L 11 KR 106/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 3697/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 106/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 29. September 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Beiträge, die der selbständig tätige Kläger für seine freiwillige Krankenversicherung zu zahlen hat.

Der 1967 geborene Kläger ist bei der Beklagten seit 01.10.2002 ohne Anspruch auf Krankengeld freiwillig krankenversichert. In seiner Mitgliedschaftserklärung vom 30.07.2002 gab er an, er sei selbständiger Künstler und aus der Pflichtversicherung ausgeschieden. Seine Bruttoeinnahmen beliefen sich auf 1.758,75 EUR. Mit dem Einkommensfragebogen vom 29.10.2003 legte der Kläger den Einkommensteuerbescheid für 2002 vom 24.07.2003 vor (Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit = 3.534,- EUR, Bruttoarbeitslohn aus nichtselbständiger Arbeit = 2.304,- EUR).

Mit Schreiben vom 08.09.2004 wandte sich der Kläger unter Beifügung des Einkommensteuerbescheides für 2003 (Einkünfte aus Gewerbebetrieb = - 3.377,- EUR, aus selbständiger Arbeit = 11.468,- EUR, Bruttolohn aus nichtselbständiger Arbeit = 2.925,- EUR) gegen die Beitragsbemessung. Er habe im Jahr 2003 insgesamt 3.341,52 EUR an Kranken- und Pflegeversicherung (KV und PV) gezahlt. Hierbei sei ihm ein Einkommen von 21.420,- EUR unterstellt worden. Tatsächlich habe er aber nur 11.016,- EUR brutto verdient, was bei der Beitragsbemessung zu berücksichtigen sei. Die zuviel bezahlten Beiträge in Höhe von 1.623,03 EUR seien zu erstatten.

Mit Bescheid vom 18.10.2004 lehnte die Beklagte eine Erstattung der Beiträge ab, da 2003 mindestens ein Beitrag aus 1.785,- EUR zu entrichten gewesen sei. Nach § 240 Abs. 4 Satz 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) sei für freiwillige Mitglieder, die hauptberuflich selbständig erwerbstätig seien, eine Mindestbeitragbemessungsgrenze heranzuziehen, aus welcher der monatliche Beitrag berechnet werde. Die Mindestbeitragsbemessungsgrenze errechne sich aus dem 40. Teil der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Die Bezugsgröße habe 2003 2.380,- EUR und der 40. Teil daraus 59,50 EUR betragen. Auf den Monat hochgerechnet (multipliziert mit 30 Kalendertagen) sei eine monatliche Beitragsbemessungsgrenze in Höhe von 1.785,- EUR für das Jahr 2003 maßgeblich. Dieses Entgelt müsse nach § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V mindestens zur Beitragsberechnung herangezogen werden, auch wenn die tatsächlichen Einnahmen geringer seien.

Zur Begründung seines dagegen erhobenen Widerspruchs machte der Kläger geltend, er sei im Jahr 2003 weniger als 18 Stunden wöchentlich selbständig tätig gewesen. Hinzu kämen Einnahmenausfälle infolge von ausbleibenden Honoraren wegen Ferien. Sein Bruttoeinkommen im selbständigen (freiberuflich und gewerblich) Bereich belaufe sich auf 674,25 EUR im Monat. Damit sei er im Jahr 2003 Teilzeit-selbständig gewesen. Er bitte deswegen um rückwirkende Umstellung des Jahres 2003 auf Teilzeit-Selbständigkeit und Überweisung des Differenzbetrages. Die Gesetzgebung hinsichtlich der §§ 240 Abs. 4 SGB V und 18 SGB IV könne er nicht akzeptieren, da diese sozial ungerecht sei und sich existenzvernichtend auswirke.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25.11.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie erläuterte, dass hauptberuflich eine selbständige Tätigkeit dann sei, wenn sie von der wirtschaftlichen Bedeutung und dem zeitlichen Aufwand her die übrigen Erwerbstätigkeiten zusammen deutlich übersteige und den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit darstelle. Merkmal für eine hauptberuflich ausgeübte selbständige Tätigkeit könne u.a. der zeitliche Umfang der selbständigen Tätigkeit sein. Von daher sei eine selbständige Tätigkeit dann als hauptberuflich anzusehen, wenn sie mindestens 18 Stunden in der Woche umfasse. Bei geringerem Zeitaufwand als wöchentlich 18 Stunden sei die Annahme einer hauptberuflichen selbständigen Tätigkeit dann nicht ausgeschlossen, wenn die daraus erzielten Einnahmen die Hauptquelle zur Bestreitung des Lebensunterhalts bildeten. In diese Beurteilung seien selbständige Tätigkeiten als land- und forstwirtschaftliche Unternehmer oder als Künstler oder Publizist mit einzubeziehen. Eine Teilselbständigkeit könne trotz Unterschreitens der 18-Stunden-Grenze bei dem Kläger nicht angenommen werden, da die selbständige Tätigkeit für ihn als Alleinstehender die Haupteinnahmequelle zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes darstelle. Eine Reduzierung der Einnahmen auf die allgemeine Mindeststufe (2003 = 793,33 EUR) scheide deswegen aus. Ein Unterschreiten der Mindeststufe nach § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V für hauptberuflich selbständige Erwerbstätige sei nach der Rechtsprechung nicht sachgerecht. Auch verfassungsrechtlich sei die besondere Mindestbemessungsgrundlage für freiwillig versicherte Selbständige nicht zu beanstanden. Der Widerspruchsbescheid enthält eine Rechtsbehelfsbelehrung ohne Benennung der Klagefrist.

