheide zugrunde liegen und Leistungen erbracht wurden.
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 28. November 1980 wird zurückgewiesen.

II. Auf die Anschlußberufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 28. November 1980 insoweit aufgehoben, als darin eine Verrechnung der zu Unrecht entrichteten Beiträge gegen die in der Zeit vom 1. Januar 1976 bis 8. Februar 1977 gewährten Leistungen vorgesehen wird.

III. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Beiträgen, die der Kläger als freiwillig weiterversicherte Mitglied in der Zeit vom 1. Januar 1976 bis 31. Dezember 1976 an die beklagte Betriebskrankenkasse (BKK) S. & F. entrichtet hat.

Der 1941 geborene Kläger war bis zum 31. Juli 1974 bei der Firma S. & F. als Ladenmetzger beschäftigt und Pflichtmitglied der Beklagten. Seit 1. August 1974 ist er in der Metzgerei seines beigeladenen Vetters W. W. beschäftigt, der Alleininhaber des Betriebes und mit diesem in die Handwerksrolle eingetragen ist. Auf Antrag vom 31. Juli 1974 wurde der Kläger bei der Beklagten gemäß § 313 Reichsversicherungsordnung (RVO) freiwillig weiterversichert. Ihm und seiner Familie wurden am 7. Mai und 9. September 1975 ärztliche Behandlung sowie am 5. Januar, 23. März/21. Mai, 15. Juni/22. Juli und 22. Juni/2. Juli 1976 Heil- und Hilfsmittel in Höhe von insgesamt 185,20 DM gewährt; für Krankenhauspflege in der Zeit vom 20. bis 24. April 1976 entstanden Kosten in Höhe von 941,– DM.

Auf Grund einer Lohnbuch- und Betriebskontrolle der Innungskrankenkasse (IKK) Frankfurt am Main vom 1. Februar 1977 wurde festgestellt, daß der Kläger ab 1. Januar 1976 mit einem Bruttogehalt von 2.170,44 DM infolge der Anhebung der Versicherungspflichtgrenze in der Krankenversicherung von 2.100,– DM auf 2.325,– DM monatlich der Krankenversicherungspflicht unterlag. Die IKK stellte dem Kläger unter dem 1. Februar 1977 eine Bescheinigung über seine Mitgliedschaft gemäß § 165 Abs. 1 Nr. 2 RVO ab 1. Januar 1976 aus und forderte vom Arbeitgeber für die zurückliegende Zeit Beiträge in Höhe von 3.210,26 DM nach. Mit am 10. Februar 1977 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben beantragte der Kläger daraufhin die Rückzahlung der ab 1. Januar 1976 gezahlten Beiträge. Die Beklagte gab dem Antrag ab Januar 1977 statt und überwies dem Kläger die über diesen Zeitpunkt hinaus entrichteten Beiträge. Für die vorausgehende Zeit lehnte sie eine Erstattung hingegen unter Hinweis auf Entscheidungen des Reichsversicherungsamtes (RVA) ab, weil bis zur schriftlichen Verweisung an die zuständige IKK eine Formalmitgliedschaft gemäß § 315 RVO bestanden habe und ihr und nicht der an sich zuständigen IKK danach die Beiträge zugestanden hätten. Außerdem sei dem Kläger kein Schaden entstanden, da er für die geleisteten freiwilligen Beiträge gemäß § 405 RVO einen Zuschuß vom Arbeitgeber erhalten habe und die nachträgliche Entrichtung der Pflichtbeiträge an die IKK allein dem Arbeitgeber obliege (formloser Bescheid vom 23. Juni 1978; Widerspruchsbescheid vom 10. April 1979, dem Kläger zugestellt am 14. April 1979).

