L 5 KR 1374/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 1191/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 1374/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 30.1.2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme.

Der 1941 geborene Kläger, als Rentenbezieher bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert, beantragte unter Vorlage einer Verordnung des Internisten Dr. H. vom 19.10.2005 die Gewährung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme. Dr. H. teilte die Diagnosen degeneratives Wirbelsäulensyndrom mit Torsionsskoliose der LWS und lumbale Lordose, Bandscheibenprotrusionen L 2/3, L 3/4, L 4/5, degeneratives HWS-Syndrom, multiple myotendinotische Schmerzen, chronische Sprunggelenksarthritis, Asthma, Schlafapnoe-Syndrom, rezidivierende Nierenkoliken und ein Schulter-Arm-Syndrom mit. Aus Sicht des Klägers bestehe das Rehabilitationsziel in Rekonvaleszenz und Erholung.

Nachdem der Kläger den Reha-Antrag am 26.1.2006 (mit der Zielsetzung Verbesserung des Allgemeinzustands, Schmerzfreiheit bzw. Schmerzreduzierung) erneut gestellt hatte (Verwaltungsakte S. 8/1, 10), erhob die Beklagte das Aktengutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK, Dr. S.) vom 15.2.2006 (Verwaltungsakte S. 13/1). Darin ist ausgeführt, trotz der multiplen vorgelegten und im Gutachten berücksichtigten Facharztberichte und Dokumentationen sei nicht ersichtlich, dass hinsichtlich der Rehabilitationsdiagnosen die ambulante fachärztliche Behandlung ausgeschöpft worden sei. So habe die neurologisch-orthopädische Behandlung lediglich in der Verordnung von Analgetika bestanden; eine intensivierte schmerztherapeutische Behandlung, etwa durch einen Schmerztherapeuten, habe nicht stattgefunden. Auch die ambulante Verordnung von Heilmitteln sei nach Angaben des behandelnden Arztes in den letzten 12 Monaten nur 11 mal erfolgt; im Zeitraum vom 18.11.2004 bis 10.2.2005 seien Bewegungsübungen und Massagen rezeptiert worden. Damit sei nicht nachvollziehbar, dass ambulante Therapiemöglichkeiten am Wohnort erfolglos ausgeschöpft oder ungeeignet seien. Zur Intensivierung der ambulanten Therapie kämen, falls notwendig, eine schmerztherapeutische Behandlung in Betracht sowie eine Intensivierung der Heilmittelverordnung und ggf. der neurologisch-orthopädischen Therapie. Darüber hinaus müsse auf Grund der bekannten psychischen Erkrankung des Klägers (Entlassungsbericht der Kliniken für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik C.B., Göppingen, vom 29.9.2000: wahnhafte Entwicklung bei schwerer querulatorischer Persönlichkeitsstörung; seinerzeit vorzeitige Entlassung wegen Verstößen gegen die Stationsdisziplin und unkooperativen Verhaltens) von eingeschränkter Rehabilitationsfähigkeit ausgegangen werden. Grundsätzlich dringend wünschenswert wäre eine ambulante nervenärztliche Behandlung, die auch das chronische Schmerzsyndrom bessern könnte; offensichtlich habe sich der Kläger Vorschlägen dieser Art bislang aber verweigert. Eine stationäre Rehabilitationsbehandlung sei insgesamt nicht notwendig.

Mit Bescheid vom 17.2.2006 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Den dagegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 15.3.2006 zurück.

Am 28.3.2006 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Ulm; seine Menschenwürde werde verletzt und die Ärzte führten falsche Behandlungen durch.