Mit seiner dagegen beim Sozialgericht Ulm (SG) am 23.11.2005 erhobenen Klage machte der Kläger geltend, die in dem Widerspruchsbescheid angegebenen Gesetze, insbesondere § 240 SGB V, seien nicht mehr verfassungsgemäß, da diverse Gesetze geschaffen worden seien, die zu einer Ungleichbehandlung geführt hätten. Bevorzugt würden die Ich-AG’s, da diese einen niedrigeren Krankenversicherungsbeitrag zahlten. Die Gesetzgebung unterstelle jedem Unternehmer, dass er sich mit Ausgaben auf ein niedriges Einkommen herunterrechnen könne. Dies sei eine unzulässige Verallgemeinerung, da nicht jeder Kleinunternehmer Ausgaben habe, die er gegenüber Bruttoeinnahmen ansetzen könne. Auch seien die betrieblichen Ausgaben als Begründung mehr als fragwürdig. Somit sei das Argument, einen hohen Mindestbeitrag zu zahlen, nicht haltbar. Das Gesetz lasse gezielt außer Acht, dass die Bruttoeinkünfte nachweislich niedriger sein könnten als die Bezugsgröße von 1.785,- EUR und trotzdem dürfe die Bezugsgröße als Grundlage dienen. Auch dies sei verfassungsrechtlich nicht legitim, da die Gruppe der Kleinunternehmer gegenüber allen anderen Einkommensgruppen, deren tatsächliches Bruttoeinkommen ausschließlich als Bezugsgröße diene, benachteiligt würde. § 240 SGB V lasse auch außer Acht, dass es Kleinunternehmer gebe, die hinsichtlich der Rente der Solidargemeinschaft bedürften, also in die Rentenversicherung einzahlen müssten. Bei monatlichen Bruttoeinkünften von ca. 1.000,- EUR bleibe für Rentenrücklagen nicht viel übrig, insofern greife § 240 SGB V in das verfassungsrechtlich garantierte Recht auf Bildung von Eigentum ein. Fragwürdig sei auch das Argument, dass Unternehmer grundsätzlich nicht der Solidargemeinschaft bedürften, da sie unternehmerisches Risiko betreiben würden, denn bei nicht garantierten monatlichen Einkünften stelle sich die Frage, wer tatsächlich der Solidargemeinschaft bedürfe. Auch ein Arbeitnehmer, der 401,- Euro verdiene und damit krankenversicherungspflichtig sei, verursache im Übrigen ein Minimum an Kosten. Das bisherige Urteil des Bundesverfassungsgerichts sei aufgrund der neuen Gesetze nicht mehr haltbar, auch sei es in sich selbst sehr unlogisch begründet.