Auf die am 9. Mai 1979 erhobene Klage, mit der der Kläger die Rückzahlung der Beiträge für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 1976 begehrte, hat das Sozialgericht (SG) Frankfurt am Main die Beklagte nach Widerruf eines Vergleichs innerhalb der Frist durch Urteil vom 28. November 1980 verurteilt, dem Kläger die seit 1. Januar 1976 wegen erloschener Mitgliedschaft zu Unrecht entrichteten Beiträge gegen Verrechnung der vom 1. Januar 1976 bis 8. Februar 1977 gewährten Leistungen zu erstatten. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Die freiwillige Mitgliedschaft habe gemäß § 312 Abs. 1 RVO ab 1. Januar 1976 kraft Gesetzes unabhängig von Kenntnis und Willen der Beteiligten wegen der vorrangigen Pflichtmitgliedschaft des Klägers bei der IKK nicht mehr beanstanden. Eine Formalmitgliedschaft gemäß § 315 RVO sei nicht zustande gekommen, weil die Vorschrift nur für versicherungspflichtige nicht aber für freiwillig weiterversicherte Mitglieder gelte.

Um die ab 1. Januar 1976 entrichteten Beiträge sei die Beklagte in entsprechender Anwendung des § 812 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu Unrecht bereichert; entsprechend § 818 Abs. 3 BGB könne sie vom Kläger indes die gewährten Leistungen zurückverlangen.

Gegen das ihr am 11. Dezember 1980 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 6. Januar 1981 Berufung eingelegt.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Kläger wegen der vom SG ausgesprochenen Verrechnung Anschlußberufung eingelegt.

Die Beklagte trägt zur Begründung ihrer Berufung vor: Nach der Entscheidung des RVA (Entscheidungen und Mitteilungen – EuM 7, 119) gelte § 315 RVO auch für den Fall der Anmeldung als freiwilliges Mitglied. Zumindest müsse die Vorschrift analog angewendet werden. § 312 RVO treffe entgegen der Auffassung des SG auf die vorliegende Problematik der Gleichzeitigkeit zweier verschiedener Mitgliedschaften nicht zu, sondern regele nur den nahtlosen Anschluß von Kassenzuständigkeiten. Außerdem sei es unzutreffend, daß eine Pflichtmitgliedschaft generell Vorrang vor einer freiwilligen Mitgliedschaft habe. Dies ergebe sich bereits aus den §§ 213, 315 RVO. Selbst wenn eine freiwillige Versicherung weder formell noch materiell bestanden habe, scheitere eine Rückabwicklung an dem allgemeinen Grundsatz, daß in der Vergangenheit abgeschlossen zurückliegende Versicherungsverhältnisse nicht nachträglich umgestaltet werden könnten. Dies habe das Bundessozialgericht (BSG) mehrfach entschieden (u.a. Urteile vom 28. Mai 1980 – 5 RKn-21/79 – und 26. Juni 1980 – 5 RKn-5/78 –) und werde durch die im vorliegenden Fall noch nicht anwendbare Vorschrift des § 26 Abs. 1 Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften (SGB 4) zusätzlich bestätigt.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 28. November 1980 aufzuheben, die Klage abzuweisen und die Anschlußberufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und im Wege der Anschlußberufung das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 28. November 1980 insoweit abzuändern, als darin eine Verrechnung der zu erstattenden Beiträge mit der für die Zeit vom 1. Januar 1976 bis 8. Februar 1977 gewährten Leistungen vorgesehen wird.

Entgegen der Auffassung der Beklagten habe das SG die §§ 315, 312 RVO zutreffend ausgelegt. Der Hinweis auf § 26 SGB 4 gehe fehl, da hier das Verbot der Doppelversicherung im Vordergrund stehe mit der Folge, daß die Beklagte zur Vermeidung einer doppelten Beitragsbelastung des Klägers zur Rückerstattung verpflichtet sei.

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf der übrigen Akteninhalt, insbesondere auf den der Kassenakte der Beklagten und der IKK F., die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 149 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig. Sie ist im Gegensatz zu der gemäß § 202 SGG i.Verb.m. §§ 521, 522 Zivilprozeßordnung (ZPO) zulässigen unselbständigen Anschlußberufung des Klägers jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht entschieden, daß der Kläger Anspruch auf Rückerstattung der für die Zeit vom 1. Januar 1976 bis 31. Dezember 1976 an die Beklagte entrichteten Beiträge hat.