Das Sozialgericht befragte behandelnde Ärzte (Dr. R., Neurologe, vom 29.5.2006: Empfehlung spezieller stationärer Reha-Maßnahmen habe er in seinem Arztbrief nicht ausgesprochen; Dr. Sch., Neurologe und Psychiater, vom 30.5.2006: wegen Kopfschmerzen und Übergewichts sei eine stationäre Reha-Maßnahme ein Erfolg versprechender Versuch zum Angehen der Beschwerden, sofern beim Kläger ausreichende Motivation für Veränderungen des Ernährungs- und Bewegungsverhaltens vorhanden; Dr. St., Chirurg, Phlebologe, vom 7.6.2006: keine Aussage zur Notwendigkeit stationärer Reha-Maßnahmen; Dr. B., Chirurg, vom 12.6.2006: stationäre Reha-Maßnahme bzgl. von ihm durchgeführter Untersuchungen/Behandlungen nicht notwendig; Dr. W.-V., Orthopäde Univ. Bukarest, vom 18.7.2006: stationäre Reha-Maßnahme sinnvoll wegen Multimorbidität; Dr. H., Internist, vom 26.7.2006: Kläger sehr aktiv mit seiner Gartenarbeit beschäftigt, halte sich "reif" für stationäre Reha-Maßnahme; Reha-Antrag seinerzeit auf Wunsch des querulatorisch veranlagten Klägers) und hörte den Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 30.1.2007. Dieser gab an, er leide unter zahlreichen Behinderungen und Schmerzen, weshalb eine stationäre Reha-Maßnahme notwendig sei. Nach einer Operation an der linken Schulter am 18.12.2006 erhalte er von der Beklagten ambulante Reha-Behandlungen.

Mit Urteil vom 30.1.2007 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die in §§ 40 Abs. 1 und 2, 11 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) festgelegten Voraussetzungen für die Gewährung einer stationären Reha-Maßnahme seien nicht erfüllt, da – vorrangige – ambulante Behandlungen nicht ausgeschöpft seien. Außerdem gehe aus den eingeholten Arztberichten ein stationärer Rehabilitationsbedarf nicht hervor. Berücksichtigt werde schließlich, dass der Kläger derzeit ambulante Reha-Maßnahmen insbesondere für sein Schultergelenk, aber auch für die Wirbelsäule und das übrige Skelettsystem erhalte.

Auf das ihm am 13.2.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 10.3.2007 Berufung eingelegt. Er bekräftigt sein bisheriges Vorbringen. Er sei schon mehrmals an der linken Schulter operiert worden. Eine ambulante Reha-Maßnahme sei keine gerechte menschliche Behandlung; er habe oft lange warten müssen und gefroren und sich deshalb erkältet. Man möge weitere Arztberichte einholen. Er begehre außerdem Schmerzensgeld und "Behinderten-Krankenrente" ab 2/1996 und 12.2.2007.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 30.1.2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 17.2.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.3.2006 zu verurteilen, die Kosten für eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in gesetzlicher Höhe zu übernehmen und zusätzlich Berufsunfähigkeitsrente laut Tarif und Schmerzensgeld in Höhe von 15.000 EUR ab 1996 zu zahlen.

die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt ergänzend vor, nach einem operativen Eingriff im Dezember 2006 sei auf ihre Kosten eine ambulante Anschlussrehabilitationsbehandlung vom 4.1. bis 7.2.2007 durchgeführt worden.

Der Kläger hat abschließend den Bericht der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. vom 14.4.2007 über eine stationäre Behandlung vom 7.3. bis 14.4.2007 (Spätinfekt nach stattgehabter SAD und RM-Naht 12/06, Abszessausräumung 2/07 und Z.n. 8 x Revisionen im Klinikum Cannstatt) sowie das Gutachten der Sportklinik Bad Cannstatt (Ltd. Arzt Dr. B. mit Assistenzarzt Dr. J.) vorgelegt. Daraus ergibt sich, dass der Kläger nach einem Unfall am 9.11.2005 (vor der Eingangstür einer Arztpraxis) mit Verletzungen des linken Armes zunächst konservativ behandelt wurde. Im Dezember 2006 erfolgte sodann eine erste operative Intervention, eine am 4.1.2007 begonnene ambulante Rehabilitationsbehandlung wurde am 7.2.2007 vom Kläger wegen Schmerzen abgebrochen. Zwischen dem 15.2. und dem 27. 2. 2007 wurden vier weitere operative Revisionen durchgeführt, danach wurde der Kläger in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik weiterbehandelt. Auf Grund seines insgesamt reduzierten Allgemeinzustandes gewährte die Beklagte eine weitere Anschlussheilbehandlung in der A.-Schw.- Klinik in Königsfeld vom 23.5.2007 bis 21.6.2007. Dabei konnte eine Besserung seines Allgemeinbefindens erreicht werden. Das Heilverfahren ist nach Auffassung der Gutachter (Bl. 16 des Gutachtens) mit dem Abschluss der Anschlussheilbehandlung am 21.6.2007 abgeschlossen.