Mit Urteil vom 29.09.2006, dem Kläger mit Zustellungsurkunde zugestellt am 28.11.2006, wies das SG die Klage mit der Begründung ab, der Kläger habe keinen Anspruch darauf, im Hinblick auf seine Beitragszahlung nur mit seinem tatsächlich erzielten Einkommen herangezogen zu werden. Das Gesetz schreibe bei hauptberuflich Selbständigen und freiwillig Versicherten zwingend die Einstufung nach der Mindesteinnahme des § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V bei Selbständigen vor. Insoweit handle es sich um eine Mindestbemessung, die nicht in das Ermessen der Beklagten gestellt sei. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und zahlreicher Landessozialgerichte wie auch des Bundesverfassungsgerichts sei die gesetzlich festgelegte Mindesteinnahmegrenze für die Beitragsbemessung hauptberuflich Selbständiger in der gesetzlichen Krankenversicherung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz und dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutzprinzip vereinbar. Eine unterschiedliche Behandlung im Verhältnis zu sonstigen freiwillig Versicherten und zu Pflichtversicherten sei sachlich aus Gründen der Beitragsgerechtigkeit und Verwaltungspraktikabilität nicht gerechtfertigt. Auch eine Härtefallregelung für Selbständige mit geringerem Einkommen sei verfassungsrechtlich nicht geboten. Dieser höchst- und höhergerichtlichen Rechtsprechung und den dortigen Argumenten schließe sich die Kammer an.

Hiergegen hat der Kläger am 27.12.2006 beim SG Berufung eingelegt. Er wiederholt und vertieft im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen bezüglich der Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung. § 240 SGB V treffe vor allem diejenigen, deren Einnahmen ohne gegengerechnete Ausgaben, Abschreibungen und Werbungskosten die Mindestbeitragsbemessungsgrenze nicht einmal übersteigen würden. Dies sei Willkür und sozial unverhältnismäßig. Das Gesetz verstoße auch gegen den Gleichheitsgrundsatz aufgrund der unterschiedlichen Behandlung von Selbständigen. Für Künstler, die nach dem Gesetz ebenfalls als Selbständige zu betrachten und die bei der Künstlersozialkasse versichert seien, gebe es keine Mindestbeitragsbemessung. Auch Land- und Forstwirte zahlten keinen Mindestbeitrag, während andere Selbständige (Gewerbetreibende, Freiberufler) selbst dann den anhand der Mindestbeitragsbemessungsgrenze berechneten Mindestbeitrag zahlen müssten, wenn ihre Bruttoeinnahmen unter, ja weit unter der Mindestbeitragsbemessungsgrenze liegen würden. Außerdem bestehe eine Ungleichbehandlung gegenüber Nichtselbständigen, die nicht mit dem Steuerrecht begründet werden könne. Der Nichtselbständige zahle nicht Steuern auf die gesamten ihm gewährten Zuwendungen, sondern nur auf den "Bruttolohn". Der Selbständige dagegen zahle die vollen 100 % auf den Ertrag, den er erwirtschaftet habe. § 240 Abs. 4 SGB V benachteilige außerdem Selbständige, die weder Künstler, Publizisten noch Forst- oder Landwirte wären, gegenüber Empfängern von Sozialhilfe (jetzt Hartz IV), denn diese seien gesetzlich krankenversichert. Ein Unternehmerrisiko hätten auch Künstler, Publizisten und Forst- und Landwirte. Schließlich resultiere aus der gesetzlichen Regelung eine Benachteiligung gegenüber Staatsbürgern anderer Länder.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 29. September 2006 aufzuheben, den Bescheid vom 18. Oktober 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. November 2004 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die Beiträge zu seiner freiwilligen Versicherung analog zum Künstlersozialversicherungsgesetz nach den Nettoeinnahmen zu berechnen und zuviel entrichtete Beiträge zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid und die Darlegungen im angefochtenen Gerichtsbescheid.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig und insbesondere statthaft im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG, da das Begehren des Klägers einen Zeitraum von mehr als ein Jahr umfasst. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Da der Widerspruchsbescheid mit einer unvollständigen Rechtsmittelbelehrung versehen war, galt die einjährige Klagefrist (§ 66 SGG), die der Kläger gewahrt hat. Das SG hat die Klage gleichwohl zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, weil die Beitragsberechnung der Beklagten ab 01.10.2002 nach § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V nicht zu beanstanden ist und verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Vorschrift nicht bestehen.

Der Senat teilt in vollem Umfang die in den Gründen des angefochtenen Urteils dargestellte Rechtsauffassung des SG und nimmt hierauf gemäß § 153 Abs. 2 SGG zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.