Nach § 26 Abs. 1 Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften – (SGB 4), der am 1. Juli 1977 in Kraft getreten ist (vgl. Art. II § 21 Abs. 1 SGB 4), sind zu Unrecht entrichtete Beiträge zu erstatten, es sei denn, daß der Versicherungsträger bis zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs auf Grund dieser Beiträge oder für den Zeitraum, für den die Beiträge entrichtet worden sind, Leistungen erbracht oder zu erbringen hat. Ob diese Vorschrift für Rückforderungsansprüche nicht gilt, die – wie hier – Zeiträume vor ihrem Inkrafttreten betreffen und beim Versicherungsträger auch vor dem 1. Juli 1977 geltend gemacht worden sind (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts – BSG – vom 28. Mai 1980 – 5 Rkn-21/79 –), oder ob für ihren Anwendungsbereich z.B. auf den Zeitpunkt der Klageerhebung abzustellen ist (vgl. Urteil des BSG vom 13. Juli 1978 – 8/3 RK-37/77 –), kann dahinstehen. Denn sowohl bei Anwendung des § 26 SGB 4 wie auch nach dem schon zuvor im Krankenversicherungsrecht für Ansprüche des einzelnen gegen einen öffentlich-rechtlichen Leistungsträger anerkannten allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch (BSG, SozR § 160 RVO Nr. 20; Urteile vom 13. Juli 1978 und 28. Mai 1980, a.a.O. und vom 26. Juni 1980 – 5 Rkn-5/78 –) ist das Begehren des Klägers begründet. Grundgedanke ist jeweils, daß ungerechtfertigte Vermögensverschiebungen, u.a. ohne rechtlichen Grund erbrachte Beitragszahlungen im Rahmen öffentlich-rechtlicher Rechtsbeziehungen grundsätzlich wieder rückgängig werden sollen, sofern besondere Gründe der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes nicht entgegenstehen. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.