Wegen der Folgen dieses Unfalls wurde dem Kläger wegen teilweiser Gebrauchsunfähigkeit des linken Armes eine Leistung von 16.333,33 EUR überwiesen (LSG-Akte S. 26).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Die Beklagte hat die Gewährung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme zu Recht abgelehnt; der Kläger hat darauf keinen Anspruch. Die trotz richterlichen Hinweises in der mündlichen Verhandlung gestellten weiteren Anträge auf Berufsunfähigkeitsrente und Schmerzensgeld haben mit dem bisherigen Streitgegenstand nichts zu tun und sind unzulässig.

Das Sozialgericht hat in seinem Urteil zutreffend dargelegt, nach welchen Rechtsvorschriften das Begehren des Klägers zu beurteilen ist (§§ 11, 40 SGB V), und weshalb dem Kläger danach eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme nicht zusteht. Der Senat nimmt auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils und ergänzend auf die Gründe des Widerspruchsbescheids vom 15.3.2006 Bezug (§§ 153 Abs. 1 und 2, 136 Abs. 3 SGG). Ergänzend ist anzumerken:

Aus dem Gutachten des MDK (Dr. S.) vom 15.2.2006 geht auch für den Senat überzeugend hervor, dass eine stationäre Maßnahme nicht gewährt werden kann, weil die vorrangigen ambulanten Behandlungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft waren. Dr. S. ist zu dieser Einschätzung auf Grund sorgfältiger Auswertung der vorliegenden Befunde und Arztberichte gelangt. Der Kläger hat dem nichts Stichhaltiges entgegen gesetzt. Sein Vorbringen liegt neben der Sache; er verkennt ersichtlich die gesetzlichen Voraussetzungen, unter denen stationäre Rehabilitationsbehandlungen auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewähren sind. Die als Spätfolge des Unfalls vom 9.11.2005 aufgetretenen Probleme im Bereich der linken Schulter waren während des Jahres 2006 aber nicht durch stationäre Rehabilitationsbehandlungen zu lösen, sondern - wie dies später auch erfolgt ist - durch entsprechende operative Behandlungen in einem Akutkrankenhaus. Die Beklagte hat dem Kläger danach – u.a. im Hinblick auf die Operation an der linken Schulter – die ihm nach dem Gesetz zustehenden Leistungen, nämlich ambulante Anschlussheilbehandlungen zunächst vom 4.1. bis 7.2.2007 und eine stationäre Rehabilitationsbehandlung vom 23.5.2007 bis 21.6.2007 gewährt. Dabei konnte eine Besserung des Allgemeinzustands erreicht werden. Nach der Beurteilung der Gutachter der Sportklinik Stuttgart-Bad Cannstatt ist damit das Heilverfahren abgeschlossen. Von weiteren Erkrankungen hat der Kläger auch in der mündlichen Verhandlung des Senats nichts vorgetragen. Damit sind darüber hinaus gehende Ansprüche auf stationäre Rehabilitationsbehandlung aus den für die Beklagte wie für die Gerichte verbindlichen Rechtsvorschriften nicht herzuleiten.

Bei dieser Sachlage drängen sich dem Senat angesichts der vorliegenden ärztlichen Erkenntnisse weitere Ermittlungen bzw. die Einholung weiterer Arztberichte nicht auf. Schmerzensgeld- oder Rentenansprüche sind nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens. Die vor dem Senat in der mündlichen Verhandlung gleichwohl gestellten Anträge auf Berufsunfähigkeitsrente und Schmerzensgeld waren unzulässig, worauf der Kläger vom Senat auch hingewiesen wurde; ihre Ablehnung wird von der allgemeinen Zurückweisung der Berufung umfasst.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung des Klägers erfolglos bleiben muss. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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