Gemäß § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V gelten für freiwillige Mitglieder, die hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind, als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag der 30. Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (§ 223), bei Nachweis niedrigerer Einnahmen jedoch mindestens der 40. Teil der monatlichen Bezugsgröße. Für die Beitragsberechnung in der Pflegeversicherung sind die Grundsätze der Krankenversicherung entsprechend anzuwenden (§ 57 Abs. 4 Elftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB XI). Danach hat die Beklagte den Beitrag des Klägers rechnerisch zutreffend festgesetzt, was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist. Für die vom Kläger begehrte Beitragsreduzierung besteht keine gesetzliche Grundlage. Es handelt sich um eine Mindestbemessung, die nicht in das Ermessen der Beklagten gestellt ist. Das Gesetz in den bis 31.03.2007 gültigen Fassungen schreibt mit Ausnahmen bei Ansprüchen auf einen monatlichen Existenzgründungs (ab Januar 2003) - oder Gründungszuschuss (ab August 2006) und Ausnahme des hier nicht einschlägigen § 240 Abs. 4 a SGB V bei hauptberuflich selbständigen und freiwillig Versicherten zwingend die Einstufung nach der Mindesteinnahme des § 240 Abs. 4 Satz 2 bei Selbständigen vor.

Beim Kläger ist § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V anzuwenden. Er ist i.S. dieser Vorschrift und i.S. des § 5 Abs. 5 SGB V hauptberuflich selbständig erwerbstätig. Hauptberuflich ist eine selbständige Tätigkeit dann, wenn sie von der wirtschaftlichen Bedeutung und dem zeitlichen Aufwand her die übrigen Erwerbstätigkeiten zusammen deutlich übersteigt und den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit darstellt (so die Begründung in BT-Drucks. 11/2237 S. 160). Eine Erwerbstätigkeit ist auf Gewinnerzielung gerichtet. Fehlt es an messbaren Vergleichskriterien bezüglich des Zeitaufwandes, ist von einer hauptberuflichen selbständigen Erwerbstätigkeit auszugehen, wenn die daraus erzielten Einnahmen entscheidend zur Bestreitung des Lebensunterhalts beitragen und der zeitliche Umfang einschließlich aller Vor- und Nacharbeiten wenigstens 18 Wochenstunden in Anspruch nimmt. Maßgeblich sind letztlich die tatsächlichen Verhältnisse und die Bedeutung der Tätigkeit im konkreten Einzelfall (vgl. Bayer in Krausskopf, Kommentar zur sozialen Krankenversicherung und Pflegeversicherung, § 5 SGB V Rdnr. 79). Neben einem gewissen zeitlichen Einsatz des Versicherten müssen mithin auch grundsätzlich Einnahmen verlangt werden, die zur Bestreitung des Lebensunterhalts wesentlich sind (vgl. Urteile des LSG Berlin vom 19.03.2003 - L 9 KR 157/02 - und des erkennenden Senats vom 24.08.2004 - L 11 KR 4196/03 - und vom 11.04.2006 - L 11 KR 4048/05 -). Unter Berücksichtigung der vorgelegten Einkommensteuerbescheide gehört der Kläger zum Personenkreis der hauptberuflich selbständig Erwerbstätigen, da die selbständige Tätigkeit die Haupteinnahmequelle zur Bestreitung des Lebensunterhalts darstellt.