Die Beitragsentrichtung für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 1976 war rechtswidrig. Denn in dieser Zeit hat eine Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten als Grundlage einer Beitragspflicht nicht mehr bestanden. Ab 1. Januar 1976 unterlag der Kläger der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung gemäß § 165 Abs. 1 Nr. 2 RVO, da das regelmäßige Arbeitsentgelt aus der abhängigen Beschäftigung als Metzgermeister in dem Betrieb seines Vetters mit 2.110,44 DM unter der von 2.100,– DM im Jahre 1975 auf 2.325,– DM für das Jahr 1976 angehobenen Krankenversicherungspflichtgrenze lag. Da der Beschäftigungsbetrieb in die Handwerksrolle eingetragen und zugleich die Mitgliedschaft bei einer Trägerinnung der IKK Frankfurt am Main gegeben war, gehörte der Kläger damit anstelle der örtlich zuständigen Allgemeinen Ortskrankenkasse – AOK – (§ 234 Abs. 1 RVO) ab 1. Januar 1976 der IKK Frankfurt am Main als Pflichtmitglied an (§§ 250 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1, 306 Abs. 1 RVO). Eine Zuständigkeit der Beklagten BKK zur Durchführung dieser Pflichtversicherung war jedenfalls nicht gegeben (§ 4 der Satzung vom 10. Juni 1975, § 245 Abs. 3 RVO). Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, war für eine freiwillige Versicherung und eine sich darauf gründende Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten anstelle der Pflichtversicherung oder neben dieser kein Raum. Die Pflichtversicherung und damit die Mitgliedschaft bei der Pflichtkasse tritt mit Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen ein, ohne Rücksicht darauf, ob z.B. eine Meldung bei der zuständigen Pflichtkasse erfolgt und Beiträge gezahlt werden oder nicht. Ihre Entstehung kann insbesondere auch nicht durch eine freiwillige Versicherung gehindert werden (vgl. Urteil des BSG vom 22. Januar 1981 – 8/8 a RK-12/79 –). Diese endet vielmehr ihrerseits außer z.B. bei Tod (§ 312 Abs. 2 Nr. 1 RVO) und Zahlungsverzug (§ 314 RVO) regelmäßig auch bei Begründung einer Pflichtversicherung. Das folgt einmal daraus, daß die Berechtigung zur freiwilligen Versicherung (§§ 176, 176 a RVO) oder freiwilligen Weiterversicherung (§ 313 RVO) voraussetzt, daß eine Pflichtversicherung nicht besteht. Deren Vorrang vor einer freiwilligen Versicherung bei einer gesetzlichen Krankenkasse ist ferner als Grundsatz aus § 312 Abs. 1 RVO zu entnehmen, wonach die Mitgliedschaft bei einer Krankenkasse erlischt, sobald der Versicherte Mitglied einer anderen Kasse wird. Denn der Begriff "Versicherter” in § 312 Absatz 1 RVO umfaßt alle Versicherten, sowohl die Versicherungspflichtigen als auch die Versicherungsberechtigten und die freiwillig Weiterversicherten. Das wird durch die im Gegensatz dazu unterschiedlichen Regelungen über den Beginn der Mitgliedschaft (§ 306 und § 310 RVO) deutlich und entspricht dem allgemeinen Sprachgebrauch der RVO (vgl. z.B. §§ 206 bis 208 RVO; so im Ergebnis auch RVA in AN 1942, S. 108; Landessozialgericht – LSG – Schleswig-Holstein in Breithaupt 1975, S. 559; LSG Nordrhein-Westfalen in KVRS 5310/8; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 9. Aufl., Bd. II, S. 339; Peters, Handbuch der Sozialversicherung, Teil II/3, Anm. 3 zu § 312; nicht abschließend Urteil des BSG vom 22. Januar 1981 – 8/8 a RK – 12/79). Damit ist klargestellt, daß eine Doppelversicherung gleich welcher Art bei mehreren gesetzlichen Krankenkassen im Sinne des § 225 RVO oder auch bei einer einzigen Krankenkasse grundsätzlich nicht stattfindet (Peters, a.a.O., Teil II/3, Anm. 2–5 zu § 312; Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Anm. 3 zu § 312, vgl. auch BSGE 42, 64). § 309 RVO zeigt ebenfalls, daß regelmäßig nur eine Kasse zuständig sein kann, bei der auch nur eine Versicherung möglich ist. Eine "Höhenversicherung” kennt die gesetzliche Krankenversicherung nicht. Eine Ausnahme ist nur in der Weise möglich, daß neben der Pflichtversicherung bei einer gesetzlichen Krankenkasse eine freiwillige Versicherung bei einer Ersatzkasse durchgeführt wird (vgl. §§ 507 Abs. 3, 517 Abs. 1 RVO; BSG SozR § 517 RVO Nr. 9; SozR § 507 RVO Nr. 2; 2200 § 165 Nr. 13; 4100 § 155 Nr. 5; Urteile vom 17. März 1981 12 RK-18/80 – und vom 22. Januar 1981 – 8/8 a RK-12/79 –). Darüber hinaus könnte ein Nebeneinander von Pflicht- und freiwilliger Versicherung allenfalls noch erwogen werden, wenn zwei versicherungsrechtlich relevante Tatbestände nebeneinander bestehen und der eine Versicherungspflicht und der andere Versicherungsberechtigung begründet. Ein solcher Fall ist hier jedoch nicht gegeben.