Die Bestimmung des § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V steht mit höherrangigem Recht in Einklang (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22.05.2001 - 1 BvL 4/96 - SozR 3 - 2500 § 240 Nr. 39; BSG, Urteil vom 26.09.1996 - 12 RK 46/95 -, BSGE 79, 133, 146; Urteil des erkennenden Senats vom 05.10.2004 - L 11 KR 1392/04 -; Beschluss des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 05.07.2005 - L 16 KR 277/04 -). Ein Verstoß gegen Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) liegt, auch wenn die Mindestbeiträge freiwillig Versicherter in der Regel höher sind als die mancher Pflichtversicherter, nicht vor. Denn eine ungleiche Behandlung mehrerer Gruppen von Normadressaten ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nur dann unvereinbar, wenn zwischen ihnen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung nicht rechtfertigen können; ungleiche Behandlung und rechtfertigender Grund müssen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen (BVerfGE 82, 126, 146 m.w.N.). Das ist hier der Fall, denn die freiwilligen Mitglieder sind grundsätzlich geringer schutzbedürftig als die Pflichtversicherten, so dass deren Krankenversicherung von den Pflichtversicherten möglichst nicht mitfinanziert werden soll. Diesem vorzubeugen ist die Festsetzung der Mindestbeiträge geeignet (vgl. BSGE 70, 13, 19, 20 = SozR 3 - 2500 § 240 Nr. 6; BSG SozR 3 - 2500 § 240 Nr. 7). Die dafür genannten Gründe gelten auch hinsichtlich der Mindesteinnahmen-Grenze des § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V (vgl. zum Folgenden insbesondere BSGE 79, 133, 146 und BVerfG vom 22.05.2001). Der Gesetzgeber hat nach generellen Merkmalen bestimmte im Katalog des § 5 Abs. 1 SGB V aufgeführte Personengruppen als besonders schutzwürdig angesehen und sie deshalb der Versicherungspflicht unterworfen, dies gilt namentlich für die Selbständigen unter ihnen, nämlich die Landwirte (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 SGB V) sowie die Künstler und Publizisten (§ 5 Abs. 1 Nr. 4 SGB V). Bei ihnen waren neben der Schutzbedürftigkeit agrar- bzw. kulturpolitische Erwägungen maßgeblich für die Einbeziehung in die Versicherungspflicht (vgl. BSGE 79, 133, 141 m.w.N.). Soweit der Gesetzgeber aus den genannten Gründen eine Versicherungspflicht vorgeschrieben hat, werden Versicherungspflichtige bei niedrigem Einkommen auf Kosten der Versichertengemeinschaft entlastet. Diesen Vorteil brauchte der Gesetzgeber nicht auch den freiwillig Versicherten einzuräumen, die zudem - anders als die Pflichtversicherten - jederzeit mit einer kurzen Kündigungsfrist austreten können (§ 191 Nr. 4 SGB V).

Die Benachteiligung der hauptberuflich selbständig Erwerbstätigen gegenüber den freiwillig Versicherten, die nicht selbständig tätig sind, ist sachlich gerechtfertigt, denn die für die Beitragsbemessung maßgeblichen Einnahmen Selbständiger werden auf einer wesentlich anderen, für die Versicherten grundsätzlich günstigeren Bemessungsgrundlage als die Beiträge der sonstigen freiwilligen Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung berechnet. Maßgebend ist nämlich das Arbeitseinkommen im Sinne des § 15 Abs. 1 SGB IV, d.h. der nach steuerrechtlichen Vorschriften ermittelte Gewinn, der jedenfalls gegenüber den Bruttoeinnahmen anderer Versicherter (ohne die Minderungsmöglichkeit um Werbungskosten) einen Nettowert darstellt und zudem von den Krankenversicherungsträgern materiell nicht überprüft werden kann. Diese Unterschiede zwischen den Bruttoeinnahmen und dem Gewinn (Arbeitseinkommen) rechtfertigen die besondere Mindesteinnahmen-Grenze für hauptberuflich selbständig Erwerbstätige. Nach der Rechtsprechung des BVerfG braucht der Gesetzgeber bei der Ordnung von Massenerscheinungen nicht um die Gleichbehandlung aller denkbaren Fälle besorgt zu sein. Er ist vielmehr berechtigt, von einem Gesamtbild auszugehen, das sich aus den ihm vorliegenden Erfahrungen ergibt. Auf dieser Grundlage darf er generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen verwenden, ohne allein schon wegen der damit verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Dabei sind auch praktikable Erfordernisse der Verwaltung von Gewicht (BVerfGE 84, 348, 359, 360 m.w.N.). Im Sozialrecht ist wegen der fortwährenden schnellen Veränderungen des Arbeits-, Wirtschafts- und Finanzlebens dem Gesetzgeber eine besonders weite Gestaltungsfreiheit zuzugestehen (BVerfGE 77, 84, 106 m.w.N.). Der Gesetzgeber braucht von Verfassungswegen auch nicht die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung zu finden (BVerfGE 71, 255, 271 m.w.N.). Es dient jedenfalls der Herstellung der Beitragsgerechtigkeit, wenn der Gesetzgeber den der Gruppe der Selbständigen aus den günstigen Grundlagen der Beitragsbemessung erwachsenden Vorteil typisierend durch Festsetzung einer besonderen Mindestbemessungsgrenze ausgleicht (BVerfG vom 22.05.2001). Insgesamt enthält die Regelung des § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V eine für die Selbständigen teils vorteilhafte, teils nachteilige Regelung. Sie soll zudem verhindern, dass das mit der Ausübung einer selbständigen Tätigkeit verbundene Unternehmerrisiko über die Beitragsbemessung partiell auf die Solidargemeinschaft überwälzt werden kann. Gleiches gilt für die Auswirkung der grundsätzlich freien Entscheidung des Selbständigen über das Ausmaß des Arbeitseinsatzes auf seine beitragspflichtigen Einnahmen. Der Gesetzgeber darf dafür Sorge tragen, dass die Solidargemeinschaft für den Versicherungsschutz dieser Gruppe bei geringem wirtschaftlichem Erfolg nicht über Gebühr belastet wird. Soweit haupt- und nebenberuflich Selbständige unterschiedlich behandelt werden, ist der allgemeine Gleichheitssatz ebenfalls nicht verletzt, da sich beide Gruppen nach Lebenswirklichkeit und Krankenversicherungsschutz unterscheiden. Bei den Versicherten, die in erster Linie ihren Lebensunterhalt durch andere Einnahmen als solche der selbständigen Tätigkeit bestreiten, ist das nebenberuflich erworbene Arbeitseinkommen (Gewinn) von untergeordneter Bedeutung, weshalb diese Personengruppe hinsichtlich der Einkünfte aus der selbständigen Tätigkeit - anders als die freiwillig versicherten hauptberuflich Selbständigen - so behandelt werden wie versicherungspflichtig Beschäftigte, die neben einer Rente oder Versorgungsbezügen (nebenberuflich) Arbeitseinkommen beziehen.