Zu Unrecht meint die Beklagte, daß ab 1. Januar 1976 eine formale Versicherung gemäß § 213 RVO und eine formale Mitgliedschaft gemäß § 315 RVO fortbestanden habe, weil sie ununterbrochen und unbeanstandet für mehr als 3 Monate weiterhin freiwillige Beiträge entgegengenommen hat. Schon der Umstand, daß die freiwillige Weiterversicherung des Klägers bei der Beklagten und die darauf gestützte Mitgliedschaft durch die Pflichtversicherung und Mitgliedschaft bei der Pflichtkasse verdrängt bzw. zum Erlöschen gebracht wurden, schließt es grundsätzlich aus, daß auf Grund der früheren Anzeige der Weiterversicherung nunmehr eine formale Versicherung und Mitgliedschaft mit Vorrang vor der Pflichtversicherung fortbestehen bzw. begründet werden konnte (vgl. auch RVA in AN 1942, S. 108). Tatsächlich kommt eine formale Versicherung nach § 213 RVO auch nur zustande, wenn weder Versicherungspflicht noch Versicherungsberechtigung besteht, der Betroffene also nicht Mitglied einer Krankenkasse werden kann. Dementsprechend werden nach § 213 RVO auch nur Leistungsansprüche, nicht aber Mitgliedschaftsrechte und -pflichten erworben (RVA in AN 1936, S. 111; ESG, SozR § 213 RVO Nr. 1; Urteil vom 8. Mai 1980 – Sa RK-11/79 –). Dies ist nur nach § 313 RVO möglich, wonach eine Kasse, wenn sie für einen Versicherungspflichtigen nach vorschriftmäßiger Anmeldung 3 Monate ununterbrochen und unbeanstandet Beiträge angenommen hat, diesen mindestens bis zum Tag der schriftlichen Verwendung an eine andere Kasse als Mitglied anzuerkennen hat, solange sich sein Beschäftigungsverhältnis nicht ändert. Die Wirkung der Vorschrift besteht zwar darin, daß die Kasse den Versicherungspflichtigen als Mitglied zu behandeln und dieser umgekehrt dieses Verhältnis gelten zu lassen hat. Weitere Folge ist, daß während der Dauer der Formalmitgliedschaft nach § 315 RVO der Versicherte nicht zugleich als Mitglied einer anderen Kasse angesehen werden kann, also Beiträge an die an sich zuständige Kasse nicht zu leisten hat und von dieser keine Leistungen verlangen kann. Ebensowenig bestehen Ersatzansprüche der Kasse wegen der erbrachten Leistungen gegen die eigentlich verpflichtete Kasse (vgl. Peters, a.a.O., Teil II/3, Anm. 5 zu § 315; Brackmann, a.a.O., Bd. II, S. 340 a; RVA in AN 1916, S. 586; Urteil des BSG vom 8. Mai 1980 – 8 a RK-11/79 –). § 315 RVO regelt jedoch nur die Kassenzuständigkeit bei bestehender Pflichtversicherung in bezug auf diese Versicherung. Als Folge der irrtümlichen Durchführung der Pflichtversicherung mit entsprechender Beitragszahlung bei einer unzuständigen Kasse wird eine formale Pflichtmitgliedschaft bei dieser Kasse statt bei der zuständigen Kasse angenommen. Dieser begrenzte Anwendungsbereich der Bestimmung ergibt sich eindeutig daraus, daß sie die vorschriftsmäßige Anmeldung des Versicherungspflichtigen, d.h. die Anmeldung durch den Arbeitgeber gemäß § 317 RVO mit Bezug auf ein bestehendes versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis voraussetzt und hinsichtlich der Dauer der Formalversicherung an dessen Fortbestehen anknüpft (vgl. auch RVA in AN 1942, S. 108; Brackmann, a.a.O., Bd. II, S. 340). Ob § 315 über seinen Wortlaut hinaus auch anzuwenden ist, wenn der Versicherungspflichtige nach ursprünglich sachlich richtiger Anmeldung infolge einer Änderung des Beschäftigungsverhältnisses Mitglied einer anderen Kasse wird, ohne sich abzumelden und die bisher zuständige Kasse unbeanstandet Beiträge für mindestens 3 Monate entgegengenommen hat (so Peters, a.a.O., Teil II/3, Anm. 4 b zu § 315; Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Anm. 3 zu § 315), kann hier dahinstehen. Denn im vorliegenden Fall geht es weder um die Begründung einer formalen Pflichtmitgliedschaft bei einer unzuständigen Kasse noch um die Fortführung einer zunächst ordnungsgemäßen Pflichtmitgliedschaft als formale Mitgliedschaft bei einer unzuständig gewordenen Kasse wegen der weiteren Entgegennahme von Pflichtbeiträgen. Bei freiwilligem Beitritt zur Kasse (§ 310 Abs. 1 i.Verb.m. § 176 Abs. 1 RVO) oder bei Anzeige der freiwilligen Weiterversicherung (§ 313 Abs. 1 und 2 RVO), wie sie hier gegenüber der Beklagten erfolgte, und einer dementsprechend durchgeführten freiwilligen Versicherung kommt naturgemäß nur eine formale freiwillige Mitgliedschaft in Betracht. Eine solche kann nach § 315 RVO aber nicht entstehen, weil die Anmeldung als freiwilliges Mitglied nicht ausreicht. Das gilt für den Fall, daß die Versicherungsberechtigung an sich gegeben und nur die angegangene Kasse unzuständig ist (vgl. RVA in AN 1936, S. 111; Brackmann, a.a.O., Bd. II, S. 340; Peters, a.a.O., Teil II/3, Anm. 3 zu § 315) und erst recht dann, wenn es an den Voraussetzungen zur Durchführung einer freiwilligen Versicherung wegen einer bestehenden vorrangigen Pflichtversicherung überhaupt fehlt. Der Wortlaut des § 315 RVO bietet keinerlei Anhalt dafür, daß die Rechtsfolge einer Formalmitgliedschaft bei einer Kasse auf Grund freiwilligen Beitritts oder freiwilliger Weiterversicherung und Entgegennahme von Beiträgen gerade dann bzw. nur dann eintreten kann, wenn tatsächlich Versicherungspflicht bestand oder nachträglich begründet wurde (so noch RVA in EuM Bd. 7 S. 119, unter Berücksichtigung der Übergangszeit vom Krankenversicherungsgesetz zur RVO; anders bereits RVA in AN 1942, S. 108). Auch für die von der Beklagten gewünschte entsprechende Anwendung ist kein Raum, weil sie über die Zwecksetzung des § 315 RVO, – lediglich – die Kassenzuständigkeit für eine bestehende Pflichtversicherung auf Grund eines bestehenden Beschäftigungsverhältnisses zu regeln, weit hinausginge. Die Vorschrift begründet weder eine eigenständige Versicherung noch dient sie der Lösung von Konkurrenzproblemen zwischen verschiedenen Versicherungen. Sie kann auch deshalb nicht Grundlage dafür sein, einer irrtümlich angenommenen freiwilligen Versicherung und Mitgliedschaft neben einer Pflichtversicherung und Mitgliedschaft bei einer Pflichtkasse Geltung zu verschaffen und ihr entgegen § 312 Abs. 1 RVO vorrangig vor dieser bis zur schriftlichen Verweisung Endgültigkeit beizulegen.