Soweit der Kläger eine Benachteiligung gegenüber Sozialhilfeempfängern (Hartz IV) geltend macht, ist darauf hinzuweisen, dass diese Personengruppe keine oder nur unterhalb der Grenze der Hilfebedürftigkeit liegenden Einnahmen erzielt und nach § 5 Abs.1 Ziff. 2a SGB V pflichtversichert ist. Hinzu kommt, dass bei hauptberuflich Selbständigen, die die Mindestbeiträge aus ihrem Arbeitseinkommen oder ihren sonstigen Einnahmen bzw. aus dem Betriebsvermögen vorübergehend nicht aufbringen können, eine Finanzierung der Beiträge aus Mitteln der Sozialhilfe in Betracht kommt (§ 32 SGB XII).

Die vom Kläger schließlich noch beanstandeten Leistungen an ausländische Staatsbürger sind nicht Gegenstand dieses Verfahrens und vom Senat mangels vergleichbaren Lebenssachverhalts auch nicht im Rahmen des Art. 3 GG zu würdigen.

Die Mindesteinnahmengrenze des § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V ist auch der Höhe nach gerechtfertigt, denn bei deren Bestimmung hat der Gesetzgeber den Einschätzungsspielraum nicht überschritten, über den er verfügt, wenn er eine typisierende Regelung in der Gestalt eines sozialversicherungsrechtlichen Grenzwertes schafft (vgl. BVerfG vom 22.05.2001). Mit der getroffenen Regelung werden die hauptberuflich Selbständigen nicht von der Solidarität in der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen, es ist indes sichergestellt, dass die grundsätzlich versicherungsfreien Selbständigen, wenn sie sich für eine freiwillige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung entscheiden, einen angemessenen Beitrag zur Absicherung ihres Krankheitsrisikos leisten. Der Gesetzgeber war von Verfassungswegen nicht gehalten, die Beitragsbelastung der Selbständigen mit geringem Arbeitseinkommen, wie etwa von Kleingewerbetreibenden, Existenzgründern oder Berufsanfängern, durch eine Härteklausel zu mildern. Soweit dies in den seit Januar 2003 gültigen Fassungen des § 240 SGB V geschehen ist, entspricht dies der weiten Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers und wirkt sich auf die vorliegende streitige Beitragsberechnung nicht aus.

Die in § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V enthaltene Regelung über die Mindesteinnahmen verstößt schließlich auch weder gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG (BSGE 79, 133, 145; BSGE 70, 13, 17 = SozR 3 2500 § 240 Nr. 6; BSG SozR 3 - 2500 § 40 Nr. 7) noch gegen das Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG. Daraus lässt sich angesichts seiner Weite und Unbestimmtheit regelmäßig kein Gebot entnehmen, soziale Leistungen in einem bestimmten Umfang zu gewähren. Gleiches gilt für die Gestaltung des Beitragsrechts. (BSGE 79, 133, 146 m.w.N.).

Die Berufung des Klägers konnte hiernach keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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