Die ihr danach mangels des Bestehens einer Mitgliedschaft nach objektivem Recht nicht zustehenden Beiträge für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 1976 hat die Beklagte dem Kläger auch zurückzuerstatten. Dabei kann dahinstehen, ob die Beiträge nur "schlicht” erhoben wurden oder ob bindend gewordene (§ 77 SGG) Beitragsbescheide zugrunde liegen, die einen eigenständigen, von den Beitragsvorschriften losgelösten Verpflichtungsgrund darstellen. Denn der Kläger hat ggf. auch Anspruch auf Beseitigung einer bescheidmäßigen Beitragsfestsetzung. Dem können weder Gründe der Rechtssicherheit noch das Argument entgegengehalten werden, daß ein in der Vergangenheit abgeschlossen zurückliegendes Versicherungsverhältnis nicht rückwirkend umgestaltet und insbesondere nachträglich keiner Änderung des Versicherungswagnisses ausgesetzt werden darf (vgl. hierzu BSGE 47, 211; SozR § 160 RVO Nr. 20; Urteile vom 28. Mai 1980 – 5 RKn-21/79 –; 26. Juni 1980 – 5 RKn-5/78 – und 16. Dezember 1980 – 3 RK-18/79 –). Denn das Gesetz verlangt hier eine nachträgliche Korrektur. Das folgt daraus, daß mit Eintritt der Versicherungspflicht und Mitgliedschaft des Klägers bei der Pflichtkasse kraft Gesetzes eine nichtabdingbare Beitragspflicht und der Anspruch auf die gesetzlich vorgesehenen Leistungen begründet wurden (Urteil des BSG vom 22. Januar 1981 – 8/8 a RK-12/79 –) und die Rechte und Pflichten aus der Pflichtversicherung deshalb – wenn auch nachträglich – zu erfüllen sind. Von der Durchführung einer Pflichtversicherung kann allenfalls dann abgesehen werden, wenn sie rückwirkend in Kraft gesetzt wird und der Versicherte überhaupt keine Möglichkeit hatte, sich darauf einzustellen. Ist aber das am 1. Januar 1976 wirksam gewordene Pflichtversicherungsverhältnis des Klägers bei der Pflichtkasse richtig zu stellen, so ist zur Vermeidung einer doppelten Beitragsentrichtung und Leistungsgewährung im Rahmen der gesetzlichen Voraussetzungen insgesamt möglichst weitgehend der Zustand herzustellen, der bestanden hätte, wenn von Anfang an Klarheit über die Begründung der Pflichtversicherung und der daraus resultierenden Beendigung der freiwilligen Versicherung und Mitgliedschaft bei der Beklagten geherrscht hätte. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn das Gesetz der objektiv rechtswidrigen freiwilligen Versicherung gleichwohl Endgültigkeit beimessen wollte. Das hat – wie dargelegt wurde – wegen des Vorrangs der Pflichtversicherung und des Verbots einer Doppelversicherung aber gerade nicht der Fall und zwar weder hinsichtlich der Beiträge noch hinsichtlich der von der Beklagten erbrachten Leistungen. Denn auch diese entbehren einer Rechtsgrundlage in Form einer bestehenden – formalen – Mitgliedschaft oder zumindest einer formalen Versicherung nach § 213 RVO. Die Rückforderung der Leistungen bzw. des entsprechenden Geldbetrages vom Versicherten wird zwar regelmäßig nicht möglich sein; die zur Leistung nicht verpflichtete Kasse, die einem berechtigten Dritten anstelle des verpflichteten Krankenversicherungsträgers Leistungen erbracht hat, hat jedoch gegenüber der zuständigen Kasse einen Anspruch auf Erstattung. Das ergibt sich aus entsprechenden speziellen gesetzlichen Vorschriften (vgl. z.B. § 160 Abs. 2 Arbeitsförderungsgesetz – AFG –) und ist von der Rechtsprechung darüber hinaus allgemein anerkannt, sofern § 315 RVO nicht eingreift (BSGE 6, 197; Urteile vom 8. Mai 1980 – 8 a RK-11/79 – und 22. Januar 1981 – 8/8 a RK-12/79 –; Peters, a.a.O., Teil II/1, Vorbemerkung zu § 179 Anm. 2, S. 17/217 und 218). Dabei kann sich der zuständige Versicherungsträger gegenüber dem Erstattungsanspruch ggf. auch nicht auf das Verbot der Rückabwicklung bereits abgeschlossener Versicherungsverhältnisse berufen (Urteil des BSG vom 22. Januar 1981, a.a.O.). Mit Rücksicht auf diese Ausgleichsmöglichkeit steht die Tatsache, daß dem Kläger von der Beklagten Leistungen gewährt wurden, einer Beitragsrückerstattung ebenfalls nicht entgegen. Dies gilt bei Anwendung allgemeiner Grundsätze und der Vorschrift des § 26 SGB 4 gleichermaßen (vgl. Jahn, SGB, Komm., Anm. 3.1 zu § 26). Schließlich scheitert der Anspruch des Klägers auch nicht daran, daß in Fällen der vorliegenden Art – entsprechend z.B. § 316 RVO – hinsichtlich der Leistungen und Beiträge nur ein Ausgleich zwischen den Versicherungsträgern in der Weise stattfinden kann, daß die unzuständige Kasse vom Erstattungsanspruch gegen die zuständige Kasse die entgegengenommenen Beiträge in Abzug bringt. Das setzte eine fehlende Berechtigung der zuständigen Kasse, Beiträge vom eigentlichen Schuldner zu verlangen, sowie die Identität von Beitragsschuld und Beitragsschuldner voraus. Alles dies trifft auf den Fall eines Nebeneinanders von Pflichtversicherung und einer zu Unrecht durchgeführten freiwilligen Versicherung nicht zu. Vielmehr kann die zuständige Pflichtkasse vom Arbeitgeber die Pflichtbeiträge verlangen, wie es hier auch bereits geschehen ist, während die Beklagte die auf die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 1976 entfallenden und im Zeitpunkt der Geltendmachung des Erstattungsanspruchs auch noch nicht verjährten freiwilligen Beiträge zurückzuzahlen hat (so auch RVA in AN 1946, S. 108).

Diese Beiträge kann der Kläger auch in voller Höhe verlangen, da allein er sie getragen hat (§ 381 Abs. 3 Satz 1 RVO; § 26 Abs. 2 SGB 4; vgl. auch Brackmann, a.a.O., Bd. II, S. 376 c). Daß ein Anspruch auf Beitragszuschuß gegen den Arbeitgeber bestand (§ 405 RVO), ändert daran nichts. Hierbei handelt es sich nur um das Zuführen einer gesetzlich vorgesehenen Leistung in das Vermögen des freiwillig Versicherten, die allein das Innenverhältnis zum Arbeitgeber betrifft. Ob der Kläger den Beitragszuschuß an den Arbeitgeber zurückzuzahlen hat oder nicht und ferner mit dem Arbeitnehmeranteil der Pflichtbeiträge belastet werden kann, ist entgegen der Auffassung der Beklagten für die Beurteilung ihrer Rückerstattungspflicht völlig unerheblich. Entscheidend dafür ist allein, daß ihr die Beiträge nicht zustehen und sie darum mit Rücksicht auf die Möglichkeit, wegen der erbrachten Leistungen entschädigt zu werden, ungerechtfertigt bereichert ist.

Nach alledem konnte die Berufung der Beklagten keinen Erfolg haben, da das angefochtene Urteil des SG in dem sie beschwerenden Umfang zutreffend ist. Die der Beklagten in dem Urteil gestattete Verrechnung der in der Zeit vom 1. Januar 1976 bis 8. Februar 1977 gewährten Leistungen mit dem Beitragserstattungsbetrag, die für den Kläger eine teilweise Abweisung seiner Klage bedeutet, kommt indes nicht in Betracht. Dies schon deshalb nicht, weil es an einer entsprechenden Verwaltungsentscheidung der Beklagten fehlt. Die Beklagte hat weder die Leistungen bzw. ihren Geldwert vom Kläger angefordert noch eine Verrechnung oder Aufrechnung erklärt. Eine rechtliche Verknüpfung dergestalt, daß die Beiträge nur Zug um Zug gegen Rückgewähr der Leistungen zurückzuerstatten sind, gibt es nicht, wie oben ausgeführt wurde. Die Beklagte wird selbst zu überlegen haben, ob und ggf. von wem sie wegen der Leistungen Erstattung verlangen will. Im vorliegenden Verfahren ist darüber nicht zu entscheiden.

Auf die Anschlußberufung des Klägers mußte deshalb das Urteil des SG in diesem Umfang aufgehoben werden.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Zulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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